Baurecht

Nutzungsuntersagung für Probierstand wegen Nutzungsänderung

Aktenzeichen  W 5 S 20.1131

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25096
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 57 Abs. 4 Nr. 1, § 76 S. 2
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 3, Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1. Der Gegenstand einer Baugenehmigung wird in erster Linie durch den Bauantrag des Bauherrn bestimmt, wobei neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahme auch die genehmigten Bauvorlagen heranzuziehen sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinreichende Bestimmtheit i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG liegt dann vor, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung des Landratsamtes Main-Spessart.
1. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 genehmigte das Landratsamt Main-Spessart dem Antragsteller unter immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen die Errichtung einer Probierstube im ehemaligen Lager- und Scheunengebäude des Weinbaubetriebs H* … auf dem Grundstück Fl.Nr. 152 der Gemarkung H* …, Anwesen … … in … … (Baugrundstück). Das Baugrundstück liegt im Altortbereich von H* …, ein Bebauungsplan existiert nicht. Nach den zugrundeliegenden Planzeichnungen liegt die Probierstube im Obergeschoss des Anwesens und ist auf 40 Sitzplätze beschränkt. Im Erdgeschoss befinden sich den Planunterlagen zufolge der Zugang vom Hofraum, das Weinlager, die Toiletten und die Garderobe.
2. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 teilte das Landratsamt Main-Spessart dem Antragsteller mit, dass aufgrund von Nachbarbeschwerden und einer Mitteilung des Markts T* … festgestellt worden sei, dass das Baugrundstück unter anderem für Veranstaltungen wie Hochzeiten, Kabarettabende und Konzerte im Veranstaltungsraum sowie im Innenhof genutzt werde. Diese Nutzungen seien nicht mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 genehmigt worden. Aufgrund der Nutzungsänderung bedürfe es eines Bauantrags. Zudem wurde der Antragsteller hinsichtlich einer Nutzungsuntersagung für die vom Bescheid vom 16. Oktober 2012 nicht umfassten Nutzungen angehört.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 entgegnete die Bevollmächtigte des Antragstellers, dass dieser dazu bereit sei, die baugenehmigungsrechtliche Situation der allmählichen Entwicklung des Betriebs anzupassen. Eine Untersagung der Events auf dem Baugrundstück sei unverhältnismäßig, da die Auflagen zum Immissionsschutz aus der Baugenehmigung vom 16. Dezember 2012 beachtet würden. Eine Anpassung der Baugenehmigung sei gegenüber einer Untersagungsverfügung das mildere Mittel.
3. Mit Bescheid vom 24. März 2020 untersagte das Landratsamt Main-Spessart die Nutzung des Gebäudes und des Innenhofs auf dem Baugrundstück als Eventlokalität für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art, für Musikdarbietungen und für Kabarett sowie als Yoga-Raum. Unberührt bleibe der Nutzungsumfang, der mit Baubescheid vom 16. Dezember 2012 genehmigt worden sei (Probierstube mit bis zu 40 Gastplätzen) unter den dort genannten Auflagen (Ziffer 1). Die sofortige Vollziehung der Untersagung in Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 2). Ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000,00 EUR wurde angedroht (Ziffer 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die unter Ziffer 1 ausgesprochene Nutzungsuntersagung beruhe auf Art. 76 Satz 2 BayBO. Eine Nutzungsuntersagung könne bereits allein wegen formeller Illegalität (fehlende Baugenehmigung) ausgesprochen werden. Auf die materielle Illegalität komme es nicht an. Über die Genehmigungsfähigkeit könne derzeit keine Aussage getroffen werden. Zum einen bestünden erhebliche immissionsschutzrechtliche Bedenken. Nach der fachtechnischen Stellungnahme des Immissionsschutzes werde der Nutzungsumfang der Eventlokalität mit regelmäßig