Baurecht

Übergangsregelung für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windkraftanlagen und Unvollständigkeit der Antragunterlagen

Aktenzeichen  22 ZB 17.1033

Datum:
31.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2017, 782
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5
BayBO Art. 82 Abs. 1, Art. 83 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Ansicht, dass wegen des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes eine weite Auslegung der Übergangsregelung in Art. 83 Abs. 1 BayBO geboten sei, und dass deshalb vereinzelte Mängel in den artenschutzfachlichen Erhebungen und daher erforderliche fachliche Nachfragen die Vollständigkeit des Antrags im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO nicht ausschließen würden, ist nicht zu folgen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 14.1956 2017-03-08 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.
Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 800.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für zwei Windkraftanlagen.
Am 27. Dezember 2013 reichte die Klägerin beim Landratsamt A* …- … einen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen des Typs „Senvion 3.2 M“ auf Standorten im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 ein. Die Gesamthöhe der Windkraftanlagen beträgt jeweils 200 m. Die Standorte der beantragten Windkraftanlagen liegen ca. 1 bis 1,3 km von der Ortschaft P* … entfernt.
Das Landratsamt teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 2014 mit, dass die Antragsunterlagen nicht vollständig seien. Mit weiterem Schreiben des Landratsamtes vom 12. Februar 2014 wurde die Klägerin u.a. darauf hingewiesen, dass eine Einzelstatik und ein Bodengutachten erforderlich seien, da nach Mitteilung der Klägerin noch keine Typenprüfung vorliege. In den Unterlagen zum Naturschutz entspreche die Erfassung der Vögel in mehreren Punkten nicht der Anlage 6 zum Windenergie-Erlass vom 20. Dezember 2011.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2014 wurde der Antrag der Klägerin vom 27. Dezember 2013 abgelehnt. Die Windkraftanlagen würden schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG hervorrufen. Ihnen stünden zudem öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) habe nachvollziehbar dargelegt, dass die von diesen Windkraftanlagen ausgehenden Erschütterungen eine seismologische Messstation unzumutbar beeinträchtigen würden. Auch würde es nach Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde beim Betrieb der strittigen Windkraftanlagen ohne Abschaltung von Betriebsbeginn an zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Sinne eines Verstoßes gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sowie zu einer Störung im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG von Fledermäusen kommen.
Eine gegen diesen Bescheid gerichtete Verpflichtungsklage der Klägerin wies das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 8. März 2017 ab. Die Windkraftanlagen seien gemäß § 82 Abs. 1 BayBO nicht im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB bauplanungsrechtlich privilegiert, weil sie in einem geringeren Abstand als dem 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden im Innenbereich (§ 34 BauGB) errichtet werden sollten. Die Übergangsregelung in § 83 Abs. 1 BayBO greife nicht ein, da die dem Landratsamt zum maßgeblichen Zeitpunkt des 4. Februar 2014 vorliegenden Antragsunterlagen nicht vollständig im Sinne dieser Vorschrift gewesen seien. Die beiden Windkraftanlagen seien bauplanungsrechtlich unzulässig, weil durch deren Errichtung und Betrieb die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt würde (§ 35 Abs. 2, 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).
Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin in der Antragsbegründung vom 22. Mai 2017, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), lassen die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht hervortreten.
1. Aus den klägerischen Darlegungen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Ernstliche Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 124 Rn. 7 und 7a m.w.N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch sein könnte. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.).
b) Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass im Falle der strittigen Windkraftanlagen der Tatbestand des § 82 Abs. 1 BayBO grundsätzlich erfüllt ist. Danach ist die bauplanungsrechtliche Privilegierung der Errichtung und des Betriebs einer Windkraftanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB von der Einhaltung eines Mindestabstands von 10 H zu näher bezeichneten Wohngebäuden abhängig. Sie meint jedoch, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 1 BayBO anwendbar. Die Anwendung des Art. 83 Abs. 1 BayBO sei im vorliegenden Fall verfassungsrechtlich geboten, um den der Klägerin zu gewährenden Vertrauensschutz nicht auszuhöhlen. Vereinzelte Mängel in den artenschutzfachlichen Erhebungen und daher erforderliche fachliche Nachfragen würden die Vollständigkeit des Antrags im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO nicht ausschließen. Erhebungen, die drei bis vier Jahre zurücklägen, seien auch keinesfalls zwangsläufig veraltet. Die bloße Möglichkeit, dass es zwischenzeitlich zu Veränderungen gekommen sei, stehe einer hinreichenden Aktualität nicht entgegen. Es sei davon auszugehen, dass die artenschutzfachlichen Untersuchungen bereits vor Inkrafttreten des Windenergie-Erlass vom 20. Dezember 2011 (AllMBl 2012, 34) abgeschlossen worden seien; im Hinblick auf den durch Art. 83 Abs. 1 BayBO gewährten Vertrauensschutz seien diese Untersuchungen nicht an den Vorgaben des Windenergie-Erlasses zu messen. Die Unterlagen zum Artenschutz seien inhaltlich vollständig und nachvollziehbar. Im Übrigen müsse geprüft werden, ob durch Vermeidungsmaßnahmen eine Vereinbarkeit mit artenschutzrechtlichen Vorschriften zu erreichen sei.
c) Die Beanstandung der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass wegen des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes eine weite Auslegung der Übergangsregelung in Art. 83 Abs. 1 BayBO geboten sei, überzeugt nicht. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2016 – Vf. 14-VII-14 u.a. – NVwZ 2016, 999/1006 Rn. 154 f.) u.a. folgendes ausgeführt: „Es begegnet bereits erheblichen Zweifeln, ob das Vertrauen des ein Vorhaben planenden Bauherrn auf den Fortbestand der Rechtslage bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung überhaupt schutzwürdig ist […] Selbst wenn das Vertrauen des Eigentümers (oder Investors) auf den Fortbestand der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gleichwohl bereits vor Erteilung einer Genehmigung wegen der Planungskosten schutzwürdig sein sollte, so hat es nur geringes Gewicht. Einer solchen – unterstellten – Schutzwürdigkeit hat der Gesetzgeber bei Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer beschleunigten und möglichst einheitlichen Durchsetzung der Abstandsregelung mit der Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 1 BayBO ausreichend Rechnung getragen.“ Es ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, weshalb Art. 83 Abs. 1 BayBO verfassungskonform extensiv auszulegen wäre.
d) Aus den klägerischen Darlegungen ergeben sich keine Zweifel an der Bewertung des Verwaltungsgerichts, wonach der streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsantrag der Klägerin zum maßgeblichen Stichtag des 4. Februar 2014 nicht vollständig im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO gewesen ist.
Nach der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen und auch von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 29.11.2016 – 22 CS 16.2101 – juris Rn. 23; B.v. 16.9.2016 – 22 ZB 16.304 – juris Rn. 10) gehören zu den Unterlagen, die einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag beizufügen sind (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV), im Hinblick auf § 4 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV auch die Unterlagen, die zur Prüfung erforderlich sind, ob dem Vorhaben artenschutzrechtliche Verbotstatbestände (§ 44 Abs. 1 BNatSchG) entgegenstehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung vom 16. September 2016 (a.a.O.) weiter ausgeführt hat, setzt die Vollständigkeit des Genehmigungsantrags nur „zur Prüfung“ erforderliche Unterlagen, nicht aber notwendig solche Unterlagen voraus, die bereits die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens belegen; es ist „also nicht erforderlich, dass ein vorzulegendes Gutachten der Prüfung in jeder Hinsicht standhält und keine weiteren fachlichen Fragen aufwirft. Fachliche Einwände und ein fachliches Nachhaken stehen der Annahme der Vollständigkeit solange nicht entgegen, als die fragliche Unterlage eine fachliche Prüfung überhaupt ermöglicht“.
Dies spricht entscheidend gegen das Argument der Klägerin, wonach „vereinzelte Mängel“ einer Unterlage, die fachliche Einwände aufwerfen und ein fachliches Nachhaken erfordern, keinesfalls die Vollständigkeit der Unterlagen in Frage stellen könnten. Vielmehr fehlt die Vollständigkeit von Unterlagen im Sinne von Art. 83 Abs. 1 BayBO, wenn wegen – unter Umständen nur „einzelner“ – Mängel eine fachliche Prüfung nicht möglich ist. In diesem Fall dauert die Unvollständigkeit an, solange die Mängel nicht durch eine Ergänzung entsprechend der Aufforderung der Genehmigungsbehörde (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, § 7 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV) beseitigt wurden.
