Baurecht

überwiegend gewerblich geprägter Teil eines faktisches Mischgebiets entlang einer Durchfahrtstraße, bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Wettbüros mit 90 m² Nutzfläche ohne eigene Stellplätze, Keine Abstandsflächenverletzung bei unstreitig vorliegenden Abstandsflächenübernahmen

Aktenzeichen  AN 17 K 21.01532

Datum:
5.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 19085
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO §§ 6, 12
BayBO Art. 6, 47

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen die Baugenehmigung vom 23. Juli 2021 ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen.
Eine Anfechtungsklage führt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann zum Erfolg, wenn der angefochtene Verwaltungsakt – hier die Baugenehmigung – rechtswidrig ist und den Kläger zugleich in seinen Rechten verletzt. Die objektive Verletzung einer Rechtsnorm alleine genügt für den Erfolg der Nachbarklage hingegen nicht. Vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit zum einen gerade aus einer solchen Norm ergeben, die dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Zum anderen ist nur eine Rechtsverletzung maßgeblich, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren gehört, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt, die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH a.a.O.).
Eine Verletzung solcher, den Kläger schützenden Normen kann nicht festgestellt werden.
1. Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO, die nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1b) BayBO auch im hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens zu prüfen sind und die auch dem Nachbar eine abwehrfähige Rechtsposition einräumen, sind vorliegend nicht verletzt. Zwar hält das grenzständige Gebäude auf dem Vorhabengrundstück die Abstandsflächen zum klägerischen Grundstück FlNr. 518 augenscheinlich nicht ein. Die Beteiligten sind sich jedoch einig und haben dies in der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2022 explizit erklärt, dass für das Anwesen auf dem Vorhabengrundstück ausreichende Abstandsflächenübernahmeerklärungen durch den Kläger (oder dessen Rechtsvorgänger) vorhanden sind. Dies ergibt sich unmittelbar zwar nicht aus den vorgelegten Behördenakten, die vorgelegten Akten widersprechen dem jedoch nicht; über die vorgelegten Akten hinaus existieren offensichtlich weitere Bauakten (insbesondere die Akten für die Errichtung des Vorhabengebäudes), in denen die Abstandsflächenübernahmen wohl abgelegt sind. In einem Plan der vorgelegten Akte … ist eine Abstandsflächenübernahme zum klägerischen Grundstück FlNr. 518 jedenfalls nachrichtlich eingetragen. Eine weitere gerichtliche Aufklärung angesichts der unstreitigen und zu keinem Zeitpunkt gerügten Abstandsflächenproblematik musste damit nicht erfolgen. Eine Rechtsverletzung entgegen der ausdrücklichen klägerischen Erklärung kann nicht festgestellt werden.
2. Das Vorhaben ist auch bauplanungsrechtlich zulässig und verletzt den Kläger insbesondere nicht in seinem Gebietserhaltungsanspruch.
Da ein Bebauungsplan für das im Innenbereich liegende Vorhabengrundstück nicht existiert, ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit an § 34 BauGB zu messen. Die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks – wie auch des klägerischen Grundstücks – entspricht dabei faktisch der eines Mischgebiets nach § 6 BauNVO und nicht, wie der Kläger meint, einem allgemeinen oder gar reinem Wohngebiet.
a) Das Mischgebiet dient nach § 6 Abs. 1 BauNVO sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben und lässt insbesondere Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke allgemein zu, vgl. § 6 Abs. 2 BauNVO. Hingegen sind im allgemeinen Wohngebiet lediglich solche Läden und Gastwirtschaften allgemein zugelassen, die der Versorgung des Gebietes selbst dienen. Im reinen Wohngebiet sind gewerbliche Einrichtungen nicht allgemein zugelassen.
