Baurecht

Straßenbaubeitrag für Ortstraße

Aktenzeichen  AN 3 K 19.00568

Datum:
12.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 22305
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 19 Abs. 7
VwGO § 101 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für eine wirksame Abschnittsbildung ist bei einer Einmündungsstelle die Grenzziehung an der Mittelachse der schiefwinkelig einmündenden Straße dergestalt vorzunehmen, dass an der Mittelachse der einmündenden Straße orientiert, eine rechtwinkelig verlaufende Gerade zu ziehen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn der Gemeinderat ausdrücklich nichts anderes beschließt (Anschluss an BayVGH, B. v. 22.10.1992 – 6 B 89.3052 -, BayVbl 1993, 469). (Rn. 88) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erneuerung einer 20 bis 25 Jahre alten Straße – und vergleichbares gilt für die Beleuchtungsanlage – stellt mit Blick auf die Fortentwicklung der Straßenbaukunst und die Verfügbarkeit besserer Materialien grundsätzlich zugleich eine beitragsfähige Verbesserung dar (Anschluss an BayVGH BeckRS 1999, 23662). (Rn. 96) (redaktioneller Leitsatz)
3. Entscheidend für das Vorliegen eines Gehwegs ist nicht eine bestimmte Mindestbreite des Gehwegs, sondern ob er im Hinblick auf den im Einzelfall zu bewältigenden Fußgängerverkehr funktionsgerecht ist. Geboten ist grundsätzlich lediglich eine Mindestbreite, für deren Bemessung auf den unabdingbar erforderlichen Bewegungsraum für einen Fußgänger abzustellen ist (Anschluss an OVG NRW BeckRS 9998, 28338). (Rn. 99) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Beitragserhebung inzident zu prüfen, ob die Gemeinde die sinnvollste und zweckmäßigste Ausbaumaßnahme gewählt hat. Der Gemeinde kommt insoweit ein weites Ermessen zu. (Rn. 104) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2017 in der Form  des Widerspruchbescheids vom 18. Februar 2019 wird insoweit  aufgehoben, als ein höherer Betrag als 5.372,20 EUR festgesetzt  wurde; das Leistungsgebot wird vollständig aufgehoben.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.    Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 2/3 und die  Beklagte 1/3 zu tragen. 
3.    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für  notwendig erklärt.
4.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige  Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung  in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der  jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Streitgegenstand vorliegender Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 18. Februar 2019, wonach die Klägerin bezüglich ihres Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … für den Ausbau des … und des … (Abschnitt:* … ab Einmündung …und … bis Gabelung …*) zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 8.000,58 EUR herangezogen wurde.
Die zulässige Klage, über die auf Grund des Einverständnisses der Parteien ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nur zum Teil begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Höhe von 2.628,38 EUR aufzuheben, da er in diesem Umfang rechtswidrig ist und die Klägerin hierdurch in ihren Rechten verletzt; entsprechend dieser rechtlichen Situation war das Leistungsgebot aufzuheben. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, da die Festsetzung des Straßenausbaubeitrags in Höhe von 5.372,20 EUR rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
1. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich dem Grunde nach als rechtmäßig.
Er wurde von der Beklagten am 17. November 2017 erlassen, so dass vorliegend nach Art. 19 Abs. 7 KAG (n. F.) das Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung Anwendung findet.
Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage demnach in Art. 5 KAG (a.F.) i.V.m. der Ausbaubeitragsatzung der Beklagten vom 26. Oktober 2011 (ABS).
Rechtliche Mängel der Ausbaubeitragssatzung wurden weder substantiiert gerügt noch sind solche sonst erkennbar.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Ergänzend hierzu bestimmt Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG (a.F.), dass für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt öffentlichen Wegen solche Beiträge erhoben werden sollen, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch einzufordern sind. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12. Januar 2005, Az. Vf.3-VII-03, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen als verfassungsgemäß erachtet und insbesondere festgestellt, dass solch eine Erhebung nicht gegen das Eigentumsrecht nach Art. 103 Abs. 1 BV verstößt.