Das Verwaltungsgericht geht in der angefochtenen Entscheidung weiter davon aus (UA S. 11 f.), dass eine zur Beurteilung betreffend das Vorliegen artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände geeignete spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) auf einer aktuellen und ausführlichen Ermittlung aller Vogelarten nach Anlage 2 der Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (Windenergie-Erlass – BayWEE) gemäß dessen Anlage 6 beruhen muss. Der Klägerin ist zuzugeben, dass es zweifelhaft erscheint, ob die Prüffähigkeit einer saP bereits deshalb ausscheiden muss, weil sie wie hier auf zum Teil drei bis vier Jahre zurückliegenden Erhebungen beruht. Sie verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf Nr. 7.14 des Windenergie-Erlasses in der aktuellen Fassung vom 19. Juli 2016 (AllMBl S. 1642). Danach soll in Genehmigungsverfahren zur Errichtung weiterer Windkraftanlagen auf vorhandene Untersuchungen zurückgegriffen werden, wenn die Datenlage nicht älter als fünf Jahre ist und keine entscheidungsrelevante Änderung der Sachlage erkennbar ist. Für die in einem Gebiet erstmalige Errichtung von Windkraftanlagen dürfte entsprechend gelten, dass die Ergebnisse tauglicher früherer Untersuchungen grundsätzlich verwertbar sein können.
Allerdings ist der Annahme des Verwaltungsgerichts zuzustimmen, dass die Vollständigkeit der Antragsunterlagen in der Regel die Vorlage einer saP erfordert, die eine Prüfung anhand der Vorgaben des Windenergie-Erlasses ermöglicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 29.3.2016 – 22 B 14.1875, 22 B 14.1876 – BayVBl 2017, 271; U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736/738 -Rn.41) sind die im Windenergie-Erlass aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung artenschutzrechtlich ggf. entscheidungserheblicher Umstände als ein „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden; von diesen Vorgaben darf nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden. Jedenfalls dann, wenn eine saP wesentlichen Anforderungen des Windenergie-Erlasses nicht genügt, kann anhand dieser Unterlagen grundsätzlich nicht festgestellt werden, ob ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand erfüllt ist.
Es ist auch nicht zweifelhaft, dass die Vorgaben des Windenergie-Erlasses in der Fassung vom 20. Dezember 2011 bei Erstellung der saP für den Genehmigungsantrag vom 27. Dezember 2013 zu berücksichtigen waren. Der Windenergie-Erlass war mit seiner Bekanntgabe bei der Prüfung, ob vorliegend ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand erfüllt ist, grundsätzlich beachtlich. Nicht nachvollziehbar ist die Rechtsauffassung der Klägerin, wegen der Übergangsregelung in Art. 83 Abs. 1 BayBO müsse darauf abgestellt werden, dass die artenschutzfachlichen Kartierung bis Mai 2011 und damit vor Bekanntgabe des Windenergie-Erlass abgeschlossen worden sei. Art. 83 Abs. 1 BayBO gewährt Vertrauensschutz wegen der im Hinblick auf die bisher gültige Rechtslage betreffend die Privilegierung von Windkraftanlagen getätigten Investitionen, die zur Stellung eines vollständigen Genehmigungsantrags erforderlich sind (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2016 – 22 BV 15.2169 – BayVBl 2017, 18 Rn. 23). Die Übergangsregelung definiert dagegen nicht die Anforderungen an einen vollständigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag. Sie schützt erst recht nicht ein Vertrauen darauf, dass die im Zeitpunkt der Stellung des Genehmigungsantrags gültigen fachlichen Vorgaben (hier des Windenergie-Erlasses in der Fassung vom 20. Dezember 2011) denjenigen zum Zeitpunkt früherer Erhebungen (vorliegend in den Jahren 2010 bis 2011) entsprechen.
