Baurecht

Pflicht zum Anschluss eines Grundstücks an die Entwässerungseinrichtungen

Aktenzeichen  M 10 K 15.2667

Datum:
12.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO BayGO Art. 24 Abs. 1 Nr. 2
WHG WHG § 56
BayWG BayWG Art. 34

 

Leitsatz

Der Einwand, die bisherige Entsorgung des Abwassers sei ordnungsgemäß, einwandfrei und ohne jegliche Beanstandung erfolgt und überdies sei der finanzielle Aufwand für den Anschluss unzumutbar, kann nicht zu einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang führen. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 10 K 15.2667
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 12. Februar 2016
10. Kammer
Sachgebiets-Nr. 1170
Hauptpunkte:
Anschluss- und Benutzungszwang;
Entwässerung;
Anschlusskosten nicht unzumutbar;
Intendiertes Ermessen bei Anschlusszwang
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Klägerin –
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
gegen

– Beklagte –
wegen Anschluss- und Benutzungszwang
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 10. Kammer,
durch die Richterin … als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2016 am 12. Februar 2016 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den Anschluss ihres Grundstücks an die Entwässerungseinrichtung der Beklagten.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks …-weg 44 in … (FlNr. …, Gemarkung …) mit einer Gesamtfläche von 5.382 m². Im Jahr 2010 erfolgte durch die Beklagte die Kanalisierung im …-weg bis zum oben genannten Grundstück. Zur Anwendung kam hierbei nicht die sonst im Stadtgebiet übliche Freispiegelkanalisation, sondern ein Druckentwässerungssystem bestehend aus Druckrohrleitungen im Straßenbereich und einer Abwasserpumpanlage (Pumpenschacht mit Lufteinperlung, Pumpe und Steueranlage auf dem Grundstück).
Mit Bescheid vom 10. Juni 2010 ordnete die Beklagte zur Durchführung des Kanalanschlusses an, dass innerhalb von drei Monaten ab Erhalt dieses Schreibens Kanalanschlusspläne in dreifacher Ausfertigung zur Genehmigung einzureichen sind. Die Pläne sollten die genehmigungspflichtigen Änderungen der Grundstücksentwässerungsanlage und den Leitungsverlauf der Grundleitung einschließlich des Pumpenschachtes darstellen. Am 31. Oktober 2010 reichte der Voreigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks den Genehmigungsantrag für die Herstellung bzw. Änderung von Entwässerungsanlagen mit Kanalanschluss bei der Beklagten ein. Mit Genehmigungsbescheid vom 17. Dezember 2010 genehmigte die Beklagte die Ausführung der Grundstücksentwässerungsanlage mit Kanalanschluss nach dem beiliegenden Entwässerungsplan Nr. …
In der Folgezeit wurden auf dem Grundstück jedoch keine Arbeiten vorgenommen. Daher bat die Beklagte mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 nochmals, die Grundstücksentwässerungsanlage gemäß genehmigtem Entwässerungsplan an die Druckentsorgungsleitung in der Straße anzuschließen und das Abwasser in die städtische Entwässerungseinrichtung einzuleiten. Doch auch danach erfolgte ein Anschluss des streitgegenständlichen Grundstücks an die städtische Entwässerungseinrichtung nicht.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 hörte die Beklagte die Klägerin zu einem Anschluss des streitgegenständlichen Grundstücks an die städtische Druckentsorgungsleitung an. Eine Reaktion der Klägerin hierauf erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2015 ordnete die Beklagte schließlich an, dass das Anwesen …-weg 44 gemäß genehmigtem Entwässerungsplan Nr. … an die städtische Druckentsorgungsleitung im …-weg anzuschließen ist (Ziffer 1 des Bescheides). Nach Ziffer 1a) des Bescheides ist hierzu ein Abwassersammelschacht mit Pumpe und Steuerungsanlage zu errichten. Weiterhin ist ein Stromanschluss