Baurecht

Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  AN 3 K 15.02388

Datum:
1.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1627
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Einhaltung technischer Regelwerke entscheidet grundsätzlich nicht über die Frage, ob eine Erschließungsstraße erstmals endgültig hergestellt worden ist. Eine Ausnahme gilt, wenn die Straße infolge der Nichteinhaltung technischer Standards funktionsunfähig ist (ebenso BayVGH BeckRS 2017, 133314). (Rn. 52 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
2 Maßgebliches Kriterium für die Unterscheidung der Neuanlage einer Straße von der Verbesserung bzw. Erweiterung einer bestehenden Straße ist die Trassenführung. Verlässt die neue Trasse an keiner Stelle in vollem Umfang die alte Straße, handelt es sich nicht um die Neuanlage einer Straße (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 170734). Dies gilt auch, wenn an den bestehenden Straßenverlauf zwei Fahrspuren angefügt werden. (Rn. 55 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Sondervorteil iSv Art. 5 Abs. 1 S. 1 BayKAG ist anzunehmen, wenn das zum Straßenausbaubeitrag herangezogene Grundstück ohne beachtliche Hindernisse unmittelbar an die abgerechnete Anlage heranreicht und beitragsrechtlich relevant genutzt wird (ebenso BayVGH BeckRS 2007, 30864). Die subjektive Beurteilung durch den Beitragspflichtigen bleibt insoweit außer Betracht. (Rn. 69 – 73) (redaktioneller Leitsatz)
4 Da Container je nach Menge der abzustellenden Güter in ihrem Umfang ständig wechseln können, ist im Fall einer Grundstücksnutzung als Abstellfläche für Container straßenausbaubeitragsrechtlich auch dann nicht von einer Mehrgeschossigkeit auszugehen, wenn die Container übereinander gestapelt werden. (Rn. 81 – 84) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Streitgegenstand vorliegender Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2014 i.d.F. des Widerspruchsbescheids der Regierung von Mittelfranken vom 23. Oktober 2015, mit welchem die Klägerin für die Straßenbaumaßnahme „…“ als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 9.508,47 EUR herangezogen wurde.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der angefochtene Bescheid nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil wegen der klägerseits angeführten Nichteinhaltung technischer Regelwerke bei Ausführung der Straßenbauarbeiten in den 1970er und 1990er Jahren vorliegend Erschließungsbeitragsrecht anzuwenden wäre.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. zuletzt U.v. 19.10.2017 – 6 B 17.189 – m.w.N. – juris), dass die Einhaltung technischer Regelwerke grundsätzlich nicht entscheidend ist für die Beantwortung der Frage, ob die Erschließungs Straße erstmals endgültig hergestellt ist.
So führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, a.a.O., in der oben zitierten Entscheidung u.a. Folgendes aus:
„Eine etwa mängelbehaftete Ausführung der technischen Baumaßnahme berührt nur Gewährleistungsansprüche der Gemeinde gegenüber dem Bauunternehmer und damit unter Umständen die Höhe des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes, nicht aber die Frage, ob die satzungsmäßigen Herstellungsmerkmale erfüllt sind. Die endgültige Herstellung wäre nur dann zu verneinen, wenn die Mängel die Gebrauchstauglichkeit der Erschließungsanlage ausschlössen, also zur Funktionsunfähigkeit führten.“
Eine Funktionsunfähigkeit der … wird weder klägerseits behauptet, noch ist eine solche auch nur ansatzweise zu erkennen.
Auch ist nicht etwa Erschließungsbeitrag deshalb anzuwenden, weil mit dem nunmehr vorgenommenen Ausbau der Erweiterung der bestehenden … um zwei Fahrspuren eine Neuanlage hergestellt worden wäre.
Bei der Umgestaltung einer bereits hergestellten Straße ist für die Unterscheidung Neuanlage oder Verbesserung Erweiterung der bestehenden Anlage entscheidendes Kriterium die Trassenführung. Verlässt die neue Trasse an keiner Stelle in vollem Umfang die alte Straße, so handelt es sich nicht um eine Neuanlegung einer Straße, sondern es ist Trassenidentität gegeben (vgl. BVerwG v. 10.10.1995 – 8 C 13.94 – juris).