stattfindenden lärmrelevanten Veranstaltungen bzw. Feierlichkeiten einschließlich Musikdarbietungen und unter Einbeziehung der Hoffläche kritisch gesehen. Es seien demzufolge erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft zu besorgen. Zum anderen handele es sich bei dem Vorhaben um einen Sonderbau, bei dem brandschutzrechtliche Vorschriften zu prüfen seien. Bei Baukontrollen vom 22. Januar 2020 und vom 9. März 2020 sei festgestellt worden, dass die im Bescheid vom 16. Oktober 2012 genehmigte Fluchttreppe nicht gebaut worden und ein zweiter Rettungsweg über einen Türdurchbruch zum Nebengebäude geschaffen worden sei. Es sei zu besorgen, dass durch die Nichteinhaltung des Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 BayBO Menschen gefährdet würden. Zudem sei nicht erkennbar, wo die erforderlichen Stellplätze nach Art. 47 BayBO hergestellt würden. Die ausgewiesenen Stellplätze seien derzeit nicht befahrbar, da sie als Lagerfläche genutzt würden. Der Erlass der Nutzungsuntersagung stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Landratsamts. Eine Duldung könne Signalwirkung für weitere ähnliche Anlagen haben, die dann ebenfalls ohne Genehmigung genutzt würden. Eine Duldung berge zudem erhebliche Gefahren für Gäste und Benutzer der Einrichtung und führe möglicherweise zu erheblichen Lärmbelästigungen für die Nachbarn. Die Maßnahmen seien auch verhältnismäßig. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Das öffentliche Interesse an der Durchsetzung rechtmäßiger Zustände bzw. der Schutz der Rechtsordnung sowie der Nachbarn, die durch Lärm gestört würden, als auch der Nutzer, die gegebenenfalls nicht rechtzeitig im Brandfall flüchten könnten, wiege schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung bzw. dem Erhalt nicht genehmigter Nutzungen. Für den Antragsteller seien der Weinanbau und Weinverkauf die Existenzgrundlage, nicht das Betreiben einer Eventlokalität mit diversen Veranstaltungen.
4. Mit Schriftsatz vom 22. April 2020 ließ der Antragsteller über seine Bevollmächtigte Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. März 2020 erheben (W 5 K 20.575), über die noch nicht entschieden wurde.
Mit Schriftsatz vom 25. August 2020, bei Gericht per Telefax eingegangen am Folgetag, ließ der Antragsteller über seine Bevollmächtigte zudem b e a n t r a g e n,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. April 2020 wiederherzustellen, soweit mit Bescheid vom 24. März 2020 die Nutzung als Yoga-Raum und die Nutzung des Gebäudes und des Innenhofs für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art, also auch mit geladenen Gästen (Hochzeiten und andere Feiern), untersagt wurden.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Mittlerweile sei ein Bauantrag eingereicht worden. Nach dem beigefügten Immissionsgutachten der Fa. W* … stehe der Baugenehmigung für eine Gaststätte für bis zu 99 Gästen nichts im Wege. Die fehlende Fluchttreppe sei gebaut worden. Ein zweiter Fluchtweg sei hergestellt. Es sei unklar, aufgrund welcher Erwägungen das Landratsamt Main-Spessart Yogakurse als Lärmbelästigungen betrachte. Der Umfang der Yogakurse für 6 bis 12 angemeldete Personen stelle keinen Anlass für eine Nutzungsuntersagung dar. Eine formelle Illegalität für Yogakurse liege nicht vor. Die Weinprobierstube könne von bis zu 40 Gästen genutzt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass für Nutzer des Yogakurses schärfere gesetzliche Vorgaben gälten als für die Gäste einer Weinprobierstube. Hinsichtlich der Untersagung von Feiern sei die Nutzungsuntersagung unbestimmt. Ein Hinweis auf eine kostenpflichtige zwangsmittelbewehrte Anordnung sei nicht erfolgt; die Anhörung habe sich auf die Forderung zur Stellung eines Bauantrags beschränkt. Die vom Bescheid vom 16. Oktober 2012 nicht umfassten Veranstaltungen seien vom Markt T* … jahrelang mit einer Gestattung nach § 12 GastG für besondere Anlässe gebilligt worden.
