Baurecht

Rechtmäßigkeit eines Straßenausbaubeitragsbescheides

Aktenzeichen  Au 2 K 19.738

Datum:
14.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52576
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3, Art. 19 Abs. 7 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Unter einer Erneuerung ist die über eine Instandsetzung hinausgehende Ersetzung einer durch die bestimmungsgemäße Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Ortsstraße durch eine gleichsam „neue“ Ortsstraße von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen. (vgl. BayVGH, Urt. v. 05.12.2007 – 6 BV 04.496 -; Beschl. v. 21.07.2009 – 6 ZB 06.3102 -; B.v. 22.09.2009 – 6 ZB 08.788 -). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die übliche Nutzungsdauer von Straßen beträgt in der Regel 20 bis 25 Jahre (so z.B. BayVGH, Beschl. v. 29.07.2009 – 6 ZB 07.2861 -; Beschl. v. 04.02.2005 – 6 ZB 02.319 -). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erneuerung einer Straße nach Ablauf der üblichen Nutzungsdauer ist grundsätzlich auch als eine beitragsfähige Verbesserung anzusehen (vgl. z.B. BayVGH, 03.11.2016 – 6 ZB 15.2805 -; Beschl. v. 13.08.2014 – 6 ZB 12.1119 -). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen, da die Parteien hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Straßenausbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 20. November 2017 – in der mit Schreiben der Beklagten vom 27. Februar 2018 übersandten gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i.V.m. § 129 AO berichtigten Fassung – in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts * vom 18. April 2019, mit dem der Kläger für den als Parkplatz genutzten 1.185 m2 umfassenden Teil seines Grundstücks Fl.Nr. 9 zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 2.087,34 EUR herangezogen wurde, ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die Gemeinden können gemäß Art. 19 Abs. 7 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) zur Deckung des nicht anderweitig refinanzierbaren Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG gilt für die Erhebung von Beiträgen für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen das Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung, sofern – wie hier – die Beiträge jeweils bis spätestens am 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung sollen u. a. für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind.
Der streitgegenständliche Straßenausbaubeitragsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 19 Abs. 7 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 u. 3, Art. 2 Abs. 1 KAG und der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Satzung des Beklagten über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 7. Oktober 2014 (Ausbaubeitragssatzung – ABS).
Nach § 1 ABS erhebt die Gemeinde zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung der in § 5 Abs. 1 genannten, in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Einrichtungen Beiträge nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und dieser Satzung. Sonstige Bauarbeiten an gemeindlichen Straßen, wie insbesondere Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, sind hingegen nicht über Beiträge refinanzierbar. Unter einer Erneuerung ist die – über eine Instandsetzung hinausgehende – Ersetzung einer infolge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Orts straße durch eine gleichsam „neue“ Orts straße von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen, also eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Straße bzw. Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2007 – 6 BV 04.496 – juris Rn. 23; B.v. 21.7.2009 – 6 ZB 06.3102 – juris Rn. 7; B.v. 22.9.2009 – 6 ZB 08.788 – juris Rn. 3). Die übliche Nutzungsdauer von Straßen beträgt in der Regel 20 bis 25 Jahre (so z.B. BayVGH, B.v. 29.7.2009 – 6 ZB 07.2861 – juris; B.v. 4.2.2005 – 6 ZB 02.319 – juris). Eine Straße hat daher in der Regel nach 25 Jahren ihre Nutzungsdauer überschritten und darf erneuert werden (vgl. BayVGH, U.v. 14.7.2010 – 6 B 08.2254 – KommP BY 2010, 362; U.v. 19.9.1991 – 6 B 88.1578 – BayVBl 1992, 728). Die Erneuerung einer Straße nach diesem Zeitraum ist grundsätzlich zugleich auch als eine beitragsfähige Verbesserung anzusehen (vgl. z.B. BayVGH, 3.11.2016 – 6 ZB 15.2805 – juris; B.v. 13.8.2014 – 6 ZB 12.1119 – juris).
Die Ausbaumaßnahme stellt vorliegend eine Erneuerung bzw. Verbesserung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG dar, da die Fahrbahn, die Straßenentwässerung und die Beleuchtung neu hergestellt und verbessert wurden. Die Erneuerungs- und Verbesserungsmaßnahmen waren auch in diesem Umfang erforderlich und zwar unabhängig von den Unterhaltungspflichten des Beklagten, da die abgerechnete Anlage nach Aktenlage und – von Klägerseite auch nicht bestritten – vor mehr als 30 Jahren technisch hergestellt wurde und seitdem lediglich Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt worden waren, sodass die technische Nutzungsdauer jedenfalls abgelaufen war.