Dies gilt z.B. auch für die Verbreiterung einer Straße, die der Erschließung eines sich anschließenden Neubaugebietes dient (BayVGH v. 15.4.1999 – 6 ZB 97.3585 – juris).
Für vorliegenden Fall bedeutet dies im Hinblick darauf, dass sich die neue Trasse der … mit der alten teilweise deckt, sie jedenfalls an keiner Stelle in vollem Umfang verlässt, dass die nunmehrige Anlage als identisch mit der bereits angelegten … zu betrachten ist mit der Folge, dass die abgerechneten Baumaßnahmen zu Recht im Wege der Straßenausbaubeitragserhebung eingefordert wurden und nicht unter dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts.
2. Rechtsgrundlage der Heranziehung der Klägerin zur Beitragsleistung ist demnach zu Recht Art. 5 Abs. 1 KAG i.V.m. der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 16. April 2003 in der zum Zeitpunkt der Beitragserhebung gültigen Fassung.
Rechtliche Mängel der Ausbaubeitragssatzung wurden weder substantiiert gerügt noch sind solche sonst erkennbar.
Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinde zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet, erheben.
a) Im Hinblick auf den Umfang der vorliegend gegebenen Ausbaumaßnahmen und insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage von der … bis zur Einmündung … bereits Anfang der 1970er Jahre ausgebaut wurde, im Übrigen, d.h. von der … bis zur …, Anfang der 1990er Jahre, ergeben sich gerichtlicherseits keine Bedenken bezüglich der Beitragsfähigkeit vorliegender Ausbaumaßnahmen als Erneuerungsbzw. Verbesserungsmaßnahmen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BayVGH v. 20.11.2000 – 6 B 95.3097 – juris), der sich das erkennende Gericht anschließt, ist bezüglich der anlagenbezogenen Erforderlichkeit davon auszugehen, dass nach einer Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren grundlegender Sanierungsbedarf besteht. Es ist vorliegend demnach nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich die Beklagte im Hinblick auf die abgelaufene Lebensdauer und die in dem dem Gericht vorliegenden behördlichen Gutachten festgestellte Verschleißsituation dazu entschlossen hat, die … bezüglich der Teileinrichtungen Fahrbahn und Beleuchtung (bei letzterer ist davon auszugehen, dass der Aufwand für eine neugeschaffene Beleuchtungsanlage nach einer Lebensdauer der alten von ca. 20 Jahren grundsätzlich beitragsfähig ist, BayVGH v. 31.1.1980 – BayGT 1981, 38) zu erneuern.
Darüber hinaus stellt die Erneuerung einer 20 bis 25 Jahre alten Straße – und vergleichbares gilt für die Beleuchtungsanlage – mit Blick auf die Fortentwicklung der Straßenbaukunst und die Verfügbarkeit besserer Materialien zugleich eine Verbesserung dar (vgl. z.B. BayVGH v. 20.5.1999 – 6 B 96.933 – juris; v. 26.3.2002 – 6 B 96.3901 – juris).
Vorliegend zeigt ein Vergleich des Altzustandes mit dem streitgegenständlich relevanten Neuzustand, dass die Beklagte jede der abgerechneten Teilanlagen auch in beitragsrelevanter Weise verbessert hat.
So liegt in der vorgenommenen grundlegenden Fahrbahnsanierung und der damit einhergehenden Verstärkung des vertikalen Fahrbahnaufbaus eine beitragsfähige Verbesserung, denn dadurch wird eine höhere Belastbarkeit und eine geringere Frostanfälligkeit erreicht, was sich letztlich positiv auf die Reparaturbedürftigkeit auswirkt.
Bezüglich der Beleuchtungsanlage liegt die beitragsrelevante Verbesserung in der damit einhergehenden höheren Betriebssicherheit und in der Verbesserung des Beleuchtungsniveaus.
