Baurecht

Privilegierung eines landwirtschaftlichen Betriebsleiterwohnhauses auch bei viehlosem Betrieb

Aktenzeichen  RN 6 K 15.1444

Datum:
26.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201
BayBO BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ein Vorhaben dient einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Indem auf die wirkliche Funktion des Vorhabens abgestellt wird, wird Missbrauchsversuchen begegnet. (redaktioneller Leitsatz)
Bei der Begründung einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist nicht entscheidend auf eine Tierhaltung, sondern darauf abzustellen, dass Landwirtschaft Bodenertragsnutzung auf – typischerweise weiten – Außenbereichsflächen ist und die möglichst nahe Zuordnung der Hofstelle zu den Betriebsflächen in besonderer Weise dienlich und für den Betriebserfolg im allgemeinen von Bedeutung ist. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg
Az. RN 6 K 15.1444
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 26. Januar 2016
6. Kammer
Sachgebiets-Nr: 920
Hauptpunkte:
Privilegierung eines landwirtschaftlichen Betriebsleiterwohnhauses bei viehlosem Betrieb (bejaht)
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
bevollmächtigt: …
gegen

vertreten durch das Landratsamt …
– Beklagter –
beteiligt: Regierung von … als Vertreter des öffentlichen Interesses, Postfach, L.
wegen Baugenehmigung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 6. Kammer, unter Mitwirkung von Vorsitzendem Richter am Verwaltungsgericht Schießl, Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fischer, Richterin am Verwaltungsgericht Beck, ehrenamtlichem Richter R., ehrenamtlichem Richter S. aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Januar 2016
am 26. Januar 2016
folgendes Urteil:
I.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts … vom 13.8.2015 verpflichtet, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses als landwirtschaftliches Betriebsleiterwohnhaus zu erteilen.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für ein landwirtschaftliches Betriebsleiterwohnhaus.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 335/3 der Gemarkung … (O. … in K.).
Mit Bescheid vom 8.7.1976 wurde durch das Landratsamt … die Beseitigung des dort früher befindlichen Einfamilienwohnhauses (sog. D-Haus) gegenüber dem damaligen Eigentümer angeordnet. Diese Beseitigungsanordnung erlangte erst mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.8.1986 Bestandskraft. In der Folge wurde dem damaligen Eigentümer zugestanden, dass die Beseitigung des Gebäudes erst nach seinem Ableben durchgesetzt wird. Nachdem der Kläger das Grundstück von einer Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers erworben hatte, wurde ihm mit Bescheid vom 4.2.2002 die Nutzung des zu beseitigenden Wohnhauses untersagt. Bei einer Besprechung am 25.7.2002, an welcher neben dem Kläger unter anderem der damalige Landrat des Landkreises … und der damalige 1. Bürgermeister der Gemeinde K. teilnahmen, wurde vereinbart, dass der Kläger das sog. D-Haus bis Ende des Jahres beseitigen solle, das Landratsamt die Nutzung des auf dem Grundstück weiter vorhandenen Nebengebäudes (Wochenendhaus) zu Wohnzwecken dulde und der Kläger frühestens zwei Jahre nach vollständiger Beseitigung gegebenenfalls einen Bauantrag für die Errichtung eines bescheidenen Einfamilienhauses auf dem Grundstück stelle. Über die Genehmigungsfähigkeit dieses Bauantrags werde dann in Absprache mit dem Landrat und im Einvernehmen mit der Gemeinde K. entschieden. Anfang 2003 brach der Kläger das alte Wohnhaus ab.
Mit am 1.12.2003 bei der Verwaltungsgemeinschaft G. eingegangenem Bauantrag beantragte der Kläger den Neubau eines Ersatzwohnhauses mit Pkw-Garage auf seinem Grundstück (Landratsamt …, Az. 42-…-2003-BAUG). Nach den eingereichten Plänen hat das beabsichtigte Gebäude eine Wohnfläche von ca. 136 m² und eine gewerbliche Nutzfläche von ca. 74 m². Mit Beschluss vom 10.12.2003 erteilte die Gemeinde K. das gemeindliche Einvernehmen.
Mit Schreiben vom 17.8.2004 wies die Regierung von Niederbayern das Landratsamt … darauf hin, dass das Vorhaben des Klägers planungsrechtlich unzulässig sei. Hierauf teilte das Landratsamt … dem Kläger am 7.9.2004 mit, dass es sein Vorhaben als nicht genehmigungsfähig ansehe.
