Baurecht

Untätigkeitsverpflichtungsklage eines Nachbarn gegen Bauaufsichtsbehörde

Aktenzeichen  RO 12 K 16.1351

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146695
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6, Art. 76 S. 2
VwGO § 68 Abs. 2, § 75, § 113 Abs. 5, § 124a Abs. 1 S. 1
RDGEG § 3, § 5
GKG § 52

 

Leitsatz

1 Eine Untätigkeitsverpflichtungsklage nach § 75 VwGO ist nur dann zulässig, wenn vorher im Verwaltungsverfahren ohne Erfolg ein Antrag auf Erlass des eingeklagten Verwaltungsaktes gestellt wurde. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Erfordernis vorheriger Antragstellung gilt unabhängig davon, ob es sich um einen nach materiellem Recht antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Rechtsanspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde besteht nur, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für wesentliche Rechtsgüter besteht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Es spricht bereits einiges dafür, dass die Klage unzulässig ist, jedenfalls ist sie unbegründet.
I.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Klage als Untätigkeitsverpflichtungsklage nach § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage ist, dass vorher im Verwaltungsverfahren ohne Erfolg ein Antrag auf Erlass des eingeklagten Verwaltungsakts gestellt wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen nach materiellem Recht antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt. Das Erfordernis vorheriger Antragstellung bei der zuständigen Behörde ergibt sich aus §§ 68 Abs. 2, 75 VwGO, wo vorherige Antragstellung vorausgesetzt wird, außerdem nach teilweise vertretener Ansicht aus dem Erfordernis des Rechtsschutzinteresses (Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 21. Auflage, Vorb. § 68 Rn. 5a). Da der Kläger lediglich, unter Hinweis auf die baulichen Vorgänge betreffend die Grundstücke Fl.Nr. 7…7/13 und Fl.Nr. 7…7/18, die Durchführung einer Baukontrolle erbat und bei der Bauaufsichtsbehörde gerade keinen konkreten Antrag auf eine bestimmte Form bauaufsichtlichen Einschreitens stellte, spricht viel dafür, die Klage schon als unzulässig anzusehen.
II.
Jedenfalls ist die Klage unbegründet.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gemäß der von ihm im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
a) Der Kläger hat weder einen Anspruch darauf, dass dem Beigeladenen zu 1) die Nutzung seines Gewerbebetriebs untersagt wird [1. Klageantrag (Hauptantrag) ] noch hilfsweise darauf, dass dem Beigeladenen zu 1) vorgegeben wird, auf seinem Grundstück ausreichend Stellplätze zu schaffen [1. Klageantrag (Hilfsantrag) ].
aa) Rechtsgrundlage für die im Rahmen des Klageantrags zu 1. (Hauptantrag) begehrte Nutzungsuntersagung ist Art. 76 S. 2 der Bayerischen Bauordnung (BayBO). Danach kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, diese Nutzung untersagt werden. Betroffene Nachbarn haben einen Anspruch, dass die Bauaufsichtsbehörde ermessensfehlerfrei von ihren bauaufsichtlichen Befugnissen Gebrauch macht, wenn ein Vorhaben nachbarschützende Vorschriften verletzt. Einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten haben sie aber grundsätzlich nicht (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 66 Rn. 631). Ausnahmsweise kann bei erheblichen Beeinträchtigungen ein Rechtsanspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde bestehen, weil dann das Ermessen auf Null reduziert ist und nur diese Entscheidung ermessensfehlerfrei ist (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 66 Rn. 632). Dies wird aber erst dann der Fall sein, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für wesentliche Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Eigentum besteht und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Überwiegen der Interessen des Nachbarn ergibt (BayVGH, B.v. 20.4.2010 – 9 ZB 08.319 – juris Rn.3). Vorliegend kann die Frage, ob der Kläger durch den Malerbetrieb des Beigeladenen zu 1) überhaupt in eigenen Rechten verletzt sein kann, dahingestellt bleiben, da jedenfalls eine Ermessensreduzierung auf Null nicht in Betracht kommt. Zwar macht der Kläger geltend, dass wegen fehlender Parkmöglichkeiten auf dem Anwesen des Beigeladenen zu 1) ständig der Bürgersteig und die Grundstückszufahrten zugeparkt seien und dass hierdurch der Verkehrsfluss in der M-Straße stark beeinträchtigt werde. Hieraus folgt aber schon keine unmittelbare Gefahr für ein wesentliches Rechtsgut. Überdies kommen neben einer umfassenden Nutzungsuntersagung auch andere behördliche Entscheidungen in Betracht, sodass es darüber hinaus auch an der Voraussetzung der „auf andere Weise nicht zu beseitigenden Gefahr“ fehlt.