Gegenstand einer solchen beitragsfähigen Erneuerungs- bzw. Verbesserungsmaßnahme ist grundsätzlich die einzelne Orts straße als öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG; wie weit diese reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich in der Regel nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie in Bezug auf die Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.9.2009 – 6 CS 09.1753 – juris Rn.12; B.v. 29.7.2009 – 6 ZB 07.2861 – juris Rn. 5 m.w.N.). Die mit dem als „C“ bezeichneten Straßenteil identische Erschließungsanlage „A-+“ (Fl.Nr. 2/2) beginnt – unstreitig – an der Abzweigung der Straße „C“ von der Zufahrts straße zum Ortsteil A (Fl.Nr. 60/44) und endet zwischen dem klägerischen Grundstück und der +-* am Übergang zu dem auf dem klägerischen Grundstück Fl.Nr. 9 befindlichen Parkplatz.
Bei dem Ausbau der Erschließungsanlage „A-+“ handelt es sich – wie oben dargestellt
– um die Erneuerung bzw. Verbesserung einer Orts straße, für die der Beklagte auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 u. 3 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und seiner Ausbaubeitragssatzung vom 18. September 2014 Straßenausbaubeiträge erheben durfte. Dem steht – entgegen der Auffassung des Klägers
– nicht entgegen, dass es sich bei der abgerechneten Anlage rechtlich um eine als Gemeindeverbindungsstraße im Sinn von Art. 46 Nr. 1 BayStrWG im Straßenbestandsverzeichnis eingetragene bzw. gewidmete Gemeindestraße handelt. Die anzuwendenden kommunalabgabenrechtlichen Bestimmungen schließen hier die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht aus. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 19 Abs. 7, Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. Gemäß § 1 der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Ausbaubeitragssatzung des Beklagten vom 18. September 2014 erhebt dieser zur Deckung seines Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung der in § 5 Abs. 1 ABS genannten, in seiner Baulast stehenden öffentlichen Einrichtungen Beiträge nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und dieser Satzung, soweit nicht Erschließungsbeiträge zu erheben sind. In § 5 Abs. 1 ABS wird der Begriff „Ortsstraßen (Art. 46 BayStrWG)“ verwandt. Der Ortsrechtgeber knüpft damit – ebenso wie der Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. – an die Regelungen des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes an. Der beitragsrechtliche Begriff „Ortsstraßen“ folgt hier formal dem straßenrechtlichen, in Art. 46 Nr. 2 BayStrWG definierten Begriff. Danach sind Ortsstraßen Straßen, die dem Verkehr innerhalb der geschlossenen Ortslage oder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinn des Baugesetzbuchs dienen mit Ausnahme der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen (BayVGH, U.v. 13.12.2016 – 6 B 16.978 – BayVBl 2017, 418; U.v.1.12.2016 – 6 BV 16.856 – juris; B.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 7). Unter „geschlossener Ortslage“ versteht man denjenigen Teil des Gemeindegebiets, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist, wobei einzelne unbebaute Grundstücke, nicht bebaubares Gelände oder einseitige Bebauung diesen Zusammenhang nicht unterbrechen. Die straßenrechtliche Beurteilung muss von der Straße her ansetzen und die sich in der Nähe befindliche Bebauung betrachten, wobei ein weitläufiger Betrachtungsrahmen zugrunde zu legen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2008 – 4 ZB 08.55 – juris Rn. 7). Ortsstraßen sind daher auch Straßen und Strecken im baurechtlichen Außenbereich, solange sie innerhalb der geschlossenen Ortslage liegen. Die Grenzen einer geschlossenen Ortslage sind nach den gröberen Umrissen des örtlichen Bebauungsbereichs, wo er sich gegenüber dem freien Gelände absetzt, zu bestimmen (BVerwG, U.v. 18.3.1983 – 4 C 10.80 – juris Rn. 14). Innerhalb der geschlossenen Ortslage verläuft eine Straße auch dann, wenn sie in einem weitläufigeren Rahmen von der örtlichen Bebauung umschlossen wird, sofern der Unterschied zum Verlauf im freien unbebauten Gelände sichtbar wird (SächsOVG, B.v. 1.7.2016 – 5 A 435/14 – juris Rn. 8). Die Feststellung des erforderlichen Bebauungszusammenhangs als Merkmal einer geschlossenen Ortslage ergibt sich danach im Allgemeinen schon aus der einfachen Gegenüberstellung des örtlichen Bereichs baulicher oder gewerblicher Nutzung und des davon freien, zumeist der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienenden Geländes (BVerwG, U.v. 18.3.1983 – 4 C 10.80 – juris Rn. 14). Herrscht am fraglichen Standort der Eindruck vor, sich im freien Gelände zu befinden, ist keine geschlossene Ortslage anzunehmen (NdsOVG, U.v. 30.1.2017 – 9 LB 194/16 – juris Rn. 33 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs und unter Berücksichtigung der verfahrensgegenständlichen Planunterlagen sowie des Ergebnisses der Ortseinsicht verläuft die Anlage „A-+“ innerhalb der geschlossenen Ortslage im Sinn von Art. 46 Nr. 2, Art. 4 Abs. 1 Satz 2, 3 BayStrWG.
