Baurecht

Sondernutzungsgebühren, Freischankflächen, Verwaltungsgerichte, Gebührensatz, Äquivalenzprinzip, Widerspruchsbescheid, Sondernutzungserlaubnis, Gleichheitssatz, Kostenentscheidung, Gebühren für Sondernutzungen, Gebührenschuldner, Gemeingebrauch, Verwaltungsgebühren, Satzungsänderung, Gebührenverzeichnis, Beschlussvorlage, Straßengruppe, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Eingruppierung, Rechtsmittelbelehrung

Aktenzeichen  M 10 K 18.3440

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6305
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt München vom 25. Juni 2014 in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2015,
BayStrWG 18 Abs. 2a
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.    Der Bescheid der Beklagten vom 17. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 11. Juni 2018 wird aufgehoben. 
II.    Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV.    Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 11. Juni 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es fehlt dem angegriffenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten vom 25. Juni 2014 in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2015 ist insoweit nichtig, als sie für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 4 Satz 2 SoNuGebS i.V.m. Anlage II (Straßengruppenverzeichnis) nach verschiedenen Straßengruppen differenziert und als sie eine pauschale Verdopplung der Gebührensätze für Freischankflächen nach § 4 Abs. 4 Satz 1 SoNuGebS i.V.m. Ziffer 18 der Anlage I (Gebührenverzeichnis) gemäß dem Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 9. April 2014 vorsieht. Da es auf diese Bemessungsregelungen im hier vorliegenden Fall der Gebührenerhebung für Freischankflächen entscheidungserheblich ankommt, waren die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben.
1. Angesichts der materiellen Teilrechtswidrigkeit der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten vom 25. Juni 2014 in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2015 kann dahinstehen, ob die Satzung vom 25. Juni 2014 sowie ihre Änderung vom 13. Juli 2015 formell rechtmäßig sind. Diese Frage lässt sich an dieser Stelle auch nicht abschließend beantworten, da die Beklagte dem Gericht trotz mehrfacher Aufforderung keine vollständigen Satzungsunterlagen übermittelt hat. Insbesondere hat sie im Hinblick auf die Neufassung der Satzung vom 25. Juni 2014 keinen Ausfertigungsvermerk und im Hinblick auf die Änderung der Satzung vom 13. Juli 2015 keinen Nachweis über die Beschlussfassung im Stadtrat vom 1. Juli 2015 sowie über die Ausfertigung vom 13. Juli 2015 vorgelegt.
2. Die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten vom 25. Juni 2014 in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2015 ist (jedenfalls) im Hinblick auf die Einteilung in Straßengruppen durch das Straßengruppenverzeichnis gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 4 Satz 2 SoNuGebS i.V.m. Anlage II und im Hinblick auf die Verdopplung der Gebührensätze für Freischankflächen in § 4 Abs. 4 Satz 1 SoNuGebS i.V.m. Ziffer 18 der Anlage I nichtig. Die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten verstößt insoweit gegen die Vorgaben ihrer Rechtsgrundlage in Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG, insbesondere gegen das Äquivalenzprinzip, sowie gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Sondernutzungsgebühren stellen echte Benutzungsgebühren dar, die als Gegenleistung für die mit der Sondernutzung verbundene Duldung der Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrsraums und des Gemeingebrauchs erhoben werden (BVerwG, U.v. 15.7.1988 – 7 C 5/87 – juris Rn. 14). Nach Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG sind für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen.
In dieser Vorschrift kommt das für das Sondernutzungsgebührenrecht geltende Äquivalenzprinzip als gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Ausdruck. Danach darf eine Sondernutzungsgebühr ihrer Höhe nach weder außer Verhältnis zum Ausmaß der mit der Sondernutzung verbundenen Beeinträchtigung der gemeingebräuchlichen Nutzungsmöglichkeiten noch außer Verhältnis zu dem mit der Straßennutzung verfolgten wirtschaftlichen Interesse stehen (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 6 Bundesfernstraßengesetz: BVerwG, B.v. 17.10.2008 – 9 B 24/08 – NVwZ 2009, 185 (186)).