5. Das Landratsamt Main-Spessart b e a n t r a g t e für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die mit Bescheid vom 24. März 2020 untersagten Nutzungen seien weiterhin formell illegal. Der am 22. Juni 2020 eingegangene Bauantrag befinde sich noch in Prüfung; es stünden noch Stellungnahmen der Unteren Wasserrechtsbehörde und der Immissionsschutzbehörde aus. Die mit Baubescheid vom 16. Oktober 2012 genehmigte Fluchttreppe am östlichen Nebengebäude sei bis heute nicht errichtet worden; stattdessen sei planabweichend eine Fluchttreppe am südlichen Gebäude errichtet worden. Die Nutzung des Gebäudes für das Abhalten von Yogakursen sei in der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 nicht erfasst worden; auch im laufenden Bauantrag sei diese Nutzungsform nicht beantragt worden. Die Parkplätze hätten nur bedingt genutzt werden können; bei der Baukontrolle am 9. März 2020 seien darauf ein Pkw-Anhänger, zwei Tanks, eine Gitterbox sowie diverses Holz abgestellt worden. Die Nutzungsuntersagung sei nicht unklar formuliert. Die Anhörung sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Nutzungsuntersagung verstoße nicht gegen das Übermaßverbot. Weder für den Yoga-Raum noch für die Abhaltung privater Feiern jeglicher Art im Innenhof und im Gebäude könne von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden.
6. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, der sachgerecht dahingehend auszulegen ist (§ 88 VwGO), die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage W 5 K 20.575 bezüglich der Verfügung unter Ziffer 1 des Bescheids vom 24. März 2020 wiederherzustellen, soweit darin die Nutzung des Gebäudes als Yoga-Raum und als Eventlokalität für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art untersagt wurde, hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die insoweit vom Landratsamt Main-Spessart getroffenen Anordnungen ist entfallen, weil dieses in Ziffer 2 des Bescheids die unter Ziffer 1 getroffene Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.1. Es bestehen seitens der Kammer keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Insbesondere hat das Landratsamt Main-Spessart die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Dabei sind regelmäßig die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe anzugeben, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 CS 18.2659; B.v. 2.8.2018 – 9 CS 18.996 – beide juris). An dieses Begründungserfordernis sind jedoch inhaltlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; es genügt vielmehr jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55). Im Fall der baurechtlichen Nutzungsuntersagung sind schon mit Blick auf die negative Vorbildwirkung formell rechtswidriger Nutzungen sowie auf die Kontrollfunktion des Bauordnungsrechts nur geringe Anforderungen an die Begründung der Vollziehungsanordnung zu stellen (BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 CS 18.996; B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 – beide juris). Vorliegend erfüllt die Begründung des Landratsamts Main-Spessart im Bescheid vom 24. März 2020 die vorgenannten Anforderungen. Danach bestehe bei der weiteren Nutzung des Anwesens die erhebliche Gefahr, dass umliegende Nachbarn durch die Nutzung in einem nicht hinzunehmenden Maß, welches auch durch den technischen Immissionsschutz vorab nicht habe ausgeschlossen werden können, belästigt würden. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass der erforderliche Brandschutz für einen Sonderbau nicht gewährleistet werden könne. Es bestehe die Gefahr, dass die Gesundheit und sogar das Leben der Besucher durch einen möglichen Brandausbruch gefährdet seien. Damit hat die Behörde die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben, die sie dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen. Zudem enthält die Begründung mit der Hervorhebung des öffentlichen Interesses an der Beachtung und strikten Durchführung des Genehmigungsverfahrens und die andernfalls zu befürchtende negative Vorbildwirkung gerade auch diejenigen grundsätzlichen Erwägungen, die das öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse, eine rechtswidrige Nutzung vorläufig fortsetzen zu dürfen, regelmäßig überwiegen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2005 – 25 CS 05.1192 – juris). Auch für den konkreten Fall hat die Behörde das Individualinteresse des Antragstellers in den Blick genommen, jedoch hinter den öffentlichen Interessen zurücktreten lassen. Auf die inhaltliche Tragfähigkeit dieser Argumentation kommt es an dieser Stelle nicht an. Infolgedessen hat das Landratsamt Main-Spessart im Bescheid vom 24. März 2020 dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in hinreichender Weise Rechnung getragen.
