Baurecht

Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlicher Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windkraftanlagen

Aktenzeichen  B 2 K 17.141

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51131
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 3 Abs. 1 u. 2, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, § 17, § 29
BNatSchG § 44 Abs. 1
BayBO Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 7, Art. 63 Abs. 1 S. 1, Art. 82 Abs. 1 u. 2, Art. 83 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5 u. Abs. 2
UVPG § 2 Abs. 5, § 3a S. 1, 4 u. 6, § 3c S. 1
UVPG a.F. § 3c S. 1 u. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v. H. der zu vollstreckenden Kosten. 

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob sich das klägerische Wohnanwesen hinsichtlich der Schallimmissionen im Einwirkungsbereich der streitgegenständlichen Anlagen (RF 1, RF 2 und RF 3) im Sinne von Nr. 2.2 der TA Lärm befindet. Jedenfalls kann der Kläger geltend machen, als Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung L …, durch die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen in eigenen Rechten verletzt zu sein.
II.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamtes K … vom 22.12.2016 verletzt den Kläger nicht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.
Von den genehmigten Windkraftanlagen geht keine das nachbarschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzende erdrückende Wirkung aus (1). Ferner sind keine den Windkraftanlagen zuzurechnenden unzulässigen Lärm- oder Schatteneinwirkungen auf das Wohnanwesen des Klägers zu erwarten (2). Zudem führen weder die Problematik des Infraschalls (3) noch ein etwaiger Diskoeffekt (4) der Anlagen zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides. Auch aus den vorgetragenen artenschutzrechtlichen Belangen folgt kein Aufhebungsanspruch des Klägers (5). Für eine Fehlerhaftigkeit der durchgeführten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls bestehen keine Anhaltspunkte (6). Gleiches gilt im Hinblick auf Art. 82 ff. BayBO (7), die Vorschriften des Abstandsflächenrechts (8) sowie der Gefahr des Eiswurfs (9).
Nach § 4 Abs. 1 BImSchG bedarf die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen einer Genehmigung. Nach Ziffer 1.6 des Anhangs zu § 1 der 4. Verordnung zur Durchführung des BImSchG – 4. BImSchV – rechnen hierzu Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m. Mit einer Gesamthöhe von 199,00 m sind die streitgegenständlichen Windkraftanlagen der Beigeladenen entsprechend genehmigungspflichtig.
Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes, der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen u. a. so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigung getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.
Soweit die genannten rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, hat die Beigeladene einen Rechtsanspruch auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ihrer Windkraftanlagen und diese gebundene Genehmigungsentscheidung des Beklagten kann der Kläger als Nachbar der genehmigten Anlage nur daraufhin überprüfen lassen, ob die Genehmigung Rechtsvorschriften verletzt, die dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt sind (nachbarschützende Vorschriften). Hierbei setzt Nachbarschaft nicht voraus, dass das Grundstück des Betroffenen unmittelbar an das Anlagengrundstück angrenzt, sondern es genügt, dass die Grundstücke des Betroffenen im Einwirkungsbereich der genehmigten Anlage liegen. Eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung i. S. einer objektiven Rechtskontrolle findet auf eine Nachbarklage hin nicht statt.
1. Ein Vorhaben, welches wie die verfahrensgegenständlichen Windkraftanlagen der Nutzung der Windenergie dient, ist nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert (zulässig), wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Als sonstiger ungeschriebener Belang rechnet hierzu auch das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme und dieses umfasst auch Fallkonstellationen, in denen von einem Bauvorhaben eine optische bedrängende Wirkung auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgeht. Eine solche erdrückende Wirkung kommt den Windkraftanlagen jedoch nicht zu.
Ob von Windkraftanlagen tatsächlich eine bedrängende Wirkung ausgeht, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen (OVG NRW, U. v. 9.8.2006 – 8 A 3726/05; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 22 ZB 17.2032). Im Rahmen dieser Prüfung kommt es angesichts des Erscheinungsbildes von den Windkraftanlagen nicht nur darauf an, ob allein von den hinzutretenden Bauwerken wegen ihrer Höhe und Breite eine „erdrückende“ bzw. „erschlagende“ Wirkung ausgeht oder ob von ihnen eine regelrechte Abriegelungswirkung ausgelöst wird, sondern es kommt auch darauf an, welche Einwirkungen von der Höhe der Türme und dem Ausmaß der sich an ihnen bewegenden Rotoren ausgehen. Ausgehend von den technischen Dimensionen der genehmigten Windkraftanlagen als teilbeweglicher optischer Störquelle ist im Einzelfall ein Bezug herzustellen zu dem von ihren Einwirkungen betroffenen Grundstück des Klägers samt den auf ihm befindlichen Gebäuden und Nutzungen. Das OVG Münster hat in seiner genannten Entscheidung vom 09.08.2006 für die Einzelfallprüfung grobe Anhaltswerte beschrieben. Das OVG ist u. a. der Auffassung, dass die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen dürfte, dass keine optische bedrängende Wirkung von einer Anlage zu Lasten einer Wohnnutzung ausgeht, wenn der Abstand zwischen Wohnhaus und Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) beträgt. In diesem Fall würden sowohl die Baukörperwirkung als auch die Rotorbewegung der Anlagen soweit in den Hintergrund treten, dass ihnen keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung mehr beigemessen werden kann. Diesem Ansatz schließt sich das Gericht an, denn ihm liegt bereits eine Verdreifachung der im Bauordnungsrecht sonst üblichen Abstandsflächen zugrunde. Vorliegend beträgt die Gesamthöhe der Windkraftanlagen jeweils 199,00 m. Das klägerische Wohngebäude befindet sich nach den Feststellungen des TÜV-Gutachtens vom 22.01.2014 in einer Entfernung von ca. 1.200,00 m zur Windkraftanlage RF 2. Dabei ist die Windkraftanlage RF 2 die nächstgelegene. Die verfahrensgegenständlichen Anlagen des Windparks … liegen folglich mit deutlich mehr als das Dreifache ihrer Gesamthöhe vom Wohnhaus des Klägers entfernt, so dass von keiner optisch bedrängenden Wirkung der Anlagen auszugehen ist.
