Aktenzeichen 15 BV 15.2441
BauVorlV § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 3 Nr. 3, § 9 S. 1
BauNVO § 3 Abs. 4
VwGO § 75
Leitsatz
1. Die Frist zur Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO wird nur durch einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts in Lauf gesetzt, der die der Sache nach erforderlichen Angaben und Unterlagen enthält. (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Rahmen der für einen Bauantrag erforderlichen Unterlagen steckt der vom Gesetz für das jeweilige Vorhaben bestimmte Prüfungsumfang ab. Die Anforderung eines Gutachtens im Einzelfall ist dann gerechtfertigt, wenn ernsthaft anzunehmen ist, dass dem Vorhaben hinsichtlich eines Prüfungsgegenstands Hindernisse entgegenstehen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Anwendungsbereich der TA Lärm ist es dem Bauherrn nicht überlassen, bei einem Wohnbauvorhaben den durch benachbarte Nutzungen verursachten Überschreitungen der Außen-Immissionsrichtwerte mittels Maßnahmen des passiven Lärmschutzes zu begegnen, weil der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen steht und nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
4. Unter § 3 Abs. 4 BauNVO können auch Einrichtungen fallen, bei deren Bewohnern aufgrund ihrer Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit eine selbständige Haushaltsführung und Lebensgestaltung in den Hintergrund tritt oder sogar aufgegeben wird. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
6 K 15.795 2015-08-25 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Über die Berufung kann nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss entschieden werden, da der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Dem Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung muss der Erfolg versagt bleiben, weil die Klägerin ihrer in Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO i. V. m. § 1 Abs. 4 BauVorlV normierten Mitwirkungslast im Baugenehmigungsverfahren nicht nachgekommen ist. Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand lässt sich nicht abschätzen, unter welchen, gegebenenfalls erst noch zu schaffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen das Vorhaben zulässig sein könnte. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage unzulässig ist (dazu unten 1. und 2.). Sie wäre davon abgesehen auch unbegründet (dazu unten 3.).
1. Nach § 75 VwGO kann die Untätigkeitsklage erhoben werden, wenn über den Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden worden ist. Ob auch ein unvollständiger Antrag die Frist in Lauf setzt, wird nicht einheitlich beantwortet. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 75 Rn. 5, bejaht dies mit der Überlegung, dass die zur Behebung der Unvollständigkeit erforderliche Zeit die angemessene Entscheidungsfrist verlängern und das Unterlassen der Vervollständigung zur Ablehnung des Antrags als unbegründet führen könne. Ähnlich argumentiert König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 64 Rn. 12; die in den in Art. 64 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 BayBO enthaltenen Vorschriften über die Ergänzung und Berichtigung von Anträgen sowie die Nachreichung von Unterlagen zeigten, dass auch ein unvollständiger Antrag behandelt werden müsse und dessen Unvollständigkeit allein kein zureichender Grund für eine Untätigkeit der Behörde sei. Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 75 Rn. 25, vertritt die Auffassung, dass der Antrag die der Sache nach erforderlichen Angaben und Unterlagen enthalten müsse, und bezieht sich dabei auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH BW, U. v. 27.2.2003 – 5 S 1279/01 – BauR 2003, 1345 = juris Rn. 24; vgl. hinsichtlich der Notwendigkeit vollständiger Angaben und Unterlagen für den Beginn der Sperrfrist ebenso: VGH BW, U. v. 19.6.2012 – 8 S 2245/10 – BauR 2012, 1926 = juris Rn. 21). Auf die zuletzt genannte Ansicht stützt auch das Verwaltungsgericht sein klageabweisendes Urteil vom 25. August 2015. Die am 21. Mai 2015 erhobene Untätigkeitsklage wurde deshalb als unzulässig abgewiesen, weil die Frist des § 75 Satz 2 VwGO zur Erhebung der Klage nicht in Lauf gesetzt worden sei, da der am 2. Oktober 2014 bei der Gemeinde eingereichte Bauantrag entgegen Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO i. V. m. § 1 Abs. 4 BauVorlV unvollständig gewesen sei.
2. In der vorliegenden Fallkonstellation teilt der Senat die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts. § 75 VwGO soll verhindern, dass die Behörde durch Untätigbleiben dem Bürger die Möglichkeit eines wirksamen Rechtsschutzes nehmen kann. Aus Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich kein Gebot einer von vorneherein bestimmten höchstzulässigen Dauer des Verfahrens ableiten. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist vielmehr nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen (BVerfG, B. v. 6.2.1995 – 1 BvR 54/94 – juris Rn. 5).
2.1 Die in den Abschnitten II und III des Fünften Teils der Bayerischen Bauordnung über die Notwendigkeit und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung enthaltenen Vorschriften regeln das Verwaltungsverfahren in einer Weise, deren Vereinbarkeit mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht – soweit ersichtlich – nirgends in Frage gestellt wird. Aus deren Anwendung im Einzelfall lässt sich nicht erkennen, dass es bei dem mit der Einreichung des Bauantrags bei der kreisangehörigen Stadt am 2. Oktober 2014 (vgl. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBO) eingeleiteten Verfahren zur Genehmigung einer Nutzungsänderung (Art. 55 Abs. 1 BayBO) zu im Sinn von § 75 VwGO unangemessenen Verzögerungen im Verfahrensablauf gekommen wäre.
Nachdem der Bauantrag mit der Stellungnahme der Gemeinde am 10. November 2014 dort eingegangen war (vgl. Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBO), stellte das Landratsamt Regen als zuständige untere Bauaufsichtsbehörde bei der Prüfung der eingereichten Unterlagen am 14. November 2014 deren Unvollständigkeit fest und forderte die Klägerin mit Schreiben vom 19. November 2014 auf, zu vier konkret bezeichneten Punkten baldmöglich Unterlagen bzw. Ergänzungen vorzulegen (Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Am 1. Dezember 2014 ging der Stellplatznachweis beim Landratsamt ein. Die Nachreichung der ebenfalls geforderten schalltechnischen Begutachtung des Vorhabens auf der Grundlage der TA-Lärm mit Berücksichtigung der Vorbelastungen durch die in der Nachbarschaft vorhandenen Nutzungen [Jugendcafé (Normalbetrieb und Veranstaltungen), Pfarrheim mit Veranstaltungssaal und Parkplatz, öffentlicher Parkplatz mit plausibler nächtlicher Nutzung] lehnt die Klägerin bis heute ab. Stattdessen wurde unmittelbar nach einer Besprechung mit Vertretern der Behörde am 27. Januar 2015 schriftlich die Errichtung einer 1,50 m x 2,00 m großen Plakattafel am Baugrundstück „ab nächster Woche“ angekündigt, auf der angeprangert werden sollte, dass das Landratsamt die angestrebte Wohngemeinschaft für acht Intensivpflegepatienten verhindern wolle. Am 29. Januar 2015 ging beim Bayerischen Landtag eine Eingabe des Geschäftsführers der Klägerin ein, mit der er sich gegen die Aufforderung zur Vorlage des schalltechnischen Gutachtens wandte. Nach dem erfolglosen Abschluss des Petitionsverfahrens forderte die Behörde die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 23. Juni 2015 erneut auf, bis spätestens 20. Juli 2015 die schalltechnische Begutachtung vorzulegen. Aus diesen Vorgängen wird offensichtlich, dass von einer Untätigkeit der Behörde nicht die Rede sein kann.
2.2 Das Verlangen des Landratsamts ist auch in der Sache gerechtfertigt. Nach Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO sind mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Warum nicht schon diese gesetzliche Definition der Bauvorlagen im Grundsatz auch eine schalltechnische Begutachtung mitumfassen sollte, erschließt sich nicht. Abgesehen davon erlaubt es § 1 Abs. 4 BauVorlV der Bauaufsichtsbehörde ausdrücklich, weitere Nachweise zu verlangen, wenn dies zur Beurteilung des Bauvorhabens erforderlich ist.