mit der für die Pumpe erforderlichen Leitung herzustellen (Ziffer 1b) des Bescheides). Zwischen dem Schaltkasten und dem Stromzähler im Haus ist eine Verbindung herzustellen (Ziffer 1c) des Bescheides). Die bestehende Druckentwässerungsanlage ist mit dem Pumpschacht zu verbinden (Ziffer 1d) des Bescheides). Zwischen dem Pumpschacht und dem von der Stadt gesetzten Absperrschieber im Straßenbereich ist eine Druckleitung einzubauen (Ziffer 1e) des Bescheides). Gemäß Ziffer 2 des Bescheides sind die vorhandenen Abwasserbeseitigungsanlagen (Klärgruben, Sickeranlagen) oder Abortgruben außer Betrieb zu setzen. Soweit die Gruben nicht völlig entfernt werden, sind die Sohlen herauszunehmen oder zu durchstoßen und die Wände mit Kalkmilch zu entkeimen. Das Innere ist mit reinem Kies aufzufüllen (Bezeichnungen und Punkte siehe genehmigter Entwässerungsplan Nr. 1879/2010). Gemäß Ziffer 3 des Bescheides ist im Anschluss an die Arbeiten die Dichtheit der folgenden Teile der Grundstücksentwässerungsanlage in Anwesenheit des städtischen Kontrolldienstes nach DIN EN 1610 durch ein fachkundiges Unternehmen nachzuweisen: a) neue Innengrundleitung von der Gebäudekante bis zu den Anfallstellen und b) neue Außengrundleitung vom Absperrschieber bis zur Gebäudekante. Zur Ausführung aller Anordnungen in den Ziffern 1 bis 3 wurde jeweils eine Frist von vier Monaten ab Unanfechtbarkeit des Bescheides festgesetzt. Gemäß Ziffer 4 des Bescheides werden, falls die Klägerin den Anordnungen unter den Nrn. 1 bis 3 dieses Bescheides nicht fristgerecht nachkommt, folgende Zwangsgelder zur Zahlung fällig: Zu Nr. 1a): 5.000,- €, zu Nr. 1b): 1.200,- €, zu Nr. 1c): 300,- €, zu Nr. 1d): 1.200,- €, zu Nr. 1e): 1.000,- €, zu Nr. 2: 1.200,- €, zu Nr. 3a): 150,- € und zu Nr. 3b): 800,- €.
Zur Begründung des Bescheides wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Überprüfung der Grundstücksentwässerungsanlage im …-weg 44 ergeben habe, dass das Anwesen noch nicht an den städtischen Kanal angeschlossen sei. Verfahrensrechtliche Grundlage dieses Bescheides sei § 36 der Städtischen Entwässerungssatzung (EntwS). Das Anwesen …-weg 44 grenze an eine Straße mit einem betriebsfähigen städtischen Kanal (Druckentsorgungsleitung). Das Grundstück sei bebaut, werde bewohnt und es falle Abwasser an. Gemäß § 7 Abs. 1 EntwS seien bebaute Grundstücke, die an Straßen mit städtischen Kanälen grenzten, von den Verpflichteten an die städtische Entwässerungseinrichtung anzuschließen. Nach § 13 Abs. 1 EntwS sei die vorhandene Grundstücksentwässerungsanlage so umzubauen, dass das Abwasser in Übereinstimmung mit den in der Abwassertechnik allgemein anerkannten Regeln der Baukunst einwandfrei abgeleitet werde. Hierzu seien die angeordneten Maßnahmen erforderlich. Die Anordnung unter Nr. 2 dieses Bescheides beruhe sachlich rechtlich auf den §§ 14 und 15 EntwS. Ab einem von der Beklagten bestimmten Zeitpunkt, von dem ab in die Entwässerungseinrichtung Abwasser eingeleitet werden dürfe, habe der Verpflichtete unverzüglich die auf dem Grundstück befindlichen vorläufigen Abwasserbeseitigungsanlagen (Kleinkläranlagen und Sickerschächte) und abflusslosen Gruben außer Betrieb zu setzen und die städtische Entwässerungseinrichtung zu benützen. Die Anordnungen unter Nr. 3 dieses Bescheides beruhten sachlich-rechtlich auf den §§ 29 und 30 EntwS. Die Dichtheitsnachweise seien erforderlich, da eine Undichtigkeit in der Grundstücksentwässerungsanlage zu einem Fremdwassereintrag im städtischen Kanalnetz sowie zu einer unbemerkten Versickerung des Schmutzwassers in den die Entwässerungsleitung umgebenden Boden führen würde. Dadurch bestehe die Gefahr einer schädlichen Verunreinigung des Grundwassers oder einer sonstigen nachteiligen Veränderung der Eigenschaften des Grundwassers.