Das Verwaltungsgericht ist weiter im angefochten Urteil (UA S. 12) zur Bewertung gelangt, dass es sich bei der am maßgeblichen Stichtag des 4. Februar 2014 vorliegenden saP vom 16. September 2013 nicht um eine prüffähige Unterlage im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs handele, da diese den Anforderungen grundlegend nicht genügt habe und nicht nur Detailfragen nachbesserungsbedüftig gewesen seien. U.a. hätten die Erhebungen und die Abhandlung der artenschutzrechtlichen Problematik im Hinblick auf die Untersuchungstiefe und die Vorgehensweise insgesamt nicht den Vorgaben des Windenergie-Erlasses vom 20. Dezember 2011 entsprochen. Im angefochtenen Urteil werden weiter die Teile der saP näher benannt, die nach der Beurteilung des Verwaltungsgerichts erhebliche Defizite aufweisen.
Die Klägerin ist diesen Bewertungen nicht substantiiert entgegen getreten. Insbesondere ergibt sich aus ihren Darlegungen nicht, dass die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Mängel nicht vorlagen oder inwieweit diese Mängel die Prüffähigkeit der Unterlagen nicht beeinträchtigt hätten. Die Behauptung, es habe sich um nur „vereinzelte“ Mängel gehandelt, die durch weitergehende fachliche Erklärungen und ggf. Ergänzungen behebbar gewesen wären, genügt insoweit nicht.
Ohne, dass es darauf entscheidungserheblich ankommt, spricht auch gegen eine Prüffähigkeit artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände anhand der saP vom 16. September 2013, dass die Klägerin Nachträge zur saP vom 21. Mai und 29. Juli 2014 vorlegte, die auf ergänzenden Erhebungen u.a. zu kollisionsgefährdeten Vogelarten nach Anlage 2 des Windkraft-Erlasses beruhen (vgl. S. 3 des Nachtrags vom 21.5.2014 und S. 1 f. des Nachtrags vom 29.7.2014). Diese ergänzenden artenschutzfachlichen Erhebungen sollten die untere Naturschutzbehörde offensichtlich erst in die Lage versetzen, eine fachliche Einschätzung zu treffen. Die untere Naturschutzbehörde gab im vorliegenden Verfahren zunächst nur eine vorläufige Stellungnahme vom 6. Februar 2014 ab, in der insbesondere Defizite der saP vom 16. September 2013 benannt wurden. Hervorgehoben wurde insbesondere, dass hinreichende naturschutzfachliche Untersuchungen zu den Arten Rotmilan, Baumfalke, Wespenbussard, Wanderfalke und Uhu entsprechend dem Windenergie-Erlass fehlten. Folglich sah sich die untere Naturschutzbehörde zum damaligen Zeitpunkt außer Stande, bei diesem Ermittlungsstand bereits in die Prüfung einzutreten, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt werden. Bevor die untere Naturschutzbehörde ggf. fachliche Einwände und Rückfragen erheben kann, muss zunächst überhaupt eine artenschutzfachliche Beurteilung aufgrund eines hinreichend ermittelten Sachverhalts vorliegen, die auf ihre Richtigkeit hin überprüfbar ist.
Der Rüge der Klägerin, im Falle einer unzureichenden saP wäre zu prüfen gewesen, ob ein mögliches Vorliegen eines artenschutzrechtlichen Verbotstatbestands möglicherweise durch Vermeidungsmaßnahmen auszuräumen gewesen wäre, ist nicht zu folgen. Die Prüfung von Vermeidungsmaßnahmen setzt gleichfalls in der Regel eine den Anforderungen des Windenergie-Erlasses entsprechende saP voraus. Andernfalls kann z.B. nicht beurteilt werden, ob und ggf. mithilfe welcher konkreten Vermeidungsmaßnahmen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ausgeschlossen werden kann. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofs Sache des Anlagenbetreibers, zur Verwirklichung seines Vorhabens ein prüffähiges und schlüssiges Vermeidungskonzept vorzulegen, und auf dieser Grundlage Sache der Genehmigungsbehörde, dieses unter Inanspruchnahme ihrer Einschätzungsprärogative zu bewerten. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Urteil vom 27. Mai 2016 (22 BV 15.1959 – juris Rn. 38) darauf hingewiesen, dass Unterlagen, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV dem Genehmigungsantrag beizufügen sind, um die Zulässigkeit des Vorhabens nach Vorschriften über Naturschutz zu prüfen, nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV ggf. auch Angaben über Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der Natur enthalten müssen.
