Baurecht

Nutzungsänderung von Sonnenstudion in Wettbüro

Aktenzeichen  M 8 K 15.518

Datum:
7.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137928
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 59 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 81 Abs. 1 Nr. 4
StPIS § 2 Abs. 2, Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
I.
Der zur Genehmigung gestellte Bauantrag vom 21. Juli 2014 beinhaltet eine Nutzungsänderung von einem Sonnenstudio zu einem als Vergnügungsstätte zu qualifizierenden Wettbüro.
Als „Wettbüro“ werden Betriebe bezeichnet, in denen zwischen dem Kunden (Spieler), dem Wettbüro (Vermittler) und dem – meist im europäischen Ausland ansässigen – Wettunternehmen Transaktionen abgeschlossen werden, wobei es sich um Sportwetten bzw. Wetten auf diverse sonstige Ereignisse handelt. Hinzu kommt im Regelfall, dass die Räumlichkeiten – insbesondere durch die Anbringung von Bildschirmen – Gelegenheit bieten, die Wettangebote bzw. – ergebnisse live mit zu verfolgen, wobei gerade dies ein Wettbüro von einer herkömmlichen LOTTO- und TOTO-Annahmestelle in einem Geschäftslokal wesentlich unterscheidet (vgl. OVG NRW, B.v. 10.7.2012 – 2 A 1969/11 – juris). Bei entsprechender Gestaltung des Betriebes können Wettbüros daher bauplanungsrechtlich nicht dem Nutzungstyp „Laden“ zugeordnet werden. Sie sind vielmehr als Vergnügungsstätte zu qualifizieren, da sie unter Ansprache des Spieltriebes ein bestimmtes gewinnbringendes Freizeitangebot vorhalten (Hess. VGH, B.v. 25.8.2008, NVwZ-RR 2009, 143; vgl. auch. BayVGH, U.v. 6.7.2005 – 1 B 01.1513 – juris). Von einer bloßen Wettannahmestelle kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung der Räumlichkeiten animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, um in geselligem Beisammensein Wetten abzuschließen (Rhpf. OVG v. 14.4.2011, NVwZ-RR 201, 635). Wettbüros sind also jedenfalls dann Vergnügungsstätten, wenn sie nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch zur Unterhaltung und zum Spiel in der Zeit bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses aktueller Wetten bieten (VGH BW, B.v. 1.2.2007, BauR 2007, 1217).
Dass vorliegend tatsächlich auch ein Wettbüro als Vergnügungsstätte eingerichtet werden soll, ergibt sich aus der Betriebsbeschreibung, nach der Tische und Stühle zum Verweilen der Kunden, Live-Übertragungen zum Verfolgen von Wettereignissen und dabei begleitend Getränke angeboten werden sollen. Nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris) genügt für die Annahme einer Vergnügungsstätte bereits das Angebot von Live-Wetten. Auch hat der Bevollmächtigte der Klägerin im Schriftsatz vom *. Oktober 2015 ausdrücklich erklärt, dass ein „Wettbüro als solches“ beantragt werden sollte, da eine Genehmigung für eine bloße Wettannahmestelle (Baugenehmigung v. 12.3.2015, Plan-Nr. 14-…6) bereits erteilt worden sei.
II.
Die Baugenehmigung für dieses als Vergnügungsstätte angelegte Wettbüro hat die Beklagte zu Recht im vereinfachten Genehmigungsverfahren versagt, in dem gemäß Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) neben der planungsrechtlichen Zulässigkeit auch die Übereinstimmung mit örtlichen Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO im Prüfumfang enthalten ist. Entgegen den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 8. Februar 2016 war dieser die Ablehnung des Bauantrages wegen des nicht ausreichenden Stellplatznachweises nicht gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO freigestellt. Vielmehr war der Bauantrag – zumindest auch – aus diesem Grund abzulehnen, da die Satzung der Landeshauptstadt München über die Ermittlung und den Nachweis von notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge (Stellplatzsatzung – StPlS) vom 19. Dezember 2007 (Bekanntmachung: 2.1.2008 – MüABl, Sondernr. 1, S. 1) gemäß Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO eine örtliche Bauvorschrift im Sinne des Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BayBO ist.