Das einschlägige Verfahrensrecht geht damit von einem weiten Begriff dessen aus, was vom Bauwerber an Vorlagen, Unterlagen und Nachweisen beizubringen ist. Dementsprechend ist es gängige Praxis, dem Bauherrn in entsprechenden Fällen die Vorlage der zur Beurteilung der Zulässigkeit seines Projekts im Einzelfall erforderlichen Unterlagen aufzugeben. Zu diesen Unterlagen rechnen auch fachgutachterliche Stellungnahmen (so zu vergleichbaren Regelungen in anderen Bundesländern: VGH BW, B. v. 29.11.2010 – 3 S 1019/09 – NVwZ-RR 2011, 272 = juris Rn. 11: Vom Bauherrn vorzulegende Sachverständigenpläne mit Darstellung der jeweils notwendigen Abstandsflächen unter Berücksichtigung des natürlichen und des aufgeschütteten Geländes; OVG MV, U. v. 20.6.2006 – 3 L 91/00 – BRS 70 Nr. 106 = juris Rn. 60 a.E.: Es ist Sache des Antragstellers im Baugenehmigungsverfahren, die für die immissionsschutzrechtliche Prüfung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens erforderlichen Gutachten beizubringen).
2.2.1 Den Rahmen des in diesem Zusammenhang Erforderlichen steckt der vom Gesetz für das jeweilige Vorhaben bestimmte Prüfumfang ab. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 und Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO ist die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB stets Gegenstand der Prüfung im Genehmigungsverfahren. Die Anforderung eines Gutachtens im Einzelfall ist dann gerechtfertigt ist, wenn ernsthaft anzunehmen ist, dass dem Vorhaben hinsichtlich eines Prüfungsgegenstands Hindernisse entgegenstehen (vgl. NdsOVG, B. v. 9.8.2011 – 1 ME 107/11 – DVBl 2011, 1297 = juris Rn. 33).
Diese Voraussetzung ist hier – offensichtlich – erfüllt. Die von der Bauherrin als Wohnbauvorhaben deklarierte Nutzungsänderung soll in einem Gebiet erfolgen, das sowohl die Beteiligten als auch das Verwaltungsgericht [(vgl. Urteilsgründe auf Seite 10 unter I. 2) c) aa)] bauplanungsrechtlich als faktisches Mischgebiet einstufen. Nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 BauNVO ist das Vorhaben der Klägerin hier nach der Art der baulichen Nutzung allgemein zulässig, gleichgültig ob es rechtlich als Wohnen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), Gewerbe (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO; in der Baubeschreibung zum Bauantrag gibt die Klägerin unter Nr. 9 die „gewerbliche Nutzfläche“ mit 327,7 m² an) oder als Anlage für gesundheitliche Zwecke (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO) anzusehen ist. Wegen der in der unmittelbaren Umgebung vorhandenen und in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Gebäude ohne Auflagen über einzuhaltende Lärmrichtwerte genehmigten, gleichwohl mit nicht nur unerheblichen Emissionen verbundenen Nutzungen (v.a. Jugendcafé gegenüber in einem Seitentrakt in einer Entfernung von 8 m zur Ostwand des Vorhabens; Pfarrsaal mit verschiedenen Gruppenräumen, maximale Besucherzahl 284 Personen, samt Parkplatz im Süden des Vorhabens; im Südwesten auf der gegenüberliegenden Straßenseite größerer öffentlicher Parkplatz) drängt sich die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welchen noch zu ergreifenden Maßnahmen sich das Vorhaben an Ort und Stelle „rücksichtsvoll“, das heißt hier ohne unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt zu sein, einfügt (§ 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO). Nach Aktenlage ist die Lärmproblematik vor Ort auch seit längerem bekannt.
2.2.2 Das vom Beklagten verlangte Gutachten auf der Grundlage der TA Lärm ist eine für die Beurteilung der Zulassungsfähigkeit des Vorhabens grundsätzlich geeignete Entscheidungshilfe. Das streitgegenständliche Vorhaben fällt als Antrag im Baugenehmigungsverfahren für eine den Anforderungen des zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterliegende, nicht genehmigungsbedürftige Anlage (Nr. 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b) aa) TA Lärm) in jeder der in Erwägung zu ziehenden Varianten (vgl. oben zu § 6 Abs. 2 BauNVO) in den Anwendungsbereich der TA Lärm.