Der vorliegend vorgenommene und mit dem angefochtenen Bescheid abgerechnete Ausbau des … und des … (Abschnitt: …ab Einmündung … und …bis Gabelung …*) stellt eine beitragsfähige Erneuerung/Verbesserung einer dem Beitragstatbestand des Art. 5 Abs. 1 KAG (a.F.) unterfallenden öffentlichen Einrichtung in Form einer Ortsstraße dar.
a) Bei dem vorliegend den Gegenstand der Ausbaumaßnahme bildenden …und … handelt es sich um eine den Beitragstatbestand des Art. 5 Abs. 1 KAG unterfallende öffentliche Einrichtung in Form einer Ortsstraße im Sinne des Art. 46 Nr. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG.
b) Wie weit diese Ortsstraße im beitragsrechtlichen Sinne reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenlänge und -breite sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23. September 2009 – 6 CS 09.1753, juris; U.v. 22. April 2010 – 6 B 08.1483, juris). Der umlagefähige Aufwand ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG grundsätzlich auf sämtliche Grundstücke zu verteilen, die eine beitragsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit „dieser Einrichtung“ haben. Wird die Einrichtung nur teilweise erneuert/verbessert, so erfasst das Abrechnungsgebiet demnach grundsätzlich sämtliche Anliegergrundstücke, unabhängig davon, ob diese unmittelbar an die erneuerte Teilstrecke angrenzen oder davon entfernt liegen (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 28. Januar 2010 – 6 BV 08.3043, juris).
Unter Zugrundelegung dieser oben erörterten Betrachtungsweise stellt die abzurechnende Straße im Osten ab der Einmündung der … in den … (FlNrn. … bzw. …, jeweils Gemarkung …*) bis westlich zu den FlNrn. … und …, jeweils Gemarkung …, eine einheitliche Anlage dar.
Ist allerdings wirksam ein Abschnitt gebildet worden, so umfasst das Abrechnungsgebiet nur die an diesem Abschnitt anliegenden Grundstücke und die ihnen gleichzustellenden Hinterliegergrundstücke.
Die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung findet im Straßenausbaubeitragsrecht ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht ihre Grenze im Willkürverbot (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 7. Juni 1996 – 8 C 30.94, juris). Ferner bedarf es einer entsprechenden Willensäußerung der Gemeinde, um die Beitragspflicht für diesen Abschnitt entstehen zu lassen.
Die von der Beklagten mit Beschluss des Gemeinderats vom 28. April 2015 vorgenommene Abschnittsbildung erweist sich als nicht zu beanstanden. Insbesondere genügt der Beschluss den Anforderungen, die an eine Abschnittsbildung zu stellen sind.
Der Abschnitt hat aufgrund seiner Länge eine die gesonderte Abrechnung rechtfertigende Lage und Ausdehnung und ist durch örtlich erkennbare Merkmale, nämlich eine Straßenkreuzung (* … und eine Straßeneinmündung (* …*), abgegrenzt.
Das östliche Abschnittsende ist ab der Einmündung … eindeutig und im Einklang mit der Rechtsprechung gewählt worden. Doch auch das westliche Abschnittsende ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist grundsätzlich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes bei einer Einmündungsstelle wie im vorliegenden Fall die Grenzziehung an der Mittelachse der schiefwinkelig einmündenden Straße dergestalt vorzunehmen, dass an der Mittelachse der einmündenden Straße orientiert, eine rechtwinkelig verlaufende Gerade zu ziehen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn der Gemeinderat ausdrücklich nichts anderes beschließt (vgl. BayVGH, B.v. 22. Oktober 1992 – 6 B 89.3052, juris sowie auch OVG NRW, U.v. 13. Dezember 1990 – 2 A 751/87, juris).
Im vorliegenden Fall ist die Grenzziehung zwar nicht an der Mittelachse der Einmündung in den …vorgenommen worden. Jedoch soll nach dem Wortlaut des Gemeinderatsbeschlusses vom 28. April 2015 der Abschnitt so gebildet werden, wie auf dem zum Beschluss zugehörigen Plan vorgeschlagen. Damit wurde im Sinne der genannten Rechtsprechung ausdrücklich etwas „anderes“ beschlossen und die Grenzlinie entsprechend zulässig gezogen.
