Baurecht

Reichweite einer Bau- bzw. Tekturgenehmigung bei der Änderung der Nutzung

Aktenzeichen  15 CS 15.44

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1, § 146
BayBO BayBO Art. 31, Art. 33, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1

 

Leitsatz

Eine Baugenehmigung für die Errichtung von sechs Einzelzimmern als Schlafräume für Arbeitnehmer von 1965 und 1967 umfasst nicht die Nutzung als dauerhaft vermietete Wohnräume, da die Variationsbreite der genehmigten Nutzung überschritten wird und für die geänderte Nutzung andere baurechtliche Anforderungen in Betracht kommen. Unerheblich ist, ob die anderen baurechtlichen Anforderungen strenger sind oder nicht. (redaktioneller Leitsatz)
Soweit eine Bau- bzw. Tekturgenehmigungen von 1965 und 1967 infolge einer Nutzungsänderung nicht auf die neue Nutzung von Räumen als dauerhaft vermietete Wohnräume fortwirkt, gelten im Hinblick auf die dazugehörigen Rettungswege nicht die Anforderungen nach altem Recht, sondern die jeweils aktuelle Fassung der BayBO. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 S 14.1552 2014-11-21 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.Die Antragsteller wenden sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die baurechtliche Untersagung der Nutzung von Dachgeschosszimmern für Wohnen.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit einem Geschäfts- und Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. … Gemarkung F. Für das Gebäude wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Juli 1957 dem Rechtsvorgänger der Antragstellerin die Baugenehmigung für den Umbau einer Bäckerei erteilt. Mit weiterem Bescheid vom 22. Juni 1963 erhielt der Rechtsvorgänger der Antragstellerin die Genehmigung für den Einbau von zwei Abstellräumen für Bäckereigeschirr im westlichen Teil des Dachgeschosses, mit Bescheid vom 5. März 1965 die Baugenehmigung für den Dachgeschossausbau mit drei „Schlafräumen für Dienstboten“, einem Bad mit WC und einem Dachraum, sowie mit Bescheid vom 4. Januar 1967 die Tekturgenehmigung für den Einbau von drei weiteren Zimmern und einem Abstellraum an der Stelle des genehmigten Dachraumes. Mit Bescheid vom 17. Januar 1979 genehmigte die Antragsgegnerin die Änderung der Nutzung des Gebäudes im Erdgeschoss in eine Drogerie. In der Folgezeit wurden die Räume in den Obergeschossen als Wohnungen genutzt bzw. vermietet.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 25. Juli 2014 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2000 € die Nutzung der Zimmer im Dachgeschoss des Gebäudes für Wohnen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an: Für die Wohnnutzung im Dachgeschoss liege keine Baugenehmigung vor, gleichgültig ob es sich hierbei, wie die Antragstellerin angebe, um eine Wohngemeinschaftsnutzung oder um ein Wohnheim im Sinn des Art. 2 Abs. 4 Nr. 11 BayBO handle. Die Genehmigung von einzelnen Schlafräumen für Bedienstete von 1967 decke die derzeitige abgeschlossene Nutzungseinheit zum dauerhaften Wohnen nicht ab. Eine Baugenehmigung könne auch nicht erteilt werden, weil die Rettungswegsituation im Dachgeschoss nicht den Vorgaben des Art. 31 BayBO entspreche. Es sei weder ein funktionierender erster noch ein funktionierender zweiter Rettungsweg vorhanden.
Hiergegen hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Mit Beschluss vom 21. November 2014 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die derzeitige Nutzung im Dachgeschoss sei nach summarischer Prüfung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die räumliche Ausgestaltung des Dachgeschosses mit dem größeren Gemeinschaftsaufenthaltsraum im Nordwesen, der umfunktionierten Küche im Nordosten und den einzelnummerierten Zimmern, die von der Antragstellerin an wechselnde Personen vermietet würden, sprächen für das Vorliegen eines Wohnheims. Dafür liege keine Baugenehmigung vor. Die Genehmigungen von 1965 und 1967 für die Errichtung von sechs „Schlafräumen für Dienstboten“ decke die derzeit betriebene Nutzung nicht ab. Insbesondere die Gemeinschaftsküche und der Gemeinschaftsaufenthaltsraum sprächen für das Vorliegen einer anders gearteten Nutzung. Dafür sei eine Baugenehmigung erforderlich, weil weitergehende technische Anforderungen im Sinn der Art. 37 ff. BayBO erforderlich werden könnten. Die bei der Feuerbeschau der Antragsgegnerin am 9. Juni 2011 festgestellten brandschutztechnischen Mängel und die von der Antragstellerin selbst vorgelegte brandschutztechnische Stellungnahme der Firma A. vom 12. Januar 2012 legten nahe, dass unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage das Interesse der Antragstellerin geringer wiege als das öffentliche Interesse an der Sicherstellung des Brandschutzes. Aus der brandschutztechnischen Beurteilung des Dipl.-Ing. H. vom 20. Oktober 2014 ergebe sich nichts anderes. Auch diese gehe nicht von einer vollständigen Mängelfreiheit des Gebäudes aus. Die Nutzungsuntersagung sei auch verhältnismäßig und ermessensgerecht.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. November 2014 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Juli 2014 wiederherzustellen.
Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2015 teilte die Antragstellerin dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass inzwischen die Küche im dritten Obergeschoss ausgebaut und verschlossen worden sei. Zudem sei das Geschoss mit Rauchmeldern ausgestattet worden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Behördenakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagungen überwiegt das gegenläufige Interesse der Antragsteller, weil ihre Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird und die Untersagung der Nutzung im öffentlichen Interesse dringend geboten ist. Die Nutzungsuntersagung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (Art. 76 Satz 2 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu berücksichtigende Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Eine Nutzung darf allerdings aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dann nicht allein wegen ihrer formellen Illegalität untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist oder die Nutzung von Wohnraum untersagt wird, der für die Bewohner den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz bildet; im letzteren Fall ist wegen der einer Beseitigungsanordnung gleichkommenden Wirkung eine abschließende materiell-rechtliche Prüfung erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B 03.2608 – BayVBl 2006, 702 = juris Rn. 24; B.v. 16.5.2008 – 9 ZB 07.3224 – BayVBl 2009, 509 = juris Rn. 4; B.v. 10.6.2010 – 1 ZB 09.1971 – juris Rn. 11; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 4. Aufl. 2012, Art. 76 Rn. 28; a.A. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Sept. 2015, Art. 76 Rn. 343).
Nach diesen Maßstäben ist die Nutzungsuntersagung rechtmäßig. Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist, da die Nutzungsuntersagung ein Dauerverwaltungsakt ist, grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt dieser Beschwerdeentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2011 – 15 CS 11.2402 – juris Rn. 12; U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – NVwZ-RR 2015, 607 = juris Rn. 24; B.v. 13.5.2016 – 9 ZB 13.1991 – juris Rn. 13). Die zwischenzeitlich von der Antragstellerin vorge-nommenen Änderungen im Baubestand (u. a. Ausbau der Gemeinschaftsküche) sind bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung demnach zu berücksichtigen. Auch unter Zugrundelegung dieser Änderung bestehen gegen die Nutzungsuntersagung indes keine rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die derzeitige Wohnnutzung der Räume im Dachgeschoss aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl formell (vgl. dazu unten 1.) als auch materiell (vgl. dazu unten 2.) rechtswidrig. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt ebenfalls nicht vor (vgl. dazu unten 3.).
1. Die Nutzung des Dachgeschosses in den zum dauernden Aufenthalt vermieteten Wohnräumen dürfte, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, formell rechtswidrig sein.
Abzustellen ist zwar, wie die Antragstellerin zu Recht gegen die Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung einwendet, nicht (auch) auf die Nutzung im zweiten Obergeschoss, sondern allein auf diejenige im Dachgeschoss, weil allein diese Gegenstand des angegriffenen Bescheids ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist diese Nutzung aber formell illegal. Dies gilt unabhängig davon, ob die derzeitige Wohnnutzung baurechtlich als Wohnheim im Sinn des Art. 2 Abs. 4 Nr. 11 BayBO, als abgeschlossene Wohnung einer Wohngemeinschaft oder als sonstige Wohnnutzung einzustufen ist. Denn jedenfalls ist die derzeitige Nutzung der vermietete Wohnräume von der mit den Bescheiden vom 5. März 1965 und 4. Januar 1967 bauaufsichtlich genehmigten Nutzung als Schlafräume für Arbeitnehmer nicht gedeckt (vgl. unten a)). Zudem dürften diese Genehmigungen nicht mehr wirksam sein (vgl. unten b)).
a) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin deckt die Baugenehmigung für Errichtung von insgesamt sechs Einzelzimmern als Schlafräume für Arbeitnehmer von 1965 und 1967 die Nutzung als dauerhaft vermietete Wohnräume nicht. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinn von Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO.
Ob eine neue Nutzung von der Baugenehmigung für die bisherige Nutzung noch umfasst wird oder eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich danach, ob die Variationsbreite der genehmigten Nutzung überschritten wird und für die geänderte Nutzung andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen in Betracht kommen als für die bisherige Nutzung, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt. Seit dem Inkrafttreten der Neufassung des Art. 57 Abs. 4 BayBO durch das Änderungsgesetz vom 11. Dezember 2012 (GVBl. S. 633) gilt dies allerdings nur hinsichtlich solcher Anforderungen, die nach Art. 60 Satz 1 BayBO Prüfungsgegenstand sein können, einschließlich der Anforderungen nach Art. 62 BayBO (vgl. LT-Drs. 16/13683 S. 15). Andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Anforderungen in diesem Sinn kommen nicht nur dann in Betracht, wenn für die neue Nutzung strengere Vorschriften gelten können, sondern auch, wenn die neuen Anforderungen weniger einschränkend sind. Das kann der Fall sein, wenn bisherige und geänderte Nutzung in unterschiedlichen Rechtsvorschriften geregelt sind oder wenn sich aus derselben Norm abweichende Anforderungen hinsichtlich der Zulässigkeit einer neuen Nutzung ergeben können. Voraussetzung für eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist nicht, dass tatsächlich andere Anforderungen an die geänderte Nutzung gestellt werden, sondern nur, dass derartige Anforderungen in Betracht kommen können und die Frage, ob dies tatsächlich der Fall ist, in einem Genehmigungsverfahren geprüft werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 15 CS 13.1863 – juris 15 m. w. N.; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 32 m. w. N.; Molodovsky in Molodovsky/Famers, Bayerische Bauordnung, Stand März 2016, Art. 57 Rn. 224 ff. m.w.N).
Danach handelt es sich hier um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. Denn die noch auf der Grundlage der Bayerischen Bauordnung vom 1. August 1962 (GVBl. S. 179) genehmigte Nutzung von Schlafräumen, die den Arbeitnehmern des damaligen (Bäckerei-)Betriebs wohl ohne jede Eigengestaltung der Haushaltsführung lediglich für die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu Übernachtungszwecken zur Verfügung gestellt wurden, unterscheidet sich hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die heutige Wohnnutzung von zum dauernden Aufenthalt unbefristet an Dritte vermieteten Räumen deutlich (zur Abgrenzung von dauerhaftem Wohnen und Unterkünften für Arbeitnehmer vgl. auch BayVGH, U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – NVwZ-RR 2015, 607 = juris Rn. 26). Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die inzwischen grundlegend geänderten gesetzlichen Bestimmungen über die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Rettungswege (vgl. Art. 37 BayBO 1962 bzw. Art. 60 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Art. 31 BayBO), sondern auch hinsichtlich der Anforderungen an Aufenthaltsräume im Dachraum (Art. 61 BayBO 1962 bzw. Art. 45 Abs. 1 BayBO), an Treppen (Art. 37 BayBO 1962 bzw. Art. 32 BayBO) oder an Stellplätze (Art. 62 BayBO 1962 bzw. Art. 47 BayBO). Auch das Bestehen anderer bauplanungsrechtlicher Anforderungen etwa in Bezug auf die Lärmbelastung der Nachbarschaft (vgl. § 29 Abs. 1, § 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) erscheint nicht ausgeschlossen. Die Auffassung der Antragstellerin, die Räume im Dachgeschoss würden jedenfalls nach dem Ausbau der Gemeinschaftsküche nicht anders genutzt als früher, trifft offensichtlich nicht zu.
b) Zudem dürften die Bau- und Tekturgenehmigungen von 1965 und 1967 keine Wirkungen mehr entfalten, sondern sich nach der Aufgabe des Bäckereibetriebs und der Aufnahme der Vermietung als Wohnräume für dauerhafte Aufenthaltszwecke nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG auf andere Weise erledigt haben (vgl. dazu BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 15 CS 13.1863 – juris 17 ff. m. w. N.). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung dürften erfüllt sein. Es spricht Einiges dafür, dass der Rechtsvorgänger der Antragstellerin mit der Einstellung des Bäckereibetriebs endgültig auf die Ausübung der Rechte aus der Bau- bzw. Tekturgenehmigung von 1965 und 1967 verzichtet hat. Zwar spielt es für die Wirksamkeit einer Baugenehmigung grundsätzlich keine Rolle, ob die genehmigte Nutzung beendet wird oder wie lange eine Nutzungsunterbrechung dauert, weil das geltende Bauordnungsrecht keine Rechtspflicht zur Fortsetzung einer genehmigten Nutzung kennt. Allein die (auch langjährige) Nichtweiterführung einer genehmigten Nutzung reicht daher in aller Regel nicht aus, um auf einen dauerhaften Verzichtswillen schließen zu können. Erforderlich ist vielmehr das Hinzutreten weiterer Umstände, die eine endgültige Aufgabe des Nutzungswillens nach außen dokumentieren Ein solcher Umstand kann aber – schon mit Blick auf die damit verbundenen Investitionen – regelmäßig angenommen werden, wenn eine andere Nutzung aufgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 15 CS 13.1863 – juris 19 m. w. N.). Das ist hier mit der Aufnahme der dauerhaften Vermietung der Wohnräume im Dachgeschoss erfolgt. Nach der grundlegenden Änderung der Lebensverhältnisse ist wohl auch kaum zu erwarten, dass ein mit dem Bäckereibetrieb vergleichbarer Betrieb mit Übernachtungsmöglichkeiten für Bedienstete im Dachgeschoss wieder aufgenommen wird. Aus diesem Grund kann sich die Antragstellerin auch nicht auf einen Bestandsschutz für die Nutzung im Dachgeschoss berufen.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass die untersagte Nutzung der Räume im Dachgeschoss als für dauerhafte Aufenthaltszwecke vermietete Wohnräume wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig ist.
Wie im angegriffenen Bescheid ausgeführt, dürften die Rettungswege aus dem Dachgeschoss nicht den Vorgaben der Art. 31, 33 BayBO entsprechen. Da – wie ausgeführt – die Bau- bzw. Tekturgenehmigungen aus den Jahren 1965 und 1967 infolge der Nutzungsänderung nicht fortwirken dürften, sich die Genehmigungen aber jedenfalls nicht auf die neue Nutzung der Räume im Dachgeschoss als dauerhaft vermietete Wohnräume erstrecken, gelten im Hinblick auf die Rettungswege nicht die Anforderungen nach altem Recht, sondern die der Bayerischen Bauordnung in der aktuellen Fassung. Danach ist mangels brandschutzmäßiger Ertüchtigung des notwendigen Treppenraums wohl jedenfalls kein hinreichend funktionstüchtiger erster Rettungsweg vorhanden. Dafür spricht nicht nur der aufgrund einer Gebäudebesichtigung am 23. Januar 2014 festgestellte Feuerschaubefund (vgl. Schreiben der Antragsgegnerin an die Antragstellerin vom 27. Januar 2014, Blatt 88 der Behördenakte), sondern auch die von der Antragstellerin vorgelegte brandschutztechnische Beurteilung des Dipl.-Ing. H. vom 20. Oktober 2014, in der Abweichungen von den Anforderungen des Art. 32 Abs. 4, Art. 33 Abs. 5 Nr. 3 und Abs. 6 Nr. 3 BayBO festgestellt wurden (vgl. S. 7 der brandschutztechnischen Beurteilung).
Darüber hinaus dürfte es an der Einhaltung brandschutzrechtlicher Erfordernisse fehlen, wenn diese auch nicht unmittelbar die Rettungswege betreffen (vgl. S. 5 der brandschutztechnischen Beurteilung vom 20.10.2014). Auf die Frage, ob die vermieteten Räume im Dachgeschoss, wenn diese – wofür nach Aktenlage Einiges spricht – nicht als eine Wohnung einer Wohngemeinschaft, sondern jeweils für sich genommen als eigenständige Nutzungseinheiten im Sinn des Art. 31 Abs. 1 BayBO einzustufen sind, über einen ausreichend funktionsfähigen zweiten Rettungsweg durch den Flur des Dachgeschosses und das nicht verschlossene, mit Bescheid vom 22. Juni 1963 als Abstellraum genehmigte Zimmer im Nordwesten verfügen, kommt es nicht mehr an.
3. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Liegen die oben angeführten brandschutztechnischen Mängel vor, stellt der Erlass der Nutzungsuntersagung eine verhältnismäßige Maßnahme dar (vgl. allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit BayVGH, U.v. 28.6.2010 – 1 B 09.1911 – BayVBl 2011, 500 = juris Rn. 65). Da für die derzeitige Nutzung wohl kein Bestandsschutz gegeben ist, gelten die speziellen Anforderungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO nicht. Im Übrigen dürfte beim Vorliegen von Mängeln eines Rettungswegs aber eine „erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit“ gegeben sein, zumal mit der Entstehung eines Brandes jederzeit gerechnet werden muss (vgl. OVG NRW, B.v. 22.7.2002 – 7 B 508/01 – BRS 65, 622 = juris Rn. 20; B.v. 11.11.2014 – 7 B 1312/14 – juris Rn. 6; Molodovsky in Molodovsky/Famers, a. a. O., Art. 54 Rn. 141a m. w. N.).
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nrn. 1.5 und 9.4 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).


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