Sowohl bei der Fahrbahnverbesserung durch Verstärkung des frostsicheren Unterbaus als auch bei den an der Beleuchtungsanlage durchgeführten Maßnahmen handelt es sich um typische Verbesserungsmaßnahmen, die im besonderen Maße den angrenzenden Grundstücken zum Vorteil gereichen (BayVGH v. 3.2.1983 – BayGT 1983, 240).
b) Die demnach zu bejahende beitragspflichtige Erneuerung/Verbesserung führt auch für das klägerische Grundstück zu einem (beitragsrechtlich bedeutsamen) Sondervorteil im Sinn des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG.
Ein solcher ist anzunehmen, wenn das zum Straßenausbaubeitrag herangezogene Grundstück ohne beachtliche Hindernisse unmittelbar an die abgerechnete Anlage heranreicht und beitragsrechtlich relevant genutzt wird (vgl. z.B. BayVGH v. 5.12.2007 – 6 BV 04.496 – juris).
D.h. erforderlich für die Bejahung eines Sondervorteils ist im Straßenausbaubeitragsrecht die unmittelbare Nähe des Grundstücks zur abgerechneten Anlage sowie eine Grundstücksnutzung, auf welche sich die Erneuerung/Verbesserung beitragsrelevant auswirken kann.
Ausreichend ist dabei die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme, ohne dass es auf eine im Verhältnis zu anderen anliegenden Grundstücken gegebenenfalls vorliegende geringere tatsächliche Nutzung ankommt.
Aus diesem Sondervorteilsbegriff folgt auch, dass es für die Frage der Beitragsrelevanz durchgeführter Baumaßnahmen nicht entscheidend ist, ob sie seitens der Beitragspflichtigen für erforderlich, sinnvoll, überflüssig oder gar nachteilig erachtet werden; die subjektive Beurteilung der Beitragspflichtigen ist insoweit unerheblich.
In Ansehung von Lage und Grundstücksnutzung ist vorliegend zweifelsohne für das klägerische Grundstück ein beitragsrelevanter Sondervorteil zu bejahen.
Nach alldem ist von der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids dem Grunde nach auszugehen.
3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch hinsichtlich der festgesetzten Höhe nicht zu beanstanden, insbesondere bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des vorliegend für die den Containerterminal umfassenden Grundstücke zugrunde gelegten Nutzungsfaktor (unten a) sowie an der Einordnung der … als Haupterschließungsstraße (unten b).
a) Nach Art. 5 Abs. 2 KAG sind Beiträge abzustufen, soweit die Vorteile der Beitragspflichtigen (vorliegend für die Straßenausbaumaßnahme …*) verschieden hoch sind. Dem werden insbesondere Beitragsmaßstäbe gerecht, die Art und Maß der baulichen oder sonstigen beitragspflichtigen Nutzung, die Grundstücksflächen, sowie Kombinationen daraus berücksichtigen.
Dem Rechnung tragend sieht die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 16. April 2003 in der für vorliegendes Verfahren gültigen Fassung vom 28. April 2015 (Amtsblatt S. 186), in § 6 Abs. 3 vor, dass der umzulegende Aufwand auf die Grundstücke des Abrechnungsgebietes nach den Grundstücksflächen verteilt wird, diese jeweils vervielfacht mit einem Nutzungsfaktor. Dieser Nutzungsfaktor beträgt bei eingeschossiger Bebaubarkeit und gewerblich oder sonstig nutzbaren Grundstücken, auf denen keine oder nur eine untergeordnete Bebauung zulässig ist, 1,0, bei mehrgeschossiger Bebaubarkeit zuzüglich je weiteres Vollgeschoss 0,3.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt z.B. in seiner Entscheidung vom 25. September 2007 – 6 B 05.3018 – juris, zu diesem auch von der Beklagten in ihrer Straßenausbaubeitragssatzung gewählten Vollgeschossmaßstab u.a. Folgendes aus:
„Dieser Vollgeschossmaßstab ist im Straßenausbaubeitragsrecht ein geeigneter, den gesetzlichen Vorgaben aus dem Blickwinkel der Gleichbehandlung genügender Faktor bei der Verteilung des umlegungsfähigen Aufwandes; dies gilt auch für Abrechnungsgebiete mit unterschiedlich intensiver Nutzung (BayVGH v. 9.6.2004, BayVBl. 2005, 762). Die Verfassungs- und Gesetzeskonformität dieser Verteilungsregelung wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof in einem Popularklageverfahren bestätigt (Entscheidung v. 12.1.2005, BayVBl. 2005, 361 ff. und 399 ff.). Das typisierende Abstellen auf die Grundstücksflächen, den Unterschied von Wohnen und Gewerbe sowie die Zahl der Vollgeschosse genügt dem Abstufungsgebot des Art. 5 Abs. 2 KAG, auch wenn die Anliegergrundstücke in unterschiedlicher Intensität genutzt werden; einer feineren Ausdifferenzierung bedarf es nicht (BayVGH v. 5.2.2007 – KStZ 2007, 135).“
Für die Grundstücksbereiche des Containerterminals, die nach der insoweit einschlägigen Planfeststellung (vgl. § 18 AEG) keine mehrgeschossige Bebauung zulassen, ist die Beklagte unter Zugrundelegung von § 6 Abs. 3 Nr. 1 ABS demnach zu Recht von einem Nutzungsfaktor von 1,0 ausgegangen.