Den Vorgaben des Straßen- und Wegerechts entsprechend setzt der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG verwendete Begriff „öffentlich“ bei einer Orts straße entweder eine Eintragung im Straßenbestandsverzeichnis (Art. 67 Abs. 3 BayStrWG) oder eine Widmung nach Art. 6 Abs. 1 BayStrWG voraus (vgl. Art. 1 Satz 1 BayStrWG). Die sachlichen Beitragspflichten können erst dann entstehen, wenn eine der beiden Voraussetzungen erfüllt ist (BayVGH, U.v. 1.12.2016 – 6 BV 16.856 – juris; B.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 8; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 31 Rn. 4; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 1. Aufl. 2018, § 6 Rn. 19 ff.). Hier war die abgerechnete Anlage am 6. Mai 1963 unter der laufenden Nr. 10 mit der Bezeichnung „C“ als Gemeindeverbindungsstraße mit einer Gesamtlänge von 0,260 km im Straßenbestandverzeichnis eingetragen (Bl. 37 u. 38 der Behördenakte). Ob die am 2. November 2007 unter Nr. 10 mit der Bezeichnung „C“, „Straßenklasse (neu): Orts straße“ („Gesamtlänge km 0,0260“) und der Widmungsbeschränkung „Sackgasse nur Anliegerverkehr“ mit dem Vermerk „Anlass: Widmung“ erfolgte Übernahme in das digitale Straßenbestandsverzeichnis eine wirksame Umwidmung der Gemeindeverbindungsstraße zur Ort straße darstellt, kann angesichts des Inhalts der Beschlussvorlage der Verwaltung zum – ohne Entscheidung abgesetzten – Tagesordnungspunkt „BayStrWG; Änderung der Straßenklasse in Teilbereichen der Gemeindeverbindungsstraße Nr. X“ der Sitzung des Bau-, Planungs-, Umwelt- und Liegenschaftsausschusses des Beklagten vom 30. Januar 2018, die von einer erst noch vorzunehmenden Umwidmung in die Straßenklasse „Orts straße“ ausgegangen ist, dahinstehen. Der sich dem oben genannten Ausdruck aus dem digitalen Straßenbestandverzeichnis ergebenden (Um-)Widmung zufolge würde es sich bei der abgerechneten Anlage seit dem 2. November 2007 und folglich auch zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids straßenrechtlich um eine – auch entsprechend gewidmete – Orts straße gemäß Art. 46 Nr. 2 BayStrWG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 ABS handeln. Dies hätte zur Folge, dass die Ausführungen der Klägerseite zu den beitragsrechtlichen Folgen des Ausbaus einer – als solche gewidmeten – Gemeindeverbindungsstraße im Sinn von Art. 46 Nr. 1 BayStrWG von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgingen und den entsprechenden Einwänden der Boden entzogen wäre.