e) Die Klägerin hegt weiter Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts (UA S. 13 bis S. 16), der Vollständigkeit der zum Genehmigungsantrag vorgelegten Unterlagen im Sinne von Art. 83 Abs. 1 BayBO stehe auch entgegen, dass am Stichtag des 4. Februars 2014 keine prüffähigen Unterlagen zur Standsicherheit, kein Baugrundgutachten und keine Unterlagen zur Beurteilung wasserwirtschaftlicher Belange beilagen. Die Frage, ob sich aus ihren diesbezüglichen Darlegungen erhebliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben könnten, ist aus den unter 1. d) genannten Gründen nicht entscheidungserheblich.
2. Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich nicht, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Der Umfang der Urteilsbegründung allein ist kein taugliches Indiz für den Begründungsaufwand und damit den Grad der Schwierigkeit der Rechtssache, wie die Klägerin meint. Vielmehr kann zwar unter Umständen auf den Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts abgestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164). Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sind aber vorliegend insoweit hieraus nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat insbesondere die (auch allein) entscheidungstragende Bewertung, dass die saP vom 16. September 2013 im vorliegenden Einzelfall nicht den – zuvor (UA S. 8 bis S. 10) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ausführlich dargestellten – Anforderungen an eine prüffähige Unterlage entspricht, auf gut zwei Seiten (UA S. 11 bis S. 13 oben) unter Hinweis auf mehrere Mängel der genannten saP begründet. Dies ist kein besonderer Begründungsaufwand.
Eine besondere rechtliche Schwierigkeit erblickt die Klägerin weiterhin in einem Spannungsverhältnis zwischen Art. 83 Abs. 1 BayBO und § 7 Abs. 1 Satz 5 der 9. BImSchV. Aus ihren Darlegungen ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit § 7 Abs. 1 Satz 5 der 9. BImSchV, der unter bestimmten Voraussetzungen das Nachreichen von Unterlagen zulässt, im vorliegenden Fall auch bezüglich der Frage entscheidungserheblich ist, ob Mängel der saP vom 16. September 2013 der Vollständigkeit im Sinne von Art. 83 Abs. 1 BayBO entgegenstehen. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, dass es sich bei der als nicht prüffähig angesehenen saP um eine solche Unterlage gehandelt hätte, welche die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 5 der 9. BImSchV erfüllt („Unterlagen, deren Einzelheiten für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Anlage als solcher nicht unmittelbar von Bedeutung sind“). Soweit die Klägerin die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 5 der 9. BImSchV im Zusammenhang mit der Vorlage eines Baugrundgutachtens anspricht, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an (vgl. Nr. 1. e)).
3. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die von der Klägerin formulierte Frage nach dem genaueren Verlauf der „Grenze zwischen Unmöglichkeit einer Prüfung und lediglich fachlichen Einwänden und Nachhaken“ stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Mangelbehaftete Unterlagen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Nr. 1. d)) nicht bereits dann vollständig im Sinne von Art. 83 Abs. 1 BayBO, wenn die Mängel „lediglich“ fachliche Einwände und ein Nachhaken auslösen. Vielmehr stehen fachliche Einwände und ein fachliches Nachhaken der Annahme der Vollständigkeit nur solange nicht entgegen, als die fragliche Unterlage eine fachliche Prüfung überhaupt ermöglicht. Dies ist bezüglich der saP vom 16. September 2013, wie oben dargelegt (vgl. Nr. 1. d)), nicht der Fall. Alle darüber hinausgehenden von der Klägerin formulierten Fragen wären in einem Berufungsverfahren also nicht entscheidungserheblich. Es fehlt daher die Klärungsfähigkeit dieser Fragen.
Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 trägt, die – anders als die Beigeladene zu 2 – einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Streitwert: § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 19.1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).


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