Baurecht

Pflanzgebot zu gemeindlicher Festsetzung in Bebauungsplan mit Zwangsgeldandrohung, Thuja-Hecke, Fehlende Begründung der städtebaulichen Erforderlichkeit, Zwangsgeldandrohung mangels vollziehbarem Grundverwaltungsakt rechtswidrig

Aktenzeichen  Au 5 K 20.2764

Datum:
8.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30031
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 178 i.V.m. § 175 Abs. 2
VwZVG Art. 19 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2020 (Az.: …) wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene, Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2020 ist rechtswidrig, da für das in Ziffer 1 angeordnete Pflanzgebot jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 175 Abs. 2 i.V.m. 178 BauGB nicht erfüllt sind.
a) Zwar ist der Bescheid formell rechtmäßig.
So ist die Beklagte gem. §§ 9 Abs. 1 Nr. 25, 178 BauGB sachlich und gem. Art. 3 I Nr.1 BayVwVfG örtlich für die Anordnung des Pflanzgebots in Ziffer 1 des Bescheids auf der Grundlage von § 178 BauGB zuständig. Ihre Zuständigkeit für die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 folgt aus Art. 30 VwZVG. Auch ist der Mangel in der Anhörungspflicht gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG geheilt. Unter Anhörung versteht man, dass die Behörde dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zum Gang des Verfahrens, zu Gegenstand, den entscheidungserheblichen Tatsachen und zu möglichen Ergebnis innerhalb einer angemessenen Frist gibt. Vorliegend bezog sich aber die der Klägerin eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme durch Schreiben der Beklagten vom 24.September 2020 mit Frist bis zum 9. Oktober 2020 nicht auf das mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid angeordnete Pflanzgebot, sondern auf die beabsichtigte Ablehnung „Antrag auf Erteilung einer isolierten Befreiung“ für vorhandene Thuja-Pflanzen. Dieser Mangel wurde aber durch die Gelegenheit der Stellungnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geheilt, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG.
b) Das Pflanzgebot in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist aber materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen für ein Pflanzgebot nach § 178 BauGB i.V.m. § 175 Abs. 2 BauGB auf Grundlage der Festsetzung unter 12. des Bebauungsplan Nr. 12 „…“ der Beklagten liegen nicht vor.
Nach § 178 BauGB kann eine Gemeinde den Eigentümer durch Bescheid verpflichten, sein Grundstück innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist entsprechend den nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 getroffenen Festsetzungen zu bepflanzen. § 175 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB bestimmt, dass die Anordnung von Maßnahmen nach den §§ 176 bis 179 voraussetzt, dass die alsbaldige Durchführung der Maßnahmen aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist.
aa) Bei den Festsetzungen unter 12. des Bebauungsplan Nr. 12 „…“ handelt es sich dem Grunde nach um Festsetzungen auf der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB.
– Dabei sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB grundsätzlich zulässig solche Bepflanzungsfestsetzungen im Bebauungsplan, mit denen neben siedlungsökologischen (Ortsrandbegrünung, Verbesserung des Stadtklimas) und naturschutzrechtlichen (Schutz wertvollen Grünbestands) auch städtebauliche Ziele verfolgt werden (BVerwG, U.v. 31.08.2000 – 4 CN 6/99 – NVwZ 2001, 560). Mit der Festsetzung kann auch der Umfang und die Qualität der Bepflanzung geregelt werden (BVerwG, B.v. 24.04.1991 – 4 NB 24/90 – juris Leitsatz Nr. 2). Es kann festgesetzt werden, dass Bäume oder Sträucher in einer bestimmten Dichte und in einem bestimmten Mischverhältnis angepflanzt werden müssen (BVerwG, a.a.O.). Generelle Vorgaben wie etwa das Anpflanzen von „heimischen, standortgerechten Gehölzen“ unterliegen keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit (OVG Münster, U.v. 28.7.1999 – 7a D 42/98.NE – NVwZ-RR 2000, 573). Nicht möglich nach § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB und damit unzulässig ist dagegen der generelle Ausschluss bestimmter aus ökologischen oder optischen Gründen unerwünschter Pflanzen, wie etwa ein generelles Verbot einer bestimmten Pflanzenart (Spannowsky in BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.8.2020, § 9 Rn.117; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (EZKB): BauGB, 140. EL Oktober 2020, § 9 Rn. 222 mit Hinweis auf OVG Münster, U.v. 2.3.1998 – 7a D 125/96.NE – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 23.4.2013 – 1 N 10.1241 – juris Rn. 32 für den Ausschluss von Koniferen im gesamten BPlan-Gebiet).
