Baurecht

Streitwert bei Nachbarklage von Inhabern emittierender Anlagen gegen heranrückende Wohnbebauung

Aktenzeichen  9 C 20.214

Datum:
5.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20957
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52, § 68

 

Leitsatz

Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, der bei Baunachbarklagen einen Rahmen von 7.500 bis 15.000 Euro vorsieht, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist, liegt zwar die Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem Wohngebäude zugrunde, wird aber regelmäßig auch bei Nachbarklagen gegen andere bauliche Anlagen angewandt. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs ist grundsätzlich auch bei Nachbarklagen von Inhabern emittierender Anlagen gegen heranrückende Wohnbebauung zugrunde zu legen. (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 18.2386 u.a. 2019-12-05 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Dezember 2019 (Az. AN 3 K 18.02386 und AN 3 K 19.02376) wird der Streitwert vor der Verbindung auf jeweils 15.000 Euro und nach der Verbindung auf insgesamt 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertbeschwerde der Klägerin, mit der sie eine Herabsetzung der Streitwerte von jeweils 30.000 Euro auf 15.000 Euro ihrer Klagen gegen die Erteilung einer Baugenehmigung der Beklagten vom 6. November 2018 an die Beigeladene betreffend den Umbau und die Sanierung eines Gebäudes zu einer Kindertagesstätte sowie den Neubau zweier Wohngebäude mit sechs bzw. 13 Wohnungen auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung E. begehrt, ist zulässig und begründet.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde, derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013), der bei Baunachbarklagen – wie hier – einen Rahmen von 7.500 bis 15.000 Euro vorsieht, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Hiervon ausgehend (vgl. die Zitierung im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5.12.2019) hat das Verwaltungsgericht allerdings – ohne nähere Begründung – für die beiden Nachbarklagen der Klägerin, die sowohl für ihr unmittelbar angrenzendes Grundstück (FlNr. … Gemarkung E.; „Altstadtpassage“) als auch für ihre über der W. …straße liegenden Grundstücke (FlNr. …, …1, …1, …2 und …7; „Einkaufszentrum K.“ mit Parkplätzen) im Wesentlichen eine Beeinträchtigung des Gebietserhaltungsanspruchs sowie eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geltend macht – einen Streitwert von jeweils 30.000 Euro festgesetzt. Dieser Streitwert ist hier zu hoch angesetzt und entsprechend Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs auf jeweils 15.000 Euro zu korrigieren.
Der in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 angegebene Rahmen erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet bei einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs liegt dabei zwar die Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem Wohngebäude zugrunde, wird aber regelmäßig auch bei Nachbarklagen gegen andere bauliche Anlagen angewandt (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 9 C 20.1317 – juris Rn. 5). Gleichwohl kann nach den Maßstäben des § 52 Abs. 1 GKG von den im Streitwertkatalog ausgewiesenen Beträgen abgewichen werden, wenn der Einzelfall dazu Anlass gibt (Amtliches Begleitschreiben zum Streitwertkatalog 2013, abgedruckt im BDVR-Rundschreiben, Beilage zu Heft 4/2013 sowie Nr. 3 der Vorbemerkungen; vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2019 – 9 C 19.1608 – juris Rn. 5). Derartiges ist hier jedoch nicht der Fall.
Der Senat geht grundsätzlich auch bei Nachbarklagen von Inhabern emittierender Anlagen gegen heranrückende Wohnbebauung vom Rahmen der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs aus (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.3.2021 – 9 CS 20.3163 – juris Rn. 24 [Rettungswache]; BayVGH, B.v. 27.5.2020 – 9 ZB 19.506 – juris Rn. 10 [gewerblicher Betrieb]; BayVGH, B.v. 24.7.2018 – 9 CS 18.1102 – juris Rn. 15 [Brennerei]; vgl. auch BayVGH, B.v. 27.5.2020 – 15 ZB 19.32305 – juris Rn. 34 [landwirtschaftl. Betrieb]). Unabhängig davon, dass die Klägerin geltend macht, es handle sich bei den verschiedenen Betriebsgrundstücken westlich und östlich der W. …straße um ein einheitlich betriebenes Einkaufszentrum, lassen sich dem Vortrag und den vorgelegten Akten auch unter Berücksichtigung einer störungspräventiven Baunachbarklage (vgl. VGH BW, B.v. 6.6.2017 – 8 S 1041/17 – juris Rn. 6) hier keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs zur Verfügung stehende Rahmen dem Interesse der Klägerin nicht ausreichend Rechnung tragen könnte. Auch hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die Bemessung eines höheren wirtschaftlichen Schadens ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch sind solche ersichtlich oder seitens des Verwaltungsgerichts festgestellt worden. Da der Streitwertkatalog in seiner aktuellen Fassung einer möglichen unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedeutung bei Nachbarklagen durch eine Spreizung der Beträge Rechnung trägt und ein konkreter wirtschaftlicher Schaden auf Seiten der Klägerin weder dargelegt noch ersichtlich ist, erscheint es unter Berücksichtigung des bestehenden wirtschaftlichen Interesses der Klägerin an einem ungestörten Betrieb ihres Einkaufszentrums sowie der Altstadtpassage angemessen und ausreichend, einen Streitwert von jeweils 15.000 Euro anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2014 – 9 C 14.204 – juris Rn. 6).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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