2.2. Nach der im Sofortverfahren gebotenen summarischen Überprüfung hat die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 24. März 2020 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Erfolg. Die Nutzungsuntersagung in Ziffer 1 des Bescheids ist – soweit im Sofortverfahren angegriffen – aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Berücksichtigung dessen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Im Einzelnen:
2.2.1.
Im Anfechtungsprozess gegen eine Nutzungsuntersagung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts bzw., wenn eine solche nicht stattfindet, der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich, da es sich bei der Nutzungsuntersagung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (BayVGH, U.v. 25.1.1988 – 14 B 86.2382 – BayVBl. 1989, 534).
2.2.2.
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung bestehen nicht. Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 (Bl. 42 der Behördenakte) zum Erlass einer Nutzungsuntersagung hinsichtlich der im Bescheid vom 16. Oktober 2012 nicht umfassten „Veranstaltungen“ angehört, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Hierunter fallen auch die vom Antragsteller auf dem Baugrundstück organisierten Yoga-Kurse, auch wenn diese im Klammerzusatz „(Konzerte, … sonstige Feierlichkeiten)“ nicht nochmals ausdrückliche Erwähnung gefunden haben. Selbst wenn man dies anders beurteilen und von der Erforderlichkeit einer gesonderten Anhörung in Bezug auf die Nutzung als Yoga-Raum ausgehen würde, ist dieser Mangel jedenfalls im gerichtlichen Verfahren geheilt worden, § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG. Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers ist es ferner ohne rechtlichen Belang, dass im Schreiben vom 19. Dezember 2019 die Zwangsgeldandrohung nicht angekündigt wurde. Abgesehen davon, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung im hiesigen Sofortverfahren von der Bevollmächtigten nicht beantragt wurde, ist auszuführen, dass von einer Anhörung abgesehen werden konnte, weil sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten war, da eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollte (Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG) und selbst bei Annahme eines Anhörungsmangels auch insoweit jedenfalls von einer Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG im gerichtlichen Verfahren auszugehen ist.
2.2.3.
In materieller Hinsicht ist die Nutzungsuntersagung unter Ziffer 1 des Bescheids vom 24. März 2020 – soweit im hiesigen Verfahren hinsichtlich der Nutzung als Yoga-Raum und der Nutzung als Eventlokalität für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art angegriffen – nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Vorschrift kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. Denn es ist im Allgemeinen unverhältnismäßig, eine offensichtlich materiell legale Nutzung zu untersagen, ohne den Bauherrn vorher – vergeblich – aufgefordert zu haben, einen Bauantrag zu stellen (Art. 76 Satz 3 BayBO) bzw. ohne über einen bereits gestellten Bauantrag entschieden zu haben (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 CS 18.2659 – juris).