Es liegen darüber hinaus keine Anhaltspunkte vor, dass die Abschnittsbildung zu einer dem Willkürverbot widersprechenden Beitragsverzerrung führt. Der Abschnittsbildungsbeschluss ist insbesondere auch aufgrund des dem Beschluss beigefügten Plans inhaltlich hinreichend bestimmt.
Eine wirksame Abschnittsbildung ist ferner auch vor dem Hintergrund anzunehmen, dass gemäß des Gemeinderatsbeschlusses vom 28. April 2015 nebst zugehörigem Plan der Weiterbau des „…“ bis zur Einmündung in die …Straße nach dem Bauprogramm der Beklagten in den „nächsten fünf bis zehn Jahren“ erfolgt.
Nachdem auch im Übrigen keine Umstände ersichtlich sind, die der gewählten Abgrenzung im Wege stünden, ist die von der Beklagten gewählte Abschnittsbildung nicht zu beanstanden.
c) Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Klägers‚ die Beklagte sei zu Unrecht von einer beitragsfähigen Erneuerung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG und insbesondere von einer Erneuerungsbedürftigkeit des … und … ausgegangen.
Im Hinblick auf den Umfang der vorliegend gegebenen Ausbaumaßnahmen ergeben sich gerichtlicherseits keine Bedenken bezüglich der Beitragsfähigkeit vorliegender Ausbaumaßnahmen als Erneuerungs- bzw. Verbesserungsmaßnahmen.
aa) Die übliche Nutzungszeit‚ welche nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes bei einer „normalen“ Straße einschließlich der Teileinrichtung Gehweg etwa 20 bis 25 Jahre beträgt (dazu BayVGH, B.v. 3. November 2016 – 6 ZB 15.2805, juris, U.v. 14. Juli 2010 – 6 B 08.2254, KommunalPraxis BY 2010, 362/363; B.v. 21. Juli 2009 – 6 ZB 06.3102, juris; B.v. 13. August 2014 – 6 ZB 12.1119, juris; U.v. 20. November 2000 – 6 B 95.3097, juris), war im vorliegenden Fall bereits deutlich überschritten.
Es ist vorliegend demnach nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich die Beklagte im Hinblick auf die abgelaufene Lebensdauer und den eingetretenen Verschleiß dazu entschlossen hat, den …und den … zu erneuern. Darüber hinaus stellt die Erneuerung einer 20 bis 25 Jahre alten Straße – und vergleichbares gilt für die Beleuchtungsanlage – mit Blick auf die Fortentwicklung der Straßenbaukunst und die Verfügbarkeit besserer Materialien grundsätzlich zugleich eine beitragsfähige Verbesserung dar (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 20. Mai 1999 – 6 B 96.933, juris; U.v. 26. März 2002 – 6 B 96.3901, juris).
bb) Soweit bei der … auf einer Länge von 475 m ein Schrammbord mit lediglich 30 -50 cm Breite verlegt wurde, ist dies nicht zu beanstanden.
Dem Vorbringen des Klägervertreters, wonach ein Schrammbord nur ab einer Breite von 75 cm abrechenbar sei, ist nicht zu folgen.
Die Anlage eines so schmalen Bereichs für die Fußgänger bedeutet nicht, dass insoweit kein Gehweg vorhanden ist, auf dem Fußgängerverkehr stattfinden kann (vgl. hierzu etwa OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 3. September 2018 – 6 A 10526/18, juris). Entscheidend ist nicht eine bestimmte Mindestbreite des Gehwegs, sondern ob er im Hinblick auf den im Einzelfall zu bewältigenden Fußgängerverkehr funktionsgerecht ist. Geboten ist grundsätzlich lediglich eine Mindestbreite, für deren Bemessung auf den unabdingbar erforderlichen Bewegungsraum für einen Fußgänger abzustellen ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 27. April 2004 – 6 A 10035/04, juris; OVG NRW, U.v. 20. Juli 1992 – 2 A 399/91, juris; U.v. 14. Juni 1994 – 15 A 1011/02, juris).