Mit Stellungnahme des Landwirtschaftsamts … vom 7.10.2004 wurde zunächst bestätigt, dass die Errichtung des vom Kläger nach Umstellung seines Antrags mittlerweile beantragten landwirtschaftlichen Betriebsleiterwohnhauses einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Auf Nachfrage des Landratsamts … teilte das Landwirtschaftsamt … mit Schreiben vom 2.11.2004 mit, dass die Errichtung eines Wohnhauses am vorgesehenen Standort wegen des fehlenden räumlichen Zusammenhangs zur Hofstelle und einer bereits vorhandenen Betriebswohnung auf der Hofstelle nicht der Landwirtschaft diene. Mit Schreiben vom 15.12.2009 teilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … dem Kläger mit, dass ein Wohnhaus aufgrund der gegebenen betrieblichen Verhältnisse (reiner Ackerbaubetrieb mit Winterweizen und Körnermais) nicht als betriebsnotwendig oder betriebsdienlich dargestellt werden könne.
Mit am 7.1.2009 bei der VG G. eingereichtem Antrag beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines landwirtschaftlich genutzten Gebäudes auf seinem Grundstück FlNr. 335/3 der Gemarkung … (Landratsamt …, Az. 41 S-…09-VORB). Mit Stellungnahme vom 2.2.2009 stellte das Amt für Landwirtschaft und Forsten … zu diesem Vorhaben fest, dass die geplante Halle zur Größe und Betriebsstruktur des vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebes passe und das beantragte Bauvorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Der Kläger könne eine landwirtschaftliche Gehilfenprüfung aufweisen. Mit Bescheid vom 19.3.2009 wurde zwar die Zulässigkeit des Vorhabens festgestellt, nach Erteilung der Baugenehmigung vom 6.8.2009 wurde der Vorbescheidsantrag zurückgenommen und das Verfahren mit Bescheid vom 14.9.2009 eingestellt.
Mit am 24.2.2009 bei der VG G. eingegangenem Antrag beantragte der Kläger eine Baugenehmigung zum Neubau eines landwirtschaftlichen Nebengebäudes zur Lagerung von Getreide (Landratsamt …, Az. 41 S-…-2009-BAUG) mit einer Länge von 22,5 m und einer Breite von 13,5 m, die ihm mit Bescheid des Landratsamts … vom 6.8.2009 unter der Nebenbestimmung erteilt wurde, dass die Halle nur zur Lagerung von Getreide verwendet werden dürfe.
Mit Schreiben vom 12.11.2014 bat das Landratsamt … den Kläger um Mitteilung, ob sein Antrag auf Errichtung eines Wohnhauses als landwirtschaftliches Betriebsleiterwohnhaus aufrechterhalten werde.
Im Rahmen einer Besprechung vom 23.3.2015, an welcher unter anderen Vertreter der Regierung von Niederbayern, des Landratsamts … und der 1. Bürgermeister der Gemeinde K. teilnahmen, wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine Möglichkeit zur Genehmigung des beantragten Bauvorhabens aufgrund der negativen Stellungnahmen des Amtes für Landwirtschaft nicht bestehe.
Mit Schreiben vom 4.5.2015 gab das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … eine neuerliche Stellungnahme zum Bauvorhaben des Klägers auf Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebsleiterwohnhauses ab. Hierin wird ausgeführt, dass das Wohnhaus des Klägers etwa einen Kilometer von der Maschinen- und Lagerhalle auf FlNr. 335/3 entfernt liege und der Kläger seinen Betrieb viehlos bewirtschafte. Am Standort sei deshalb nicht eine täglich mehrmalige oder gar ständige Anwesenheit des Betriebsleiters erforderlich. Zwar stelle die Lager- und Maschinenhalle den Betriebsmittelpunkt dar und es würden dort im Rahmen der Maschinenringtätigkeit auch des Öfteren Maschinen später als vereinbart zurückgebracht, so dass der Wunsch des Klägers verständlich sei, neben seinem Betriebsmittelpunkt auch wohnen zu wollen. Intensive Maschinenringaktivität liege jedoch bei weitem nicht an allen Tagen des Jahres vor wie vergleichsweise Tätigkeiten in der Viehhaltung.