Auch werden die optischen Einwirkungen des Windparks … nicht durch die topographischen Gegebenheiten unzumutbar verstärkt. So liegen die streitgegenständlichen Windkraftanlagen in ihren Fußpunkten zwischen 483,3 m und 474,0 m über NN. Die maximale Gesamthöhe über NN der Windkraftanlagen beträgt 682,3 m bis wenigstens 673,0 m. Während sich das Klägeranwesen auf einer Höhe von 385,0 m über NN befindet, ist der Fußpunkt der nächstliegenden Anlage auf einer Höhe von 474,0 m situiert. Damit beträgt der Höhenunterschied nur 89,0 m. Angesichts der horizontalen Abstände der Windkraftanlagen des Windparks … zum klägerischen Wohnhaus von jeweils mehr als 1.200 m sind die vorgenannten Höhendifferenzen zu vernachlässigen. Selbst wenn man die Höhendifferenz in die vorgenannte Berechnungsformel mit einbezöge, käme man nach dieser Faustformel auf eine Entfernung von (200,0 m plus 89,00 m mal 3) 867,0 m. Überdies vermeiden die unterschiedlichen Entfernungen der Anlagen und die damit verbundene Staffelung, dass der streitgegenständliche Windpark … wie eine „Wand aus Windkraftanlagen“ in Erscheinung tritt. Unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten vermag das Gericht den verfahrensgegenständlichen Windkraftanlagen (auch unter Berücksichtigung der weiterhin genehmigten Anlagen) deshalb keine optisch erdrückende Wirkung gegenüber dem klägerischen Wohnanwesen beizumessen. Windkraftanlagen erweisen sich nicht bereits dann als rücksichtslos, wenn sie von benachbarten Grundstücken aus ganz oder teilweise wahrgenommen werden können, sondern sie müssen in ihren optischen Auswirkungen ein Ausmaß erreichen, das einem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann (§ 15 Abs. 1 BauNVO). Dies ist vorliegend nach der Überzeugung des Gerichts nicht der Fall. Dass der Kläger die Windkraftanlagen als ästhetisch störend empfindet, führt noch zu keinem Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.
2. 2.1. Durch die Errichtung und den Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlagen werden auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, zumindest erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Für die Beurteilung, ob von den streitigen Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, bietet mangels normativer Vorgaben die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz – technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm vom 26.08.1998) – eine geeignete Beurteilungsgrundlage, denn die Rechtsprechung hat die darin enthaltenen Richtwerte sowie Mess- und Rechenverfahren als geeignet angesehen, den vom Bundesimmissionsschutzgesetz gestellten Anforderungen bei der Beurteilung von Windenergieanlagen gerecht zu werden und diese zutreffend regelhaft nachzuvollziehen (BayVGH, B. v. 24.6.2002 – 26 CS 02.636).
Zwischen den Beteiligten ist spätestens ab dem Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung am 28.11.2019 unstreitig, dass das Wohnhaus des Klägers in einem dörflich geprägten Gebiet liegt und deshalb in Anwendung der TA Lärm (Ziff. 6.1 Buchstabe c) einen Schutzanspruch entsprechend einem Dorf- oder Mischgebiet erheben kann. Unter Ziff. III.B der Immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.12.2016 wurden Auflagen zum Lärmschutz verfügt, die gegenüber der Beigeladenen durch Ablauf der einmonatigen Klagefrist bestandskräftig geworden sind. Nach Ziff. III.B.2 dürfen die Windkraftanlagen den in den Anlagendaten genannten immissionswirksamen Schallleistungspegel nicht überschreiten. Entsprechend Ziff. III.B.7 ist die Einhaltung des unter B.2 festgelegten Schallleistungspegels durch ein zugelassenes Messinstitut nach § 29 BImSchG nachzuweisen. Weiter ist in Ziff. III.B.8 festgelegt, dass der prognostizierte Schallleistungspegel von 106 dB(A) je Anlage durch Vorlage der Ergebnisse der Leistungskurvenmessung, der Schallleistungsvermessung sowie durch Vorlage eines Schalldatenblattes von mindestens drei unabhängigen Messungen nachzuweisen ist. Sofern wider Erwarten der prognostizierte Schallleistungspegel nicht eingehalten werden sollte, wurden weitere Auflagen ausdrücklich vorbehalten. Ferner wird in Ziff. III.B.3 auf den gutachterlich ermittelten Beurteilungspegel der Gesamtbelastung am Immissionsort R (G … 47) von 40 dB(A) nachts gemäß der TA Lärm hingewiesen.