Hiervon kann im vorliegenden Fall insbesondere angesichts der Größe der Gemeinde und der konkreten örtlichen Situation ausgegangen werden. Ferner ist zu beachten, dass Schrammborde – im Gegensatz zu klassischen Gehwegen – von Natur aus grundsätzlich eine geringere Breite aufweisen und für solche Stellen vorgesehen sind, an denen kein ausreichender Platz für einen klassischen, breiten Gehweg vorhanden ist. Im Übrigen dürfte es grundsätzlich auch im Interesse der Beitragsschuldner sein, wenn die Beklagte anstatt eines aufwendigeren Gehweges lediglich ein in der Regel deutlich kostengünstigeres Schrammbord einrichtet.
cc) Mit seiner Rüge, dass der Gehsteig im …ursprünglich 1,5 m breit und geteert gewesen sei, nunmehr 2 m breit und gepflastert sei und sich hierdurch aufgrund der damit einhergehenden Verschmälerung der Straße (von 6,5/6 m auf 5,5/5 m) die Verkehrssituation verschlechtert habe, geht der Klägervertreter fehl.
Dem Vorteil der Verbreiterung des Gehweges kann nicht entgegengehalten werden, dass sich deshalb die Verkehrsverhältnisse auf der Fahrbahn verschlechtert haben.
Grundsätzlich hat sich die Betrachtung von Vor- und Nachteilen auf die jeweilige Teileinrichtung zu beschränken, wobei dann jede nicht unerhebliche Verschlechterung von Bedeutung ist (teil-einrichtungsimmanente Vorteilskompensation). Nur ausnahmsweise bei räumlichem und funktionalem Zusammenhang von Verbesserung und Verschlechterung, insbesondere wenn durch den Ausbau einer Teileinrichtung eine andere Teileinrichtung wegfällt oder funktionsunfähig wird, kann dies der Beitragsfähigkeit des Ausbaus entgegen gehalten werden (teileinrichtungsübergreifende Kompensation; vgl. hierzu OVG NRW, B.v. 1. September 2009 – 15 A 1102/09, juris; B.v. 16. Februar 2004 – 15 B 277/04, juris; U.v. 28. August 2001 – 15 A 465/99, juris).
Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Beitragserhebung inzident zu prüfen, ob die Gemeinde die sinnvollste und zweckmäßigste Ausbaumaßnahme gewählt hat (vgl. OVG NRW, B.v. 5. August 2008 – 15 A 1886/08, juris; B.v. 16. Januar 2008 – 15 A 3195/07, juris; U.v. 30. Oktober 2001 – 15 A 4648/99, juris). Der Gemeinde kommt insoweit ein weites Ermessen zu.
Folglich könnte im vorliegenden Fall die Verschmälerung der Fahrbahn als Verschlechterung der Verbreiterung des Gehweges als Verbesserung nur dann entgegen gehalten werden, wenn die Fahrbahn faktisch beseitigt, also funktionsunfähig geworden wäre. Funktionsunfähig ist eine Teileinrichtung jedoch erst dann, wenn sie im Ganzen absolut ungeeignet ist, die ihr in verkehrstechnischer Hinsicht zugedachte Funktion in der konkreten örtlichen Situation tatsächlich zu erfüllen. Dabei kommt es weder auf punktuelle Engpässe noch auf besondere Nutzungsansprüche oder eine Begegnungsverkehrsbreite an. (vgl. OVG NRW, U.v. 17. Februar 1995 – 15 A 1652/91, juris).