Eine – wie von der Klägerin gewünschte – Annahme einer Mehrgeschossigkeit kommt hier nicht in Betracht. Das Wesen der Mehrgeschossigkeit liegt darin, dass Räume übereinander errichtet sind, so dass sich die nutzbare Fläche des Gebäudes bei gleicher überbaubarer Fläche vergrößert. Gerade darin liegt der beitragsrechtlich relevante Hauptaspekt, der es rechtfertigt, in der Verteilung einen Zuschlag für das Nutzungsmaß vorzunehmen.
Diese durch das Vorhandensein eines mehrgeschossigen Gebäudes gegebene jederzeit unabhängig von der tatsächlichen Nutzung anzunehmende erhöhte Nutzungsmöglichkeit ist nicht zu vergleichen mit einer nur beschränkt möglichen Grundstücksnutzung in Form von Abstellflächen für Container, die je nach Menge der abzustellenden Güter in ihrem Umfang ständig wechseln kann.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 11. November 2016 – 6 ZB 15.787 – juris – u.a. Folgendes aus:
„Der mit der Grundstücksfläche kombinierte Vollgeschossmaßstab wird den Anforderungen des § 131 Abs. 3 BauGB gerecht. Nach dieser Vorschrift muss die Beitragsbelastung der einzelnen Grundstücke im Abrechnungsgebiet nicht in demselben Verhältnis stehen, wie sich deren bauliche oder sonstige Nutzbarkeit zueinander verhält. Denn erstens lässt sich der größere oder kleinere Erschließungsvorteil des einen Grundstücks im Verhältnis zu dem anderen Grundstück mit Hilfe der jeweiligen baulichen oder sonstigen Nutzung nur grob erfassen. Zweitens würde die genaue Bestimmung dieser Nutzungen in vielen Fällen zu unangemessenen Schwierigkeiten führen, so dass die Praktikabilität und Überschaubarkeit des Heranziehungsverfahrens nicht mehr gewährleistet wäre. Dieser kombinierte Verteilungsmaßstab ist auch im hier inmitten stehenden Straßenausbaubeitragsrecht ein geeigneter, den gesetzlichen Vorgaben aus dem Blickwinkel der Gleichbehandlung genügender Faktor bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes (BayVGH, U.v. 5.2.2007 – 6 BV 05.2153 – juris, Rn. 58; B.v. 25.9.2007 – 6 B 05.3018 – juris, Rn. 14).“
Zusammenfassend kann nach alldem festgestellt werden, dass es vorliegend nicht zu beanstanden ist, für die nur als Abstellfläche nutzbaren Grundstücke, -flächen des Containerterminals gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 1 ABS einen Nutzungsfaktor von 1,0 zugrunde zu legen.
b) Auch die von der Beklagten für die streitgegenständliche Abrechnung angenommene Straßenkategorie „Haupterschließungsstraße“ ist nicht zu beanstanden.