In der näheren Umgebung des Vorhabens finden sich, insbesondere im Vorhabengebäude selbst, mit dem Geschäft für … Spezialitäten und dem Geschäft für Anglerbedarf Einzelhandelsgeschäfte, die nicht lediglich auf die Versorgung des Gebietes, sondern ersichtlich auf einen größeren Einzugsbereich angelegt sind. Ebenso passt die Büronutzung (* …*) und die große Spezialarztpraxis im Vorhabengebäude in die Charakteristik des Mischgebietes. Die Umgebung ist, was sich beim Ortstermin des Gerichts gezeigt hat, gerade nicht lediglich durch Wohnen geprägt, sondern auch gewerblich. Östlich des Vorhabens und östlich des Zufahrtsgrundstücks FlNr. 518/8 folgt entlang der N* … Straße unmittelbar eine ehemalige Gastwirtschaft. Bei näherer Betrachtung konnte beim Augenschein zwar festgestellt werden, dass das Gebäude derzeit nicht als Gastwirtschaft genutzt wird, dafür, dass eine solche Nutzung auf Dauer aufgegeben ist, spricht jedoch nichts. Dem äußeren Anschein nach tritt das Erdgeschoss im Anwesen weiter als Speisewirtschaft in Erscheinung; die Beschriftung als Gastwirtschaft besteht unverändert fort, ein Hinweis auf die Schließung der Gastwirtschaft existierte hingegen nicht. Auch gaben die Vertreter des Beklagten an, dass insoweit keine Baugenehmigungsverfahren für eine beabsichtigte oder gar erfolgte Nutzungsänderung existieren. Jedenfalls mit einer Wiederaufnahme der Nutzung als Gastwirtschaft muss aufgrund des entsprechenden baurechtlichen Bestandsschutzes somit gerechnet werden. Die Gastwirtschaft prägt das Gebiet damit auch weiterhin (für eine nachprägende Wirkung sogar beseitigter Gebäude vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 4 ZB 12.611 – juris Rn. 8 f.). Im Anschluss hieran folgt in der N* … Straße Richtung Osten eine größere Werbe- und Hinweistafel für ein gewerbliches Unternehmen (* …*), was der Umgebung ebenfalls ein (auch) gewerbliches Gepräge gibt. Ohne dass es zu einer optischen, topografischen oder sonstigen Abgrenzung kommt, folgt Richtung Osten – nach drei älteren Gebäuden, die augenscheinlich nur dem Wohnen dienen, aber optisch weniger auffallen – ein größeres gewerbliches Areal mit zwei Verbrauchermärkten (* … auf dem Grundstück FlNr. 522/1; N* …Str. 56 und …*) und deren großflächige Parkplätze und Werbe- bzw. Hinweisschilder entlang der N* … Straße, im weiteren – ununterbrochenen – Verlauf der N* … Straße folgt ein Autohaus. Für dieses Areal existiert, worüber sich die Parteien einig sind, kein Bebauungsplan. In die nähere Umgebung sind nach Ansicht des Gerichts in Ermangelung einer Unterbrechungswirkung damit auch diese Gewerbe mit einzubeziehen, womit eine deutliche Prägung des Gesamtgebiets auch mit Gewerbe vorliegt. Vom Vorhabengrundstück Richtung Westen ergibt sich – nach nur einem reinen Wohngebäude – mit dem über der S* … straße hinweg sich anschließenden ehemaligen, aber optisch als solches noch in Erscheinung tretenden Autohaus (Aufschrift „Autohaus“, Nasenschild „…“) und der dann folgenden Sozialstation … und der Kirche (und damit Gebäuden i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO) ein ähnliches Bild. Die von der N* … Straße zurückgesetzte Bebauung (Anwesen des Klägers und des daran angebauten Hauses auf der FlNr. 518/6) und die Bebauung entlang der S* … straße, die der näheren Umgebung auch zugerechnet werden müssen, sind hingegen deutlich vom Wohnen geprägt, was die Einstufung als Mischgebiet aber stützt und nicht widerlegt. Von einem allgemeinen Wohngebiet kann auch dann nicht die Rede sein, wenn man die Bebauung der gegenüber liegenden Seite der N* … Straße, in der ebenfalls reguläre Wohnbebauung klar vorherrscht und ein Seniorenwohnheim existiert, in die nähere Umgebung mit einbeziehen wollte. Auch dann liegt aufgrund der vorhandenen, deutlich gewerblichen Ausrichtung der Südseite der N* … Straße insgesamt ein Mischgebiet vor.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von 2009/2010 (AN 9 K 09.01726) wurde für das gleiche Areal wohl noch von einem allgemeinen Wohngebiet ausgegangen. Dies steht der jetzigen Einstufung als Mischgebiet jedoch nicht entgegen. Zum einen hat die damals zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach keine Feststellung per Augenschein getroffen und eine Festlegung in einer Gerichtsentscheidung gerade nicht vorgenommen; ein Urteil ist nicht ergangen. Auch wäre eine solche Festlegung in der Begründung einer Gerichtsentscheidung für den hiesigen Rechtsstreit nicht bindend. Zum anderen ist die jetzige Einstufung als Mischgebiet hierzu auch nicht widersprüchlich. Maßgeblich für die damalige Gebietseinstufung war nämlich der Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Aufgrund der stattgefundenen Entwicklung im Gebiet, insbesondere durch die Errichtung des …marktes, aber auch durch den umfassenden Wechsel in den Nutzungseinheiten des Vorhabengebäudes, ist die damals andere Beurteilung ohne weiteres erklärbar. Damals wurden im Gebäude N* …Str. 48 laut gerichtlicher Niederschrift vom 20. April 2010 noch ein Caféservice, ein Weinhandel, ein Videoverleih und ein Fitness-Studio betrieben und damit gewerbliche Nutzungen, die (eher) der Versorgung des Gebietes dienten als die heutige Nutzung mit zwei Fachläden, Büronutzung und einer großen Facharztpraxis.