1. Die Stellplatzberechnung der Klägerin entspricht nicht den Anforderungen der Stellplatzsatzung der Beklagten, da sie die Bürofläche von 17,98 m² mit dem Stellplatzschlüssel 1:40 m² angesetzt hat, diese Fläche aber als Nutzfläche des Wettbüros dem Stellplatzschlüssel von 1:20 m² unterfällt (vgl. Anlage 1 zur Stellplatzsatzung Ziff. 10.1). Der unter Ziff. 2.1 der Anlage (1:40 m²) angeführte Stellplatzschlüssel kann für die als Büro des Wettbüros ausgewiesene Fläche nicht angesetzt werden. Dieser Stellplatzschlüssel gilt – wie sich aus dem System der Stellplatzanforderungen der Stellplatzsatzung und der Kategorie der Ziff. 2 (Büro, Praxis) eindeutig ergibt – für eine ausschließliche Büronutzung (wie z.B. ein Versicherungs- oder auch Maklerbüro), nicht jedoch für Büros als Annex zu anderen (gewerblichen) Hauptnutzungen, wie zum Beispiel Verkaufs-, Sport- oder Gaststätten etc.. Büroräume als Nebennutzfläche fallen hiernach je nach Nutzungsart entweder unter den – weiteren – Begriff der Nutzfläche wie bei den Ziff. 5.8, 8.1, 8.2, 9.1 – 9.3 und eben auch 10.1 (Spiel- und Automatenhalle, Videokabinen, sonstige Vergnügungsstätten) der Anlage zur StPlS oder finden in die Berechnung keinen Eingang, weil sich der Stellplatzschlüssel nur auf die spezielle Nutzfläche wie eine Verkaufsnutzfläche (Ziff. 3.1 – 3.6, 11.3), Sport-(Nutz-)Fläche (Ziff. 5.1, 5.2 und 5.9), Gastraumfläche (Ziff. 6.1) bzw. Freischankfläche (Ziff. 6.2) bezieht.
Für zugeordnete Lagerflächen wird unter den Erläuterungen zur Ermittlung der anzurechnenden Flächen der Anlage zur StPlS insoweit eine Sonderregelung getroffen, als diese auch nach Maßgabe der Ziff. 3 und Ziff. 9.2 anzurechnen sind. Ganz außer Betracht bleiben nach diesen Erläuterungen
– Flächen für haustechnische Anlagen (z.B. Heizungs-, Technikräume, Räume für Ver- und Entsorgungseinrichtungen),
– Flächen für die Erschließung des Gebäudes und seiner Räume (wie z.B. Flure, Treppenräume und sonstige Zuwegungen),
– Flächen für sanitäre Anlagen, Abstellräume und Stellplätze.
Hieraus ergibt sich, dass vorliegend 69,87 m² + 17,98 m² = 87,85 m² dem Stellplatzschlüssel von 1:20 m² unterliegen, was 4,39 Stellplätze ergibt.
Das Lager mit 38,66 m² unterliegt dem Stellplatzschlüssel von 1:80 m² gemäß Ziff. 9, da die Sonderregelung der Ziffern 3.1, 3.2, 3.5 und 3.6 für zugeordnete Lagerflächen nur bei Verkaufsnutzflächen von Läden, Baumärkten, Baustoffhandel bzw. Möbelhäusern Anwendung findet. Dementsprechend fallen für das Lager 38,66 m²:80 = 0,48 Stellplätze an. Das Vorhaben benötigt somit 4,39 + 0,48 = 4,87 Stellplätze, das heißt gemäß § 2 Abs. 6 StPlS 5 Stellplätze. Durch die Reduzierung gemäß § 3 Abs. 1 (b) StPlS verbleiben 3,75 = 4 Stellplätze als notwendiger Nachweis.
Aus dem Bestand können 3 Stellplätze angerechnet werden. Nach der Baugenehmigung vom 8. Dezember 1980 (Plan-Nr. 80/…/2 – Tektur zur Baugenehmigung v. 8.8.1980, Plan-Nr. 80/…/5) sind für den Laden im Erdgeschoss der P…str. … * bei einer Verkaufsnutzfläche von 156,88 m² 3 Stellplätze bei einem Stellplatzschlüssel von 1:50 m² angesetzt worden. In der Baugenehmigung vom 27. September 1999 (Plan-Nr. 99-…4 – Sonnenstudio) wurde der Stellplatzschlüssel von 1:50 m² bei einer Nutzfläche von 144,03 m² (= 3 Stellplätze) beibehalten; korrespondierend zur Baugenehmigung vom 8. Dezember 1980 wurde kein weiterer Stellplatz beauflagt.
Die mit Bauantrag vom 21. Juli 2014 zur Genehmigung gestellte Nutzung mit der dargestellten Raumaufteilung – die im Hinblick auf die zweifelhafte Notwendigkeit eines Lagers mit 38,66 m² und eines 21,33 m² großen Windfangs ohnehin nicht von wirtschaftlichen Überlegungen geleitet sein dürfte – erfordert 4 Stellplätze. Da aus dem Bestand nur 3 Stellplätze angerechnet werden können und der weitere Stellplatz nicht nachgewiesen wurde, war der Bauantrag vom 21. Juli 2014 abzulehnen, weshalb es auf die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht entscheidungserheblich ankommt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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