Als Grundlage der Beitragserhebung hat die Gemeinde nach Art. 2 Abs. 1 KAG Abgabesatzungen zu erlassen, in welchem eine Eigenbeteiligung der Gemeinde vorzusehen ist, die die Vorteile, welche die abzurechnende Straße der Allgemeinheit verschafft, angemessen berücksichtigt (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 bis 3 KAG).
Aus der gesetzlichen Vorgabe, den öffentlichen Nutzen „angemessen“ in die Eigenbeteiligung einzustellen, sowie der Erkenntnis, dass sich aus Straßenbaumaßnahmen erwachsende Vorteile einer rechnerisch exakten Bemessung von vorneherein entziehen, weshalb nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann, folgt zwangsläufig, dass der Gemeinde bei der Entscheidung über die Eigenbeteiligungssätze im Einzelnen ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass ein Beitrag einen Ausgleich für einen Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots. Innerhalb dieser Grenzen ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde typische Fallgruppen in einer vereinheitlichenden Weise erfasst, die das Heranziehungsverfahren praktikabel, überschaubar und effizient gestaltet (vgl. BayVGH v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris).
Ausgehend davon ist die gemeindliche Eigenbeteiligung so abzustufen, dass der Vorteil, der der Allgemeinheit im Verhältnis zu den Anliegern zuwächst, ausreichend differenziert berücksichtigt wird. Maßgeblich ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und die Allgemeinheit andererseits. Die Gemeinden sind auf Grund des Differenzierungsgebotes gehalten, zumindest drei Straßenkategorien entsprechend ihrer Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Wohnstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichem Verkehr und Durchgangsstraßen. Darüber hinaus muss sich die in Bezug auf den jeweiligen Straßentyp festgelegte Eigenbeteiligung der Gemeinde sachgerecht in das System der festgelegten Anteilssätze einfügen (BayVGH v. 29.10.1984 – 6 B 82 A.2893 – juris). Es obliegt dem Satzungsermessen der Gemeinde festzulegen, nach welchen Straßentypen zu unterscheiden ist. Dabei kann sie sich aus Gründen der Praktikabilität auf relativ grobe Unterscheidungen beschränken. Die Einstufung einer bestimmten Straße zu einem Straßentyp auf der Grundlage der Satzung unterliegt allerdings der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die von der Satzung verwendeten Begriffe sind regelmäßig nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich zu verstehen, so dass maßgeblich auf die Funktion der Straße abzustellen ist. Die Zuordnung zu einer in der Ortssatzung der Gemeinde vorgesehenen Straßenkategorie hat sich an ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen auszurichten, wobei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen ist, wie sie durch ihre Lage, die Art der Ausgestaltung und die Belastung ihre Ausprägung gefunden hat. Dabei sind Lage, Ausgestaltung und Verkehrsbelastung allerdings nur Indizien, sie können zur Verkehrsfunktion und damit letztlich ausschlaggebenden tatsächlichen Verkehrsbedeutung der Straße in Widerspruch stehen (vgl. z.B. BayVGH v. 27.2.2008 – 6 ZB 05.3393 – juris).
Im Beschluss vom 5. März 2008 – 6 ZB 08.2960 – juris, führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof u.a. Folgendes aus:
„In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass bei der Einordnung einer Straße in die Kategorie der Ausbaubeitragssatzung auf die Zweckbestimmung abzustellen ist, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Verkehrszählungen kommt danach allenfalls die Bedeutung eines „Bestätigungsmerkmals“ zu (vgl. BayVGH v. 9.6.2004, BayVBl. 2005, 762 f. = BayGT 2004, 382/384; v. 5.12.2007 – 6 BV 04.496 m.w.N.).“
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, z.B. vom 9. Juni 2004, a.a.O., welcher sich das erkennende Gericht anschließt, ist in der gesetzlich vorgegebenen Abstufung der Straßenkategorie eine an einem Grobraster orientierte, die Vorteilsunterschiede betonende und daher an die Merkmale kleinräumig, innerörtlich durchgehend und überörtlich durchführend anknüpfende Aufteilung angelegt, welche einer starr auf die einzelne Einrichtung bezogenen Beurteilung nicht zugänglich ist.