Mit Bescheid vom 13.8.2015 lehnte das Landratsamt … den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung ab. Zur Begründung bezog sich das Landratsamt auf die Stellungnahmen des Amts für Landwirtschaft vom 2.11.2004, 15.12.2009 und 4.5.2015, wonach die Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses am Standort keinem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB diene. Der vom Kläger betriebene Ackerbaubetrieb samt Tätigkeit im Maschinenring und als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer sei nicht mit einem Viehhaltebetrieb vergleichbar. Es liege eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, weil das Bauvorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche, der für das verfahrensgegenständliche Grundstück Flächen für die Landwirtschaft ausweise. Die Ausführung des Bauvorhabens beeinträchtige zudem die natürliche Eigenart der Landschaft. Außerdem lasse das Vorhaben die Entstehung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten, da ein rechtserheblicher Bezugsfall geschaffen werde.
Gegen diesen Bescheid, der dem Kläger am 17.8.2015 zugestellt wurde, hat dieser am 14.9.2015 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor, dass er seine Landwirtschaft durchgehend seit 1981 bewirtschafte. Seine ursprünglich in T. befindliche Hofstelle habe er durch Scheidung im Jahr 2003 verloren. 2007 habe er sein jetziges Wohnhaus im Wohngebiet von K2. erwerben können, habe dort allerdings nicht die Möglichkeit, eine landwirtschaftliche Hofstelle mit den notwendigen Nebengebäuden für das Unterstellen landwirtschaftlicher Fahrzeuge einzurichten. Deshalb habe er im Jahr 2009 die für seine landwirtschaftliche Tätigkeit benötigte Maschinenhalle errichtet, in der Annahme, dort auch noch ein Betriebsleiterwohnhaus errichten zu können. Der Kläger beruft sich auf eine Stellungnahme des Bayerischen Bauernverbands vom 26.11.2009, wonach das geplante landwirtschaftliche Wohnhaus dem landwirtschaftlichen Betrieb diene und als privilegiertes Bauen akzeptiert werden könne. Der Schluss des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Stellungnahme vom 15.12.2009, dass die Notwendigkeit eines Betriebsleiterwohnhauses nicht begründet werden könne, werde den tatsächlichen Umständen nicht gerecht. Das „Dienen“ eines Betriebsleiterwohnhauses setze nicht voraus, dass der landwirtschaftliche Betrieb ohne das Betriebsleiterwohnhaus nicht geführt werden könne. Es reiche, wenn ein landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb vorliege und der Bau des Betriebsleiterwohnhauses vernünftigerweise an Ort und Stelle geboten sei. Es widerspreche dem Gebot der Vernunft, wenn der Kläger seine Landwirtschaft mit Betriebsschwerpunkt in O. von einem Wohnhaus im Wohngebiet von K2. aus leite. Öffentliche Belange würden durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt. Der Flächennutzungsplan sehe an Ort und Stelle Landwirtschaft vor. Der Kläger betreibe am Standort Landwirtschaft, weil es sich um ein Betriebsleiterwohnhaus handle. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft liege nicht vor, weil es mit Errichtung der Maschinenhalle an Ort und Stelle bereits einen Gebäudekomplex gebe, der nach landwirtschaftlicher Hofstelle aussehe. Insoweit werde das Landschaftsbild eher abgerundet und bereichert, wenn dort noch das fehlende Betriebsleiterwohnhaus errichtet werde. Die Entstehung oder Erweiterung einer Splittersiedlung sei nicht zu befürchten, weil das Vorhaben nicht mit dem Fall einer reinen Wohnbebauung im Außenbereich vergleichbar sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts … vom 13.8.2015 zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses als landwirtschaftliches Betriebsleiterwohnhaus zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich auf die Stellungnahmen des Amts für Landwirtschaft, wonach eine Privilegierung des Bauvorhabens verneint werde.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins durch den Berichterstatter am 26.11.2015.
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Behördenakten, die wechselseitigen Schriftsätze sowie den Inhalt der Niederschriften über die Einnahme des Augenscheins vom 26.11.2015 und die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg vom 26.1.2016.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 13.8.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zur Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; die Bauaufsichtsbehörde darf den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) und andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO). Nach diesen Maßstäben ist das Vorhaben des Klägers genehmigungsfähig.
