Baurecht

Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Architektenleistung

Aktenzeichen  27 U 3909/17 Bau

Datum:
18.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 48348
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 634 Nr. 1, § 635

 

Leitsatz

Es entspricht dem Verhalten einer sorgsam agierenden und durchschnittlichen Prozesspartei, Mängel der Werkleistung des Prozessgegners während der Anhängigkeit des Streitverfahrens nicht zu beseitigen, da sich die Partei andernfalls dem Vorwurf der eigenmächtigen Mangelbeseitigung bzw. der Beweisvereitelung aussetzen würde. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 3909/17 Bau 2018-02-09 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19.10.2017, Aktenzeichen 6 O 4952/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten der Klage-/Widerbeklagtenpartei trägt dieser selbst.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und vorliegender Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 380.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Kläger verlangten ursprünglich ausstehendes Architektenhonorar. Dieser Streit wurden vergleichsweise geregelt. Im Zuge des Berufungsverfahrens streiten die Parteien um Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Architektenleistungen. Diese Ansprüche hat die Beklagte erstinstanzlich widerklagend geltend gemacht.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19.10.2017 Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Widerklage weitgehend stattgegeben. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die Kläger sich gemäß §§ 634 Nr. 1, 635 BGB schadensersatzpflichtig gemacht hätten. Die klägerischen Planungen hinsichtlich der Positionen Gitterroste und Glastec-Lamellen seien mangelhaft.
Die Gitterroste würden ihren eigentlichen Planungszweck (Gewährleistung von Sonnenschutz) nur unzureichend erfüllen. Der klägerische Einwand, dass die gewählte Konstruktion zumindest einen zusätzlichen Fluchtweg biete und das Gebäude optisch aufwerte, hindere den Schadenseintritt nicht. Es sei nicht einsichtig, weshalb die Beklagte für diese „Vorteile“ mehr als 500.000 DM aufwenden sollte. Für weitere Vorteile (ersparte Aufwendungen für eine Monorailanlage sowie ersparte Reinigungskosten) hat das Landgericht einen Vorteilsausgleich in Höhe von rund 162.000 DM bzw. weiteren 19.000 € zugelassen. Von dem insoweit errechneten Gesamtschaden in Höhe von 245.655,45 € hat das Landgericht schließlich den durch Teilvergleich festgestellten Honoraranspruch in Höhe von 141.039,17 € abgezogen und einen Zinsschaden in Höhe von rund 8.000 € hinzugesetzt.
Auch hinsichtlich des Mangelpunktes Glastec-Fassade hat das Landgericht eine mangelhafte Architektenleistung angenommen. Eine Vielzahl von Scheiben weise Einschlüsse in Form von Blasen und Geweihbildung auf. Zusätzlich löse sich bei einer Vielzahl von Gläsern die Folie (sogenannte Delamination). Insgesamt seien mehr als 290 Einzelscheiben auszutauschen. Ursache seien Fehler im Herstellungsprozess der Gläser gewesen. Die Kläger hätten insoweit ihre Pflichten aus dem Architektenvertrag hinsichtlich Leistungsphase 9 verletzt. Im Zuge der Objektbetreuung sei zwar vor Ablauf der Gewährleistungsfrist eine Begehung durchgeführt, die fraglichen Erscheinungen jedoch weder erkannt noch moniert worden. Im Zuge der konkreten Schadensberechnung wurde zugunsten der Klägerseite ein Abzug in Höhe von 25% „neu für alt“ zugebilligt. Für den Mangelpunkt Glastec-Fassade ergebe sich damit ein Gesamtschaden in Höhe von 93.285,76 €.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Kläger.
