Baurecht

Unterwertige Veräußerung eines Gemeindegrundstücks

Aktenzeichen  18 U 4075/20

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34668
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 75 Abs. 1 S. 2
BGB § 134

 

Leitsatz

1. Die eingeschränkte Veräußerlichkeit eines Gemeindegrundstücks begründet noch keine Ausnahme vom Verbot, Vermögensgegenstände idR nicht unter ihrem Wert zu veräußern (Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die eingeschränkte Veräußerlichkeit eines Gemeindegrundstücks ist bei der Bestimmung seines Verkehrswertes zu berücksichtigen und seine Veräußerung unterhalb des so ermittelten Verkehrswertes verstößt gegen das Verbot, Vermögensgegenstände idR nicht unter ihrem Wert zu veräußern (Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 U 4075/20 2021-01-07 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14.01.2020, Aktenzeichen 7 O 3478/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 14.01.2020 Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der Berichtigung des Grundbuchs von G. (Amtsgericht Laufen), Blatt …67, Flurnummer …18, dergestalt zuzustimmen, dass in Abteilung I nicht der Beklagte, sondern die Klägerin Eigentümer des Grundstücks ist, Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 45.000 €. Des Weiteren hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, das vorgenannte Grundstück zu räumen und an die Klägerin herauszugeben sowie vorprozessuale Kosten in Höhe von 1.854,45 € zu erstatten. Im Übrigen hat das Landgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Wegen des Berufungsvorbringens des Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 03.09.2020 (Blatt 191/203 der Akte) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen (Blatt 192 der Akte).
Die Klägerin schließt sich der Berufung des Beklagten an und beantragt,
die Berufung des Beklagten abzuweisen (Blatt 209 der Akte). Darüber hinaus beantragt die Klägerin, auf die Anschlussberufung festzustellen, dass sich der Beklagte mit seinem Anspruch gegen die Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 45.000 € in Gläubigerverzug befindet (Blatt 209 der Akte).
Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 29.10.2020 (Blatt 209/215 der Akte) wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 07.01.2021 (Blatt 226/231 der Akte) hat der Senat darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schriftsatz vom 09.02.2021 (Blatt 237/242 der Akte) ist der Beklagte der beabsichtigten Vorgehensweise entgegengetreten.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14.01.2020, Aktenzeichen 7 O 3478/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung des Beklagten vom 09.02.2021 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Der Einwand des Beklagten, dass Art. 75 GO vorliegend nicht anwendbar sei, kann nicht nachvollzogen werden. Die Vorschrift sieht vor, dass die Gemeinde Vermögensgegenstände, die sie – wie vorliegend – zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht braucht, veräußern darf. Der Anwendungsbereich von Art. 75 GO ist daher eröffnet. Auch soweit der Beklagte rügt, das Erstgericht habe ohne nähere Prüfung eine absolute Nichtigkeit bei einer Wertabweichung angenommen, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO dürfen Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Verkauft die Gemeinde Vermögensgegenstände unter Wert, sieht zwar Art. 75 GO keine explizite Rechtsfolge vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat im Hinweisbeschluss zitiert und dargestellt hat, und mit der sich der Beklagte nicht auseinandersetzt, führt der Verstoß des Kaufvertrags gegen Art. 75 GO dazu, dass sowohl das Verpflichtungs- als auch das dingliche Verfügungsgeschäft unwirksam sind. Unterschiedliche Rechtsfolgen, je nach Ausmaß der Abweichung des Kaufpreises vom Verkehrswert, sieht weder das Gesetz noch der Bundesgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung vor. Vielmehr bringt der Gesetzgeber mit der Formulierung „in der Regel“ zum Ausdruck, dass es Ausnahmen geben kann, bei denen ein Verkauf unter dem vollen Wert möglich ist. Eine solche Ausnahme ist jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht schon dann gegeben, wenn sich die Gemeinde in der Vergangenheit vergeblich um eine Veräußerung des Grundstücks bemüht hat. Die eingeschränkte Veräußerlichkeit eines Grundstücks ist vielmehr bei der Bestimmung des Verkehrswerts und damit bei der Feststellung eines Unterwertverkaufs zu berücksichtigen.
2. Da sowohl der Sachverständige als auch in der Folge das Landgericht in seinem Urteil die Probleme der Gemeinde bei der Veräußerung des Grundstücks in der Vergangenheit dahingehend berücksichtigt hat, dass bei der Ermittlung des Verkehrswerts des Grundstücks von einem sehr kleinen Käuferkreis ausgegangen wurde, war die Ladung der vom Beklagten benannten Zeugen, wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, nicht veranlasst. Mit den Argumenten des Senats setzt sich der Beklagte im Schriftsatz vom 09.02.2021 nicht auseinander.
3. Auch die Einwände des Beklagten zum Sachverständigengutachten können – unabhängig von der Frage ihrer Berücksichtigungsfähigkeit im Berufungsverfahren – nicht nachvollzogen werden. Wie der Senat ebenfalls im Hinweisbeschluss bereits ausgeführt hat, hat der Sachverständige bei Ermittlung des Verkehrswerts die Freilegungskosten des Grundstücks vom zunächst ermittelten vorläufigen Bodenwert abgezogen (vgl. Seite 24 des Gutachtens).
4. Nicht gefolgt werden kann auch der vom Beklagten angestellten Vergleichsrechnung. Vielmehr hat der Sachverständige zutreffend den Verkehrswert des Grundstücks dahingehend ermittelt, dass er vom zunächst berechneten Bodenwert die Freilegungskosten in Abzug brachte. Der so ermittelte Verkehrswert des Grundstücks ist dann mit dem vom Beklagten gezahlten Kaufpreis zu vergleichen. Dagegen kann nicht, wie es der Beklagte macht, ein fiktiver Kaufpreis unter Hinzurechnung der Freilegungskosten mit dem vom Sachverständigen zunächst ermittelten Bodenwert ins Verhältnis gesetzt werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47,48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.


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