1. Das Bauvorhaben ist planungsrechtlich im Außenbereich zulässig.
1.1. Das Vorhaben kann sich auf die Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB berufen, weil es einem landwirtschaftlichen Betrieb dient.
a) Unter dem Begriff der Landwirtschaft versteht man nach der in § 201 BauGB enthaltenen Legaldefinition den Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, den Erwerbsobstbau, den Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei. Der Kläger bewirtschaftet eine Fläche von 18,7 ha und erzielt hieraus Einnahmen aus dem Getreide- und Maisverkauf, er betreibt damit unmittelbare, planmäßige und eigenverantwortliche Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse.
b) Die landwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers erfüllt auch das Merkmal eines landwirtschaftlichen „Betriebs“, weil sie nachhaltig, ernsthaft und mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. Der Kläger hat eine landwirtschaftliche Gehilfenprüfung abgelegt und ist seit 1981, also mehr als drei Jahrzehnte als Landwirt tätig. Knapp die Hälfte der von ihm bewirtschafteten Ackerfläche steht in seinem Eigentum, die übrigen Flächen sind durch neunjährige Pachtverträge langfristig gepachtet. Nach der Einschätzung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Stellungnahme vom 4.5.2015 und in der mündlichen Verhandlung ist er als Vollerwerbslandwirt anzusehen, weil steuerrechtlich die aus dem Lohndreschen und dem Verleih von landwirtschaftlichen Maschinen erzielten Einnahmen der Landwirtschaft zuzurechnen sind. Selbst wenn man diese Einnahmen nicht der Landwirtschaft zurechnen wollte, läge aber zumindest ein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb vor.
c) Die vom Kläger beabsichtigte Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses dient diesem landwirtschaftlichen Betrieb. Für den Begriff des „Dienens“ reicht nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung die bloße Förderlichkeit nicht aus, andererseits kann aber eine Notwendigkeit oder Unentbehrlichkeit nicht verlangt werden (BayVGH, U.v. 25.9.1995 – 14 B 94.3676 – juris, Rn. 29). Ausschlaggebend ist vielmehr, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (BVerwG, U.v. 30.6.1964 – BVerwGE 19, 75). Indem auf die wirkliche und nicht auf die behauptete Funktion des Vorhabens abgestellt wird, besteht die eigentliche Zweckbestimmung auch darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können (BVerwG, U.v. 16.5.1991 – 4 C 2/89 – juris, Rn. 17). Dabei geht die Rechtsprechung bei landwirtschaftlichen Betrieben davon aus, dass herkömmlich der Grundsatz der Einheit von Wohnen und Arbeitsplatz gilt, der bewirkt, dass ein Wohngebäude für den Betriebsinhaber dem Betrieb dient und daher regelmäßig zulässig ist (BayVGH, U.v. 25.9.1995 – 14 B 94.3676 – juris, Rn. 30). Dieser Grundsatz ist nicht auf Vollerwerbslandwirte beschränkt. Allenfalls bei „besonderen Formen“ von Nebenerwerbsbetrieben, bei denen nicht angenommen werden kann, dass sie zu einer planmäßigen betriebswirtschaftlich sinnvollen Betriebsführung ein Wohnhaus gerade im Außenbereich benötigen, können hiervon Ausnahmen bestehen (BayVGH, U.v. 25.9.1995, a. a. O.).