Infolge der bestandskräftigen Auflagen zum Lärmschutz lässt die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung einen schädliche Umwelteinwirkungen verursachenden Betrieb der Windkraftanlagen rechtlich nicht zu und der Bescheid sorgt gleichzeitig für eine angemessene Überprüfungsmöglichkeit. Für das Gericht ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm gegenüber der Nachbarschaft tatsächlich nicht eingehalten werden können. Die Prognoseberechnungen des TÜV Süd vom 22.01.2014 beziehen sich u. a. auf das Wohngebäude G … 47 als maßgeblichen Immissionsort R. Nach der Untersuchung des TÜV Süd ist für das vorgenannte Anwesen eine Gesamtbelastung mit Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze von 39,1 dB(A) nachts anzunehmen. Bis zur Erreichung des dort maßgeblichen Grenzwertes von 40 dB/A) verbleibt mithin eine Sicherheitsreserve in Höhe von 0,9 dB(A). Dabei ist zu berücksichtigen, dass für das klägerische Anwesen von einem maßgeblichen Grenzwert von 45 dB/A) auszugehen ist. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte zunächst umfangreich Ausführungen dahingehend gemacht, dass das klägerische Anwesen in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. Bereits beim Augenschein am 25.11.2019 drängte sich dem Gericht allerdings eine andere Beurteilung dahingehend auf, dass das Wohnhaus des Klägers in einem dörflich geprägten Gebiet liegt. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung am 28.11.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers dies so zugestanden, indem er für das Wohnhaus des Klägers in Anwendung der TA Lärm (Ziff. 6.1 Buchstabe c) von einem Schutzanspruch entsprechend einem Dorf- oder Mischgebiet ausgeht. Bis zur Erreichung des somit maßgeblichen Grenzwertes von 45 dB/A) verbleibt mithin sogar eine Sicherheitsreserve in Höhe von 5,9 dB(A). Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass die Gutachter des TÜV Süd im Rahmen ihrer Prognoseberechnung sowohl die bestehenden beiden Windkraftanlagen des Windparks … als Vorbelastung als auch die insgesamt sieben Anlagen des Windparks … ( … ) als Zusatzbelastung in ihre Berechnungen mit einbezogen haben. Die von der Klägerseite vorgebrachten Einwände gegen die Belastbarkeit des TÜV Gutachtens vom 22.01.2014 verfangen nicht.
Soweit der Klägervertreter darauf hinweist, dass die Lärmbelastung des klägerischen Anwesens nicht untersucht worden sei und dass dies angesichts der besonderen topographischen Lage notwendig sei, da das klägerische Anwesen gegenüber dem Immissionsort erhöht und vor einer ansteigenden Hangkante liege, folgt dem das Gericht nicht. Zwar trägt der Klägervertreter vor, dass die Schallquelle erhöht stehe, sich der Lärm kegelförmig ausbreite und dass deshalb Anwesen in erhöhter Position vor einer Hangkante in besonderem Ausmaß betroffen seien. Allerdings erläutert der zuständige Umweltingenieur hierzu, dass der Abstand zwischen der Windkraftanlage und dem gerechneten Immissionsort IO R 1.028 m betrage. Der Immissionsort IO R liege bei 400 m über NN, das Anwesen des Klägers bei 385 m über NN. Angesichts dieser Verhältnisse bestehe kein Sondereffekt. In das Gutachten seien keine Werte einer Abschirmung eingestellt worden, weil solche aus Sicht des Gutachters nicht vorlägen. Ein möglicher Abschirmeffekt bewege sich allenfalls in einem Bereich von 1 dB(A). Der größere Abstand führe gleichzeitig zu einer Lärmminderung von 2 dB(A). Die insoweit beantragte sachverständige Begutachtung, dass der Nachtimmissionsrichtwert von 45 dB(A) am Wohnhaus G … 27 nicht eingehalten wird, war abzulehnen (vgl. Beweisantrag).