Vorliegend ist die Erweiterung von der genehmigten Nutzung des streitgegenständlichen Gebäudes als Probierstube im ehemaligen Lager-/Scheunengebäude mit 40 Sitzplätzen und zugehörigen Nebenräumen auf die verfahrensgegenständliche, untersagte Nutzung als Eventlokalität zum Abhalten von Feierlichkeiten jeglicher Art und als Yoga-Raum nach Art. 55 BayBO baugenehmigungspflichtig. Eine gewerbliche Nutzung der Gebäude zur Ausrichtung von Feierlichkeiten und Yogakursen ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012. Die Variationsbreite der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 beschränkt sich bei sachgerechter Auslegung auf die Durchführung von Weinproben und -präsentationen mit bis zu 40 Gästen im Veranstaltungsraum und deckt die darüber hinausgehenden Nutzungsformen – so auch die Ausrichtung von Feierlichkeiten jeglicher Art (z.B. Hochzeits- und Geburtstagsfeiern) und Yogakursen – nicht ab. Der Gegenstand der Baugenehmigung wird nämlich in erster Linie durch den Bauantrag des Bauherrn bestimmt, wobei neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahme auch die genehmigten Bauvorlagen heranzuziehen sind (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 20.3.2014 – 1 LB 189/11 – juris; Greim-Diroll in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 15. Edition, Stand: 1.6.2020, Art. 68 Rn. 38). Die Ausrichtung von Feierlichkeiten und Yogakursen ist hier jedoch weder im eingereichten Bauantragsformular vom 11. Mai 2012 noch in einer Nutzungsbeschreibung noch in den genehmigten Planunterlagen überhaupt erwähnt worden. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass bei der Auslegung der Baugenehmigung auch weitere Indizien Berücksichtigung finden können; dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Umstände ihrerseits schriftlich dokumentiert sind und wenn in der Genehmigung bzw. den genehmigten Bauvorlagen zumindest ein Bezug zu diesen hergestellt ist – vergleichbar der „Andeutungstheorie“ bei der Auslegung von Testamenten (OVG Lüneburg, U.v. 20.3.2014 – 1 LB 189/11 – juris m.w.N). Vorliegend lassen sich solche Indizien jedoch nicht feststellen. Insbesondere kann die allein an die Immissionsschutzbehörde gerichtete E-Mail des Antragstellers vom 26. September 2012, in der neben Weinproben und Weinpräsentationen auch andere Nutzungsformen (u.a.: „vereinzelt Familienfeiern, Weihnachtsfeier“) stichpunktartig aufgeführt worden sind (vgl. Bl. 83 der Behördenakte), nicht als Indiz für eine entsprechende Reichweite der Baugenehmigung herangezogen werden, zumal es in den Bauvorlagen an jeglicher Bezugnahme auf diese Nutzungsformen fehlt. Die in der E-Mail vom 26. September 2012 getroffenen Angaben dienten vielmehr allein als Grundlage für die von der Immissionsschutzbehörde im Baugenehmigungsverfahren abzugebende Stellungnahme, können das vom Antragsteller geplante Vorhaben jedoch – gerade im Unterschied zu den eingereichten Bauvorlagen – nicht mit verbindlicher Wirkung umreißen und lassen sich dementsprechend nicht als Gegenstand des genehmigten Bauantrags ansehen. Im Übrigen sind selbst in der E-Mail des Antragstellers vom 26. September 2012 nur „vereinzelte“, nicht aber – wie aktuell beabsichtigt – regelmäßig wiederkehrende Familienfeierlichkeiten (vgl. aktuelle Baubeschreibung vom 13.1.2020: „1-2 Mal im Monat“, Bl. 14 der Bauakte zum Verfahren …*) mit einer Personenzahl von gegebenenfalls auch mehr als 40 Teilnehmern (vgl. ergänzende Baubeschreibung vom 8.9.2020: „Erhöhung der zulässigen Personenzahl von 40 Personen auf bis zu < 100 Personen“, Bl. 186 der Bauakte zum Verfahren … sowie die zugehörigen Planzeichnungen, die von „99 Sitzplätzen“ im Veranstaltungsraum ausgehen) erwähnt, ebenso wenig wie die Durchführung von Yogakursen. Damit spricht nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung alles dafür, dass die aktuell beabsichtigten Nutzungsformen von der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 abweichen und deswegen von einer Nutzungsänderung i.S.v. Art. 55 Abs. 1 BayBO auszugehen ist.
