Baurecht

Teilenteignung für Autobahnausbau

Aktenzeichen  Au 6 K 16.1358

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153368
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEG Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
FStrPrivFinG § 1 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Das Wohl der Allgemeinheit nach Art. 3 Abs. 1 BayEG wird nicht deswegen verfehlt, weil es sich um eine Enteignung zu Gunsten einer Privatperson handelt, die Konzessionsinhaberin für die Maut und Partnerin im Public-Private-Partnership-Projekt sowie einer Straßenbaulastträgerin nach § 1 Abs. 3 FStrPrivFinG gleichgestellt ist, denn das Straßennetz selbst bleibt in öffentlicher Hand, da kein Eigentumsübergang auf die Konzessionsinhaberin erfolgt (vgl. dazu BVerwG BeckRS 2013, 58658 Rn. 3 mwN); nach Ablauf der Konzession geht das Straßenbauvorhaben auch noch in die öffentliche Verwaltung über. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein der Enteignung vorausgehendes ernsthaftes Bemühen iSd Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 BayEG angenommen werden kann, hängt davon ab, ob das freihändige Angebot vertretbar ist, es also hinsichtlich der infrage stehenden Entschädigungspositionen einigermaßen vollständig ist, auf entsprechende wirtschaftlich sachgerechte Ermittlungen gestützt wurde und der Höhe nach in etwa der zu erwartenden Enteignungsentschädigung entspricht (vgl. BayVGH BeckRS 2012, 54098 Rn. 25, BeckRS 2011, 56919 Rn. 12 und BeckRS 2010, 54311 Rn. 13 jeweils mwN). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der angefochtene Enteignungsbeschluss vom 2. September 2016 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist für das streitgegenständliche Verfahren der Verwaltungsrechtsweg nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 BayEG i.V.m. § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, denn die Klägerin begehrt nicht eine höhere Entschädigung für den Eigentumsverlust, wofür nach der abdrängenden Sonderzuweisung des Art. 44 Abs. 1 BayEG der ordentliche Rechtsweg eröffnet wäre, sondern greift die Enteignung als solche an.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der angefochtene Enteignungsbeschluss vom 2. September 2016 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin daher auch nicht in ihren Rechten verletzt.
1. Der angefochtene Enteignungsbeschluss ist formell rechtmäßig.
Der Beklagte ist nach § 19 Abs. 5 FStrG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 BayEG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG als örtlich zuständige Enteignungsbehörde für die Durchführung des Enteignungsverfahrens zuständig und konnte die Enteignung zugunsten der Beigeladenen als Trägerin der Straßenbaulast durchführen.
Das nach Art. 23 Satz 1 BayEG als förmliches Verwaltungsverfahren i.S.d. Art. 63 ff. BayVwVfG ausgestaltete Enteignungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Der Enteignung liegt ein frist- (vgl. zum nur für die Besitzeinweisung geltenden Art. 39 Abs. 5 Satz 2 BayEG BayVGH, GB v. 25.4.2013 – 8 A 12.40057 – Rn. 10) und formgerechter Antrag der Beigeladenen nach Art. 20 Abs. 2 BayEG zu Grunde, denn die für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Enteignungsantrags erforderlichen Unterlagen wurden der Enteignungsbehörde von der Beigeladenen eingereicht.
Soweit die Klägerin rügt, dem Enteignungsantrag hätten Unterlagen gefehlt, führt dies zu keinem Verfahrensverstoß, weil die Beigeladene diese bereits der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayEG auch für die vorzeitige Besitzeinweisung zuständigen Enteignungsbehörde in jenem Verfahren eingereicht hatte. Art. 20 Abs. 2 BayEG ist nicht zu entnehmen, dass die Unterlagen erst mit dem Enteignungsantrag eingereicht werden dürften, vielmehr genügt es, wenn sie – wie hier – der Enteignungsbehörde im Zeitpunkt der Stellung des Enteignungsantrags vorliegen. Die Beigeladene ist auch antragsbefugt, denn sie ist im vorliegenden Fall Eigentümerin der Straßengrundstücke und Trägerin der Straßenbaulast nach § 5 i.V.m. § 19 FStrG (vgl. BVerwG, B.v. 24.10.2013 – 9 B 41.13 – Rn. 3 a.E. m.w.N.).