Zur Durchsetzung von Anordnungen sei die Androhung von Zwangsmitteln zweckmäßig. Das Zwangsgeld als mildestes Zwangsmittel solle das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung habe, erreichen. Das wirtschaftliche Interesse sei mit den Kosten gleichzusetzen, die dem Pflichtigen bei der Erfüllung der getroffenen Anordnung entstünden. Diese würden insgesamt ca. 10.850,- € betragen. Die Androhung der Zwangsgelder in den genannten Höhen sei somit gerechtfertigt und entspreche pflichtgemäßem Ermessen.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2015 aufzuheben.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass sich, wie aus der Behördenakte ersichtlich sei, insbesondere aus dem Kanalanschlussplan, auf dem Grundstück, das im Wesentlichen ein langes, aber eher schmales Grundstück sei, die Entsorgungsanlagen im hinteren, von der Straße weit entfernten Teil des Grundstücks befänden. Die bisherige Entsorgung über die bestehenden Gruben und Leitungen sei über Jahre hinweg ordnungsgemäß, einwandfrei und ohne jegliche Beanstandung erfolgt. Durch die im angefochtenen Bescheid unter Ziffer 1 und 2 geforderten Maßnahmen würden ohne Notwendigkeit und ohne Berücksichtigung der bisherigen ordnungsgemäßen Entsorgung Aufwendungen notwendig, die insbesondere auch mit immensen finanziellen Konsequenzen und Eingriffen verbunden wären. Wie aus den Plänen erkenntlich, wären Leitungen mit einer Länge von rund 180 m zu erstellen. Bei dieser Länge sei damit von Kosten im hohen fünfstelligen Bereich auszugehen. Dies könne der Klägerin schlicht und einfach nicht zugemutet werden und stehe außer jedem Verhältnis. Hinzu komme, dass auf dem Grundstück, das wie in diesem Gebiet üblich, vorwiegend kleinteilig und verschieden genutzt werde, keine Bebauung im eigentlichen Sinne und keine Gewerbe- oder Wohnhäuser gegeben seien. Vorherrschend sei eine Lager- und kleine Firmenbüronutzung. Eine erforderliche und zutreffende Ermessensausübung sei daher nicht vorgenommen worden.
Die Beklagte beantragt dagegen,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- bzw. die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der streitgegenständliche Bescheid beruht auf einer gültigen Rechtsgrundlage (1.), die Voraussetzungen für die Anordnung eines Anschlusszwangs sind gegeben (2.) und mit dem Anspruch ist kein unzumutbares Sonderopfer oder ein offensichtlicher Befreiungsanspruch verbunden (3.). Nachdem die Voraussetzungen für den Anschlusszwang nach der Satzung der Beklagten gegeben sind, besteht für die streitgegenständliche Anordnung ein intendiertes Ermessen, so dass keine umfangreiche Darlegung der Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid erforderlich ist (4.). Zuletzt ist auch die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei (5.).
1. Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwang findet ihre Rechtsgrundlage in der Satzung über die Benützung ihrer Entwässerungseinrichtung (Entwässerungssatzung – EWS) vom 14. Februar 1980, zuletzt geändert mit Satzung vom 17. Mai 2013. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung bestehen nicht.
Auch materiell-rechtlich sind die hier maßgeblichen Satzungsbestimmungen nicht zu beanstanden.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinden vom Gesetzgeber im Rahmen des § 56 WHG, Art. 34 BayWG zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind. Eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung für den Anschluss- und Benutzungszwang an eine öffentliche Entwässerungsanlage, einen nicht unerheblichen Eingriff in die Rechtstellung des Bürgers, ergibt sich aus Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO). Danach können Gemeinden durch Satzung aus Gründen des öffentlichen Wohls den Anschluss an eine Kanalisation, mithin eine öffentliche Abwasserentsorgung, vorschreiben und die Benutzung dieser Einrichtung zur Pflicht machen.