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die maßgeblichen Richtwerte nicht eingehalten werden können. Insbesondere ergibt sich aus der von Klägerseite angeführten Forschungsarbeit des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) keine mangelnde Eignung der Berechnungsgrundlagen für die Schallausbreitung im Freien bei Quellen höher als 30,0 m, die in der DIN 9613-2 festgelegt sind. Nach den Ausführungen des TÜV-Gutachters wurden zur Bewertung der Schallausbreitung des geplanten Windparks … die TA Lärm sowie die DIN ISO 9613-2 als aktuelle Richtlinien herangezogen. Dass diese Richtlinien nicht mehr den aktuellen Stand der Forschung wiedergeben, ergibt sich aus der vorgenannten Forschungsarbeit des LANUV nicht. Im Gegenteil führt das LANUV selbst auf seiner Homepage aus, dass sich für die Praxis der Genehmigungsbehörden zum jetzigen Zeitpunkt keine Änderungen ergeben würden und dass bei bestehenden Windenergieanlagen nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG auszuschließen seien (vgl. http://www.l..de/umwelt/laerm/geraeusche/geraeuschquellen/windenergie-anlagen/). Dafür spricht letztlich auch der Umstand, dass im derzeit geltenden Bayerischen Windkrafterlass nach wie vor auf die „alten“ Regelwerke abgestellt wird.
Auch im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Prognosen des TÜV SÜD nicht auf der „sicheren Seite“ befinden. Insbesondere wurde in die Berechnungen zusätzlich ein Zuschlag für Prognoseunsicherheiten in Höhe von 2,66 dB(A) für die Zusatz- und 1,95 dB(A) für die Vorbelastung einbezogen.
Das Gericht hält es auch für unbedenklich, dass die Immissionsprognose keine Zuschläge für Tonhaltigkeit oder Impulshaltigkeit enthält. Die anlagenbezogenen Unterlagen enthalten keinerlei Hinweise auf eine Tonhaltigkeit oder eine Impulshaltigkeit der Anlagen. Sowohl die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 19.07.2016 (vgl. Ziff. 8.2.7) wie auch die Sachverständigen des TÜV Süd gehen davon aus, dass moderne Windkraftanlagen keine Geräusche hervorrufen, die einen Zuschlag für Tonhaltigkeit oder Impulshaftigkeit rechtfertigen würden. Im Übrigen lässt die streitgegenständliche Genehmigung bereits keinen ton- bzw. impulshaltigen Anlagenbetrieb zu. Denn nach Ziff. III. B.4. des Bescheides vom 22.12.2016 dürfen die von den Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche an den maßgeblichen Immissionsorten nicht impuls- oder tonhaltig sein.
Insgesamt erweist sich die Lärmprognose deshalb nach Überzeugung des Gerichts als auf der sicheren Seite liegend. Denn in den Berechnungen ist bereits ein Sicherheitszuschlag von 2,66 dB(A) enthalten und es verbleibt bis zur Erreichung des nächtlichen Grenzwertes beim Immissionsort R ein Spielraum von jedenfalls 0,9 dB(A), bis zum Anwesen des Klägers fast ca. 6 dB(A). Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich demgegenüber keine Umstände, die dem Gericht Anlass geben könnten, die dem Verwaltungsverfahren zugrundeliegende Lärmprognose in Zweifel zu ziehen und dem Umweltschutzingenieur des Landratsamtes in seiner fachlichen Bewertung nicht zu folgen. Durch die verfügten Auflagen ist nach Überzeugung des Gerichts der Schutz des klägerischen Wohngebäudes ausreichend gewährleistet und das wohl allenfalls theoretisch vorhandene Risiko einer tatsächlichen Überschreitung träfe nach der eingetretenen Bestandskraft der Genehmigung allein die Beigeladene.
2.2 Erhebliche Belästigungen durch Schattenwurf sind ebenfalls nicht zu befürchten. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass für die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 19.07.2016 herangezogen werden können. Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an, da in diese Hinweise umfassender behördlicher Sachverstand eingeflossen ist, weshalb sie zumindest als sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten eine geeignete Beurteilungsgrundlage bieten. Danach sind Beschattungszeiten von weniger als 30 Stunden pro Kalenderjahr und 30 Min. pro Tag nicht erheblich. Der Betreiber kann eine Abschaltautomatik vorsehen, die meteorologische Parameter (z. B. Intensität des Sonnenlichts) berücksichtigt, um die tatsächliche Beschattungsdauer zu begrenzen. Nach der Schattenwurfprognose des TÜV Süd vom 18.02.2014 werden die o.g. Schwellenwerte am klägerischen Wohnhaus nicht überschritten.
3. Ferner führt die seitens des Klägers geltend gemachte Problematik des Infraschalls nicht zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Genehmigungsbescheides.
