Baurecht

Unwirksamer Bebauungsplan wegen Verstoßes gegen das Abwägungsverbot – Mindestgrundstücksgröße

Aktenzeichen  2 N 14.2499

Datum:
18.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 7 S. 2, Art. 45 Abs. 1 S. 2, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1
BauGB BauGB § 3 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 7, § 9 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 6, , § 214 Abs. 3, § 215 Abs. 1
BauNVO BauNVO § 16 Abs. 2, Abs. 5, § 19 Abs. 2, Abs. 4, § 20 Abs. 3 S. 2
GG GG Art. 3 Abs. 1, Art 14 Abs. 1 S. 2
VwGO VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB betrifft mit seinen Anforderungen sowohl den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis. Es umfasst dabei insbesondere die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Bei der Abwägung der berührten privaten Belange ist ferner das Gebot der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, das auch bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu Geltung kommt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gemeinde darf mit ihrer Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Auch die Bewahrung einer aufgelockerten Villenbebauung und eines aufgelockerten dörflichen Charakters sind zulässige Planungsziele für die Neuaufstellung eines Bebauungsplans. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Aufteilung des festgesetzten Baurechts in zu viele Wohnungen verhindern zu wollen, ist ein zulässiges planerisches Ziel, um den Straßenverkehr mit seinen Nebenfolgen im Planungsgebiet in Grenzen zu halten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bebauungsplan 1 F der Antragsgegnerin vom 18. Juni 2008 für das Gebiet zwischen der Bahnlinie M.-… und dem W. sowie zwischen dem B. und der Autobahn A 96 ist unwirksam.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollsteckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten entscheidet der Senat ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Der zulässige Normenkontrollantrag (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) des Antragstellers ist begründet. Der Bebauungsplan 1 F der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 18. Juni 2008, ist unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Der angegriffene Bebauungsplan 1 F leidet nicht an durchgreifenden Verfahrens- oder Formfehlern.
Soweit der Antragsteller vorträgt, die vorgezogene Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB habe nicht stattgefunden, ist dies unbeachtlich. Denn die Verletzung der Vorschriften über die vorgezogene Öffentlichkeitsbeteiligung zählt nicht unter die nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlichen Fehler (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2002 – 4 BN 53/02 – NVwZ-RR 2003, 172).
Sofern die Begründung des Bebauungsplans unvollständig sein sollte, ist dies nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 BauGB unbeachtlich.
2. Der Bebauungsplan 1 F leidet jedoch an materiellen Fehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führen. Diese Mängel im Abwägungsvorgang sind erheblich, weil sie sich aus Plan und Begründung offensichtlich ergeben und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die Norm unverändert erlassen hätte, falls er die Widersprüche in den Festsetzungen sowie ihre Auswirkungen erkannt hätte.
Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist die zentrale Verpflichtung einer den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Bauleitplanung. Es betrifft mit seinen Anforderungen sowohl den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis. Es umfasst dabei insbesondere die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerfG, B. v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – UPR 2003, 143; BVerwG, U. v. 16.4.1971 – IV C 66.67 – DVBl 1971, 746/750). Bei der Abwägung der berührten privaten Belange ist ferner das Gebot der Gleichbehandlung aus Art. 3 Satz 1 GG zu beachten, das auch bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zur Geltung kommt (vgl. BVerfG, B. v. 12.1.1967 – 1 BvR 169/63 – BVerfGE 21, 73/82 ff.; BGH, U. v. 11.11.1976 – III ZR 114/75 – BGHZ 67, 320). Das der Planung zugrundeliegende Konzept muss zudem möglichst widespruchsfrei (konsistent) umgesetzt werden (vgl. BayVGH, U. v. 31.5.2006 – 25 N 03.351 – BayVBl 2006, 177; U. v. 22.3.2011 – 1 N 09.2888 – juris).