Allgemein kann es unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips geboten sein, in größeren Städten eine Staffelung der Gebührenhöhe je nach Stadtzone vorzunehmen, da die Beeinträchtigung je nach Dichte und Intensität des Verkehrs unterschiedlich zu bewerten ist (BVerwG, U.v. 2.12.1988 – 4 C 14.88 – NVwZ 1989, 557). Die Höhe der Benutzungsgebühr darf sich grundsätzlich an den ortsüblichen Aufwendungen für die Miete privater Garagen oder Stellplätze orientieren (OVG NRW, B.v. 30.6.2009 – 11 A 2393/06 – juris Rn. 40 ff.).
Zudem müssen die einzelnen Tarifstellen eines Gebührenverzeichnisses – sofern sie inhaltlich vergleichbar sind – zueinander in einem abgestimmten Verhältnis stehen und den Erfordernissen des Gleichheitssatzes gerecht werden. Der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine systemgerechte Staffelung der einzelnen Gebührensätze, weil er eine willkürliche Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte verbietet (vgl. Wiget in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 30. EL März 2020, Art. 18 Rn. 37 m.w.N.). Der Satzungsgeber hat dabei grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit kann er entscheiden, welchen Sachverhalt er zum Anknüpfungspunkt einer Regelung macht. Er muss sich nach einhelliger Auffassung nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden; vielmehr ist es dem Ortsgesetzgeber nach dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet, zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Gewisse Ungenauigkeiten sind im Interesse der Praktikabilität der Abgabenerhebung durchaus hinzunehmen. Die Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die Gleich- oder Ungleichbehandlung der Tatbestände, von denen die Höhe der Gebühr abhängig gemacht wird, nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, das heißt, wenn die Regelung unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit zu einem unerträglichen Ergebnis führen würde, also willkürlich wäre. Dies ist der Fall, wenn für die getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.5.2009 – Vf. 4-VII-07 – juris Rn. 157; BayVGH, U.v. 26.2.1980 – 167 XXIII 75 – BeckRS 1980, 108636; U.v. 8.3.1985 – 23 B 83 A. 2112 – BeckRS 1985, 108834 jew. m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben sind das Straßengruppenverzeichnis gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 4 Satz 2 SoNuGebS i.V.m. Anlage II und die Verdopplung der Gebührensätze für Freischankflächen in § 4 Abs. 4 Satz 1 SoNuGebS i.V.m. Ziffer 18 der Anlage I nach den vorgelegten Satzungsunterlagen nicht mit dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Beklagte hat insoweit ihren Spielraum bei der Ausgestaltung der Satzung überschritten.
a) Die diesbezüglichen Erwägungen in der Beschlussvorlage Nr. … zur Sitzung des Kreisverwaltungsausschusses vom 8. April 2014, die die Grundlage für den Stadtratsbeschluss vom 9. April 2014 zur Neufassung der Sondernutzungsgebührensatzung vom 25. Juni 2014 bildete, stellen keine in diesem Sinne tragfähige Grundlage für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren dar.
In dieser Beschlussvorlage wird zur Änderung der Straßengruppen und der Gebührenhöhe für Freischankflächen lediglich Folgendes ausgeführt: Der Grund für die Verdopplung der Gebührensätze für Freischankflächen sei deren gesteigerter wirtschaftlicher Wert, da liberalere Gestaltungsregeln, insbesondere der Wegfall der jährlich wiederkehrenden Verwaltungsgebühr für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, eingeführt würden. Ferner würden im Stadtgebiet der Beklagten im deutschlandweiten Vergleich bisher extrem niedrige Gebühren erhoben (Ziffer 3 der Beschlussvorlage, Seite 8). Im Rahmen der Bewertung der Stellungnahme der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer (Ziffern 6.1 und 6.4 der Beschlussvorlage, Seite 15 f.) wird weiter dargelegt, dass die Sondernutzungsgebühren für Freischankflächen auch nach der Erhöhung im bundesweiten Vergleich noch immer nicht an der Spitze lägen. Betrachte man zudem die Mieten und Pachten, die im Stadtgebiet der Beklagten in entsprechender Lage marktüblich seien und an denen sich letztendlich auch die Sondernutzungsgebühren messen lassen müssten, seien die Sondernutzungsgebühren noch immer ausgesprochen niedrig. Zwar träfe es zu, dass es durch das Zusammentreffen der generellen Gebührenerhöhung mit den Änderungen im Straßengruppenverzeichnis im Einzelfall zu Erhöhungen bis zum Vierfachen der bisher festgesetzten Gebühr kommen könne. Dies liege aber daran, dass die Gebühren bisher zu niedrig bemessen gewesen seien.