Sowohl die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg – LUBW – („Tieffrequente Geräusche und Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen, Zwischenbericht über Ergebnisse des Messprojekts 2013-2014“, Stand: Dezember 2014, S. 10 und 36 – „Zwischenbericht 2014“- im Internet unter: http://www…de/umweltwissen/doc/uw_117_windkraftanlagen_infraschall_gesundheit.pdf) als auch das Bayerische Landesamt für Umwelt – LfU – (Internetpublikation: „Windkraftanlagen – beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit? – aktualisierte Neufassung vom November 2014 – http://www…de/umweltwissen/doc/uw_117_windkraftanlagen_in-fraschall_gesundheit.pdf) kommen zu dem Ergebnis, dass nach heutigem Stand der Wissenschaft Windkraftanlagen beim Menschen keine schädlichen Infraschallwirkungen hervorrufen, weil die von ihnen erzeugten Infraschallpegel in der Umgebung unterhalb der Hör- und Wahrnehmungsgrenzen liegen. Gesundheitliche Wirkungen von Infraschall ( 500 m) die Schwelle zur schädlichen Umwelteinwirkung durch Infraschall nicht erreicht wird. Bereits bei einem Abstand von 250 m von einer Windkraftanlage seien im Allgemeinen keine erheblichen Belästigungen durch Infraschall mehr zu erwarten (vgl. insoweit auch OVG NRW, B.v. 17.06.2016 – 8 B 1016/15). Die vorgenannten Untersuchungen verweisen in diesem Zusammenhang auch auf den öffentlich zugänglichen Bericht über Messungen an einem Wohnhaus, das sich ungefähr 600 m von einem Windpark mit 14 Windkraftanlagen entfernt befindet. Diese erbrachten u.a. das Ergebnis, dass zwischen den Betriebszuständen „WEA an“ und dem Hintergrundgeräusch kein nennenswerter Unterschied zu erkennen und die Hörschwellenkurve im Infraschallbereich deutlich unterschritten war. Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, dass die Weltgesundheitsorganisation im Hinblick auf gesundheitsgefährdende Infraschallwirkungen einen Mindestabstand der Windkraftanlagen von 2.000 m zum nächstgelegenen bebauten Gebiet fordere, verfängt nicht. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die derzeit geltenden Regelwerke nicht mehr den aktuellen Stand der Technik wiedergeben. Nach Ziff. 7.3 der TA Lärm i.V.m. Ziffer A.1.5 des Anhangs zur TA Lärm ist daher für die Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche weiterhin auf die Hinweise der DIN 45680, Ausgabe März 1997, und die im dazugehörigen Beiblatt 1 genannten Anhaltswerte zurückzugreifen, bei deren Einhaltung schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu erwarten sind. Angesichts der Entfernung des klägerischen Anwesens zur nächstgelegenen Windkraftanlage von ca. 1.200 m liegt die Annahme fern, dass eine relevante Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch Infraschall zu befürchten ist.
4. Auch wird durch die streitgegenständliche Windkraftanlage kein unzumutbarer Disco-Effekt erzeugt. Derartige periodische Lichtreflexionen fallen als „ähnliche Umwelteinwirkungen“ zwar unter den Begriff der Immissionen des § 3 Abs. 2 BImSchG. Der Disco-Effekt stellt jedoch nach dem Windkrafterlass Bayern Ziff. 8.2.9 aufgrund der matten Beschichtung der Windenergieanlagen kein Problem mehr dar. Insoweit ist auch Auflage Ziff. III.C.6. zum Genehmigungsbescheid zu beachten, wonach zur Vermeidung von Lichtreflexionen und störenden Lichtblitzen die Rotorblätter mit mittelreflektierenden Farben matter Glanzgrade gemäß DIN 67530/ISO 2813-1978 zu versehen sind.
5. Weiter kann der Kläger nicht geltend machen, die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstoße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften. Die betreffenden Regelungen – insbesondere auch § 44 BNatSchG – besitzen keinen drittschützenden Charakter (vgl. BayVGH U.v. 10.07.2019 – 22 B 17.124 – juris Rn. 36).
6. Aus einer etwaigen fehlerhaften Durchführung einer UVP-Vorprüfung kann sich kein Aufhebungsanspruch des Klägers ergeben. Vielmehr wäre ein solcher Fehler – gegebenenfalls – in einem ergänzenden Verfahren gemäß § 1b Satz 1 UmwRG durch Nachholung zu korrigieren (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.2018 – 7 C 24.16 – juris Rn. 38 ff.; U.v. 24.5.2018 – 4 C 4/17 – juris Rn. 35; U.v. 20.8.2008 – 4 C 11/07 – juris Rn. 24). Überdies bestehen aber weder hinsichtlich der vom Kläger gerügten artenschutzfachlichen Ermittlungsdefizite bei der Durchführung der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls noch hinsichtlich der immissionsschutzfachlichen Auswirkungen des Vorhabens Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der von Seiten des Landratsamtes K … durchgeführten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c Satz 1 UVPG.
