Baurecht

Sachbescheidungsinteresse bei einer Baugenehmigung, Verhältnis Baugenehmigung zu einer Genehmigung nach einer kommunalen, Zweckentfremdungssatzung von Wohnraum

Aktenzeichen  B 2 K 21.1118

Datum:
27.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15378
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 69

 

Leitsatz

Bei dem Genehmigungsverfahren nach einer Zweckentfremdungssatzung handelt es sich um ein weiteres zusätzliches Genehmigungsverfahren außerhalb des Baurechts. Das noch durchzuführende Genehmigungsverfahren nach einer kommunalen Zweckentfremdungssatzung begründet für sich genommen noch kein fehlendes Sachbescheidungsinteresse an der Erteilung einer Baugenehmigung.

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.2021, Az.: …, verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung von bestehenden Wohnungen zu Ferienwohnungen auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung B* … (K* …str. …, B* …*) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verbescheidung seines Bauantrags vom 22.04.2021, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Die geplante Nutzungsänderung ist genehmigungspflichtig. Sie ist weder verfahrensfrei (Art. 57 der Bayerischen Bauordnung – BayBO -) noch unterliegt sie dem Genehmigungsfreistellungsverfahren (Art. 58 BayBO).
Der Kläger hat einen Anspruch auf Verbescheidung seines Bauantrags nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 BayBO.
Dieser sieht vor, dass eine Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind. Bei der Baugenehmigung handelt es sich in der derzeitigen Ausgestaltung des Prüfprogramms des hier einschlägigen Art. 59 BayBO nur um eine beschränkte öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Baugenehmigung bildet nicht den Schlusspunkt einer umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsprüfung des Bauvorhabens.
Dennoch ist anerkannt, dass im Fall eines fehlenden Sachbescheidungsinteresses die Erteilung einer Baugenehmigung auch abgelehnt werden darf. Das Sachbescheidungsinteresse ist ein in den Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht geregelter, allgemeiner Rechtsgrundsatz im Verwaltungsverfahren. Das Sachbescheidungsinteresse für eine Genehmigung fehlt, wenn der Ausnutzung der Genehmigung schlechthin nicht auszuräumende Hindernisse entgegenstehen und die Genehmigung deshalb für den Antragsteller ersichtlich nutzlos ist, vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs; VwVfG, § 9 Rn. 153 ff. Unter anderem fehlt das Sachbescheidungsinteresse dann, wenn nach anderen Rechtsvorschriften für das Vorhaben erforderliche öffentlich-rechtliche Gestattungen versagt worden sind oder offensichtlich nicht erteilt werden können, vgl. Greim-Diroll; in: BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, BayBO, Rn. 20. Kennzeichen solcher Fälle ist, dass sich die Baugenehmigungsbehörde die anderweitigen und jenseits des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens liegenden festgestellten Hindernisse ohne eigene Prüfung zu eigen macht, BayVGH, U. v. 19.01.2009 – 2 BV 08.2567 – juris Rn. 17.
Gemessen an diesen Maßstäben besteht für den Kläger ein Sachbescheidungsinteresse. Dies ergibt sich bereits entscheidend aus der Erwägung heraus, dass § 7 Satzung der Beklagten über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – ZwEWS – bei unterstellter Geltung Ausnahmetatbestände normiert, die – soweit sie vorliegen – wohl § 5 Abs. 2 oder Abs. 3 der ZwEWS mit der Folge eingreifen lassen, dass eine Genehmigung zu erteilen ist oder jedenfalls erteilt werden kann und insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen ist.
Bereits deshalb besteht für den Kläger vorab ein Interesse, über die Baugenehmigung befinden zu lassen, um anschließend ggf. weitere Maßnahmen zu ergreifen zur Schaffung der Voraussetzungen für eine Genehmigung nach der ZwEWS. Vielmehr kann dem Kläger nicht umgekehrt zwangsweise abverlangt werden, gleichzeitig mit der Einreichung des Bauantrags die Voraussetzungen für eine Genehmigung nach der ZwEWS zu schaffen oder diese zu planen, während er über die baurechtliche Zulässigkeit noch im Unklaren ist.
Zudem ergibt sich ein Interesse des Klägers an der baurechtlichen Verbescheidung auch aus der Möglichkeit, im Wege der Erteilung einer Baugenehmigung sich eine Nutzungsmöglichkeit für sein Gebäude zu sichern, die im Moment baurechtlich zulässig ist, jedoch in Zukunft unzulässig werden könnte, etwa weil sich der Gebietscharakter ändert. Die Baugenehmigung könnte in Bestandskraft erwachsen und würde so Bestandsschutz – jedenfalls im zeitlichen Rahmen des Art. 69 BayBO – auch in zukünftigen, gegebenenfalls veränderten planungsrechtliche Lagen gewähren. Diese könnten sich insbesondere auch während eines Zeitraumes ergeben, der benötigt wird, um über eine gegebenenfalls notwendige Genehmigung nach der ZwEWS zu entscheiden.
Das so gefundene Ergebnis fügt sich auch in die bisherige Rechtsprechung des BayVGH ein, die selbst dann ein Sachbescheidungsinteresse bejaht, wenn nicht zu prüfende bauordnungsrechtliche Normen durch das zu genehmigende Bauvorhaben (voraussichtlich) verletzt werden, vgl. BayVGH, U. v. 19.01.2009 – 2 BV 08.2567 – juris Rn. 20 ff. Dies deshalb weil auch bei einem möglicherweise später angezeigtem bauordnungsrechtlichem Einschreiten für die Bauaufsichtsbehörde immer noch ein Ermessenspielraum besteht.
Erst recht muss dann in der hier zu beurteilenden Konstellation das Sachbescheidungsinteresse zu bejahen sein. Es handelt sich hier um ein weiteres, zusätzlich durchzuführendes Genehmigungsverfahren außerhalb des Baurechts, das selbst wieder bestimmte Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung aufstellt und der Behörde – zumindest teilweise – einen Beurteilungsspielraum sowie Ermessen einräumt. Dass diese möglicherweise notwendige Genehmigung auch zukünftig keinesfalls erteilt werden kann, wurde nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 709 der Zivilprozessordnung – ZPO -.


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