Diese Grenze des sachlich Vertretbaren ist hier trotz einer eventuellen Verschlechterung der Straßensituation infolge der Verschmälerung der Fahrbahn nicht überschritten. Die Fahrbahn genügt mit einer Breite von 5,5/5 m ganz offensichtlich noch der ihr zukommenden Funktion und ist damit nach wie vor funktionsfähig.
dd) Auch im Übrigen ist nach Prüfung der vorgelegten Abrechnungsunterlagen der Beklagten (Schlussrechnungen und gemeindliche Zusammenstellung der Baukosten) von einer zutreffenden Ermittlung des Beitragssatzes auszugehen. Wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergibt, wurden die Kosten, die nicht im Zusammenhang mit der abgerechneten Maßnahme stehen, nicht in den beitragsfähigen Aufwand einbezogen. Insbesondere wurden auch die anteiligen Kosten für Wasser und Kanal getrennt ermittelt und aus dem Aufwand herausgerechnet.
d) Sowohl bei einer Grenzziehung an der Mittelachse des schiefwinkelig einmündenden …als auch bei der von der Beklagte beschlossenen Grenzziehung führt die beitragspflichtige Erneuerung/Verbesserung für das klägerische Grundstück zu einem (beitragsrechtlich bedeutsamen) Sondervorteil im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG, so dass das verfahrensgegenständliche Grundstück zu Recht in das Abrechnungsgebiet einbezogen wurde.
Ein Sondervorteil ist anzunehmen, wenn das zum Straßenausbaubeitrag herangezogene Grundstück ohne beachtliche Hindernisse unmittelbar an die abgerechnete Anlage heranreicht und beitragsrechtlich relevant genutzt wird (vgl. z.B. BayVGH, U. v. 5.12.2007 – 6 BV 04.496, juris). D.h. erforderlich für die Bejahung eines Sondervorteils ist im Straßenausbaubeitragsrecht die unmittelbare Nähe des Grundstücks zur abgerechneten Anlage sowie eine Grundstücksnutzung, auf welche sich die Erneuerung/Verbesserung beitragsrelevant auswirken kann. Ausreichend ist dabei die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme, ohne dass es auf eine im Verhältnis zu anderen anliegenden Grundstücken gegebenenfalls vorliegende geringere tatsächliche Nutzung ankommt. Aus diesem Sondervorteilsbegriff folgt auch, dass es für die Frage der Beitragsrelevanz durchgeführter Baumaßnahmen nicht entscheidend ist, ob diese seitens der Beitragspflichtigen für erforderlich, sinnvoll, überflüssig oder gar nachteilig erachtet werden; die subjektive Beurteilung der Beitragspflichtigen ist insoweit unerheblich (vgl. VG Ansbach, U.v. 1. Februar 2018 – AN 3 K 15.02388, juris).
Im vorliegenden Fall war für die Frage des Vorliegens eines Sondervorteils im oben erörterten Sinne insbesondere festzustellen, wo der … endet und wo der … im Bereich der Einmündung beginnt.
Nach herrschender Rechtsprechung bestimmen sich Beginn, Verlauf und Ende einer Verkehrsanlage grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf die Straßenführung, die Straßenbreite und die Straßenlänge sowie die Ausstattung der Teileinrichtungen vermitteln (vgl. BayVGH, U.v. 12. Dezember 2006 – 6 B 02.2499, juris; BVerwG, U.v. 22. März 1996 – 8 C 17/94, juris; U.v. 21. September 1979 – IV C 55.76, juris).
Abgrenzungskriterien sind demnach weder Straßennahmen noch Grundstücksgrenzen. Gleiches gilt für die vom Klägervertreter angesprochene Trennungslinie im Gemarkungsplan. Unbeachtlich ist ferner, dass im Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1983 zum … die gesamte Grundstücksfläche von 884 m² herangezogen wurde.
Nach dem Ergebnis des von der Kammer vorgenommenen Augenscheins ist in Ansehung der Straßenführung und der Lage des klägerischen Grundstücks sowie insbesondere auch aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der vorhandenen Teileinrichtungen der streitgegenständlichen Anlage, wonach sich im strittigen Übergangsbereich vom … in den … – wie auch im … – beiderseits der Fahrbahn ein Gehweg befindet, während im …der Gehweg nur einseitig auf der Südseite angelegt ist, für das klägerische Grundstück ein beitragsrelevanter Sondervorteil zu bejahen.