Die Einstufung als Mischgebiet entspricht auch dem gemeindlichen Flächennutzungsplan, der die Bebauung direkt an der N* … Straße als gewerbliche Fläche und die hinterliegende Bebauung als gemischte Baufläche vorsieht. Wenngleich der Flächennutzungsplan keine unmittelbare rechtliche Bindung hat, sondern für die Beurteilung des Gebietscharakters allein die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend sind, bestätigt die gemeindliche Planung im Flächennutzungsplan indiziell (und das gemeindliche Einvernehmen zum Vorhaben) die tatsächlichen Verhältnisse.
b) In einem Mischgebiet sind in den Teilen, die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sind, auch Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig, § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO.
Das klagegegenständliche Wettbüro ist dabei als Vergnügungsstätte einzustufen. Eine Vergnügungsstätte ist ein auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichteter besonderer Gewerbebetrieb, der in Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs einer bestimmten, auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung gewidmet ist (BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22). Die obergerichtliche Rechtsprechung unterscheidet beim Betrieb von Wettvermittlungsstellen zwischen „Wettbüros“ und „Wettannahmestellen“. Während in Wettannahmestellen für Sportwetten wie in Annahmestellen für Lotto und Toto Wetten nur vor Spielbeginn angenommen bzw. abgegeben werden können, zeichnen sich Wettbüros dadurch aus, dass zwischen Kunden (Spielern), einem Vermittler (Betreiber des Wettbüros) und einem Wettunternehmen Transaktionen auch während des Spiels, auf das gewettet wird, noch abgeschlossen werden können (Livewetten) und der Spielverlauf und die aktuellen Wettquoten über Wettterminals und Monitore im Lokal laufend verfolgt werden können. Dies animiert zum längeren Aufenthalt im Lokal und rechtfertigt deshalb auch ohne sonstige Anreize die Einstufung als Vergnügungsstätte (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 m.w.N.). Der vergnügungstättentypische Freizeitcharakter ist bei einer Wettvermittlungsstelle aber auch dann gegeben, wenn sonstige Anreize zum Verweilen vor Ort geschaffen werden, insbesondere wenn Bestuhlung und Tische vorhanden sind, eine Getränkeversorgung (auch durch Automaten) vorgehalten wird und etwa Fernsehbildschirme zur Unterhaltung aufgestellt werden. Nach der vom Beigeladenen abgegebenen Betriebsbeschreibung kann damit von einem echten Wettbüro, also einer Vergnügungsstätte, ausgegangen werden. Auf die Größe des Betriebs kommt es hierbei nicht wesentlich an (BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 23).
In einem Mischgebiet sind Vergnügungsstätten jedoch nur dann allgemein zulässig, wenn es sich ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nach nicht um kerngebietstypische Vergnügungsstätten handelt, § 4a Abs. 3 Nr. 2 i.Vm. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO. Eine solche Kerngebietstypik ist für das klagegegenständliche Wettbüro nicht gegeben. Eine für ein Kerngebiet typische und ein Kerngebiet charakterisierende Vergnügungsstätte ist ein zentraler, für ein größeres und allgemeineres Publikum erreichbarer Dienstleistungsbetrieb mit einem größeren Einzugsbereich (BVerwG, B.v. 28.7.1988 – 4 B 119/88 – juris Rn. 3). Entscheidend für die Kerngebietstypik ist dabei vor allem die Größe der Vergnügungsstätte (BVerwG, a.a.O. Rn. 3). Die Kerngebietstypik lässt sich insgesamt aber nur anhand der Verhältnisse des Einzelfalls beantworten (BVerwG, a.a.O Rn. 5; B.v. 29.10.1992 – 4 B 103/92 – juris Rn. 4). In der Rechtsprechung hat sich dabei ein Schwellenwert von 100 m² Nutzfläche herausgebildet (BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 29; VG Ansbach, U.v. 9.9.2020 – AN 9 K 19.01782 – juris König/Roeser/Stock, BauNVO § 7 Rn. 17 m.w.N.), der vorliegend nicht überschritten ist, sondern bei rund 90 m² liegt. Anhaltspunkte dafür, dass ein größerer Einzugsbereich für das Wettbüro angestrebt und realistisch ist, bestehen auch sonst nicht. Insbesondere aufgrund der Öffnungszeiten nur bis 23.00 Uhr, der fehlenden Gastronomie – es werden vor allem keine alkoholischen Getränke angeboten -, dem begrenzten Sitzplatzangebot und dem Fehlen sonstiger Attraktionen wie Spielautomaten ist eher mit einem kleineren Publikum aus dem näheren Umfeld zu rechnen.