Weitere Unterlagen zur Neufassung der Satzung am 9. April 2014, insbesondere zu den Motiven für die Änderungen im Straßengruppenverzeichnis, konnte die Beklagte trotz mehrfacher gerichtlicher Nachfrage nicht vorlegen. Nach hausinterner Recherche einschließlich einer Nachfrage im Grundsatzreferat der Beklagten seien weitere Unterlagen bei der Beklagten nicht vorhanden. Die Erwägungen, die letztlich in die einzelnen Satzungsbestimmungen eingeflossen seien, seien referatsintern bei der Beklagten mündlich diskutiert und direkt in die Entwürfe der jeweiligen Beschlussvorlagen eingearbeitet worden.
aa) Im Hinblick auf die Änderungen im Straßengruppenverzeichnis fehlt es in dieser Beschlussvorlage bereits an jeglicher Begründung. Eine belastbare Rechtfertigung, ob die Auf- oder Abstufung der Straßen in die Gruppen I bis III sowie S (auch) unter Berücksichtigung der (Äquivalenz-)Kriterien des Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG erfolgt ist, findet sich nicht. Dies verstößt sowohl gegen das Äquivalenzprinzip als auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Es ist zwar nach dem oben bereits Dargestellten grundsätzlich zulässig und unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips gegebenenfalls gerade geboten, in größeren Städten eine Staffelung der Gebührenhöhe je nach Stadtzone oder Straße vorzunehmen. Aber eine Staffelung der Gebührenhöhe in Abhängigkeit von verschiedenen Straßenklassen muss – wie bereits ausgeführt – dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung tragen. Dieser erfordert insbesondere eine systemgerechte Staffelung nach bestimmten Merkmalen, um eine willkürliche Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte – hier vergleichbarer Straßen – zu vermeiden.
Diese Anforderungen sind im konkreten Fall nicht erfüllt. Ob derartige Überlegungen in der Stadtratssitzung vom 9. April 2014 angestellt worden sind, lässt sich der Beschlussvorlage gerade nicht entnehmen. Sie enthält keine Rechtfertigung für die vorgenommenen Änderungen, geschweige denn ein belastbares Konzept für die Einordnung der Straßengruppen, das sich an konkreten Kriterien und Merkmalen für die unterschiedliche Bewertung der Straßen orientiert. Ausweislich des von der Klagepartei zitierten Dringlichkeitsantrages der Stadtratsfraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung vom 26. Februar 2015 hat es im Stadtrat gerade keine Diskussion über einzelne Straßen und Plätze sowie deren Zuordnung zu den verschiedenen Kategorien gegeben.