Zu den – im Wege der Auslegung – zu ermittelnden Merkmalen einer Haupterschließungsstraße hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 27. Februar 2008 – 6 ZB 05.3393 – juris, Folgendes ausgeführt:
„Die Auslegung einer Satzungsbestimmung ist in der Hauptsache weder eine philologische noch – in Bezug auf das Verhältnis zur gemeindlichen Eigenbeteiligung – eine mathematische Übung. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, was die Bestimmung innerhalb des gegebenen Regelungszusammenhangs leisten soll. Die Ermächtigung zum Satzungserlass (Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KAG) verlangt von der Gemeinde, für Einrichtungen, die nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zu Gute kommen, eine Eigenbeteiligung am Erneuerungs- oder Verbesserungsaufwand vorzusehen, die die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigt. Aus dieser Vorgabe erwächst das Gebot, die Ortsstraßen nach ihrer Verkehrsbedeutung typisierend zu gliedern und zumindest nach den Straßenkategorien der Wohn Straße, der Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen zu differenzieren (BayVGH v. 29.10.1984 a.a.O. S. 144). Die Kategorien sollen also Straßentypen mit signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Vorteils der Allgemeinheit gegeneinander abgrenzen. Das Verständnis der Einzelbestimmung kann sich somit von vorneherein nicht isoliert an deren Wortlaut, sondern muss sich am Verhältnis zu den anderen Straßenkategorien orientieren (BayVGH v. 9.6.2004, a.a.O.: Ausgehend „von den … Definitionen in der Satzung“).“
Gemessen an diesen Vorgaben der Rechtsprechung hat die Beklagte die … zu Recht als Haupterschließungsstraße eingestuft.
Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 ABS gelten als Haupterschließungsstraßen Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen, soweit sie nicht Hauptverkehrsstraße nach Nr. 3 sind. Hauptverkehrsstraßen sind nach der in der ABS enthaltenen Definition Straßen, die überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen.
Aus den dem Gericht vorliegenden Plänen ist erkennbar, dass die … keine solche eine Hauptverkehrsstraße kennzeichnende Funktion einer durchgehenden innerörtlichen Verbindungs Straße hat bzw. dem überörtlichen Verkehr dient.
Aus dem Lageplan ist deutlich zu entnehmen, dass die … nicht die Aufgabe hat, durchgehende Verkehrsströme aufzunehmen, zu bündeln und durch den Ort zu leiten. Nach ihrer Lage und Führung im gemeindlichen Straßennetz zeigt sich, dass der streitgegenständlichen Straße nur eine relativ kurze Verbindungsfunktion innerhalb der durchgehenden Stränge des Ortsstraßennetzes zukommt.
Mögen auch die Anlieger der … den in die von ihr abzweigenden Straßen führenden bzw. aus diesen abzweigenden Straßen in sie einmündenden Verkehr als „Durchgangsverkehr“ empfinden, handelt es sich bei diesen Verkehrsströmen jedoch um Ziel- und Quellverkehr, denn die … leitet diesen die einmündenden Stichstraßen betreffenden Verkehr nur über eine kurze Distanz weiter, so dass er – orientiert an dem Grobraster kleinräumig, innerörtlich durchführend und überörtlich durchführend – ebenso wie der dem Containerterminal zuzurechnende Zu- und Abfahrtsverkehr als Anliegerverkehr zu werten ist.
Die von der Beklagten vorgenommene Einstufung der … als Haupterschließungsstraße und die daraus folgende Zugrundelegung des in der Satzung für Haupterschließungsstraßen enthaltenen Anteils der Beitragspflichtigen von 50% ist nach alldem nicht zu beanstanden.
Auch wenn wegen der damit festgestellten vollumfänglichen Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorliegend nicht entscheidungserheblich, so ist dennoch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der im Zuge der streitgegenständlichen Straßenausbaumaßnahmen durchgeführten Fahrbahnerweiterung um zwei Fahrspuren wohl um eine dem Straßenausbaubeitragsrecht unterfallende Maßnahme handelt, welche entgegen der Auffassung der Beklagten dann auch auf die Beitragspflichtigen entsprechend umlegbar wäre, falls nicht im sogenannten Hafenvertrag diesbezüglich eine abweichende Sonderregelung getroffen worden ist.