Die Beklagte durfte sich dementsprechend vornehmlich aus wasserwirtschaftlichen Gründen dafür entscheiden, alle durch Entwässerungskanäle erschlossenen Grundstücke dem Anschluss- und Benutzungszwang unterwerfen. Die Einrichtung einer öffentlichen Kanalisation mit Anschluss- und Benutzungszwang gehört zu den den Gemeinden aus Gründen des allgemeinen Wohls, insbesondere der Volksgesundheit, gesetzlich zugewiesenen Aufgaben (vgl. BVerwG, B. v. 19.12.1997 – 8 B 234/97 -juris Rn. 2). Schutzgut der öffentlichen Abwasserbeseitigung ist die Sauberkeit des Grundwassers im Interesse des Allgemeinwohls, namentlich der Volksgesundheit (vgl. BVerwG, U. v. 17.3.1989 – 4 C 30/88 – juris Rn. 13 f.). Der durch Ortssatzung auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO angeordnete Zwang, Grundstücke an die öffentliche Kanalisation anzuschließen und die Einrichtung zu benutzen, dient der Sicherung dieses Schutzgutes. Durch den Anschluss- und Benutzungszwang lässt sich mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwässer ausschließen. Ein Verzicht auf dieses Maß an Sicherheit kann zu einer dem Allgemeinwohl widersprechenden Gefährdung des Schutzgutes führen (vgl. BVerwG, U. v. 24.1.1992 – 7 C 38/90 – juris Rn. 13). Blieben Anschluss und Benutzung der Entscheidung des Einzelnen überlassen, wäre eine kommunale Abwasserbeseitigung in vielen Fällen nicht mehr so organisierbar, dass Errichtung und Betrieb für den Träger der Einrichtung praktikabel zu handhaben sind und die finanzielle Belastung der freiwillig Teilnehmenden sich in gerechtem Rahmen hält (vgl. BayVerfGH, E. v. 11.5.2004 – Vf. 44-VI-02 – juris Rn. 24 ff.; zum Ganzen: BayVGH, U. v. 29.6.2011 – 4 N 10.2009 – juris Rn. 15).
Die EWS der Beklagten ist somit in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO (Sicherung der Sauberkeit des Grundwassers im Interesse des Allgemeinwohls) nicht zu beanstanden.
2. § 36 Abs. 1 EWS ermächtigt die Beklagte, den Vollzug der Entwässerungssatzung durch Anordnungen für den Einzelfall sicherzustellen.
a. Auf dieser Grundlage kann die Beklagte von der Klägerin verlangen, ihr Grundstück an den Schmutzwasserkanal im …-weg anzuschließen (vgl. Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides).
Die Voraussetzungen des Anschlusszwangs sind gegeben. Das Grundstück der Klägerin ist bebaut. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) sind bebaute Grundstücke an die städtische Entwässerungseinrichtung anzuschließen, wenn sie an Straßen mit städtischen Druckentsorgungsleitungen grenzen und wenn die Stadt einen Abzweig mit Absperrschieber eingesetzt hat. Der Anschlusszwang erstreckt sich gemäß §§ 3 Abs. 1 und 3, 15, 16 Abs. 3 EWS auf häusliches Abwasser.
b. Vom Anschluss- und Benutzungszwang umfasst ist dementsprechend auch die Pflicht der Klägerin, die vorhandenen Abwasserbeseitigungsanlagen außer Betrieb zu setzen (vgl. Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides). Nach § 14 Satz 2 EWS hat der Verpflichtete unverzüglich nach dem Zeitpunkt, von dem ab die Beklagte bestimmt hat, das Abwasser in die Entwässerungseinrichtung eingeleitet werden darf, die auf dem Grundstück befindlichen vorläufigen Abwasserbeseitigungsanlagen (Kleinkläranlagen und Sickerschächte) und abflusslosen Gruben außer Betrieb zu setzen und die städtische Entwässerungseinrichtung zu benützen. Nach § 15 EWS sind die Grundstückseigentümer berechtigt, aber auch verpflichtet, nach Maßgabe der Satzung alle auf dem Grundstück anfallenden Abwässer in die städtische Entwässerungseinrichtung einzuleiten.
c. Die Erbringung des erforderlichen Dichtheitsnachweises, die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnet ist, folgt aus § 29 Abs. 1 EWS, nach dem für alle neu hergestellten Teile von Grundstücksentwässerungsanlagen im Erdreich oder in einer Bodenplatte der Beklagten durch eine Dichtheitsprüfung nachzuweisen ist, dass sie wasserdicht sind. Die Dichtheit ist auch bei bestehenden Grundstücksentwässerungsanlagen, die zum ersten Mal an das städtischen Kanalnetz angeschlossen werden und bei Änderungen und Erweiterungen an bestehenden Grundstücksentwässerungsanlagen nachzuweisen, § 29 Abs. 2 Buchst. a) und b) EWS.