Zunächst hat das Landratsamt eine allgemeine Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG a.F. durchgeführt, deren Ergebnis im Aktenvermerk vom 14. Februar 2014 festgehalten wurde. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Beurteilungsspielraum vorliegend seitens des Landratsamtes überschritten wurde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Rahmen der UVP-Vorprüfung vom 14.02.2014 führte das Landratsamt aus, dass keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen auf die maßgebenden Schutzgüter (ausgehend insbesondere von den Prognoseberechnungen des Anlagenbetreibers) zu erwarten seien. Bei den Schall- und Schattenimmissionen, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnten, müssten – ggf. durch Auflagen – die gesetzlichen Richt- und Grenzwerte eingehalten werden. Vorliegend hätte das Landratsamt aber lediglich eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vornehmen müssen. Nach Nummer 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG ist bei 3 bis weniger als 6 Windkraftanlagen eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls als ausreichend vorgesehen. Die streitgegenständlichen Windkraftanlagen bilden keine Windfarm i.S.d. § 2 Abs. 5 UVPG (n.F.) mit insgesamt 9 Anlagen, bestehend aus den Anlagen des Windparks … „RW 1“, „RW 2“ und „RW 3“ auf dem Gebiet des Landkreises K … und der Anlage „RE 1“ im Landkreis K … sowie den beiden Bestandsanlagen zwischen G … und E … Dies hat der BayVGH in seinem Urteil vom 10.07.2019 – 22 ZB 17.124 – so festgestellt (vgl. RdNr. 61).
Da vorliegend von Rechts wegen eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen war, ist die durchgeführte Vorprüfung am insoweit einschlägigen Maßstab des § 3c Satz 2 UVPG a.F. zu messen. Es ist insoweit für die rechtliche Bewertung ohne Bedeutung, wenn in dem Prüfungsvermerk des Landratsamtes vom 14. Februar 2014 ausgeführt wird, dass der weitergehende Prüfungsumfang einer allgemeinen Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG zugrunde gelegt wurde. Gemäß § 3c Satz 1 i.V.m. Satz 2 UVPG a.F. ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 zum UVPG a.F. aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Diese Prüfung ist nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift in einem ersten Schritt ausschließlich anhand der Schutzkriterien nach Anlage 2 Nr. 2 zum UVPG a.F. durchzuführen. Insoweit ist insbesondere die Einhaltung artenschutzrechtlicher Vorschriften in Kapitel 5 Abschnitt 3 des BNatSchG kein Prüfungskriterium (BayVGH, B.v. 10.12.2015 – 22 CS 15.2247 – juris Rn. 43; OVG RhPf, U.v. 20.9.2018 – 8 A 11958/17 – juris Rn. 93 m.w.N.; OVG NRW, U.v. 18.5.2017 – 8 A 870/15 – juris Rn. 78 f.). Vorliegend hat das Landratsamt K … im Vermerk vom 14.02.2014 (dort Seite 4 unter Nr. 4.4) festgestellt, dass sich im Vorhabensgebiet der Windkraftanlage RF 1 eine Biotopfläche befinde, deren Beeinträchtigung bzw. Ausgleich im Verfahren geprüft werden müsse. Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen seien danach jedoch nicht zu erwarten. Es hat sich aber dennoch in der Lage gesehen, im Ergebnis (unter Nr. 6 des Vermerks) festzuhalten, dass erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen danach nicht zu erwarten seien.
Selbst wenn aber der Kläger grundsätzlich eine mangelnde Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses der Vorprüfung in Bezug auf den Artenschutz rügen könnte, würde sich aus seinen Darlegungen kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorliegend den Anforderungen des § 3a Satz 4 UVPG nicht genügt hätte. Der Kläger geht nämlich von einem falschen maßgeblichen Zeitpunkt aus, was die Beurteilung des behördlichen Kenntnisstands und der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung über die Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung angeht. Der Kläger meint ausdrücklich (Schriftsatz vom 16.2.2016, S. 18, Nr. (4) am Anfang), dies sei vorliegend der 22.12.2016, also der Zeitpunkt der Erteilung der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Dies trifft nicht zu. Maßgeblich ist vielmehr derjenige Zeitpunkt, in dem die Behörde ihre Entscheidung gemäß § 3c Satz 6 UVPG dokumentiert hat (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2016 – 22 ZB 16.304 – Rn. 17). Vorliegend ist dies mit dem Aktenvermerk vom 14. Februar 2014 (Az. des LRA K …: … ) geschehen, also fast zwei Jahre vor der Erteilung der Genehmigung. Wie § 3a Satz 1 UVPG es verlangt, hat das Landratsamt die Vorprüfung des Einzelfalls unverzüglich nach Beginn des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens durchgeführt (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 22 CS 16.1078 – Rn. 28). In dieser fünf Seiten umfassenden Dokumentation hat das Landratsamt das Ergebnis seiner allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3c Satz 6 UVPG festgehalten. Es ist hierbei anhand der Prüfungskriterien, die bei einer allgemeinen Vorprüfung einschlägig sind, vorgegangen und hat zunächst die Vorhabensmerkmale nach Anl. 2 Nr. 1 zum UVPG (Nr. 3 des Vermerks vom 14.2.2014) und sodann die Standortmerkmale gemäß Anl. 2 Nr. 2 zum UVPG (Nr. 4 des Vermerks) untersucht. Es hat unter Nr. 3.2.3 in Bezug auf die – vom Kläger thematisierten – möglichen Auswirkungen auf die Tierwelt vermerkt, dass es im Bereich der Fundamente der WKA kleinflächig zu einem vollständigen Verlust der Lebensraumfunktion komme, auf den Schotterflächen im Bereich der WKA-Standorte und entlang der Zufahrten Lebensräume von Pflanzen und Tieren beeinträchtigt werden könnten und ansonsten hauptsächlich für Vögel und Fledermäuse Störwirkungen auftreten könnten und eine potentielle Kollisionsgefährdung bestehe. Das Landratsamt hat zwar vermerkt, dass das vorgelegte Gutachten zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) im Rahmen des Genehmigungsverfahrens noch genauer geprüft werde. Es hat sich aber dennoch in der Lage gesehen, im Ergebnis (unter Nr. 5 des Vermerks) festzuhalten, dass die möglichen Auswirkungen auf die Tierwelt durch vorbeugende Maßnahmen oder Auflagen für den Betrieb der WKA geringgehalten werden könnten. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das Landratsamt hierbei den rechtlichen Rahmen einer überschlägigen Vorausschau und einer Plausibilitätskontrolle verkannt hätte.