Sie beantragen in der Berufungsinstanz (Bl. 730 d.A.),
das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19. Oktober 2017, Az. 6 O 4952/08, abzuändern und die Widerklage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führen die Kläger Angriffe sowohl gegen den haftungsbegründenden als auch den haftungsausfüllenden Tatbestand. Sie meinen, dass weder ein Planungs- noch ein Beratungsmangel vorliege. Bei richtiger Auslegung der Baubeschreibung sei erkennbar, dass die fraglichen Gitterroste ggf. durch weitere Sonnenschutzmaßnahmen komplettiert werden müssten. Eine Pflichtverletzung falle den Klägern nicht zur Last. In jedem Fall wären diese nicht kausal für einen vermeintlichen Schaden gewesen. Die Beklagte hätte die Gitterroste auch bei vollständiger und pflichtgemäßer Aufklärung wie geschehen beauftragt. Eine Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bestehe nicht. Unbeschadet hiervon wäre die Entscheidung für die Gitterroste „richtig“, zumal diese diverse Zusatzfunktionen (Fluchtweg, gestalterische Wirkung, …) nach wie vor der erfüllen könnten. Insoweit habe das Landgericht verkannt, dass (sogar) ein merkantiler Mehrwert des Gebäudes gegeben sei.
Auch hinsichtlich des Mangelpunktes Glastec-Lamellen überzeuge das Ersturteil nicht. Das Landgericht habe sich unzureichend mit den Feststellungen des Privatgutachters der Klägerseite zur Frage der Erkennbarkeit der Schäden im Jahre 2006 auseinandergesetzt. Zudem sei der Abzug 25% „neu für alt“ zu gering bemessen. Es habe lediglich eine optische Beeinträchtigung vorgelegen. Zudem sei zu sehen, dass die Beklagte das Erscheinungsbild des Gebäudes seit längerem vernachlässige.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung im Schriftsatz vom 31. Januar 2018 (Bl. 730 ff. d.A.) und die ergänzende Stellungnahme im Schriftsatz vom 27. März 2018 (Bl. 773 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil und beantragt in der Berufungsinstanz (Bl. 769 d.A.),
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
In der Sache tritt die Beklagte den Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 9.2.2018 (Bl. 754 ff. d.A.) bei.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19.10.2017, Aktenzeichen 6 O 4952/08, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 9.2.2018 (Bl. 754 ff. d.A.) Bezug genommen, § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO.
Die Stellungnahme vom 27.3.2018 (Bl. 773 ff. d.A.) enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Im Einzelnen:
1. Der einleitende Einwand, dass es der Beklagten nur darum gehe, „das Gebäude nachträglich wirtschaftlich zu optimieren“, überzeugt nicht. Es geht auch nicht darum, „der Beklagten eine günstigere Fassade zu planen oder vorzuschlagen“ (so S. 1 der Stellungnahme). Die Pflichtverletzung der Kläger besteht vielmehr darin, dass sie ihren vertraglichen Verpflichtungen zur Planung und Umsetzung eines funktionstauglichen Sonnenschutzes nicht nachgekommen sind (vgl. ausführlich S. 2 und 3 im Hinweisbeschluss unter Auswertung der Baubeschreibung).
2. Vor diesem Hintergrund gehen auch die Einwendungen gegen die Kausalität etwaiger Pflichtverletzungen ins Leere. Der bei Lichte besehen weitgehend wiederholende Vortrag auf S. 2 – 6 der Stellungnahme (Bl. 774 ff. d.A.), wonach sich die Beklagte in jedem Fall für die gewählte Konstruktion der Gitterroste entschieden hätte, überzeugt nicht. Mögliche – der Klägerseite zu verdankende – Vergabegewinne bei anderen Gewerken (Rohbau, Aufzüge, …) und beklagtenseits gewählte Luxusausstattung des Gebäudes (besonders edler Teppich) berechtigen die Klägerseite nicht, ihre vertraglichen Verpflichtungen hinsichtlich des Teilgewerks Gitterroste mangelhaft zu erbringen (fehlende Kernfunktion Sonnenschutz).