Auch die nach Art. 22 BayEG zu beteiligenden Personen wurden einbezogen. Soweit die Klägerin rügt, Begünstigte von auf ihren Grundstücken eingetragenen grundbuchrechtlichen Belastungen seien nicht beteiligt worden, kann sie hierdurch jedenfalls nicht in eigenen Rechten verletzt sein (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil sie durch die Enteignung lediglich von einer Belastung zu Gunsten Dritter frei wird, aber dadurch weder eigene Rechte verliert noch deren Rechte im eigenen Namen geltend machen kann. Zudem sind die vom Enteignungsbeschluss betroffenen Teilflächen ihrer Grundstücke nicht nachweislich von den Belastungen betroffen; das in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommene Kartenmaterial ließ nicht erkennen, dass die Belastungen sich gerade auf die enteigneten Teilflächen erstrecken. Im Übrigen würden sie sachenrechtlich auf letztere übergehen. Sonstige Verstöße gegen Zuständigkeits-, Verfahrens- oder Formvorschriften nach § 19 Abs. 5 FStrG i.V.m. Art. 19 ff. BayEG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Der angefochtene Enteignungsbeschluss ist materiell rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Enteignung ist § 19 Abs. 1 Satz 2 FStrG i. V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayEG, wonach eine Enteignung zur Ausführung eines nach § 17 FStrG planfestgestellten Vorhabens, hier des Ausbaus der Bundesautobahn A 8 mit Planfeststellungsbeschluss vom 21. Juli 2005, ohne weitere Feststellung ihrer Zulässigkeit ermöglicht wird.
b) Die Enteignung der Klägerin als Grundstückseigentümerin ist nach Art. 3 Abs. 1 BayEG zulässig, die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 BayEG liegen vor.
aa) Die Enteignung ist zum Wohl der Allgemeinheit nach Art. 3 Abs. 1 BayEG zulässig, denn ihr liegt ein durch den Planfeststellungsbeschluss vom 21. Juli 2005 nach § 17 FStrG planfestgestelltes Vorhaben zugrunde. Das Vorhaben ist auch bereits durchgeführt (vgl. Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 BayEG), so dass sich eine Glaubhaftmachung der Verwendung erübrigt. Am 28. September 2015 erfolgte die Verkehrsübergabe (vgl. Bayer. Staatsministerium des Innern, Pressemitteilung vom 28.9.2015, www.stmi.bayern.de).
Das Wohl der Allgemeinheit nach Art. 3 Abs. 1 BayEG wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deswegen verfehlt, weil es sich um eine Enteignung zu Gunsten eines Privaten, der Konzessionsinhaberin für die Maut und Partnerin im Public-Private-Partnership-Projekt sowie einer Straßenbaulastträgerin gleichgestellte Person nach § 1 Abs. 3 FStrPrivFinG, handelte. Vielmehr bleibt das Straßennetz selbst in öffentlicher Hand, da kein Eigentumsübergang auf die Konzessionsinhaberin erfolgt (vgl. auch BT-Drs. 12/6884 S. 5; BT-Drs. 12/7555 S. 2; dazu BVerwG, B.v. 24.10.2013 – 9 B 41.13 – Rn. 3 m.w.N.); nach Ablauf der Konzession geht das Straßenbauvorhaben auch noch in die öffentliche Verwaltung über (vgl. BT-Drs. 12/6884 S. 5).
bb) Die Beigeladene hat sich als Antragstellerin des Enteignungsverfahrens auch nachweislich ernsthaft bemüht, die Grundstücke zu angemessenen Bedingungen freihändig zu erwerben.
