Baurecht

Rechtsschutz gegen straßenrechtliche Widmung von Nachbargrundstücken

Aktenzeichen  M 2 E 20.642

Datum:
3.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12939
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1, Abs. 3
ZPO § 920

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des Eilrechtsschutzes nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen die straßenrechtliche Widmung der Grundstücke FlNr. …, … und … Gemarkung …
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung … Die Grundstücke FlNr. …, … und … bilden das westliche Ende einer Sackgasse („Wendehammer“); sie grenzen südlich an das Grundstück der Antragsteller an, das hierüber befahren wird.
Die Grundstücke FlNr. …, … und … standen bis zum Zeitpunkt ihres rechtgeschäftlichen Erwerbs durch die Antragsgegnerin mit notariellem Vertrag vom 5. November 2019 im Eigentum einer Privatperson. Sie sind vom Umgriff eines Bebauungsplans erfasst und als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt. Auf den Grundstücken ist zu Gunsten des Grundstücks der Antragsteller ein Geh- und Fahrtrecht eingetragen. Nach dem Erwerb widmete die Gemeinde mit Allgemeinverfügung vom 2. Januar 2020, bekanntgemacht durch Anschlag an den Amtstafeln (ab dem 29. Januar 2020 bis zum 12. Februar 2020), die Grundstücke FlNr. …, … und … zur Orts straße und verlängerte auf diese Weise die bisher in östlicher Richtung angrenzende Sackgasse.
Am 8. Februar 2020 erhoben die Antragsteller Klage gegen die Allgemeinverfügung zum Verwaltungsgericht München (M 2 K 20.517). Sie tragen – vertieft in weiteren Schriftsätzen – unter Vorlage von Bildmaterial vor, dass sie sich durch die streitgegenständliche Widmung in ihrem aus historischen Gründen gegebenen, „quasi ungeschriebenen Vorkaufsrecht“ verletzt sehen. Außerdem müssten sie parkende Autos an der Südgrenze ihres Grundstücks dulden und würden durch den Verkehr sowie – im Winter – durch dort abgelagerte Schneemengen erheblich beeinträchtigt. Sie beantragen insoweit den Widerruf der öffentlichen Widmung der Grundstücke FlNr. …, … und … als Teilfläche der Orts straße und Sackgasse …weg, die Rückabwicklung des Kaufs der Grundstücke durch die Antragsgegnerin, hilfsweise den – näher bezeichneten – Antrag auf Neuverteilung diverser Grundstücke bzw. Grundstücksteile im Umgriff des Wendehammers und weiter hilfsweise den Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags über näher bezeichnete Grundstücke bzw. Grundstücksteile im Umgriff des Wendehammers. Zugleich stellten sie den Antrag,
im Wege der einstweiligen Verfügung die Antragsgegnerin zu verpflichten, auf den Grundstücken FlNr. …, … und … keine baulichen Maßnahmen und Veränderungen wie Fällen der Bäume und Hecken oder Rückschnitt des Überhangs der Eiben usw. vorzunehmen und die öffentliche Widmung der Grundstücke als Straßenteilfläche der Ort straße und Sackgasse …weg zu widerrufen,
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 6. März 2020,
den Antrag abzulehnen.
Sie trug vor, dass der beantragte Widerruf wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig sei. Der Antrag auf Unterlassung baulicher Veränderung sei unzulässig, weil die Antragsgegnerin solche Maßnahmen überhaupt nicht plane.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakten, auch im Verfahren M 2 K 20.517, verwiesen.
II.
1. Die Anträge sind unzulässig.
a) Von den insgesamt sechs gestellten Anträgen sind (nur) die Anträge hinsichtlich der vorläufigen Unterlassung baulicher Maßnahmen und des vorläufigen Widerrufs der Widmung ausweislich der gewählten Formulierung als Eilrechtsschutzanträge auszulegen; im Übrigen betreffen die Anträge das Hauptsacheverfahren.
b) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Vorausgesetzt wird hierfür gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung (ZPO), dass der jeweilige Antragsteller sowohl einen Anspruch, der durch die begehrte Anordnung vorläufig gesichert werden soll (Anordnungsanspruch), als auch Gründe glaubhaft macht, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund). Grundsätzlich ist es dem Gericht untersagt, im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens das erst im Hauptsacheverfahren zu erstreitende Recht (endgültig) vorwegzunehmen.
Es kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang ein Anspruch der Antragsteller auf Unterlassung baulicher Maßnahmen auf den von der streitgegenständlichen Widmung erfassten Grundstücken zumindest nicht von vorherein ausgeschlossen erscheint. Es fehlt jedenfalls an einem Anordnungsgrund. Nach Mitteilung der Antragsgegnerin sind derlei Maßnahmen gegenwärtig nicht geplant. Auch aus dem Vortrag der Antragssteller ergeben sich keine Anhaltspunkte, weshalb die Antragsgegnerin entsprechende Maßnahmen ergreifen sollte. Maßnahmen hinsichtlich des grenzständigen Bewuchses auf dem Grundstück der Antragsteller sind ebenfalls nicht ersichtlich und entsprechende Verkehrssicherungspflichten der Antragssteller wären zumindest im Grundsatz ohnehin durch (gesondert anfechtbaren) Verwaltungsakt ihnen gegenüber zu konkretisieren.
c) Soweit die Antragsteller den Widerruf der Widmung im Eilrechtsschutz verlangen, fehlt es schon wegen der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage gegen die Widmung an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Eilentscheidung. Weder ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO noch ein Antrag nach § 123 VwGO kann in zulässiger Weise gestellt werden. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, in welcher Rechtsposition die Antragsteller verletzt sein könnten. Die straßenrechtliche Widmung lässt die öffentliche Sache entstehen, legt den besonderen öffentlichen Zweck fest, dem die öffentliche Sache dienen soll und überantwortet die öffentliche Sache „Straße“ als Sachgesamtheit des öffentlichen Rechts den Normen des Verwaltungsrechts. Sie begründet damit insbesondere Rechte und Pflichten für den Träger der Straßenbaulast, den Grundstückseigentümer und die Straßenbenutzer, nur in bestimmter Hinsicht auch für die Anlieger. Letzteres gilt – etwa im Hinblick auf Anbauverbote, Baubeschränkungen oder die Möglichkeit zur Anlegung von Zufahrten nach dem BayStrWG – auch für die Einstufung, die „integraler Bestandteil“ jeder Widmung ist und sich allein nach der objektiven Verkehrsbedeutung bestimmt (vgl. VG München, U. v. 24.1.2012 – 2 K 11.5640 – juris Rn. 22). Die Antragsteller haben keine insoweit straßen- und widmungsrechtlich relevante Beeinträchtigung von Rechten geltend gemacht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 43.3 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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