Baurecht

Schadensersatzanspruch, Berufung, Revision, Frist, Kaufpreis, Wohnung, Auflassungsvormerkung, Vergleich, Vorkaufsrecht, Berufungsverfahren, Hinweisbeschluss, Streithelfer, Ablauf, Unterlassen, zwei Wochen

Aktenzeichen  8 U 455/20

Datum:
15.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50820
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

15 O 16626/18 2020-01-13 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.01.2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Streithelfers.
III. Der vorliegende Beschluss und das bei I. genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann jedoch gegenüber jedem Zwangsvollstreckungsgläubiger die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Zwangsvollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 155.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch: Als die Klägerin 2005 die Wohnungen Nr. 9 und 11 einer näher bezeichneten Eigentumswohnanlage in München an den Beklagten verkaufte, vereinbarten die Parteien u.a. auch die Eintragung eines dinglichen Vorkaufsrechts der Klägerin für beide Wohnungen; der Notar (Streithelfer des Beklagten) vergaß jedoch, die Eintragung dieser dinglichen Vorkaufsrechte zu veranlassen. Der Beklagte hat die Wohnung Nr. 9 im Rahmen eines Scheidungsvergleichs (B 3) an seine damalige Ehefrau übertragen; hinsichtlich der Wohnung Nr. 11 hat die Klägerin, nachdem ihr aus K 7 ersichtliches Schreiben erfolglos geblieben war, ihr Vorkaufsrecht nicht ausgeübt. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, unabhängig von diesem Notarfehler die Ausübung der Vorkaufsrechte vereitelt bzw. ihr „verleidet“ zu haben.
Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen nimmt der Senat Bezug auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil, das die Klage abgewiesen und gegen das die Klägerin Berufung eingelegt hat.
Die Klägerin wiederholt ihren aus Bl. 3 unten/4 oben des angegriffenen Urteils ersichtlichen Haupt- bzw. Hilfsantrag.
Der Beklagte und sein Streithelfer beantragen jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter dem 20.07.2020 hat der Senat den aus Bl. 215/224 d. A. ersichtlichen Hinweisbeschluss im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erlassen, auf den die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.08.2020 erwidert hat.
Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstands verweist der Senat auf das angegriffene Urteil und auf die Schriftsätze aller Beteiligten einschließlich Anlagen.
B.
Alle Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
I.
Insbesondere hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (Nr. 1 der soeben genannten Norm); im einzelnen unter Übernahme der Gliederung (arabische Zahlen) des Kläger-Schriftsatzes vom 18.08.2020:
zu 1.
a) Die Klägerin hat diese Verfahrensrüge in der BB nicht schlüssig erhoben, weil – siehe Seite 5 ganz oben des Hinweisbeschlusses – die Kausalität eines (unterstellten) Verfahrensfehlers nicht behauptet/nicht dargelegt worden war; die jetzigen (lange nach Ablauf der Frist zur BB erfolgenden) Ausführungen der Klägerin können dieses Defizit nicht mehr beheben: § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
b) Das Landgericht hat sich auf Seite 8 Mitte mit der Frage der „Schwärzungen“ auf B 3 auseinandergesetzt. Diese Ausführungen treffen zu. Der jetzige Schriftsatz übersieht insbesondere: Die Schwärzungen von Seite 3 unten/4 oben der Anlage B 3 stehen im Abschnitt 2 a dieser Urkunde, der das Alleineigentum der damaligen Ehefrau des Beklagten an einer österreichischen Immobilie betrifft (die wiederum für den vorliegenden Rechtsstreit keinerlei Entscheidungsrelevanz aufweist); die Abschnitte 2 b und 2 c der Anlage B 3, die (auf deren Seiten 5 oben bzw. 8 unten beginnen und) sich auf die vorliegend entscheidungserheblichen Münchner Immobilien des Beklagten beziehen, weisen nur sehr geringfügige Schwärzungen auf, die Bankverbindungen und €-Beträge betreffen und von denen eine mögliche Entscheidungsrelevanz weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich ist. Es besteht daher kein Anlass für eine Anordnung nach § 142 ZPO.
c) Es trifft zu, dass die Geschäftsstelle des Senats die Berufungserwiderung des Beklagten selbst zunächst/am 13.05.2020 nur an dessen Streithelfer, nicht aber an die Klägerin hinausgegeben hat (Bl. 203 d. A.) und dass sie dieses Unterlassen erst am 28.07.2020 behoben hat (EB nach Bl. 214 d. A.).