Das von ihr gegenüber der Klägerin abgegebene Erwerbsangebot war angemessen, so dass die Enteignungsvoraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 BayEG vorgelegen haben. Ob ein der Enteignung vorausgehendes ernsthaftes Bemühen in diesem Sinne angenommen werden kann, hängt davon ab, ob das Angebot vertretbar ist. Dies kann regelmäßig bejaht werden, wenn es sich auf entsprechende sachgerechte Ermittlungen stützt. Darüber hinaus ist es ausreichend, wenn das Angebot „in etwa“ der Enteignungsentschädigung genügt (st.Rspr; vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2009 – 8 ZB 07.2105 – juris Rn. 13). Die Anforderungen an das freihändige Angebot dürfen allerdings nicht überspannt werden, weil ansonsten der Streit über die Höhe der Entschädigung, der den Zivilgerichten vorbehalten ist, unzulässigerweise auf die Ebene der verwaltungsgerichtlichen Prüfung verlagert würde. Vertretbar ist ein Angebot, wenn es hinsichtlich der infrage stehenden Entschädigungspositionen einigermaßen vollständig ist, auf entsprechende wirtschaftlich sachgerechte Ermittlungen gestützt wurde und der Höhe nach in etwa der zu erwartenden Enteignungsentschädigung entspricht (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2012 -8 B 12.112 – juris Rn. 25 m.w.N.; BayVGH, B.v. 21.7.2009 – 8 ZB 07.2105 – juris Rn. 13; B.v. 2.11.2011 – 8 CS 11.2104 – juris Rn. 12). Dies war hier der Fall, denn der mit Schreiben der Beigeladenen vom 17. Juni 2010 der Klägerin unterbreitete Kaufvertragsentwurf enthielt eine aus Bodenpreis und Aufwuchsentschädigung zusammengesetzte Gesamtentschädigung von 10.280,00 Euro, die den im angefochtenen Enteignungsbeschluss auf Grund der eingeholten Gutachten schließlich festgesetzten Entschädigungsbetrag von 10.682,30 Euro nahezu erreicht.
Die Enteignung war auch deswegen unausweichlich, weil die Klägerin selbst mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 6. Mai 2011 die Beigeladene zur Stellung eines Enteignungsantrags aufgefordert hatte, da eine einvernehmliche Einigung nicht zustande gekommen sei. Diese Aufforderung erging nach Ablehnung des o.g. Kaufvertragsangebots durch die Klägerin. Dass schließlich wegen einer Trassenänderung geringere Flächen aus dem Grundeigentum der Klägerin benötigt wurden als anfangs vorgesehen, ändert an der Erforderlichkeit der Enteignung nichts, da die Klägerin einen Verkauf rundweg ablehnte und auf eine Enteignung selbst der verringerten Teilflächen bestand (siehe soeben).
c) Dass in den enteigneten Teilflächen durch die Bauherrin Leitungen verlegt werden dürfen, ist Gegenstand des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses und der darin festgestellten Ausführungsplanung. Entgegen der Vermutung der Klägerin, hier sollten unzulässig Leerrohre für künftige Leitungsverlegungen zu Gunsten privater Dritter vorgehalten werden, was eine Enteignung nicht rechtfertige, ist das Verwaltungsgericht im Gegenteil nach Augenschein des in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten eingesehenen Bestandsplans überzeugt, dass die Leitungen (WM 1) für öffentliche Zwecke („ABBS“ und ABDS“ – Autobahndirektion Südbayern) vorgehalten bzw. verlegt werden. Auch die Anlage von Zugangswegen zur Durchführung der Anwandpflege an den zur Bundesautobahn gehörenden Lärmschutzeinrichtungen (vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG) ist Teil des Ausbaus und des Straßenunterhalts, mithin von der Planfeststellung (PFB Vom 21.7.2005 Nr. A.I.3., Nr. A.II.1., Nr. A.III.2.) umfasst und nicht Streitgegenstand der hierfür nach § 19 Abs. 1 Satz 3 FStrG zulässigen Enteignung.
3. Da auch die sonstigen Voraussetzungen für die Enteignung vorliegen, ist der angefochtene Enteignungsbeschluss rechtmäßig.
III.
Die Klage war damit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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