Die von der TA Lärm zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenzen als Außen-Immissionsrichtwerte festgesetzten Werte orientieren sich an einem zumutbaren Innengeräuschpegel. Eine angemessene Befriedigung der Wohnbedürfnisse setzt insbesondere voraus, dass innerhalb des Gebäudes tagsüber eine durch Außengeräusche nicht beeinträchtigte Kommunikation einschließlich moderner Mediennutzung und nachts ungestörtes Schlafen bei wenigstens teilweise geöffneten Fenstern möglich sind. Die Immissionsrichtwerte außen (Nr. 6.1 TA Lärm) korrespondieren – zumindest in der Größenordnung – mit den Immissionswerten innen (Nr. 6.2 TA Lärm), wenn man für die Schallpegelabnahme von außen nach innen über ein leicht geöffnetes (gekipptes) Fenster 15 dB(A) ansetzt (vgl. zum Ganzen Feldhaus/Tegeder, Kommentar TA Lärm 2014, Nr. 6.1 Rn.17, 18).
Weshalb diese Kriterien bei der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des als „ambulant betreute Wohngemeinschaft für Intensivpatienten“ bezeichneten Vorhabens keine Rolle spielen und stattdessen allein auf die angebliche Erfüllung der Vorgaben der DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) abzustellen sein sollte, wird seitens der Klägerin auch in der Berufungsbegründung nicht plausibel erläutert. Im Anwendungsbereich der TA Lärm ist es dem Bauherrn nicht überlassen, bei einem Wohnbauvorhaben den durch benachbarte Nutzungen verursachten Überschreitungen der Außen-Immissionsrichtwerte mittels Maßnahmen des passiven Lärmschutzes zu begegnen (vgl. BVerwG, U. v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – BVerwGE 145, 145 = juris Ls und Rn. 16 bis 26), weil der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen steht und nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden kann. Die schlichten Hinweise der Klägerin darauf, man wolle die Patienten lediglich im Pfarrhof wohnen lassen, die Patienten würden sich überwiegend im Innern aufhalten und es solle dem Bauherrn überlassen werden, ob er für eine Belüftung der Räume durch das Öffnen der Fenster oder durch eine Belüftungsanlage bei geschlossenen Fenstern sorgen wolle, sind deshalb unbehelflich.
Die Bescheidung des Bauantrags ist nach alledem nicht ohne zureichenden Grund unterblieben. Die Untätigkeitsklage ist damit unzulässig.
3. Unabhängig davon dürfte die Klage auch unbegründet sein.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Die für diese Prüfung notwendigen Unterlagen hat der Antragsteller einzureichen bzw. nachzureichen, Art. 64 Abs. 2 BayBO.
3.1 Eine Verpflichtung des Beklagten, die beantragte Genehmigung zu erteilen, ergäbe sich gegenwärtig schon aus formalen Gründen nicht. Denn die in der Bauakte 00528-Z14 (Nutzungsänderung des Pfarrhofes zu einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Intensivpatienten) auf 81 gehefteten Blättern, zwei losen Eingabeplänen (H/B 590/980 0.58m²) sowie einem ausgefüllten Vordruck „Anlage 2 Baubeschreibung“ enthaltenen Bauvorlagen sind unzureichend. Es fehlt an einer inhaltlich richtigen und vollständigen Bau- bzw. Betriebsbeschreibung (Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Nr. 3, § 9 Satz 1 BauVorlV).
3.1.1 Die Klägerin bezeichnet ihr Vorhaben im Bauantrag als „ambulant betreute Wohngemeinschaft für Intensivpatienten“, ordnet es der Gebäudeklasse 5 (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BayBO) zu und stuft es als Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 Nr. 9 BayBO ein. Nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 9 BayBO sind Sonderbauten Gebäude mit Nutzungseinheiten zum Zweck der Pflege oder Betreuung von Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, deren Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt ist, wenn die Nutzungseinheiten einzeln für mehr als sechs Personen bestimmt sind, für Personen mit Intensivpflegebedarf bestimmt sind oder einen gemeinsamen Rettungsweg haben und für insgesamt mehr als zwölf Personen bestimmt sind. Anhand der wenigen Angaben in den zur Bauakte gelangten Bauvorlagen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob es sich bei dem Vorhaben baurechtlich um Wohnen oder um eine krankenhausähnliche Unterbringung und damit um eine Anlage für gesundheitliche Zwecke handelt („Pflegeanstalt“, vgl. BayVGH, B. v. 4.5.2011 – 22 AS 10.40045 – BauR 2011, 1699 = juris Rn. 28 bis 31: insoweit gilt eine objektbezogene Betrachtungsweise, auf die Größe der Anlage kommt es nicht an; BayVGH, B. v. 11.4.2012 – 13 CS 12.294 – juris Rn. 31 zur Abgrenzung einer „Pflegeanstalt“ gegenüber einem Altenheim).