Gemessen an diesen Kriterien, dient das beabsichtigte Wohnhaus dem Betrieb des Klägers. Ausschlaggebend ist nach Auffassung des entscheidenden Gerichts, dass der Kläger derzeit über keine Hofstelle verfügt. Insoweit kann sich der Kläger auf den in der Landwirtschaft geltenden Grundsatz der Einheit von Wohnen und Arbeitsplatz berufen. Seine Absicht, einen Betriebsmittelpunkt zu errichten, ist aus Sicht des als Maßstab heranzuziehenden „vernünftigen Landwirts“ nachvollziehbar. Zwar verfügt der Kläger über ein nur relativ geringfügig entferntes Einfamilienhaus im Innenbereich von K2., eine Hofstelle besitzt er dort jedoch nicht. Für den Kläger bedeutet dies, dass er zusätzlich zu den Fahrten zu seinen Betriebsflächen noch weitere Fahrten zu den ebenfalls verstreut liegenden Maschinenhallen und zu seinem Getreidelager zurücklegen muss. Bei einer derartigen Sachlage ist davon auszugehen, dass ein „vernünftiger Landwirt“ einen Betriebsmittelpunkt schaffen würde, um unnötige Wege zu sparen und um seine im Außenbereich erforderlichen Aktivitäten besser koordinieren zu können. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger darauf verwiesen werden könnte, einen solchen, neuen Betriebsmittelpunkt an seinem derzeitigen Wohnsitz im Innenbereich zu schaffen. Eine derartige Möglichkeit, etwa Getreidelager und Maschinenhalle an seinem Wohnhaus in K2. zu errichten, besteht für den Kläger nämlich nicht. Auch eine andere im Innenbereich gelegene potenzielle Betriebsstätte ist vorliegend nicht erkennbar. Damit bleibt dem Kläger, wenn er seine Betriebsmittel soweit als möglich zusammenfassen will, nur der Rückgriff auf eine Inanspruchnahme des Außenbereichs. Ihm diese räumliche Zusammenfassung seiner Betriebsmittel zu verwehren, würde der vom Gesetzgeber beabsichtigten Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht gerecht.
Eine Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses ist auch nicht wegen der damit verbundenen Investitionskosten „unvernünftig“. Im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Kläger im Fall der Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses das derzeit bewohnte Einfamilienhaus nicht mehr benötigt und dieses gegebenenfalls zur Kostendeckung veräußern könnte.
Vorliegend ergeben sich auch keine Hinweise auf einen Missbrauchsversuch des Klägers. Vielmehr sprechen die Umstände dafür, dass für den Kläger nicht der Wunsch, im Außenbereich zu wohnen, im Vordergrund steht, sondern dass er für seinen unstreitig bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb an der bereits genehmigten und errichteten Lagerhalle einen neuen Betriebsmittelpunkt schaffen möchte, der ihm bis jetzt fehlt. Dafür spricht auch, dass das beantragte Betriebsleiterwohnhaus auch nach Gestaltung und Ausstattung dem entspricht, was ein als Maßstab heranzuziehender „vernünftiger Landwirt“ planen würde. Mit einer Wohnfläche von 136 m² und einer gewerblichen Nutzfläche von 74 m² ist es nicht überdimensioniert, sondern den Bedürfnissen des Klägers als landwirtschaftlicher Betriebsleiter angepasst. Auch insoweit ergeben sich somit keine Anhaltspunkte, dass das konkrete Vorhaben dem Betrieb nicht dienen würde.
Für die Entscheidung ist schließlich ohne Belang, ob der Kläger tatsächlich Vollerwerbslandwirt ist, wie von den Vertretern des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Stellungnahme vom 4.5.2015 und zuletzt in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde. Vielmehr hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof selbst bei Nebenerwerbslandwirten nur in Ausnahmefällen angenommen, dass ein Betriebsleiterwohnhaus im Außenbereich dem Betrieb nicht dient (BayVGH, U.v. 25.9.1995, a. a. O.). Anhaltspunkte für einen solchen atypischen Fall bestehen nach den oben getroffenen Feststellungen jedoch nicht.
Ein anderes Ergebnis folgt insbesondere nicht daraus, dass der Betrieb des Klägers viehlos bewirtschaftet wird. Zwar führen die mit einer täglichen Versorgung von Tieren verbundenen Anforderungen regelmäßig dazu, dass ein Betriebsleiterwohnhaus auf einer solchen Hofstelle einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Dies lässt jedoch nicht den Umkehrschluss zu, dass ein Betriebsleiterwohnhaus einem landwirtschaftlichen Betrieb ohne Tierhaltung generell nicht dienen würde. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Begründung der Privilegierung entscheidend nicht auf die Tierhaltung, sondern darauf abgestellt, dass Landwirtschaft Bodenertragsnutzung auf – typischerweise weiten – Außenbereichsflächen ist und die möglichst nahe Zuordnung der Hofstelle zu den Betriebsflächen der landwirtschaftlichen Betriebsweise in besonderer Weise dienlich und für den Betriebserfolg im allgemeinen von Bedeutung ist (BVerwG, U.v. 22.11.1985 – 4 C 71/82 – juris, Rn. 14). Dies trifft auch im Fall der Bodenbewirtschaftung durch den Kläger zu. Wie der Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist es im Übrigen bei bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben im Landkreis … auch ohne Tierhaltung nicht ungewöhnlich, dass diese über ein Betriebsleiterwohnhaus im Außenbereich verfügen. Im Fall der Errichtung einer neuen Betriebsstätte gänzlich andere Maßstäbe anzulegen als bei bestehenden Betrieben, findet aber weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine hinreichende Grundlage.