Dies kann hier aber dahinstehen, da es in Bezug auf die in Streit stehende Erhebung eines Straßenausbaubeitrags rechtlich unschädlich ist, dass es sich bei der abgerechneten Anlage „A-+“ um eine formal als Gemeindeverbindungsstraße im Sinn von Art. 46 Nr. 2 BayStrWG in das Straßenbestandsverzeichnis eingetragene Straße handelt, da die straßenrechtliche Klassifizierung der Straße als Gemeindeverbindungsstraße die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in der vorliegenden Konstellation nicht ausschließt. Maßgeblich für die Möglichkeit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist – auch wenn in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG von „Orts straße“ die Rede ist – nicht die Klassifizierung der Straße als Orts straße oder Gemeindeverbindungsstraße, sondern ob der hier in Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i.V.m. § 38 AO normierte Abgabentatbestand erfüllt ist. Eine Beitragspflicht ist sowohl im Erschließungsbeitragsrecht wie auch im Straßenausbaubeitragsrecht nur begründet, wenn eine Erschließungsanlage vorliegt. Für den Straßenausbaubeitrag folgt dies aus Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 KAG a.F., der mit dem Tatbestandsmerkmal „soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a zu erheben sind“ die Verknüpfung zu Art. 5a KAG und zu den bundesrechtlichen Regelungen der §§ 128 ff. BauGB herstellt (so BayVGH, B.v. 14.11.2000 – 8 ZB 00.2948 – BeckRS 2000, 25135 Rn. 5). Eine Straße hat – unabhängig von der Klassifizierung – für ein Anliegergrundstück aber nur dann Erschließungsfunktion, d.h. sie ist im Sinn von Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG, § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB „zum Anbau bestimmt“, wenn das Anliegergrundstück nach den bauplanungsrechtlichen Kategorien der §§ 30 Abs. 1, 34 und 35 BauGB im Innenbereich oder in einem überplanten Gebiet, nicht jedoch im Außenbereich liegt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 14.2.1886 – 8 C 115.84 – NVwZ 1986, 568). Befindet sich das Anliegergrundstück im bauplanungsrechtlichen Innenbereich (§ 34 BauGB), löst dies, selbst wenn die Erschließungsanlage nicht als Orts straße, sondern als Gemeindeverbindungsstraße gewidmet ist, die (Straßenausbau-)Beitragspflicht aus (BayVGH, B.v. 14.11.2000 a.a.O.). Auch auf einer Gemeindeverbindungsstraße kann kraft ihrer Widmung zur öffentlichen Straße von jedermann an die anliegenden Grundstücke herangefahren und Zugang genommen werden (vgl. Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 46 Nr. 1 BayStrWG). Somit wäre eine Umwidmung des Straßenteils „C“ bzw. der damit identischen Anlage „A-+“ von einer Gemeindeverbindungsstraße zur Orts straße sowie deren Zeitpunkt ohne Belang für das bereits jetzt gegebene Erschlossensein der anliegenden Grundstücke (vgl. BayVGH, B.v.6.3.2006 – 6 ZB 03.2961 – juris Rn. 7). Nur soweit die straßenrechtliche Widmung eine allgemeine Anfahrmöglichkeit sperren würde, läge keine zum Anbau bestimmte Straße vor (so für einen öffentlichen Feld- und Waldweg BayVGH, B.v. 17.10.2000 – 6 ZB 00.1276- juris). Für die Frage der Abrechenbarkeit der Straßenbaumaßnahmen kommt es daher nicht auf die im Rahmen des Widmungsakts gewählte funktionsbezogene Klassifizierung der Straße als Orts straße bzw. Gemeindeverbindungsstraße an, sondern auf das den Vorteil vermittelnde Kriterium der Erschließung der herangezogenen Grundstücke durch eine öffentliche Einrichtung. Die an der abgerechneten Anlage „A-+“ anliegenden Grundstücke befinden sich hier nach dem sich durch die vorliegenden Planunterlagen ergebenden Eindruck und dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Augenschein (seit langem, jedenfalls bereits bei Beginn der Ausbaumaßnahmen und zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht am 20.5.2014) in einer geschlossenen Ortslage. Dass die Straße bei der Anlegung des Straßenbestandsverzeichnisses ihrer damaligen Funktion folgend wohl nicht zu Unrecht als Gemeindeverbindungsstraße eingetragen wurde, weil, wofür der mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 30. Juli 2020 vorgelegte Lageplan aus dem Jahr 1958 spricht, der Ortsteil A in dieser Zeit lediglich aus acht Gebäuden bestanden hat, steht dem nicht entgegen, da es beitragsrechtlich darauf ankommt, ob die Gemeinde mit den durchgeführten Maßnahmen eine Anbaustraße ausgebaut bzw. verbessert hat. Auch eine aufgrund Funktionswandels aktuell formal unzutreffend als Gemeindeverbindungsstraße gewidmete Straße, die – wie hier – die rechtlichen Voraussetzungen für die Einstufung als Orts straße im Sinn von Art. 46 Nr. 2 BayStrWG erfüllt, aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht entsprechend (um-)gewidmet wurde, kann die Abrechnungsvoraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 KAG