Das Wettbüro befindet sich nach Einschätzung der Kammer schließlich auch in einem überwiegend von gewerblichen Nutzungen geprägten Teil des Mischgebietes. Als Teil eines Mischgebietes kann dabei zwar wohl nicht bereits ein einzelnes Gebäude angesehen werden (Hess.VGH, U.v. 20.6.1991 – 3 UE 3557/88 – juris Rn. 33), auch wenn dieses aufgrund seiner Größe – wie das Vorhabengebäude – dominant in Erscheinung tritt. Bei der Bestimmung des Gebietsteils ist eine Orientierung an dem Begriff der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB angezeigt und danach zu fragen, inwieweit sich die Vergnügungsstätte auf die Umgebung auswirken kann und die Umgebung ihrerseits den Charakter des Baugrundstücks, auf dem die Vergnügungsstätte betrieben werden soll, prägt oder doch beeinflusst (König/Roeser/Stock, BauNVO, § 6 Rn. 22; BVerwG, B.v. 13.6.2005 – 4 B 36/05 – juris Rn. 4). Als überwiegend gewerblich geprägter Teil des Mischgebietes wie oben aufgezeigt, stellt sich hiernach die unmittelbar an der N* … Straße liegende Bebauungszeile jedenfalls zwischen der S* … straße im Westen und dem Areal der Verbrauchermärkte mit Autohaus im Osten dar. In diesem Bereich herrscht vom optischen Eindruck eine gewerbliche Prägung vor. Das Vorhabengebäude selbst und die Verbrauchermärkte spielen dabei die maßgebliche Rolle. Diese beiden stark gewerblich geprägten Eckpunkte sind aber auch durch die dazwischenliegende (ehemalige) Gaststätte und das großflächige Werbeplakat verbunden. Beim Blick vom Vorhabengrundstück Richtung Verbrauchermärkte springen optisch zu allererst die in einer Linie stehenden Werbetafeln (* … und …markt) ins Auge. Hingegen tritt die gleichfalls in diesem Bereich vorhandene Wohnnutzung (vor allem zwischen dem Werbeplakat für … und dem …markt, ebenso das einzelne Anwesen zwischen dem Vorhabengrundstück und der S* … straße) optisch völlig hinter die gewerbliche Nutzung an der stark befahrenen städtischen N* … Straße zurück und wird diese Wohnnutzung insbesondere vom vorbeifahrenden Verkehr nach Auffassung des Gerichts – anders als die gegenüber liegende nördliche Seite der N* … Str. mit ihren älteren Wohnhäusern – kaum wahrgenommen, allenfalls als Fremdkörper in der ansonsten urbanen Umgebung angesehen. Im Gegensatz zur Hinterbebauung der N* … Str. bzw. der Bebauung südlich der N* … Str. (wo der Kläger sein Anwesen hat) und an der S* … straße dominiert in diesem Bereich optisch und wohl auch von der Nutzfläche her die Nicht-Wohnnutzung, so dass nach wertender Gesamtschau der Kammer für das Vorhabengrundstück ein gewerblich geprägter Teil des Mischgebiet gegeben ist. Dieser Befund deckt sich mit dem Flächennutzungsplan, der auch insoweit die tatsächliche Situation bestätigt. Die Betrachtung und Zusammenfassung nur einer Bebauungsreihe entlang einer Straße als Gebietsteil (ohne deren Hinterbebauung bzw. die Bebauung an der Parallelstraße) ist nach Rechtsprechung möglich (BVerwG, U.v. 13.6.2005 – 4 B 36/05 – juris Rn. 4) und hier angezeigt. Offenbleiben kann, ob sich der gewerblich geprägte Teil des Mischgebiets über die S* … straße hinweg fortsetzt und auch sich das (ehemalige) Autohaus … und die …Sozialstation noch innerhalb des gewerblich geprägten Teil des Mischgebietes befinden, wofür vom optischen Eindruck her einiges spricht.
c) Fügt sich die Nutzung ihrer Art nach nach § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein bzw. entspricht die Nutzung der Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 2 BauNVO i.V.m. der BauNVO, gilt dies regelmäßig auch für die hierfür errichteten bzw. vorgesehenen Stellplätze. Ein Verstoß gegen § 12 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB ist vorliegend nicht gegeben; im Mischgebiet sind Stellplätze ohne zahlenmäßige Beschränkung zulässig.
3. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rücksichtnahme erkennt die Kammer keine Verletzung von Rechten des Klägers.
a) Der normale, regelmäßig von einem sonst rechtmäßigen Bauvorhaben ausgelöste Zu-, Abfahrts- und Parkverkehr stellt grundsätzlichen keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot dar (BayVGH, B.v. 5.3.2021 – 1 CS 21.114; VG Ansbach, U.v. 31.1 2019 – AN 17 K 17.02145; B.v. 18.3.2019 – AN 17 S 19.00463; U.v. 1.6.2022 – AN 17 K 21.01912 – jeweils juris), vielmehr ist dieser als sozialadäquat grundsätzlich hinzunehmen (König/Roeser/Stock, BauNVO, § 12 Rn.16 m.w.N.). Auch aus der – zulässigen (vgl. Art. 47 Abs. 3 Nr. 3 BayBO) – Ablösung von Stellplätzen kann der Kläger keine Rechtsverletzung ableiten. Realistischerweise werden die Wettbürobesucher die auf dem Vorhabengrundstück vorhandenen Parkplätze nutzen. Die für die bisherige Nutzung genehmigten Stellplätze befinden dabei sich allesamt entlang der N* … Straße in einem guten Abstand zum klägerischen Wohnhaus und sind zu diesem durch das Vorhabengebäude abgeschirmt. Damit ist selbst für die sensiblere Nachtstunde von 22 bis 23 Uhr nicht mit einer Überschreitung der Werte der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 16. August 1998, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017, die zur Beurteilung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche für Gewerbelärm heranzuziehen ist und die Regelungen des § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG ausfüllt, zu rechnen, ohne dass es hierfür einer detaillierten immissionsschutzfachlichen Berechnung oder Prognose bedürfte. In Mischgebieten gilt nach Nr. 6.1 Buchst. d der TA Lärm tags – 6 bis 22 Uhr – ein Immissionsrichtwert von 60 dB(A) und nachts – 22 bis 6 Uhr – von 45 dB(A), der durch vereinzelte PKW-Bewegungen im Zusammenhang mit dem Wettbüro auf dem Vorhabengrundstück aller Voraussicht nach, auch unter Berücksichtigung des Wettbüros selbst und unter Berücksichtigung von Vorbelastungen, nicht erreicht werden wird. Im Übrigen dürfte für die Anwohner subjektiv der PKW-Verkehr auf dem Gelände neben dem allgemeinen Verkehrslärm auf der N* … Straße nicht weiter ins Gewicht fallen. Soweit der Kläger auf PKW-Stellplätze auf dem Vorhabengelände entlang seines Zufahrtsweges verwiesen hat (die durch das Vorhabengebäude zu ihm hin nicht abgeschirmt und für ihn deshalb problematischer sind), sind diese nach Aktenlage schon für die vorhandenen Nutzungen nicht genehmigt. Eine Verhinderung dieser Stellplatznutzung wäre bei tatsächlich hiervon ausgehenden unzumutbaren Lärmimmissionen etwa zur Nachtzeit (die jedoch unwahrscheinlich erscheinen) im Vollzugswege wohl generell, jedenfalls aber für das Wettbüro oder zur Nachtzeit möglich, ausreichend und vorrangig.
b) Ebenso wenig sind erhebliche Belästigungen durch Geräusche oder Licht aus dem Wettbüro heraus zu befürchten. Zum klägerischen Anwesen hin sind lediglich die Nebenräume des Wettbüros angeordnet und nicht die Nutzfläche, so dass unzumutbare Licht- und Lärmauswirkungen für sein Grundstück nicht zu erwarten sind. Für einen eventuellen Lichteinfall auf das Zufahrtsgrundstück FlNr. 518/8 aus einem östlichen Fenster des Wettbüros heraus ist keine Belastung erkennbar.
c) Die von Klägerseite vorgetragenen Belange des Jugend-, Raucher- und Spielsuchtschutzes stellen keine Prüfungspunkte im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO dar, so dass sich hieraus ebenfalls kein Klageerfolg des Klägers ergeben kann. Auch eine Berücksichtigung dieser allgemeinen gesellschaftlichen Belange im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme scheidet aus.
4. Die Kostenentscheidung der damit erfolglosen Klage ergibt sich aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem sich der Beigeladene nicht am Verfahren beteiligt hat und keine Anträge gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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