Nach dem vor Ort gewonnen Gesamteindruck liegt das Grundstück an dem ausgebauten Abschnitt des … auch nicht lediglich punktuell an. Insbesondere im Bereich der großzügig angelegten Garagenzufahrt liegt das Grundstück nach Auffassung der Kammer nicht im Einmündungsbereich des …, sondern aufgrund des leicht kurvigen Verschwenks des … … in diesem Bereich ganz offensichtlich am … an.
3. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich jedoch der Höhe nach zum Teil als rechtswidrig und verletzt die Klägerin demgemäß in ihren Rechten.
Nach dem Ergebnis des von der Kammer vorgenommenen Augenscheins liegt das verfahrensgegenständliche Grundstück ganz unzweifelhaft auch am … an.
Ausschlaggeben war auch hier der Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf die Straßenführung, die Straßenbreite und die Straßenlänge sowie die Ausstattung der Teileinrichtungen vermitteln.
Auch für die Frage, ob das Grundstück der Klägerin am … anliegt, ist es ohne Relevanz, dass im Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1983 zum … … die gesamte Grundstücksfläche von 884 m² herangezogen wurde.
In Ansehung der Regelung in § 8 Abs. 13 ABS ist für einen derartigen Fall des Anliegens eines Grundstücks an zwei grundsätzlich beitragspflichtigen Straßen eine 2/3-Ermäßigung bei der einzubeziehenden Grundstücksfläche zu beachten.
Die beitragspflichtige Grundstücksfläche beträgt demnach lediglich 942,93 m² (884,00 m² Grundstücksfläche mit einem Ansatz von 2/3 vervielfacht mit einem Nutzungsfaktor von 1,60 für 3,00 geschossige Bebaubarkeit bzw. Bebauung). Unter Heranziehung eines Beitragssatzes pro Quadratmeter von 5,69735 EUR (umzulegender Anliegeranteil von 372.668,51 EUR geteilt durch Summe der beitragspflichtigen Grundstücksflächen in Höhe von 65.410,89 m²) ergibt dies für das verfahrensgegenständliche Grundstück einen Straßenausbaubeitrag in Höhe von 5.372,20 EUR.
Eine Vergünstigung in Höhe von 2/3 zugunsten der Klägerin wurde im vorliegenden Fall fälschlicherweise nicht berücksichtigt, so dass der streitgegenständliche Bescheid, in welchem ein Ausbaubeitrag in Höhe von 8.000,58 EUR festgesetzt wurde, in Höhe von 2.628,38 EUR rechtswidrig ist.
Eine – wie klägerseits angesprochene – Aufteilung nach Frontmetern kann im vorliegenden Fall hingegen nicht erfolgen. Grenzt ein Grundstück – wie im vorliegenden Fall etwa das Grundstück FlNr. …- an zwei Abschnitte einer Erschließungsanlage, ist es bei Abrechnung nur eines Abschnitts mit dem Anteil seiner Fläche in die Aufwandsverteilung einzubeziehen, der dem Verhältnis der Frontlänge des Grundstücks an dem abgerechneten Abschnitt zur Frontlänge an dem anderen Abschnitt entspricht. Eine Aufteilung nach Frontmetern erfolgt hingegen nicht, wenn ein Grundstück an zwei Erschließungsanlagen anliegt (vgl. BayVGH, B.v. 20. August 2004 – 6 ZB 00.2260, juris).
Im vorliegenden Fall grenzt das Grundstück der Klägerin nicht an zwei Abschnitte, sondern an zwei Erschließungsanlagen, nämlich den … sowie den …, an. Dieser Situation ist mittels Anwendung der satzungsmäßigen Mehrfacherschließungsregelung Rechnung zu tragen.
4. Das Leistungsgebot ist in Gänze aufzuheben, da die Klägerin aufgrund der schon erbrachten Vorauszahlung in Höhe von 5.606,23 EUR bereits einen höheren Betrag entrichtet hat als den sich für das verfahrensgegenständliche Grundstück unter Berücksichtigung der Vergünstigung in Höhe von 2/3 ergebenden Straßenausbaubeitrag in Höhe von 5.372,20 EUR.
Nach alldem war der Klage teilweise stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO.
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO wird die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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