Die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Verfahrensfreiheit liegen nach Aktenlage nicht vor, insbesondere nicht auf Grundlage von Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO. Verfahrensfrei ist danach die Änderung der Nutzung von Anlagen, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen nach Art. 60 Satz 1 und Art. 62 bis 62b BayBO als für die bisherige Nutzung in Betracht kommen. In Bezug auf die geänderte Gesamtanlage, die neben der Probierstube u.a. auch eine Eventlokalität für die Ausrichtung von Feierlichkeiten und den Yoga-Raum mitumfasst, kommen andere öffentlich-rechtliche Anforderungen nach Art. 60 Satz 1 BayBO und Art. 62 BayBO schon deshalb in Betracht, weil aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen der früheren und der neuen Anlagennutzung andere materiell-rechtliche Maßstäbe anzuwenden sind. Das gilt insbesondere für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des neuen Vorhabens, bei der neben der Frage des „Einfügens“ i.S.v. § 34 BauGB u.a. die Vereinbarkeit mit dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme zu prüfen ist, die in ganz besonderem Maße von der aktuellen Betriebsbeschreibung und den zu erwartenden Immissionen auf die Nachbarschaft abhängt. Darüber hinaus spricht vorliegend alles dafür, dass der Antragsteller eine Innengaststätte mit mehr als 40 Gastplätzen betreiben möchte (vgl. insbesondere Bl. 15 und 186 der Bauakte zum Verfahren …*), so dass nach Aktenlage – wie auch vom Antragsteller zuletzt selbst angegeben (vgl. Bl. 185 der Bauakte zum Verfahren …*) – von einem Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO auszugehen sein dürfte, der ein Verfahren nach Art. 60 BayBO mit vollumfänglicher Prüfung des Bauordnungsrechts erforderlich macht. Dabei sind vom Antragsteller u.a. auch die Vorgaben zum Standsicherungsnachweis (Art. 62a BayBO) und zum Brandschutznachweis (Art. 62b BayBO) zu erfüllen. Auch aus diesem Grund sind die Voraussetzungen für eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO nicht erfüllt. Erst das eingeleitete Bauantragsverfahren kann klären, ob die vom Bauherrn vorgesehenen Betriebsformen den zu prüfenden bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Bestimmungen genügen.
Eine Verfahrensfreiheit nach Maßgabe von Art. 57 Abs. 4 Nr. 2 BayBO scheidet ebenfalls aus, weil die geänderte Nutzung keinem der Tatbestände des Art. 57 Abs. 1 und Abs. 2 BayBO unterfällt.
Somit wird das Gebäude auf dem Baugrundstück in einem nicht unerheblichen Umfang ohne die erforderliche Genehmigung und damit im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt. Eine solche formelle Illegalität erfüllt grundsätzlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO (BayVGH, B.v. 5.7.2004 – 15 CS 04.58 – juris).
Die materielle Rechtswidrigkeit des angegriffenen Teils der Nutzungsuntersagung ergibt sich auch nicht – wie die Bevollmächtigte des Antragstellers meint – aus einer der Nutzungsuntersagung anhaftenden Unbestimmtheit. Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Für den Adressaten muss daher der Inhalt der getroffenen Regelung eindeutig erkennbar sein, sodass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist im Zweifel durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts und der speziellen Sachkunde des adressierten Fachkreises in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (stRspr, vgl. BVerwG, u.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris). Hinreichende Bestimmtheit liegt dann vor, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Erst wenn auch unter Anwendung der anerkannten Auslegungsgrundsätze keine Klarheit über den Behördenwillen geschaffen werden kann bzw. Widersprüchlichkeiten nicht beseitigt werden können, ist Unbestimmtheit anzunehmen (BayVGH, B.v. 30.7.2020 – 1 ZB 20.789 – juris m.w.N.). Vorliegend lässt sich dem Bescheid vom 24. März 2020 seinem Tenor unter Ziffer 1 klar entnehmen, dass die Nutzung u.a. „als Eventlokalität für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art“ untersagt werden sollte. Der Regelungsausspruch differenziert dabei nicht – wie von der Antragstellerbevollmächtigten erwogen – zwischen Feierlichkeiten, die für die Allgemeinheit zugänglich sind („öffentliche Feiern“), und Feiern in geschlossener Gesellschaft wie z.B. Geburtstags- oder Hochzeitsgesellschaften („private Feiern“), weshalb in eindeutiger Weise alle vom Antragsteller – freilich in Ausübung seines Gewerbebetriebs – ausgerichteten Feiern untersagt worden sind. Es ist für die Kammer nicht nachzuvollziehen, inwieweit dem Bescheid insoweit eine Unbestimmtheit anhaften sollte. Eine solche resultiert auch nicht aus der im Tenor getroffenen Klarstellung, wonach der mit Baubescheid vom 16. Oktober 2012 genehmigte Nutzungsumfang (Probierstube mit bis zu 40 Gastplätzen) unberührt bleibt. Vielmehr wird damit besonders deutlich, dass der bisherige baurechtliche Bestandsschutz, der zur Durchführung von Weinproben und -präsentationen mit bis zu 40 Gastplätzen nach Maßgabe der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 berechtigt, gewahrt werden sollte.
