Baurecht

Straßenreinigungsgebühr, Geschlossene Ortslage

Aktenzeichen  B 4 K 18.539

Datum:
9.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46085
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG
SRS
SRGS
Straßenreinigungs- und Sicherungsverordnung

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 26.04.2018 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO statthaft. Der Kläger hat mit Schreiben vom 13.05.2018 Widerspruch eingelegt und mit Schreiben vom 26.05.2018, noch bevor über den Widerspruch entschieden wurde, Klage erhoben. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, auf den nach h.M. abzustellen ist (Kopp, VwGO, 26. Auflage, § 75 Rn. 2), war über den Widerspruch ohne sachlichen Grund innerhalb einer angemessenen Frist (gemäß § 75 Satz 2 VwGO drei Monate) nicht entschieden worden. Im Übrigen hat die Widerspruchsbehörde bereits mit Schreiben vom 12.11.2019 mitgeteilt, dass ein Widerspruchsbescheid nicht erlassen wird.
2. Die Klage ist auch begründet. Der Gebührenbescheid über Straßenreinigung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Straßenreinigungsgebühr ist Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG.
Danach kann der Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabensatzung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 KAG gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG für die Benutzung seiner öffentlichen Einrichtungen und seines Eigentums Benutzungsgebühren erheben. Zu diesen Einrichtungen zählt auch die von dem Beklagten betriebene Straßenreinigungsanstalt, die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Satzung über die Straßenreinigung in der Stadt W … durch das … (Straßenreinigungssatzung – SRS) vom 21.07.2017 als öffentliche Einrichtung betrieben wird.
Der Beklagte hat entsprechend seiner ihm von der Stadt W … übertragenen Befugnis die Satzung für die Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr in der Stadt W … durch das … (Straßenreinigungsgebührensatzung – SRGS) vom 21.07.2017 erlassen.
Gemäß § 1 SRGS erhebt der Beklagte für die Benutzung der Straßenreinigungsanstalt Gebühren von den gemäß § 2 SRGS zur Benutzung der Straßenreinigungsanstalt Verpflichteten (Gebührenschuldnern). Benutzungspflichtig sind gemäß § 3 SRS die Personen, denen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Straßenreinigungs- und Sicherungsverordnung für die im Anschlussgebiet liegenden Straßen die Reinigungspflicht obliegt. Das sind die Eigentümer und die zur Nutzung dinglich Berechtigten von Grundstücken, die innerhalb der geschlossenen Ortslage an die im Straßenreinigungsverzeichnis (Anlage 1) aufgeführten öffentlichen Straßen angrenzen.
Der Begriff der „geschlossenen Ortslage“ ist in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayStrWG definiert und in § 2 Abs. 3 Straßenreinigungs- und Sicherungsverordnung wortgleich übernommen worden. Danach ist eine „geschlossene“ Ortslage der Teil des Gemeindegebiets, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend gebaut ist. Einzelne unbebaute Grundstücke, zur Bebauung ungeeignetes oder ihr entzogenes Gelände oder einseitige Bebauung unterbrechen den Zusammenhang nicht. Es handelt sich insoweit um eigenständige straßenrechtliche Begriffe (BayVGH U v.18.08.2016, 8 B 15.2552, Rn. 47, beck-online).
Die Reinigungspflicht des Straßenanliegers setzt voraus, dass sich nicht nur sein Grundstück sondern auch die streitbefangene Straße innerhalb der geschlossenen Ortslage befindet und nicht nur an ihr vorbeiführt. Grundstücke im Sinne des Art. 51 Abs. 4 BayStrWG grenzen nur innerhalb der geschlossenen Ortslage an öffentliche Straßen an, wenn die Straße „durch“ eine geschlossene Ortslage und nicht nur an einer geschlossenen Ortslage vorbeiführt, selbst aber im straßenrechtlichen Außenbereich verläuft (BayVGH U v.18.08.2016, 8 B 15.2552, Rn. 49, beck-online).
Entscheidend ist im Einzelfall, ob am fraglichen Standort der Eindruck vorherrscht, sich im freien Gelände zu befinden. Es ist auch vorstellbar, die eine Straßenseite als innerhalb, die andere dagegen als außerhalb der geschlossenen Ortslage anzusehen (Zeitler/Schmidt, 30. EL März 2020, BayStrWG Art. 51 Rn. 92, März 2020).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger als Eigentümer des Grundstücks Flurnummer aaa, Gemarkung B…, nicht zur Benutzung der Straßenreinigungsanstalt verpflichtet und folglich nicht Gebührenschuldner.
Zwar liegt sein Grundstück in B …, Ortsteil S …, im Anschlussgebiet des § 2 Abs. 1 Satz 1 SRS i.V. m. dem Straßenverzeichnis (vgl. Anlage zur Satzung), jedoch nicht in einem Teil des Gemeindegebiets, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend gebaut ist. Das ergibt sich aus den vorgelegten Lageplänen und Luftbildern.
Betrachtet man die östliche Straßenseite der Gemeindeverbindungs straße, an der das landwirtschaftlich genutzte Grundstück des Klägers angrenzt, so ist auf dieser Seite im Ortsteil S … überhaupt keine zusammenhängende Bauweise ersichtlich. Das nächste Gebäude liegt ca. 50 m nördlich, im weiteren Straßenverlauf folgen unbebaute Grundstücke bis nach ca. 150 m ein zweites Gebäude zu sehen ist. An der nördlichen Grenze des klägerischen Grundstücks verläuft der öffentliche Feld- und Waldweg Fl. Nr. bbb, der eine Zäsur in Richtung des Ortsteils darstellt. Auch das nördlich dieses Weges liegende Grundstück Fl. Nr. ccc ist landwirtschaftlich genutzt und unbebaut (vgl. Luftbild Bayernatlas).
Eine zusammenhängende Bebauung gibt es nur auf der gegenüberliegenden, westlichen Straßenseite der Gemeindeverbindungs straße. Diese Bebauung endet aber mit dem letzten Haus auf Höhe der nördlichen Grundstücksecke des klägerischen Grundstücks. Danach beginnt in südlicher Richtung der Außenbereich.
In der Gesamtschau ergibt sich bei der Betrachtung der Lagepläne und Luftbilder, dass sich das Grundstück des Klägers im freien Gelände und nicht innerhalb geschlossener Ortslage befindet.
Damit ist der Kläger ist für sein Grundstück nicht reinigungspflichtig gemäß § 4 Straßenreinigungs- und Sicherungsverordnung. Folglich ist er nicht gemäß § 3 SRS zur Benutzung der gemeindlichen Straßenreinigungsanstalt verpflichtet und damit auch nicht gebührenpflichtig gemäß § 2 SRGS.
Der streitgegenständliche Gebührenbescheid zur Straßenreinigung war somit aufzuheben und der Klage stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


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