bb) Rechtsgrundlage für die im Rahmen des Klageantrags zu 1 (Hilfsantrag) begehrte Anordnung ist, da eine vorrangige spezialgesetzliche Regelung nicht ersichtlich ist, Art. 54 Abs. 2 S. 2 BayBO. Danach können die Bauaufsichtsbehörden in Wahrnehmung ihrer Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Ein Rechtsanspruch auf Einschreiten der Behörde besteht aber gemäß dem bereits unter Punkt II. 1. a) aa) Ausgeführten auch hier nur dann, wenn neben der Verletzung nachbarschützender Rechte durch das Vorhaben das der Behörde eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist. Auch hier kommt ungeachtet der Frage einer möglichen Verletzung von Rechten des Klägers zumindest eine Ermessensreduzierung auf Null nicht in Betracht. Wie bereits unter Punkt II. 1. a) aa) ausgeführt, ist für die erkennende Kammer schon keine unmittelbare Gefahr für ein wesentliches Rechtsgut erkennbar. Darüber hinaus sind auch andere Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde vorstellbar, sodass – selbst wenn man das Vorliegen einer Gefahr in eben beschriebenen Sinne unterstellen würde – diese zumindest auch auf andere Weise beseitigt werden könnte.
b) Dem Kläger steht ferner auch kein Anspruch darauf zu, dass den Beigeladenen zu 1) und 2) die Nutzung ihrer Garage als Bar- und Discoraum untersagt wird (2. Klageantrag). Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Nutzungsuntersagung ist auch hier Art. 76 S. 2 BayBO. Ungeachtet der Frage, inwieweit die Nutzung der Garage als Party- und Discoraum den Kläger, dessen Grundstücke sich auf der gegenüberliegenden Seite der M-Straße befinden, in eigenen Rechten verletzen kann, scheidet auch hier jedenfalls eine Ermessensreduzierung auf Null aus. Die erkennende Kammer hat schon erhebliche Zweifel daran, dass eine unmittelbare Gefahr für ein wesentliches Rechtsgut des Klägers besteht. Jedenfalls sind aber neben der vollständigen Nutzungsuntersagung auch andere Entscheidungsmöglichkeiten der Bauaufsichtsbehörde denkbar, sodass es auch hier zumindest an der Voraussetzung der „auf andere Weise nicht zu beseitigenden Gefahr“ fehlt.
c) Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Anordnung der vollständigen Beseitigung der Mauer, die sich zwischen den Grundstücken der Beigeladenen zu 1) und 2) und der Beigeladenen zu 3) und 4) befindet. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Beseitigungsanordnung ist Art. 76 S. 1 BayBO. Danach kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Der Kläger macht zwar geltend, dass, da die Mauer seiner Meinung nach dieselbe Wirkung wie ein an der Grundstücksgrenze errichtetes Bauwerk entfalte, ein Verstoß gegen die Abstandsflächenregelung nach Art. 6 BayBO vorliege. Der Kammer erschließt sich jedoch schon nicht, wie der Kläger, dessen Grundstücke nicht einmal an die Mauer angrenzen und die sich darüber hinaus in einem Abstand von mindestens 20 Metern auf der gegenüberliegenden Seite der M-Straße befinden, hierdurch in eigenen Rechten verletzt sein sollte. Damit fehlt es hier bereits an der für einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten notwendigen Voraussetzung einer Verletzung nachbarschützender Rechte. Überdies würde hier aber auch eine Ermessensreduzierung auf Null ganz offensichtlich ausscheiden, da weder eine unmittelbare Gefahr für ein wesentliches Rechtsgut besteht noch die vollständige Beseitigung der Mauer die alleinige Handlungsmöglichkeit für die Bauaufsichtsbehörde darstellt.
2. Da die Bauaufsichtsbehörde als Reaktion auf das jeweilige Vorbringen des Klägers stets tätig geworden ist, scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Verbescheidung aus. Es wurden sowohl nach der Vorsprache des Klägers bei der Bauaufsichtsbehörde am 19.5.2016 als auch auf das weitere Vorbringen des Klägers im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hin jeweils Baukontrollen durchgeführt. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass schon mangels konkreten Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten ein diesen Antrag ablehnender Bescheid nicht veranlasst war.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen keinen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit nach § 154 Abs. 3 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO).


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