3. Die Anschlusspflicht entfällt auch nicht aufgrund eines für die Klägerin unzumutbaren Sonderopfers oder eines offensichtlichen Anspruchs auf Befreiung vom Anschlusszwang gemäß § 9 Abs. 1 EWS. Hiernach ist auf Antrag eine (Teil-)Befreiung zu erteilen, wenn der Anschluss oder die Benutzung aufgrund besonderer Umstände auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist; nach § 9 Abs. 2 EWS werden als solche Umstände insbesondere Baubeseitigungsanordnungen, unanfechtbare Baugenehmigungen über eine Neubebauung des Grundstücks sowie baurechtliche Berechtigungen zur Ausführung von Neubauvorhaben, die von der Genehmigung freigestellt sind, anerkannt. Solche Umstände sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klägerin lässt hier zwar vortragen, dass die bisherige Entsorgung des Abwassers ordnungsgemäß, einwandfrei und ohne jegliche Beanstandung erfolgt sei und überdies der finanzielle Aufwand für sie unzumutbar sei. Diese Einwände können jedoch gerade nicht zu einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang führen.
Bei der Frage, ob demjenigen, der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang begehrt, das Anschließen und das Benutzen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann, ist auf eine Abwägung des privaten Interesses an der Befreiung mit den öffentlichen Belangen abzustellen. Hierdurch werden die Anforderungen, die hinsichtlich einer Eigentumsbeschränkung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestehen, erfüllt (vgl. VG München, U. v. 18.12.2008 – M 10 K 07.5543 – juris Rn. 79).
Gründe, die den Anschluss des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten oder deren Benutzung unzumutbar erscheinen lassen, sind nicht gegeben. Der Anschluss an die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten und ihre Benutzung ist der Klägerin trotz der vorhandenen privaten Kleinkläranlage und der zur erwartenden Anschlusskosten zumutbar.
a. Ein Befreiungsanspruch kann nach ständiger Rechtsprechung nicht allein daraus hergeleitet werden, dass das anzuschließende Grundstück bereits mittels einer privaten Kläranlage entwässert wird. Das Eigentumsrecht des Grundeigentümers, der auf seinen Grundstück eine private Kläranlage betreibt, ist von vornherein darin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Abwasserbeseitigung aus vorrangigen Gründen des öffentlichen Wohls, hier der Volksgesundheit, in ihre Verantwortung zu übernehmen und dafür den Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen. Der durch die gemeindliche Satzung begründete Zwang, Grundstücke an die öffentliche Entwässerungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen, bedeutet für die betroffene Grundeigentümer eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), die durch dessen Sozialbindung gerechtfertigt wird. Privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte hinsichtlich der Entwässerung eines Grundstücks werden nach Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs regelmäßig gegenstandslos oder können nicht mehr ausgeübt werden. Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer auf seinem Grund eine private Kläranlage errichtet und bisher betrieben hat, die einwandfrei arbeitet (vgl. BVerwG, B. v. 19.12.1997 – 8 B 234.97 – juris Rn. 2). Denn nur durch den Anschluss- und Benutzungszwang lässt sich mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwässer ausschließen. Ein Verzicht auf dieses Maß an Sicherheit würde zu einer dem Allgemeinwohl widersprechenden Gefährdung dieses Schutzguts führen (vgl. BayVerfGH, E. v. 11.5.2004 – Vf. 44-VI-02 – juris Rn. 24 ff.). Damit kommt es nicht darauf an, ob die private Kläranlage des Klägers bisher und weiterhin einwandfrei arbeitet (vgl. zum Ganzen: BayVGH B. v. 15.10.08 – 4 ZB 08.483 – juris Rn. 6).