Vorliegend stellt die Anlegung der zwei weiteren Fahrbahnen wahrscheinlich keinen nachfolgenden Erstausbau einer Gesamtanlage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z.B. Urteil vom 31. Januar 1992 – 8 C 31.90 – juris, dar.
Von einem derartigen Sachverhalt ist dann auszugehen, wenn die Gemeinde den „vollen“ Straßenausbau plant, sich aber wegen der Außenbereichslage und der deshalb fehlenden Baulandqualität der an der zum Außenbereich gelegenen Straßenseite vorhandenen Grundstücke anfänglich auf einen Ausbau in dem Umfang beschränkt, wie er für die Erschließung der bebaubaren Grundstücke erforderlich ist. Erlangen die Außenbereichsgrundstücke später Baulandqualität mit der Folge der entsprechenden Verbreiterung der Straße, so stellt diese Baumaßnahme – so das Bundesverwaltungsgericht a.a.O. – „gleichsam die zweite, zum Vollausbau der Gesamtanlage führende einseitig anbaubare Straße mit der Folge dar, dass der von ihr verursachte Aufwand als beitragsfähiger Aufwand einzig auf die durch sie erschlossenen vormaligen Außenbereichsgrundstücke umzulegen ist“.
Vorliegend jedoch hat die Beklagte vielmehr den Ausbau der … wohl von Anfang an auf den Umfang beschränkt, der für die hinreichende Erschließung der westlich gelegenen Grundstücke unerlässlich war, so dass nicht nur eine „vorläufig halbe Straße“, sondern eine vollumfängliche Straße errichtet werden sollte. Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichts deutlich aus den seitens der Beklagten vorgelegten Unterlagen, wonach die ins Auge gefasste Erweiterung auf vier Fahrspuren (nur) bei entsprechenden Erhöhung des Verkehrsaufkommens und/oder Ausbau des Hafenbeckens 2 erfolgen sollte.
Das Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Entscheidung vom 31. Januar 1992 – 8 C 31.90 – juris, Folgendes aus:
„Eine andere Beurteilung ist indes geboten, wenn eine Gemeinde den Ausbau einer einseitig anbaubaren Straße zulässigerweise – aus welchen Gründen auch immer – von vorneherein auf einen Umfang beschränkt, der für die hinreichende Erschließung der Grundstücke an der zum Anbau bestimmten Seite unerlässlich, d.h. in dem in den Urteilen vom 29. April 1977, a.a.O., S. 396 f. und vom 26. Mai 1989, a.a.O., S. 107 ff. erörterten Sinne in dieser Richtung „schlechthin unentbehrlich“, ist. Trifft dies zu, kommt es nicht zu einer erschließungsbeitragsrechtlichen Kostenhalbierung, keinem Vorstrecken erst später abzuwälzender Kosten und keinem ersten nachfolgenden Erstausbau einer Gesamtanlage. In einem solchen Fall ist vielmehr die unerlässliche Anlage zugleich die beitragsfähige Erschließungsanlage überhaupt. Ist eine solche Straße den Herstellungsmerkmalen einer Erschließungsbeitragssatzung oder – unter Geltung noch des dem Erschließungsbeitragsrecht vorangegangenen Anliegerbeitragsrechts – einer anderen einschlägigen ortsrechtlichen Bestimmung entsprechend ausgebaut worden, so ist sie damit erstmals endgültig hergestellt. Ändern sich später die Verhältnisse und wird aus diesem Grund die seinerzeitig als einseitig anbaubar angelegte Straße verbreitert oder sonstwie verändert, kann dies nicht mehr eine Erschließungsbeitragspflicht, sondern ausschließlich eine Beitragspflicht nach Maßgabe des landesrechtlichen Straßenausbaubeitrags auslösen.“
Unabhängig von dieser sich nach obigen Ausführungen eventuell ergebenden Nachforderung ist die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids festzustellen und eine Rechtsverletzung der Klägerin ist zu verneinen.
Somit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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