Unschädlich ist auch, dass sich die vom Kläger bewirtschafteten Ackerflächen nicht in unmittelbarer Nähe des beabsichtigten Betriebsleiterwohnhauses befinden. Zwar kann eine von den Betriebsflächen abgesonderte Lage des Betriebsleiterwohnhauses ein Indiz sein, dass dieses nicht dem Betrieb dient, jedoch würde es den Erfordernissen landwirtschaftlicher Betriebe mit verstreuten Betriebsflächen nicht gerecht, unmittelbare Nähe der landwirtschaftlichen Betriebsstellen zu den Betriebsflächen für die Privilegierung allgemein und für jeden Fall vorauszusetzen (BVerwG, U.v. 22.11.1985, a. a. O.). Ausdrücklich stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht so streng ausgelegt werden könne, dass ein Landwirt mit verstreuten Betriebsflächen darauf verwiesen werden müsse, eine Hofstelle im Innenbereich zu errichten (BVerwG, U.v. 22.11.1985, a. a. O.). Übertragen auf das Vorhaben des Klägers bedeutet dies, dass aus der Situierung des Betriebsleiterwohnhauses keine durchgreifenden Zweifel am Merkmal des Dienens abgeleitet werden können. Die beabsichtigte Hofstelle befindet sich nämlich ziemlich genau im Mittelpunkt zwischen den nordwestlich, nordöstlich und südlich gelegenen Betriebsflächen des Klägers, sie liegt also keinesfalls abgesondert. Hinzu kommt, dass sich unmittelbar neben dem Standort des beabsichtigten Betriebsleiterwohnhauses das vom Beklagten genehmigte landwirtschaftliche Nebengebäude (Getreidelager) befindet. Die Entscheidung, wenn, dann gerade hier ein Betriebsleiterhaus zu errichten, ist also unter betrieblichen Aspekten durchaus nachvollziehbar und schlüssig.
1.2. Dem Vorhaben des Klägers stehen keine öffentlichen Belange entgegen. Bei der Darstellung im Flächennutzungsplan als Landwirtschaft ergibt sich dies schon daraus, dass ein landwirtschaftliches Betriebsleiterwohnhaus keinen Widerspruch zu einer solchen Darstellung bildet. Im Übrigen ist zu beachten, dass die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB ein stärkeres Durchsetzungsvermögen gegenüber den von einem Vorhaben berührten öffentlichen Belangen bewirkt, weil der Gesetzgeber durch die generelle Verweisung dieser Vorhaben in den Außenbereich selbst eine planerische Entscheidung zugunsten dieser Vorhaben getroffen und damit auch Fälle negativer Berührung mit öffentlichen Belangen im Einzelfall in Kauf genommen hat (vgl. Krautzberger in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rn. 45). Insoweit stehen weder eine mögliche Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft noch die Gefahr der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung dem klägerischen Vorhaben entgegen, da ein Konflikt mit diesen Belangen typischerweise mit der Errichtung eines einem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Gebäudes im Außenbereich verbunden ist und vorliegend keine besonderen Umstände hinzutreten, die eine Abwägung zulasten des klägerischen Vorhabens begründen könnten.
1.3. Hinweise, dass vorliegend die Erschließung nicht gesichert wäre, bestehen schon deshalb nicht, weil sich auf dem Grundstück bereits ein Wochenendhaus und die als Getreidelager genutzte Halle befinden.
2. Sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, die im Rahmen des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 59 BayBO zu prüfen wären, sind ebenfalls nicht ersichtlich, so dass dem Kläger ein Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung zusteht.
II.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Rechtsmittel: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg schriftlich zu stellen (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Ludwigstraße 23, 80539 München oder Postfach 340148, 80098 München) einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Antragsschrift sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000,– € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Rechtsmittelbelehrung
Rechtsmittel: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,– EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg) einzulegen. Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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