Nach § 3 Abs. 4 BauNVO gehören zu den nach § 3 Abs. 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 BauNVO zulässigen Wohngebäuden auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen. Nach dieser mit Wirkung vom 27. Januar 1990 (Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990, BGBl I S. 132) eingeführten Neufassung ist es ohne Belang, ob der Betreuungs- oder Pflegezweck vorherrscht oder nur untergeordnet ist, sofern in dem Heim „gewohnt“ wird. Wann eine dieserart erweiterte Wohnnutzung vorliegt, ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Die Nutzung ist einerseits abzugrenzen von Krankenhäusern und krankenhausähnlichen Einrichtungen, in denen nicht mehr „gewohnt“ wird, sondern in denen die Bewohner lediglich „untergebracht“ sind. Wohnen im städtebaulichen Sinn ist eine auf eine gewisse Dauer angelegte, eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens und umfasst die Gesamtheit der mit der Führung des häuslichen Lebens und des Haushalts verbundenen Tätigkeiten, wobei ein Mindestmaß an freier häuslicher Gestaltungsmöglichkeit ausreichend ist. Unter § 3 Abs. 4 BauNVO können auch Einrichtungen fallen, bei deren Bewohnern aufgrund ihrer Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit eine selbstständige Haushaltsführung und Lebensgestaltung in den Hintergrund tritt oder sogar aufgegeben wird (BayVGH, B. v. 27.10.1999 – 1 ZS 99.2460 – VwRR BY 2000, 230 = juris Rn. 5 und 6; B. v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – BauR 2010, 120 = juris Rn. 33 je m. w. N.).
3.1.2 Aus dem vorgelegten und mit Unterschriften (vgl. Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO) für die im Osten und Süden benachbarten Grundstücke FlNr. 110/3 und 111/3 versehenen Eingabeplan vom 28. Januar 2015 im Maßstab 1:100 ist zu ersehen, dass im Innern des Erdgeschosses des Bestandsgebäudes in geringem Umfang im Flur vorhandene Trennwände sowie fünf Türen entfallen und zwei neue Türen und eine neue Trennwand (zur Küche hin) eingebaut werden sollen. Auf dieser Ebene sollen drei mit P 1 bis P 3 bezeichnete Räume (13,8 m², 16,3 m², 29,6 m²) sowie ein Gemeinschaftsraum (29,9 m²) und eine Küche (10,38 m²) entstehen. Ein weiterer Raum, der durchquert werden muss, um vom Hausinneren in das Zimmer P 3 zu gelangen, trägt die Bezeichnung Ruheraum Personal (12,5 m²). Bis auf die zur Abtrennung der Küche vorgesehene Wand sind alle Räume im Grundriss des Bestandsgebäudes vorhanden. An sanitären Anlagen sind ein WC (3,2 m²) und eine Dusche mit WC (6,6 m²) vorgesehen, die Flure messen insgesamt 56,44 m². Im Obergeschoss wird die Größe der Flurflächen insgesamt mit 42,1 m² angegeben. Die hier im Grundriss gleichfalls schon vorhandenen und mit P 4 bis P 8 gekennzeichneten Räume sind zwischen 32,3 m² (P 5) und 12,7 m² (P 8) groß. Auch auf dieser Ebene gibt es zwei Sanitäreinrichtungen, ein WC (3,4 m²) und eine Dusche mit WC (6,7 m²).