7. Der Kläger kann keinen Anspruch auf Einhaltung eines Abstands von 10 H im Sinne von Art. 82 Abs. 1 und 2 BayBO zwischen den streitgegenständlichen Windenergieanlagen und seinem Anwesen geltend machen. Dies ergibt sich schon daraus, dass Art. 82 Abs. 1 und 2 BayBO kein Verbot der Errichtung und des Betriebs von Windenergieanlagen innerhalb dieses Abstands enthält. Vielmehr bewirkt diese Regelung – vorbehaltlich der Übergangsregelung in Art. 83 Abs. 1 BayBO -, dass der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben zur Errichtung von Windenergieanlagen nicht anzuwenden ist, wenn der Mindestabstand von 10 H im Sinne dieser Vorschrift nicht eingehalten wird (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2017 – 22 ZB 16.2119 – juris Rn. 15). Falls es sich bei den streitgegenständlichen Anlagen wegen Unterschreitung dieses Mindestabstands um nichtprivilegierte Vorhaben handeln sollte, so wären diese gemäß § 35 Abs. 2 BauGB nur unter engeren Voraussetzungen bauplanungsrechtlich zulässig. Aus diesem Grund hat die 10 H-Regelung keine drittschützende Wirkung. Auf die Frage, ob zum Stichtag 04.02.2014 vollständige Antragsunterlagen vorgelegen haben, kommt es hier nicht an.
8. Ein Verstoß gegen die Abstandflächenvorschriften des Art. 6 BayBO, Art. 63 Abs. 1 BayBO liegt nicht vor. Die erteilte Abweichung von den Abstandsflächen erweist sich im Hinblick auf den Kläger als rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten.
Die streitgegenständlichen Windkraftanlagen sind abstandsflächenpflichtig (Art. 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayBO), da von ihnen aufgrund ihrer gebäudetypischen Auswirkungen (u.a. Lärm) Wirkungen wie von einem Gebäude ausgehen. Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Gesamthöhe der Anlage, d.h. nach dem Maß von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche (Art. 6 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 BayBO). Die Gesamthöhe der vorliegend in Rede stehenden Anlagen beträgt jeweils 199 m. Die grundsätzlich erforderliche Abstandsflächentiefe wurde vorliegend im Wege der Abweichung von 1 H auf 83,77 m verkürzt.
Gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO, vereinbar sind. Die von Seiten des Landratsamtes vorgenommene Abwägung zwischen den für die Verwirklichung des Vorhabens sprechenden Gründen und den Belangen des Klägers sowie die Reduzierung der Abstandsfläche auf 83,77 m sind nicht zu beanstanden. Zu beachten ist insoweit, dass Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Ermessensregelung darstellt und der der Behörde zustehende Entscheidungsspielraum nach § 114 Satz 1 VwGO vom Gericht nur eingeschränkt geprüft werden kann.