Dieses Defizit kann jedoch die vorliegende Endentscheidung nicht verhindern; denn:
c. Zum einen hat die Klägerin diese Berufungserwiderung (ausweislich der genannten EB) am 30.07.2020 erhalten, so dass ihr bis zum Ablauf der im Hinweisbeschluss des Senats gesetzten Frist (17.08.2020) mehr als zwei Wochen und damit ausreichend Zeit für eine angemessene Erwiderung verblieben – wie sich etwa auch daraus ergibt, dass sie keine Fristverlängerung beantragt hat.
c. Dass und warum die Replik der Klägerin auf die Berufungserwiderung des Beklagten nicht durchgreift, legt der Senat – soweit erforderlich – im Folgenden bei 2. und 3. dar; er weist freilich vorab darauf hin, dass Prüfungsmaßstab im Berufungsverfahren nicht die Stichhaltigkeit der Berufungserwiderung, sondern die der BB ist.
zu 2. (Wohnung Nr. 9)
a) Relevant ist (vgl. Seite 3 oben des Hinweisbeschlusses) die Frage, ob B 3 eine solche Vertragsgestaltung darstellt, die bei materieller Betrachtung einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommt, dass sie einem Kauf gleichgestellt werden kann, und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seines Erwerbs – und Abwehrinteresses eintreten kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen zu beeinträchtigen.
Der zu verbescheidende Schriftsatz verkennt bei seiner Antwort auf diese Frage (wie bereits die BB) insbesondere folgendes: B 3 ist ein umfassender Vergleich, der außer der „Aufteilung des Liegenschaftsvermögens und der damit verbundenen Schulden“ (Seite 3 unten dieser Anlage) auch vielfältige andere vermögenswerte Fragen regelt – insbesondere auch Höhe des Kindesunterhalts, Ehegattenunterhalt, eheliche Ersparnisse und Schulden sowie eheliches Gebrauchsvermögen und Inventar.
Angesichts dieser Mischung verschiedenster vermögensrechtlicher Fragen in einem Vergleich und damit begriffsnotwendig im Wege gegenseitigen Nachgebens kann die soeben dargestellte Obersatzfrage nicht bejaht werden: insbesondere nicht festgestellt werden, dass die Klägerin in den Vergleichsteil „Übertragung der Wohnung Nr. 9“ hätte eintreten können – zumal ein konkreter Geldbetrag für diese Wohnung nicht genannt war. Der Senat verweist weiter auf die bei d) folgenden Ausführungen
b) Auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der „Entgeltlichkeit“ (Bl. 4 Mitte des Schriftsatzes) kommt es bei der Antwort auf die soeben bei a) genannte Frage/im Rahmen des dort aufgestellten Obersatzes nicht an.
c) Zum Antrag, „die Revision zuzulassen“, äußert sich der Senat unter II. des vorliegenden Gliederungsabschnitts.
d) Schließlich übersieht die Klägerin auf Seite 8 (wo sie im Rahmen von 5. Fragen um die „Wohnung Nr. 9“ erneut anspricht), dass es nicht nur darauf ankommt, ob ein „kaufähnlicher Vorgang“ vorliegt, sondern – siehe den Obersatz gemäß a) – auch darauf, ob – was vorliegend verneint werden muss – der Eintritt der Klägerin in diesen „Vorgang“ möglich wäre, „ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen/das Vertrags- bzw. Vergleichsgefüge zu beeinträchtigen“.
zu 3. (Wohnung Nr. 11)
Hier wiederholt die Klägerin Argumente, die sie bereits in der BB vorgebracht hatte und die der Senat in seinem Beschluss berücksichtigt und weder für ein „Vereiteln“ noch für sittenwidrig schädigend im Sinne des § 826 BGB gehalten hat. Die Argumente überzeugen auch bei erneuter Überprüfung nicht; insbesondere gilt:
a) Die Beklagte hat die Ausübung eines (unterstellten) schuldrechtlichen Vorkaufsrechts nicht vereitelt.
Der zu diesem Ergebnis konträre Schriftsatz der Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das BGH-Urteil vom 15.06.2005 (VIII ZR 271/04).
a. In dieser Entscheidung und auch im Urteil vom 21.01.2015 (VIII ZR 51/14) sieht der BGH das „Vereiteln“ darin, dass der Vorkaufsverpflichtete/Beklagte dadurch, dass er den den Verkaufsfall darstellenden Vertrag/das Vorkaufsrecht auslösenden Vertrag erfüllt hat, aus von ihm zu vertretenden Gründen die Erfüllung des Kaufvertrags unmöglich gemacht hat, der zustande kommt/zustande käme, wenn der Vorkaufsberechtigte/Kläger sein Vorkaufsrecht ausübt (vgl. aus VIII ZR 271/04 S. 9 oben/10 oben bzw. aus VIII ZR 51/14 Rn. 24 bzw. insbesondere 25, wo der BGH auch auf sein soeben zitiertes Urteil zum Az. VIII ZR 271/04 verweist).
a. Das Landgericht hat sich ab Bl. 14 oben bis Bl. 15 unten mit diesen Ausführungen des BGH (wenn auch nicht unter Angabe von Fundstellen aus dem Urteil selbst, sondern unter Angabe von Fundstellen aus juristischen Zeitschriften) auseinandergesetzt und zutreffend die Besonderheiten des vorliegenden Falles betont.