Lediglich am Rande sei bemerkt, dass die Argumentation der Klägerseite insoweit auch nicht durchgehend stringent erscheint. Während hier maßgeblich viele „Luxuswünsche“ der Beklagtenseite hervorgehoben werden, wird der Beklagtenseite im selben Verfahren – freilich mit anderer Zielrichtung – eine Vernachlässigung des Gebäudes und ein laxer Umgang mit dem Erscheinungsbild des Gebäudes unterstellt (vgl. S. 24 der Berufungsbegründung, Bl. 753 d.A., sowie neuerlich auf S. 8 der Stellungnahme vom 27.3.2018, Bl. 780 d.A.). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Auch für den Fall, dass vorliegend tatsächlich eine Luxusausstattung vorliegen sollte (edle Teppiche, …), so würde dies die Klägerseite nicht dazu berechtigen, Teilleistungen mangelhaft zu erbringen.
Soweit die Berufung nochmals die Ausstattung des Archivs sowie die gestalterische Wirkung der Gitterroste anspricht, kann auf Seite 6 f. des Hinweisbeschlusses (Bl. 759 f. d.A.) Bezug genommen werden.
Zusammenfassend ist damit festzuhalten:
Es sind nach wie vor keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb die Beklagte -eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Finanzwirtschaft unterliegt – mehr als 500.000 DM für Gitterroste ausgeben sollte, die ihrem eigentlichen Zweck (Gewährleistung von ausreichendem Sonnenschutz) nicht genügen.
3. Die Ausführungen zum Mangelpunkt Glastec-Lamellen fassen im Kern lediglich den Berufungsvortrag nochmals prägnant zusammen (so zutreffend auch S. 6 der Stellungnahme, Bl. 778 d.A.). Um Wiederholungen zu vermeiden, kann insoweit auf die juristische Bewertung des Senats auf S. 9 ff. des Hinweisbeschlusses vom 9.2.2018 (Bl. 762 ff. d.A.) Bezug genommen werden. Der vom Landgericht – mit 25% nicht unerheblich – bezifferte Abzug „neu für alt“ erscheint nach wie vor angemessen und trägt den Besonderheiten des Sachverhaltes umfassend Rechnung trägt. Auf S. 10 ff. des Hinweisbeschlusses (Berücksichtigung der üblichen Nutzungsdauer der Lamellen, keine völlig untergeordneten optischen Beeinträchtigungen, deren Behebung auch und gerade durch die Prozessdauer/Bestreiten der Kläger sich verzögert hat) kann Bezug genommen werden. Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass die Beklagte bis heute keine Lamellen in signifikanter Anzahl austauschen hat lassen, hilft auch dies nicht weiter. Ein derartiges Beklagtenverhalten lässt keine Rückschlüsse auf unredliches Verhalten o.Ä. zu (vgl. hierzu S. 8 unten in der Stellungnahme vom 27.3.2018), sondern entspricht schlicht und ergreifend dem Verhalten einer sorgsam agierenden und durchschnittlichen Prozesspartei. Würden einzelne Mängel noch während der Anhängigkeit des Streitverfahrens beseitigt, so könnte sich die Partei dem Vorwurf der eigenmächtigen Mangelbeseitigung bzw. der Beweisvereitelung aussetzen. Es mag sein, dass die Kläger als Architekten nicht selbst in eigener Person den Austausch der Lamellen vorzunehmen haben (S. 9 der Stellungnahme vom 27.3.2018). Dies führt jedoch nicht dazu, dass ein über 25% hinausgehender Abzug „neu für alt“ zu gewähren wäre. Die mit dem nach wie vor anhängigen Rechtsstreit (zwangsläufig) verbundene Nutzung der mangelhaften Lamellen begründet keinen entsprechenden auszugleichenden Vorteil (vgl. insoweit S. 11 des Hinweisbeschlusses m.w.N.).
Das Ersturteil hat damit auch insoweit vollumfänglich Bestand.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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