Dieses Vorgehen ist auch nicht mehr von der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit der Beklagten bei der Ausgestaltung von Satzungen gedeckt. Das Satzungsermessen entbindet die Beklagte nicht von der Berücksichtigung der Vorgaben in Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG. Anders als bei einer Steuer, die der Einnahmenerzielung dient und bei der dem Satzungsgeber eine größere Freiheit bei der Bestimmung der Steuerhöhe zuzugestehen ist, wird die Sondernutzungsgebühr zweckgebunden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer konkreten Leistung erhoben. Das Äquivalenzprinzip erfordert es daher, die Gebühr in Abhängigkeit von dieser erhaltenen Leistung zu bestimmen, wobei gewisse Pauschalierungen grundsätzlich zulässig sind. Da im vorliegenden Fall mangels Begründung in der Sitzungsvorlage nicht klar ist, ob und wenn ja, an welchen Kriterien sich die Beklagte für die Einteilung der Straßen in ihrem Straßengruppenverzeichnis orientiert hat, ist nicht nachgewiesen, dass die Beklagte die Vorgaben des Äquivalenzprinzips, insbesondere gemäß Art. 18 Abs. 2a Satz 5 Bay-StrWG, beachtet hat.
bb) Für die Erhöhung der Gebührensätze bei den Freischankflächen findet sich zwar eine Begründung in dieser Sitzungsvorlage; sie genügt den Anforderungen des Äquivalenzprinzips jedoch nicht.
Motiv für die Erhöhung sind die im bundesweiten Vergleich niedrigen Gebühren gewesen; ferner wird auf die angestiegenen Mieten und Pachten im Stadtgebiet der Beklagten sowie die Steigerung des wirtschaftlichen Werts von Freischankflächen durch liberalere Gestaltungsregeln seitens der Beklagten verwiesen.
Grundsätzlich ist es nach dem bereits Ausgeführten nicht zu beanstanden, wenn sich Sondernutzungsgebühren an den ortsüblichen Aufwendungen für die Miete privater Garagen oder Stellplätze orientieren. Aber im konkreten Fall ist der allgemein gehaltene Verweis auf die angestiegenen Mieten und Pachten zu pauschal, um eine Gebührenverdopplung rechtfertigen zu können. Insbesondere ist nicht substantiiert dargelegt, dass im gesamten Stadtgebiet die Mieten und Pachten in gleicher Weise angestiegen sind, dass eine pauschale Verdopplung der Gebührensätze für Freischankflächen in allen Straßenklassen gerechtfertigt wäre. Das Argument der gestiegenen Mieten und Pachten überzeugt auch insofern nicht, als die Gebührensätze mit Stadtratsbeschluss vom 9. April 2014 – soweit ersichtlich – nur für die Freischankflächen, nicht aber die anderen enumerierten Sondernutzungsgebührentatbestände des Gebührenverzeichnisses in Anlage I verdoppelt worden sind. Wenn die Mieten und Pachten – wie die Beklagte argumentiert – jedoch im gesamten Stadtgebiet angestiegen sind, ist es jedoch fragwürdig und damit näher begründungsbedürftig, warum die Gebührensätze nicht generell, sondern nur diejenigen der Freischankflächen erhöht worden sind.
Der pauschale Verweis der Beklagten auf die im bundesweiten Vergleich niedrigen Gebühren genügt den Anforderungen des Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG nicht, da er zum einen nicht substantiiert ist und zum anderen den örtlichen Verhältnissen im Stadtgebiet der Beklagten nicht Rechnung trägt.
Soweit die Beklagte auf einen gesteigerten wirtschaftlichen Wert der Freischankflächen infolge liberalerer Gestaltungsregelungen rekurriert, knüpft dieses Argument zwar an die wirtschaftlichen Interessen der Gebührenschuldner im Sinne von Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG an. Aber es ist nicht substantiiert dargelegt und für das Gericht nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die liberalisierten Regelungen insbesondere zum Mobiliar und zur Dekoration der Freischankflächen sowie zum Wegfall der bisher jährlich angefallenen Verwaltungsgebühr (in Höhe von 150 EUR) eine pauschale Verdopplung der Gebührensätze in allen Straßenklassen rechtfertigen.
b) Soweit die Beschlussvorlage Nr. … zur Sitzung des Kreisverwaltungsausschusses vom 30. Juni 2015 Ausführungen zur Änderung der Gebührenhöhe für Freischankflächen und zur Änderung der Straßengruppen enthält (Seiten 6-8, 10 f.), könnten diese zwar möglicherweise die weiteren Änderungen der Straßengruppenzuordnungen gemäß der Satzungsänderung vom 13. Juli 2015 auf Grundlage des Stadtratsbeschlusses vom 1. Juli 2015 rechtfertigen. Da diese Änderungen aber Ausfluss einer im Juni 2015 vorgenommenen Evaluierung der Satzungsänderung von April 2014 sind, können diese nachträglichen Evaluierungserwägungen des Satzungsgebers jedenfalls nicht als Begründung für die Wirksamkeit der Neufassung der Satzung mit Stadtratsbeschluss vom 9. April 2014 herangezogen werden.