Darüber hinaus ist auch anzumerken, dass die Kleinkläranlage der Klägerin möglicherweise nicht (mehr) den neuesten Anforderungen an den Betrieb von privaten Kläranlagen entspricht und aufwendig nachgerüstet werden müsste. So hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass nun jede private Kläranlage auch eine zusätzliche biologische Stufe enthalten müsse.
b. Auch die zur erwartenden Kosten für einen Anschluss des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsanlage begründen keinen Befreiungsanspruch. Zwar kann die Höhe der Anschlusskosten im Einzelfall eine Befreiung rechtfertigen. Das gilt aber nicht schon dann, wenn die Anschlusskosten besonders hoch sind. Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Aufwendungen in keinem tragbaren Verhältnis zum Wert des Grundstücks stehen (vgl. BayVGH B. v. 15.10.2008 – 4 ZB 08.483 – juris Rn. 7 m. w. N.) und die Kosten praktisch zu einer Entwertung des Grundstücks führen würden. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall.
4. Die streitgegenständlichen Anordnungen zur Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs sind auch nicht ermessensfehlerhaft.
Nachdem, wie ausgeführt, eine Anschlusspflicht des streitgegenständlichen Grundstücks besteht, erfasst die Befugnis des § 36 Abs. 1 EWS sämtliche Maßnahmen, die geeignet sind, zur Verwirklichung dieser Pflicht beizutragen. Nachdem auch bereits ein genehmigter Entwässerungsplan bezüglich des streitgegenständlichen Grundstücks vorliegt, ist es verhältnismäßig, nun in einem weiteren Schritt die Anordnung zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung zu fordern.
Zwar enthält der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Mai 2015 nur ansatzweise erkennbare Ermessenserwägungen. Solche sind allenfalls darin zu sehen, dass die Beklagte bei den angeordneten Maßnahmen jeweils darauf hinweist, dass diese zur Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs erforderlich seien. Diese Erwägungen können im vorliegenden Fall jedoch ausreichen. Bei einer Anordnung im Einzelfall gemäß § 36 Abs. 1 EWS zur Durchsetzung des Anschlusszwangs handelt es sich um den Fall intendierten Ermessens. Ein solcher liegt vor, wenn, wie hier, die abstrakt-generelle Regelung von einem Regelfall ausgeht und nur in Einzelfällen eine abweichende Entscheidung gerechtfertigt ist (vgl. BVerwG, U. v. 16.6.1997 – 3 C 22/96 – juris Rn. 14). Die Entwässerungssatzung der Beklagten sieht grundsätzlich beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 EWS eine Pflicht zum Anschluss vor. Darüber hinaus können aufgrund besonderer Umstände, die in § 9 Abs. 1 und 2 EWS genauer dargestellt sind, Befreiungen vom Anschlusszwang gewährt werden. Somit gibt bereits die Satzung selbst die Fälle vor, in denen von einem Anschlusszwang abgesehen werden kann. Darüber hinaus können im Rahmen einer Einzelfallanordnung gemäß § 36 Abs. 1 EWS keine weiteren Gesichtspunkte zum Tragen kommen, die eine Anordnung des Anschlusszwangs ausschließen könnten; damit ist bereits durch die Entwässerungssatzung selbst die Entscheidungsmöglichkeit der Beklagten vorgegeben. Eine weitere Abweichung von dieser Regelbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht durch besondere Umstände geboten, weshalb auch eine weitere Darlegung von Ermessenserwägungen entbehrlich war (vgl. VG München, U. v. 7.10.2010 – M 10 K 09.5505 – juris Rn. 37; BayVGH, B. v. 21.7.2011 – 4 ZB 10.2896 – juris Rn. 12).
5. Schließlich ist auch die Androhung der Zwangsgelder unter Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides auf der Grundlage der Art. 19, 29, 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) rechtmäßig und ermessensfehlerfrei.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes beträgt mindestens 15,- und höchstens 50.000,- € (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG). Die angedrohten Zwangsgelder sind im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerin angemessen; die Beklagte hat jedes Zwangsgeld mit den Kosten gleichgesetzt, die der Klägerin bei der Erfüllung der getroffenen Anordnung entstehen (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG).
6. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.850,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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