– Für das private Grundstück der Klägerin einschlägig sind (nur) die Festsetzungen unter 12.1 und 12.4. des Bebauungsplans. Ein (positives) Pflanzgebot folgt dabei für Grundstückseigentümer ausschließlich aus 12.1 Satz 1, der bestimmt, dass auf den privaten Grundstücken je angefangene 500 m² Grundstücksfläche mindestens ein Baum der Artenliste a) oder b) zu pflanzen ist.
– Ohne dass es für die Rechtmäßigkeit des angeordneten Pflanzgebots entscheidend darauf ankommt, spricht einiges dafür, dass die Festsetzung unter Nr. 12.1 Satz 2 des Bebauungsplans nicht von der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB gedeckt ist. Bedenken ergeben sich bereits aus der fehlenden Bestimmtheit der Begrifflichkeiten „exotisch wirkende Hecke“ und „Formhecke“. Ein zugrundeliegendes siedlungsökologisches oder städtebauliches Ziel der Festsetzung in Nr. 12.1 Satz 2 ist aus der Begründung des Bebauungsplans nicht erkennbar, ebenso wenig findet sich dort eine naturschutzrechtliche Legitimation; letztere ergibt sich auch nicht aus dem Schriftverkehr in den Behördenakten mit der Unteren Naturschutzbehörde. Darüber hinaus besteht zwar für Gemeinden nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 5 BayBO die Möglichkeit, durch Satzung im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften […] über die Gestaltung und Bepflanzung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke […] zu erlassen. So ist z. B. denkbar, dass durch eine örtliche Bauvorschrift die Bepflanzung mit bestimmten – etwa nicht heimischen – Gewächsen oder überhaupt eine Bepflanzung – etwa zur Schaffung von entsprechenden Grünflächen – untersagt wird (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 81 Rn. 187a zu „Steingärten“). Dass dies von der Beklagten – im Rahmen des Bebauungsplans – beabsichtigt gewesen wäre, ist vorliegend aber zum einen nicht erkennbar und beseitigte zum anderen auch nicht die Vorbehalte in Bezug auf die (fehlende) Bestimmtheit.
bb) Das Pflanzgebot in Ziffer 1 des Bescheids erfüllt weder die Voraussetzungen des § 175 Abs. 2 BauGB noch genügt es dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Denn es zielt es nicht auf eine (positive) Erfüllung der Festsetzung in 12 Satz 1 BauGB ab.
– Aus der Bescheidsbegründung ergibt sich weder die Norm des § 175 Abs. 2 BauGB noch etwaige städtebauliche Gründe, weswegen die alsbaldige Durchführung des Pflanzgebots erforderlich sein soll. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die Beklagte diese tatbestandlichen Voraussetzungen (Stock in EZKB: BauGB, § 178 Rn 6, 7, 11; Oehmen in BeckOK BauGB, § 178 Rn. 1; Möller in Schrödter: BauGB, 9. Aufl. 2019, § 178 Rn. 5) nicht geprüft und somit auch nicht bejaht hat. Dies macht den Verwaltungsakt bereits, auch im Hinblick auf das der Behörde nach § 178 BauGB eingeräumte Ermessen bei der Anordnung eines Pflanzgebots, rechtswidrig. Darüber hinaus erschließt sich auch nicht aus anderen Gründen, warum die (von der Beklagten eigentlich mit der Ziffer 1 beabsichtigte) Entfernung der Thuja-Pflanzen aus städtebaulichen Gründen erforderlich sein sollte.
– Das Pflanzgebot in Ziffer 1 verstößt gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, U. v. 16.10.2013 – 8 C 21.12 – juris Rn. 13 m.w.N.). Es ist nicht notwendig, dass der Inhalt der Regelung im Entscheidungssatz so zusammengefasst ist, dass er alle Punkte aus sich heraus verständlich darstellt; es genügt vielmehr, dass sich der Regelungsinhalt aus dem Bescheid insgesamt einschließlich seiner Begründung ergibt.
Die Anordnung zur „Rechtmäßigen Bepflanzung gem. Ziff. 12 des Bebauungsplans Nr. 12 „…“ auf dem Grundstück Fl.Nr., Gem. …“ in Ziffer 1 zielt ausweislich der Bescheidsbegründung vorliegend gerade nicht darauf ab, bei der Klägerin eine Erfüllung ihrer Verpflichtung aus Nr. 12 Satz 1 des Bebauungsplans zum Anpflanzen der entsprechenden Anzahl an Bäumen auf ihrem Grundstück herbeizuführen. Ob die Klägerin dieser Verpflichtung bereits nachgekommen ist oder nicht, dazu fehlt jede Ausführung. Vielmehr soll mit dem Bepflanzungsgebot – gerade auch in Zusammenschau mit der in Ziffer 2 gesetzten Frist bis 28. Februar 2021 (also vor dem gesetzlichen Verbotszeitraum des § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG) – das letztlich von der Beklagten verfolgte Ziel der Beseitigung der vorhandenen Thujapflanzen erreicht werden. Eine solche Beseitigung ist aber weder von der Rechtsgrundlage des § 178 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB, die ein positives Pflanzgebot normiert, gedeckt noch ergibt sie sich in ausreichender Bestimmtheit aus dem angegriffenen Bescheid. Zudem enthält Nr. 12.1 Satz 2 des Bebauungsplans gerade kein Pflanzgebot für Hecken, sondern setzt lediglich unzulässige Heckenarten und -formen fest.
– Die Anordnung des Pflanzgebots ist auch ermessensfehlerhaft erfolgt, Art. 40 BayVwVfG.
Zur Ausübung des behördlichen Ermessens steht dem Gericht eine eingeschränkte Prüfungskompetenz anhand § 114 Satz 1 VwGO zu. Vorliegend weist die Anordnung Ermessensfehler im Sinne eines Ermessensfehlgebrauchs (Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 114 Rn. 4, 8) auf. Denn die Behörde hat bereits nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen (hier des § 175 Abs. 2 BauGB, s.o.) ermittelt. Auch genügt im vorliegenden Fall die rein formelhaft erwähnte Ausübung des Ermessens ohne jegliches Eingehen auf die von der Klägerin umfangreich vorgetragenen Argumente zu Vergleichsfällen in der Nachbarschaft und zu den Kosten einer möglichen Beseitigung nicht mehr den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung.
– Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob die Adressierung des angegriffenen Bescheids in seiner Gesamtheit noch dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG genügt, wozu die Kammer jedoch neigt.
Dabei ist Adressat eines Verwaltungsakts derjenige, an den sich der Verwaltungsakt nach seinem objektiven Erklärungswert richtet. Es ist danach ausreichend, dass sich die Person des Adressaten durch Auslegung hinreichend genau bestimmen lässt, wobei es auf den Empfängerhorizont ankommt. In Zusammenschau des Tenors des Bescheids mit den Gründen des Bescheids lässt sich nach objektivem Empfängerhorizont klar erkennen, dass Adressat des Bescheides die Klägerin ist und der Bescheid lediglich an ihren Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt wurde. Dies ergibt sich auch daraus, dass der sich Bescheid auf das Grundstück mit der Flur-Nr. … der Gemarkung … bezieht, das im Eigentum der Klägerin steht. Eine Unbestimmtheit wäre erst dann anzunehmen (gewesen), wenn auch unter Anwendung der anerkannten Auslegungsgrundsätze keine Klarheit über den Behördenwillen geschaffen werden kann bzw. Widersprüchlichkeiten nicht beseitigt werden können (BayVGH, B.v.22.04.2020 – 15 CS 20.184 – juris Rn. 8).
c) Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ist materiell rechtswidrig.
Für die Zwangsgeldandrohung nach Art. 36 VwZVG als Maßnahme der Vollstreckung fehlt es an einem vollziehbaren Grundverwaltungsakt nach Art. 19 Abs. 1 VwZVG. Danach können Verwaltungsakte (hier das Pflanzgebot in Ziffer 1) vollstreckt werden, wenn sie nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden können (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG), wenn der förmliche Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) oder wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wurde (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Zum Zeitpunkt der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 war keine dieser Konstellationen erfüllt, da Ziffer 1 weder bestandskräftig war, die hiergegen fristgerecht erhobene Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltete und auch kein Sofortvollzug nach § 80 Abs. 2 Satz 4 VwGO angeordnet worden war.
d) Der somit in Ziffern 1 und 2 rechtswidrige Bescheid verletzt die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und war in seiner Gesamtheit aufzuheben.
2. Im Ergebnis war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
3. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO, § 711 ZPO.


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