2.2.4.
Das Landratsamt Main-Spessart hat nach summarischer Prüfung auch sein nach Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumtes Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Der angegriffene Teil der Nutzungsuntersagung wahrt die gesetzlichen Grenzen des Ermessens und entspricht dem Zweck der Ermächtigung (§ 114 Satz 1 VwGO).
Da das öffentliche Interesse grundsätzlich das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände im Wege der Nutzungsuntersagung gebietet, macht die Behörde im Regelfall von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch, wenn sie bei rechtswidrig errichteten oder genutzten Anlagen die unzulässige Benutzung untersagt, weil nur so die Rechtsordnung wiederhergestellt werden kann. Es handelt sich bei der Befugnisnorm des Art. 76 Satz 2 BayBO um einen Fall intendierten Ermessens, so dass grundsätzlich bereits die Erfüllung des Tatbestands den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt und in der Regel keine besondere Begründung der Abwägungsentscheidung erforderlich ist. Es genügt, wenn die Bauaufsichtsbehörde zum Ausdruck bringt, dass der beanstandete Zustand wegen seiner Rechtswidrigkeit beseitigt werden müsse (vgl. Decker in: Simon/Busse, BayBO, 137. EL, Stand: Juli 2020, Art. 76 Rn. 301 m.w.N.; s. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 CS 18.2659; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – beide juris). Eine Nutzungsuntersagung kann jedoch unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft sein, wenn die Nutzung offensichtlich materiell rechtmäßig und damit genehmigungsfähig ist.
Eine Unverhältnismäßigkeit der auf die formelle Illegalität gestützten Nutzungsuntersagung liegt nach summarischer Überprüfung nicht vor. Die von der Antragstellerseite beanspruchten Nutzungen lassen sich als Teile des Gesamtvorhabens in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Bauaufsichtsbehörde nicht als offensichtlich genehmigungsfähig einstufen (zur Verhältnismäßigkeit einer Nutzungsuntersagung trotz eingereichten Bauantrags vgl. auch OVG Magdeburg, B.v. 29.8.2019 – 2 M 85/19; OVG Münster, B.v. 10.6.2019 – 10 B 678/19 – beide juris). Es spricht unter Berücksichtigung des zuletzt eingereichten Bauantrags vom 6. April 2020 („Nutzungsänderung einer vorhandenen Probierstube zu einem Veranstaltungsraum sowie Umnutzung eines Lagerraums zu einer Vinothek“) alles dafür, dass das geplante Gesamtvorhaben – wie vorerwähnt – als Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO (Gaststätte mit mehr als 40 Plätzen im Innenraum) einzuordnen ist. Da es aufgrund dessen der Erbringung bautechnischer Nachweise nach Maßgabe der Art. 62 ff. BayBO bedarf, welche bislang seitens des Antragstellers nicht vorgelegt wurden, fehlt es schon aus diesem Grund an der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens, welches die vom Antragsteller im hiesigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beanspruchten Einzelnutzungen (als Eventlokalität zum Abhalten von Feiern jeglicher Art und als Yoga-Raum) umfasst. Hinzu kommt, dass der vom Antragsteller eingereichte Bauantrag der Bauaufsichtsbehörde Anlass zur Einholung von Stellungnahmen der Unteren Wasserrechtsbehörde und des Immissionsschutzes gegeben hat, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ebenfalls nicht vorlagen. Dementsprechend können für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens wesentliche Gesichtspunkte, insbesondere Fragen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots, nicht abschließend beurteilt werden. Damit kann zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit die Rede sein.