Eine dieser Besonderheiten besteht darin, dass der Beklagte Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist, an die er die Wohnung Nr. 7 zunächst nur (schuldrechtlich) verkauft, zwischenzeitlich aber auch vollständig übertragen hat. Eine andere Besonderheit besteht darin, dass der Beklagte gemäß K 2 zu einem Zeitpunkt, als nur die Auflassungsvormerkung zugunsten der GmbH eingetragen war, seine Erfüllungsbereitschaft und Erfüllungswilligkeit erklärt hat: Die letzten beiden Sätze (vor dem „Gruß aus München“) lassen die Erfüllungsbereitschaft und vor allem auch die Erfüllungsfähigkeit des Beklagten erkennen; dass er diese nicht verwirklicht hat, geht offensichtlich nur darauf zurück, dass die Klägerin ihr Vorkaufsrecht nicht ausgeübt hat. Eine Unmöglichkeit und damit ein Vereiteln lagen/liegen daher nicht vor.
a. Die Überlegungen von Seite 5 unten des jetzt zu verbescheidenden Schriftsatzes überbetonen (Neben-)Aspekte der Erfüllungswilligkeit und vernachlässigen die zentrale Frage der Erfüllungsfähigkeit; siehe im einzelnen auch im unmittelbar Folgenden bei b).
b) Das Verhalten des Beklagten vermittelt der Klägerin auch keinen auf § 826 BGB stützbaren Schadensersatzanspruch; denn: Selbst wenn man – wie vorliegend nicht möglich (vgl. bereits den Hinweisbeschluss des Senats, der die jetzt wiederholten Argumente der Klägerin bereits gewürdigt hat) – von einem alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB erfüllenden Plan des Beklagten ausgehen würde, so wäre dieser Plan im Versuch (und damit keinen Schadensersatzanspruch begründend) stecken geblieben, wenn die Klägerin – was ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre – das Vorkaufsrecht trotzdem ausgeübt hätte bzw. – anders ausgedrückt – wenn die Klägerin nicht freiwillig darauf verzichtet hätte, ihr Vorkaufsrecht auszuüben; insbesondere scheitert die Überzeugungskraft der Überlegungen von Bl. 5 unten des Schriftsatzes an folgenden Umständen:
b. Die Klägerin betont (wiederholend, zunächst freilich zutreffend) zwar, dass der Beklagte die Mitteilung vom Verkaufsfall zu spät und unter Angabe einer zu kurzen Ausübungsfrist mitgeteilt habe, verkennt dann aber, dass sie – anwaltlich beraten – gemäß K 6 über den tatsächlichen Beginn der Ausübungsfrist und über das tatsächliche Ende dieser Frist Bescheid gewusst hat und dass sie diese tatsächliche Frist dann trotzdem verstreichen ließ.
b. Bereits das Landgericht hat auf Bl. 12 Mitte ausgeführt, dass und warum „in Fällen der Verleidung des Vorkaufsrechts durch einen überhöhten Kaufpreis, einzelne unattraktive oder einem Fremdkörper gleichkommende Vertragsbedingungen (… dingliche Belastungen etc.)“ solche Bedingungen gegenüber dem Vorkaufsberechtigten relativ unwirksam sind, ihn also nicht von der Ausübung des Vorkaufsrechts abhalten müssen. Die Klägerin setzt sich mit diesen Argumenten weder in der BB noch im vorliegend zu erörternden Schriftsatz auseinander.
b. Auch ist selbstverständlich, dass sich der zu bezahlende Kaufpreis verringert, wenn der Erwerber Grundschulden übernimmt/übernehmen muss, deren Eintragung der Verkäufer nach dem Kaufvertrag bewilligt hat.
zu 4. (Hilfsantrag)
Der Kaufvertrag ist nicht nichtig; entsprechend ist auch das Grundbuch nicht unrichtig und der auf Unrichtigkeit des Grundbuchs gestützte Hilfsantrag (der nur die Wohnung Nr. 11 betrifft) zu Recht abgewiesen worden.
zu 5. (verspätete Zuleitung der Berufungserwiderung)
a) Dass und warum die Replik der Klägerin auf die Berufungserwiderung entscheidungsunerheblich ist, hat der Senat oben bei 2. und 3. dargestellt.
b) Auf die sonstigen Überlegungen dieses Abschnitts kommt es nicht an.
II.
Auch die Voraussetzungen der Nr. 2 und 3 (und auch 4) des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
Der Senat hat im Hinweisbeschluss auf Seite 3 Mitte die relevanten höchstrichterlichen Obersätze herausgearbeitet; er hat dort (und auch vorliegend) diese Grundsätze auf den konkreten Sachverhalt angewandt und ist dabei von diesen Grundsätzen nicht abgewichen.
Zu Bl. 3 unten des vorliegend zu verbescheidenden Schriftsatzes: Aus den in beiden Beschlüssen dargelegten Gründen konnte der Senat nicht feststellen, dass „rein das wirtschaftliche Moment … im Vordergrund steht“; die Auffassung, „dass per se bei einem familienrechtlichen Vergleich bei Übertragung einer Immobilie ein Vorkaufsfall nicht eintreten kann“, hat der Senat nicht vertreten.
C.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 101, 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Streitwertentscheidung hat der Senat bereits auf Seite 2 des Hinweisbeschlusses angekündigt; sie folgt der Angabe in der Klageschrift bzw. der Festsetzung von Seite 2 des angegriffenen Urteils.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben