Aktenzeichen 9 CS 18.2340
Leitsatz
1. Eine als Hobby oder Liebhaberei betriebene Imkerei ist von § 201 BauGB nicht erfasst. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bienenhäuser sind dann nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert, wenn sie auf das Erforderliche beschränkt sind, also auf solche bauliche Anlagen, die unmittelbar der Unterbringung von Bienen dienen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 3 S 18.1822 2018-10-22 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine mit Sofortvollzug versehene Beseitigungsanordnung sowie eine damit verbundene Zwangsgeldandrohung.
Mit Bescheid vom 16. August 2018 verfügte das Landratsamt E. gegenüber dem Antragsteller und seiner Ehefrau als Pächter des Grundstücks FlNr. … Gemarkung L. die vollständige Beseitigung von darauf befindlichen vier Gebäuden (Zwei Abstellräume, ein Wochenendhaus, eine Pergola) und der Einfriedung, verpflichtete die Eigentümerin des Grundstücks zur Duldung und ordnete jeweils die sofortige Vollziehung an. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Klage erhoben (Az. …), über die noch nicht entschieden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 ab.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die Gebäude sowie die Einfriedung genehmigungsfähig, die Beseitigungsanordnung sei daher unverhältnismäßig. Der Antragsteller betreibe eine Imkerei, die als landwirtschaftlicher Betrieb privilegiert sei. Sie werde zwar noch nicht berufsmäßig betrieben, dies sei aber beabsichtigt. Ein Betriebskonzept sei in der „Lernphase nicht konretisierter erstellbar“. Die Gewinnerzielung habe stets Priorität. Die bestehenden Gebäude dienten dem landwirtschaftlichen Betrieb. Die ursprüngliche Gartenlaube werde als Bienenhaus für drei Bienenvölker (von insgesamt vier, auf die sich der Antragsteller für die nächsten drei bis fünf Jahre beschränken wolle) und das Gerätehaus werde für die Unterbringung von Gerätschaften der Imkerei genutzt. Das Toilettenhaus, die Terrasse und die Einfriedung dienten ebenfalls der Bienenzucht. Das Vorhaben des Antragstellers sei zudem privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Die insoweit erforderliche Beschränkung auf das Erforderliche sei umgesetzt. Die Gemeinde L. befürworte die bauliche Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks. Der Antragsteller bemühe sich zudem um die Ausweisung einer Kleingartensiedlung.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Beseitigungsanordnung und die Zwangsgeldandrohung im Bescheid des Landratsamts E. vom 16. August 2018 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verweist im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
1. Die vom Landratsamt mit Bescheid vom 16. August 2018 verfügte Beseitigungsanordnung erweist sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Der Antragsteller hat für die mit dem angefochtenen Bescheid aufgegriffenen baulichen Anlagen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 BayBO) auf dem von ihm gepachteten Grundstück keine Baugenehmigung. Eine solche kann auch entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht erteilt werden bzw. könnte es auf eine etwaige bauordnungsrechtliche Genehmigungsfreiheit (Art. 57 BayBO) nicht ankommen, denn das streitgegenständliche Bauvorhaben liegt zweifelsfrei im Außenbereich und ist dort bauplanungsrechtlich unzulässig. Zukünftige bauplanungsrechtliche Entwicklungen, wie sie der Antragsteller in Bezug auf die Ausweisung eines Kleingartengebietes für möglich hält, sind insoweit nicht von Belang.
a) Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind die Anlagen nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert, weil der Antragsteller auf seinem Pachtgrundstück angeblich mittlerweile vier Bienenvölker hält (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über die Sach- und Rechtslage bei einer Beseitigungsanordnung s. Decker in Simon/Busse, BayBO, 131. EL Oktober 2018, Art. 76 Rn. 451).