i.V.m. § 5 Abs. 1 ABS erfüllen, wenn die sonstigen rechtlichen Vorgaben für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vorliegen. Selbst wenn die Straße „C“ straßenrechtlich überhaupt nicht gewidmet wäre, könnte diese nachgeholt und die Beitragspflicht damit zum Entstehen gebracht werden (BayVGH, U.v. 13.12.2016 – 6 B 16.978 – juris Rn. 20). Eine nachträgliche Widmung kann nur dann keine Beitragspflichten entstehen lassen, wenn der maßgebliche Sachverhalt (Erneuerung oder Verbesserung einer Straße) bereits abgeschlossen war, ohne dass Beitragstatbestände berührt wurden. Führt eine Gemeinde etwa an einer tatsächlich nur den nachbarlichen Verkehr der Gemeinden oder der Gemeindeteile untereinander oder deren Verbindung mit anderen Verkehrswegen vermittelnden und entsprechend gewidmeten Gemeindeverbindungsstraße im Rahmen ihrer Straßenbaulast (Art. 47 Abs. 1 BayStrWG) – beitragsfreie – Erneuerungsmaßnahmen durch, kann sie nach Änderung der Verkehrsbedeutung und entsprechender Umstufung zur Orts straße diesen abgeschlossenen Sachverhalt beitragsrechtlich nicht rückwirkend als beitragspflichtige Erneuerung einer Orts straße (um-)qualifizieren (BayVGH, U.v. 13.12.2016 – 6 B 16.978 – BayVBl 2017, 418; U.v. 1.12.2016 – 6 BV 16.856 – juris). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Die Straße „C“ bzw. die Erschließungsanlage „A-+“ wurde bei der Ermittlung des Beitrags auch zutreffend als Anliegerstraße im Sinn von § 7 Abs. 2 Nr. 1 (1.1), Abs. 3 Nr. 1 ABS und nicht – wie vom Kläger aufgrund des höheren Gemeindeanteils gewünscht – als Haupterschließungsstraße eingestuft. § 7 Abs. 3 Nr. 1 ABS definiert Anliegerstraßen als Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen. Als Anliegerverkehr ist in diesem Zusammenhang der Verkehr anzusehen, der zu den angrenzenden Grundstücken hinführt oder von ihnen ausgeht (Ziel- und Quellverkehr). Dem Anliegerverkehr ist darüber hinaus auch der kleinräumige Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier zuzuordnen; denn bei diesem handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre (BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 20; U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 20). Dagegen sind nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 ABS Haupterschließungsstraßen Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind. Bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung ist ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich daneben, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 19; B.v. 17.2.2016 – 6 ZB 14.1871 – juris Rn. 20; B.v. 27.7.2012 – 6 ZB 12.848 – juris Rn. 5). Die Begriffswahl „ganz überwiegend“ soll also verdeutlichen, dass es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt gehen soll (BayVGH, B. v. 15.7.2019 – 6 ZB 19.157 – juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Einstufung der Anlage „A-+“ als Anliegerstraße im Sinn von § 7 Abs. 2 Nr. 1 (1.1), Abs. 3 Nr. 1 ABS rechtsfehlerfrei erfolgt. Dies ergibt sich sowohl aus dem Ergebnis der gerichtlichen Beweiserhebung als auch aus der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz, die auch anhand der Lagepläne zum Ausdruck kommt und durch die Eigenschaft als Sackgasse geprägt wird, sowie aus deren Ausbauprofil. Die Anlage ist durchschnittlich nur ca. 4,50 m breit, weist keinen Gehweg für Fußgänger auf und endet beim streitgegenständlichen klägerischen Grundstück als Sackgasse. Das aufgrund des Anliegens der +-* und der Nutzung einiger Anliegergrundstücke zu touristischen Zwecken durch das Vermieten von Ferienwohnungen hervorgerufene Verkehrsaufkommen steht dieser Einstufung nicht entgegen, da es sich hierbei aufgrund der Sackgassensituation nur um engräumigen Ziel- und Quellverkehr innerhalb desselben Bauquartiers handelt und nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre (vgl. BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 23; B.v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 8; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand August 2020, Rn. 2123 m.w.N.).
Die konkrete Heranziehung des Grundstücks Fl.Nr. 9 (Parkplatzbereich) zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 2.087,34 EUR unter Zugrundelegung einer Fläche von 1.185 m2 und eines Nutzungsfaktors von 1,0 multipliziert mit dem Beitragssatz von 1,715 EUR/ m2 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 2, § 8 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 SAB und wurde vom Kläger insoweit auch nicht in Frage gestellt.
Da sonstige die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Straßenausbaubeitragsbescheids in Frage stellenden Rechtsmängel weder gerügt noch sonst ersichtlich sind, konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VwGO).


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