Bereits diese Raumaufteilungen lassen erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob noch irgendeine eigenständige Gestaltung häuslichen Lebens möglich ist (vgl. in einem ebenfalls Intensivpflege betreffenden Fall ebenso: VG München, U. v. 2.5.2011 – M 8 K 10.2456 – juris – Rn. 34 bis 37). Inwiefern hier noch von einem gemeinsamen Haushalt, vgl. dazu die Definition der „ambulant betreuten Wohngemeinschaft“ in Art. 2 Abs. 3 Satz 1 PfleWoqG, die Rede sein könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Für acht Personen ist beispielsweise nur eine 10,38 m² große Küche im Erdgeschoss vorhanden, die im Internetauftritt der Klägerin („Haus Alexander“) als „große Wohnküche“ ausgegeben wird. Wo die in dem Haus lebenden Personen ihr Geschirr aufbewahren und Nahrungsmittelvorräte lagern können, bleibt bei der angedachten „Möblierung“ dieser Küche mit einer den halben Raum einnehmenden „Essecke“ ebenfalls unklar.
3.1.3 Bereits danach spricht Überwiegendes dafür, dass das Vorhaben baurechtlich nicht mehr als Wohnen, sondern als Anlage für gesundheitliche Zwecke anzusehen ist und hinsichtlich seiner Schutzwürdigkeit vor Lärmimmissionen wie ein Krankenhaus, vgl. Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm, zu behandeln ist. Nur am Rande sei bemerkt, dass damit die vorgesehene Nutzung der Räume P 1 und P 3 im Erdgeschoss mit jeweils großen Fenstern zum Innenhof, an den das „Jugendcafé“ unmittelbar angrenzt, kaum vereinbar sein dürfte.
3.2 Die Richtigkeit der unter 3.1.1 bis 3.1.3 vom Senat allein aus dem Inhalt der Bauakte abgeleiteten Folgerungen bestätigt ein anlässlich der Anhörung zum Verfahren nach § 130a VwGO eingegangenes Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 4. Mai 2016. Aus den dort beigelegten Unterlagen (insgesamt 6 Seiten, „Konzept“, „Service-Vertrag“ und „Mietvertrag“), die dem Landratsamt am 27. Januar 2015 während des Baugenehmigungsverfahrens übergeben wurden, ergibt sich, dass in dem streitgegenständlichen Vorhaben „ausschließlich Patienten mit schweren Erkrankungen wie z. B. COPD, ALS, Schädel-Hirntrauma mit Hirnblutungen versorgt“ werden „und auch Nachsorge nach Reanimationen mit Hirnzellenschädigungen“ stattfinden soll. Weiter heißt es in dem Konzept: „All diese Erkrankungen ziehen eine erhebliche Ateminsuffizienz bis zum totalen Atemversagen nach sich. Diese Patienten müssen 24 Stunden rund um die Uhr überwacht werden, um bei Notfällen wie Erstickungsanfällen usw. sofort eingreifen zu können.“
Der Beklagte hat dazu am 27. Mai 2016 mitgeteilt, dass diese Unterlagen der Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben des Art. 2 Abs. 3 sowie Art. 18 ff. PfleWoqG für ambulant betreute Wohngemeinschaften dienten, das Baugenehmigungsverfahren jedoch unabhängig davon durchgeführt werde. Die in der Baubeschreibung zum Bauantrag vom 18. September 2014 fehlenden Angaben zu den „Intensivpatienten“ und zur Ausgestaltung der „ambulanten Betreuung“ stellten sich seiner Auffassung nach als nicht entscheidungserheblich für die Baugenehmigung dar.
Der Senat vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Zur sachgerechten Bestimmung der Gegenstände, auf die die Prüfung eines Antrags auf Baugenehmigung erstreckt werden muss, erscheint es vielmehr geboten, am Anfang des Verfahrens die Nutzungsart des Vorhabens genau zu bestimmen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – nicht nur die Übergänge fließend sind, sondern auch die Schutzwürdigkeit des Vorhabens davon abhängt. Dass es in diesem Zusammenhang nicht auf die bloße Bezeichnung des Bauherrn allein ankommen kann, bedarf keiner Vertiefung. Abschließend sei freilich hervorgehoben, dass die Klägerin in diesem Punkt im bauaufsichtlichen Verfahren bereits im Januar 2015 ausreichende Fakten vorgetragen hat.
4. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO; vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, § 709 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision, § 132 Abs. 2 VwGO, liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt, § 52 Abs.1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, im Ergebnis wie Verwaltungsgericht.