Im Übrigen werden die weiteren, in der Satzungsänderung vom 13. Juli 2015 vorgenommenen Straßengruppenänderungen, von denen die …straße nicht betroffen ist, auch hier nicht anhand nachvollziehbarer Kriterien, insbesondere im Sinne des Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG, begründet. Es wird lediglich für zwei Straßen – wenn auch (zufälligerweise) für die …straße – nachträglich begründet, warum im April 2014 eine Aufstufung erfolgt ist. Zudem wird ein Platz im Stadtgebiet der Beklagten nach erneuter Bewertung anhand von Verkehrsbedeutung und wirtschaftlichem Wert wieder um eine Straßengruppe herabgestuft. Ein schlüssiges Konzept für alle Straßen ist daraus jedoch nicht erkennbar.
Im Hinblick auf die Erhöhung der Gebühren für die Freischankflächen wird jedenfalls auch hier im Kern lediglich auf die deutschlandweit niedrigen Gebühren abgestellt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Auch hinsichtlich dieser Satzungsänderung vom 13. Juli 2015 hat die Beklagte trotz mehrfacher gerichtlicher Nachfrage keine weiteren Unterlagen vorgelegt.
c) Da die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten vom 25. Juni 2014 in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2015 hinsichtlich des Straßengruppenverzeichnisses gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 4 Satz 2 SoNuGebS i.V.m. Anlage II und hinsichtlich der Gebührensätze für Freischankflächen in § 4 Abs. 4 Satz 1 SoNuGebS i.V.m. Ziffer 18 der Anlage I als rechtswidrig und damit nichtig anzusehen ist und es im vorliegenden Fall der Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Freischankflächen auf diese Bemessungsgrundlagen entscheidungserheblich ankommt, war der Bescheid der Beklagten vom 17. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 11. Juni 2018 in vollem Umfang aufzuheben.
aa) Es kam nicht in Betracht, den streitgegenständlichen Bescheid auf Grundlage der Einordnung der …straße in die niedrigste Straßengruppe I aufrechtzuerhalten. Eine teilweise Aufrechterhaltung des streitgegenständlichen Bescheids setzte voraus, dass die Anhebung der Gebühren auch für diese Straßengruppe (I) ausreichend begründet worden ist. Aber auch insofern wurde pauschal eine Verdopplung des Gebührensatzes vorgenommen, ohne dies substantiiert zu begründen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
bb) Die Erhebung von Sondernutzungsgebühren kann auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden. Ein Rückgriff auf den Auffangtatbestand in § 4 Abs. 1 SoNuGebS scheidet aus. Diese Vorschrift ist in den Fällen einschlägig, in denen ein Sondernutzungsgebührentatbestand vorliegt, der nicht im Gebührenverzeichnis in Anlage I der Sondernutzungsgebührensatzung speziell enumeriert ist. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die spezielle Regelung, nämlich der enumerierte Sondernutzungsgebührentatbestand im Gebührenverzeichnis in Anlage I, zwar tatbestandlich einschlägig, aber unwirksam ist, verbietet sich der Rückgriff auf den allgemeinen Auffangtatbestand.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung wurde nach § 124 Abs. 1 VwGO zugelassen, da die Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat. Die Klärung der Frage, welche Anforderungen an die Staffelung von Gebührensätzen nach Straßenklassen sowie die Erhöhung von Sondernutzungsgebühren zu stellen sind, dient der Weiterentwicklung des Rechts.


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