§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt voraus, dass das Vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Nach der insoweit maßgeblichen Legaldefinition des § 201 BauGB ist u.a. eine berufsmäßige Imkerei als landwirtschaftlicher Betrieb anzusehen. Berufsmäßigkeit kann nur dann angenommen werden, wenn die Absicht ständiger Gewinnerzielung erkennbar im Vordergrund steht und die Betätigung in gesicherter Weise auf Dauer angelegt ist, wobei es nicht auf die Haupt- oder Nebenberuflichkeit der Tätigkeit ankommt. Die als Hobby oder Liebhaberei betriebene Imkerei ist von § 201 BauGB nicht erfasst (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2012 – 4 C 9/11 – juris Rn. 7 f. m.w.N.). Eine hier sinngemäß behauptete Neugründung eines landwirtschaftlichen Betriebs liegt bei der Haltung von vier Bienenvölkern und zudem ohne jeden Nachweis dafür, dass sich ein nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen geführter Betrieb im Aufbau befindet, offensichtlich nicht vor (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2018 – 9 ZB 15.941 – juris Rn. 10).
b) Eine Privilegierung lässt sich auch nicht aus § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ableiten. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben im Außenbereich bevorzugt zulässig, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung im Außenbereich ausgeführt werden soll. Danach können nur Anlagen zugelassen werden, die wegen ihrer besonderen Anforderungen auf den Außenbereich angewiesen sind und nicht auch auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden können (vgl. BVerwG, B.v. 12.4.2011 – 4 B 6.11 – BauR 2011, 1299).
Dieser Auffangtatbestand privilegiert zwar grundsätzlich Bienenhäuser, soweit nicht eine berufsmäßige Imkerei und damit eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gegeben ist. Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind aber auf das Erforderliche zu beschränken, mithin auf bauliche Anlagen, die der unmittelbaren Unterbringung der Bienen dienen (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.1998 – 15 B 95.2784 – juris Rn. 24; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 131. EL Oktober 2018, § 35 Rn. 57 m.w.N.). Die von der Beseitigungsanordnung betroffenen Anlagen sind danach nicht privilegiert, weil sie nicht unmittelbar der Unterbringung von Bienen dienen, sondern Zusatzeinrichtungen darstellen. Dies gilt auch für die nach Antragstellerangaben über 10 m² Fläche einnehmende Gartenlaube, in der nach dem Beschwerdevorbringen drei Bienenstöcke eingebaut seien. Abgesehen davon, dass die Gartenlaube für eine derart geringe Anzahl von Bienenvölkern schon überdimensioniert wäre, ist sie zur Unterbringung der Bienen, ebenso wie im Fall des weiteren Bienenstocks des Antragstellers, der nach seinen Angaben im Freien aufgestellt ist, auch nicht erforderlich. Ein betretbarer umschlossener Raum mag zwar gewisse Vorteile mit sich bringen. Notwendig ist er deshalb aber nicht. Die insgesamt vier Bienenkästen des Antragstellers können allesamt im Freien errichtet werden (vgl. zur Bienenhaltung die im Internet unter www.lwg.bayern.de abrufbaren Informationen der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau; s. auch Merkblätter und Richtlinien des Deutschen Imkerbundes: www.deutscherimkerbund.de). Zum Witterungsschutz oder zum Schutz vor Tieren würden schon nicht begehbare, schrankartige Konstruktionen genügen und Gerätschaften für eine Imkerei in der hier in Rede stehenden Größe müssen nicht vor Ort im Außenbereich untergebracht werden. Auch das mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Schreiben des 1. Vorsitzenden des Vorstands des Imkervereins H. … und Umgebung e.V. vom 25. November 2018 rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn es trifft zur Frage der Erforderlichkeit keine Aussage.
c) Als sonstiges Außenbereichsvorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB sind die von der Beseitigungsanordnung betroffenen baulichen Anlagen bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie öffentliche Belange beeinträchtigen. Sie widersprechen jedenfalls den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der für das fragliche Gebiet Flächen für die Landwirtschaft, Ackerlandnutzung vorsieht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und beeinträchtigen – wie das Landratsamt im angefochtenen Bescheid zutreffend näher ausführt – die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Die Beschwerde hat hiergegen nichts zu erinnern.
d) Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die angefochtene Beseitigungsanordnung weder hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit noch sonst zu beanstanden. Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) sind mit der Beschwerde im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht dargelegt, im Übrigen aber auch nicht ersichtlich. Die im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung zur Beschwerdebegründung erwähnten Nachbargrundstücke mit Gebäuden zum Unterstellen von Gartengeräten bzw. der Hinweis auf kleingärtnerische Nutzung im Umfeld stellt auch in der Gesamtschau mit dem vorgelegten Luftbild keinen Vortrag dar, der geeignet wäre, eine fehlerhafte Ermessensentscheidung des Landratsamts zu begründen. Der Vortrag ist – wie dies auch schon gegenüber dem Verwaltungsgericht der Fall war – unsubstantiiert, weil auf seiner Grundlage nicht nachvollziehbar ist, dass eine der Situation des Antragstellers vergleichbare Sachlage und damit eine gleichheitswidrige Behandlung des Antragstellers vorliegen kann. Im Übrigen ist ein anlassbezogenes und schrittweises Vorgehen des Landratsamts grundsätzlich zulässig (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1990 – 4 B 184.90 – juris Rn. 4; Decker in Simon/Busse a.a.O. Art. 76 Rn. 232, 236 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass das Vorgehen des Landratsamts, das mit Schreiben vom 3. Mai 2018 gegenüber dem Antragsteller erklärt hat, vergleichbaren Fällen nachzugehen, diesen Grundsätzen nicht entspricht, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.2015 – 9 CS 15.901 – juris Rn. 17).
2. Das Landratsamt stützt die Anordnung des Sofortvollzugs zutreffend auf ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung.
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist für die Anordnung des Sofortvollzugs ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich. Die Vollziehung des Verwaltungsakts muss wegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen besonders dringlich sein und keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dulden. Das Beschwerdevorbringen setzt der Auffassung des Landratsamts und des auf den Bescheid verweisenden Verwaltungsgerichts, wonach ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO am Sofortvollzug der offensichtlich rechtmäßigen Beseitigungsanordnung gegeben ist, insoweit bereits nichts entgegen. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung – auch in Ansehung des Ausnahmecharakters einer solchen Anordnung wegen der ggf. mit ihr verbundenen Endgültigkeit ihrer Folgen (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 23) – ergibt sich hier aus der nicht nur abstrakt bestehenden negativen Vorbildwirkung baulicher Anlagen im grundsätzlich von Bebauung freizuhaltenden Außenbereich (vgl. Decker in Simon/Busse a.a.O. Art. 76 Rn. 336). Der Antragsteller trägt selbst vor, dass der Bereich, in dem sein Pachtgrundstück liegt, bereits kleingärtnerisch genutzt werde. Er ist somit als besonders anfällig für alsbaldige Nachahmung anzusehen, insbesondere im Hinblick auf leicht zu errichtende bauliche Anlagen, wie sie die Beseitigungsanordnung betrifft. Demgegenüber hat das private Interesse des Antragstellers, vor einer rechtskräftigen Entscheidung keinen unabänderlichen Substanzverlust hinnehmen zu müssen, hier auch nicht annähernd gleiches Gewicht. In Anbetracht der Beschaffenheit der in Rede stehenden Anlagen ist davon auszugehen, dass sie ohne wesentlichen Substanzverlust und zu moderaten Kosten ab- und ggf. auch wieder aufgebaut werden könnten (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 15.3.2006 – 25 CS 05.2410 – juris Rn. 5; OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.9.2018 – OVG 10 S 6.18 – juris Rn. 13; Molodovsky/Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand 10.7.2018, Art. 76 Rn. 131).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.5 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).