Zwar setzt eine Abweichung von den Abstandsflächen voraus, dass eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zutreffend erfasste oder bedachte Fallgestaltung vorliegt. Denn den Anforderungen des Art. 6 BayBO wird nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn die Zulassung einer Abweichung durch Gründe von ausreichendem Gewicht gerechtfertigt ist. Das Vorhaben muss sich mithin in einer Art und Weise vom Regelfall unterscheiden, welche die Einbuße an Belichtung, Besonnung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Die demnach erforderliche Atypik der Fallgestaltung ist im Hinblick auf die streitgegenständlichen Windkraftanlagen jedoch gegeben. Sie besteht zum einen in der Eigenart der Windkraftanlage, die in verschiedener Hinsicht keine typische bauliche Anlage ist, wie sie das Abstandsflächenrecht vor Augen hat. Sie ist im Verhältnis zu ihrer Gesamthöhe ausgesprochen schmal und verjüngt sich sowohl in Bezug auf den Turm als auch in Bezug auf die Rotorblätter. Hinzu kommt, dass es sich bezogen auf den Rotor nicht um eine statische Anlage handelt, weil dieser sich entsprechend der Windrichtung dreht. Soweit die vom Rotor bestrichene Fläche nicht mit ihrer Breitseite zum Betrachter steht, entfaltet sie hinsichtlich ihrer höchsten Punkte die oben beschriebene Wirkung wie von einem Gebäude dem Nachbarn gegenüber nicht. Zum anderen gibt es kaum Grundstücke, die von Größe und Zuschnitt her die Einhaltung der eigentlich gebotenen Abstandsflächen von 1 H für die im Außenbereich privilegierten Windkraftanlagen von heute üblichen Standard ermöglichen (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 28.07.2009 – 22 BV 08.3427). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes mag es zwar systematisch unbefriedigend erscheinen, in einem ersten Schritt gesetzliche Anforderungen bezüglich einer Gruppe von Anlagen für anwendbar zu erklären, um dann in einem zweiten Schritt regelmäßig eine atypische, eine Abweichung rechtfertigende Fallgestaltung zu bejahen. Doch müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Vorgehen den Zielsetzungen des Gesetzgebers am ehesten entspreche. Dieser habe bei einem Anlagentyp eigener Art gleichsam am Rande des Anwendungsbereichs des Art. 6 BayBO auf Spezialregelungen in der Erwartung verzichtet, dass mit Hilfe des Rechtsinstituts der Abweichung angemessene Lösungen erzielt werden könnten (vgl. BayVGH v. 28.07.2009 a.a.O.).
Auch das Ausmaß der Verkürzung der Tiefe der Abstandsflächen auf ca. 0,4 H lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Es existiert kein absolutes Maß für eine (noch zulässige) Abweichung von den Regelabstandsflächen. Vielmehr kommt es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an, wobei die Gründe für eine Abweichung umso bedeutender sein müssen, je weiter die Verkürzung der Tiefe der Abstandsfläche gehen soll. Auch die in Art. 6 Abs. 7 BayBO den Gemeinden eröffnete Möglichkeit der Verkürzung der Tiefe einer Abstandsfläche durch Satzung auf 0,4 H besagt nicht, dass der Gesetzgeber bei 0,4 H eine absolute Grenze sieht (vgl. BayVGH v. 28.07.2009 a.a.O.; v. 15.12.2008 – 22 B 07.143). Indizwirkung dafür, dass Verkürzungen in der vorliegenden Größenordnung in der Regel als zumutbar angesehen werden könne, haben auch die gesetzlichen Regelungen in anderen Bundesländern. Diese sehen beispielsweise für Windkraftanlagen in nicht bebauten Gebieten die Möglichkeit einer weiteren Verkürzung der Tiefe der Abstandsfläche, teilweise bis auf 0,25 H, vor. Derartige Verkürzungen wären allerdings dann problematisch, wenn dadurch die Rotorblätter über den Nachbargrundstücken schweben würden (vgl. VG Saarland, U v. 29.10.2008 – 5 K 98/08). So liegt der Fall hier nicht. Die Tiefe der Abstandsfläche von 83,77 m übersteigt den Rotorradius von 60 m weiterhin erheblich. Der Abstand vom Mastmittelpunkt bis zum Grundstück des Klägers beträgt ca. 140 m. Die vom Landratsamt getroffene Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Klägers als Nachbarn ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Justiziable Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Auch wenn der bloße Wunsch eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen, als die Abstandsflächenvorschriften es erlauben, grundsätzlich nicht schutzwürdig ist, kann als schutzwürdiges Interesse der Bauherrin vorliegend berücksichtigt werden, dass sie ihr dem heute üblichen Standard entsprechendes Vorhaben trotz dessen Privilegierung im Außenbereich mangels eines ausreichenden Angebots an geeigneten Grundstücken kaum hätte verwirklichen können. Die Wertung der Genehmigungsbehörde, dass die nachbarlichen Interessen hier nur geringfügig gegen das Vorhaben sprechen, ist nicht zu beanstanden. Mangels (Wohn-)Bebauung in der Umgebung des Standorts werden die Hauptzwecke des Abstandsflächenrechts – Sicherung von Freiflächen zwischen Gebäuden zur Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie des erforderlichen Wohnfriedens und Brandschutzes – nicht tangiert. Vielmehr sind von der Unterschreitung der erforderlichen Abstandsflächen ausschließlich land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke betroffen. Anhaltspunkte dafür, dass die Verkürzung der Tiefe der Abstandsflächen die Nutzbarkeit und Ertragsfähigkeit der land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke des Klägers mehr als geringfügig beeinträchtigen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar sind gewisse Verschattungen nicht gänzlich auszuschließen. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Ertrag bzw. die Grundstücksnutzung durch den Kläger haben (vgl. BayVGH v. 28.07.2009 a.a.O., v. 15.12.2008 a.a.O. m.w.N.).
9. Der Möglichkeit des sogen. Eiswiurfs wird durch die Nebenbestimmung Ziff. III.M. des Bescheides vom 22.12.2016 begegnet.
III.
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nachdem die Beigeladene mit der Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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