Der angegriffene Teil der Nutzungsuntersagung erweist sich nach summarischer Prüfung auch nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Die Maßnahme ist geeignet, die weitere Nutzung des Gebäudes als Eventlokalität zur Ausrichtung von Feierlichkeiten und als Yoga-Raum zu unterbinden. Die Maßnahme ist erforderlich, weil dem Landratsamt kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um die rechtswidrige Nutzung des Gebäudes zu verhindern. Die Maßnahme ist auch angemessen. Das Interesse der Allgemeinheit an einer Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Nutzung des Gebäudes überwiegt das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers, zumal u.a. grundlegende bauordnungs- und bauplanungsrechtliche Fragen noch nicht abschließend geklärt sind und die geänderte Nutzung mit potenziellen Gesundheitsgefahren für die Nutzer und mit Rechtsverletzungen und erheblichen Auswirkungen für die Nachbarn einhergehen kann. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Landratsamt Main-Spessart mit der Nutzungsuntersagung nicht in den baurechtlichen Bestandsschutz und damit in bestehende Vermögenspositionen des Antragstellers eingegriffen hat; vielmehr bleibt die Nutzung des Gebäudes als Probierstube mit 40 Gastplätzen gestattet. Die Nutzungsuntersagung gebietet lediglich ein bloßes Unterlassen der nicht genehmigungskonformen Nutzung bis zur Klärung ihrer Rechtmäßigkeit. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Existenzgefährdung des Antragstellers.
Auch die weiteren vom Landratsamt Main-Spessart getroffenen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Es hat deutlich gemacht, dass es die Nutzungsuntersagung mit Blick auf die befürchtete Signalwirkung für andere bauliche Anlagen, die Gefahren für Gäste und Benutzer der Einrichtung und die Lärmauswirkungen auf Nachbarn ausgesprochen hat. Zugleich hat es in nicht zu beanstandender Weise zum Ausdruck gebracht, dass eine Duldung des baurechtswidrigen Zustands nicht in Betracht kommt. Darin ist eine ordnungsgemäße Ermessensausübung zu erkennen. Die Antragstellerseite hat auch keine besonderen Umstände dargelegt, aufgrund derer die Behörde von der Nutzungsuntersagung hätte absehen müssen. Allein der Verweis darauf, dass der Markt T* … in der Vergangenheit für bestimmte Events eine gaststättenrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 12 GastG erteilt hat, genügt insoweit nicht. Hieraus kann insbesondere nicht abgeleitet werden, dass das Landratsamt Main-Spessart die von der erteilten Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 nicht erfassten Betriebsformen baurechtlich in einer Weise geduldet hätte, die den Ausspruch einer Nutzungsuntersagung ermessensfehlerhaft erschienen ließe.
2.3. Demnach überwiegt vorliegend das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die finanziellen Folgen, die die Nutzungsuntersagung für den Antragsteller nach sich zieht, müssen aufgrund der im bauaufsichtlichen Verfahren zu klärenden sicherheits- und nachbarrechtsrelevanten Fragestellungen hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurückstehen.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 9.4. des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Kammer hält im Hauptsacheverfahren einen Streitwert in Höhe 5.000,00 EUR für angemessen, der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war.


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