2.1. Der Bebauungsplan 1 F leidet insoweit an einem Fehler in der Abwägung als er gemäß A. 3. a) der textlichen Festsetzungen für ein Bauquartier eine Mindestgrundstücksgröße von 1000 m² festsetzt. In dem betroffenen Quartier zwischen F.-straße, E.-straße und L.-straße besitzt eine Vielzahl der Baugrundstücke eine Grundfläche von weniger als 1000 m². Hieraus wird ersichtlich, dass das von der Antragsgegnerin verfolgte Ziel möglichst einheitlicher Bauquartiere (vgl. Begründung S. 6 ff., zur Verfestigung homogener Quartiere) mit dieser Festsetzung nicht erreicht werden kann. In dem Bauquartier mit 22 Grundstücken finden sich neun zu kleine Grundstücke. Die Abgrenzung des Bauquartiers mit 1000 m² Mindestgrundstücksgröße erscheint von daher willkürlich. Zumindest widerspricht es deshalb dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil seine Festsetzung zur Zielerreichung nicht geeignet ist. Es weist zu viele Ausreißer nach unten auf.
Die Festsetzung einer Mindestgrundstücksgröße von 1000 m² im oben genannten Quartier verstößt aber im konkreten Fall auch deshalb gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB, weil im direkt benachbarten Quartier zwischen F.-straße, F.-straße und Im B. eine gleichartige Problematik gegeben war, die aber nicht entsprechend gelöst wurde. Die beiden Quartiere beidseits der F.-straße weisen eine ähnliche Größe auf. Im Quartier nördlich der F.-straße (jetzt mit einer Mindestgrundstücksgröße von 1250 m² bzw. 750 m²) fanden sich bei ursprünglich insgesamt 16 Grundstücken zehn zu kleine Grundstücke, deren jeweilige Fläche sich ebenfalls unter 1000 m² bewegte. Die unterschiedliche Behandlung der Bauquartiere beidseits der F.-straße in diesem Bereich verstößt deshalb auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb nördlich der F.-straße aus dem ähnlich großen Quartier ein kleineres Bauquartier mit einer Mindestgrundstücksgröße von 750 m² herausgeschnitten wird, während im südlich gelegenen Quartier diese Vergünstigung allen Grundstücken mit einer Fläche von unter 1000 m² versagt wird. Zu dieser Vergünstigung gehört nicht nur die selbstständige Bebaubarkeit ab einer Mindestgrundstücksgröße von 750 m², sondern auch die Besserstellung hinsichtlich der zulässigen Grundflächen und der zulässigen Geschossflächen nach A. 4. a) und b) der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans 1 F.
2.2. Der Bebauungsplan 1 F leidet ferner insoweit an einem Fehler in der Abwägung als er gemäß A. 3. a) der textlichen Festsetzungen für ein weiteres Bauquartier eine Mindestgrundstücksgröße von 1.000 m² festsetzt. In dem betreffenden Quartier zwischen der L.-straße, L.-straße, U.-straße und Am W. besitzt wiederum eine Vielzahl der Baugrundstücke eine Grundfläche von weniger als 1000 m². Hieraus wird ersichtlich, dass das von der Antragsgegnerin verfolgte Ziel möglichst einheitlicher Bauquartiere (vgl. Begründung S. 6 ff., zur Verfestigung homogener Quartiere) auch hier nicht erreicht werden kann. In dem Bauquartier mit 31 Grundstücken finden sich 13 zu kleine Grundstücke. Die Abgrenzung des Bauquartiers mit 1.000 m² Mindestgrundstücksgröße erscheint von daher willkürlich. Zumindest verstößt es gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil seine Festsetzung zur Zielerreichung nicht geeignet ist. Es finden sich zu viele Abweichungen vom Grenzwert nach unten.
Die Festsetzung einer Mindestgrundstücksgröße von 1.000 m² im oben genannten Quartier verstößt aber im konkreten Fall auch deshalb gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB, weil in anderen Quartieren des Bebauungsplangebiets eine gleichartige Problematik gegeben war, die aber nicht entsprechend gelöst wurde. Unter Ziffer 2.1. wurde bereits auf das Gebiet zwischen F.-straße, F.-straße und Im B. hingewiesen. Ebenso besaßen im ähnlich großen Quartier zwischen An der D., Im H., Im B. und Am W. ursprünglich 13 von 27 Grundstücken eine Grundfläche von weniger als 1.250 m². Deshalb wurde dort eine Mindestgrundstücksgröße von 750 m² für ein Teilgebiet festgesetzt. Ob in diesem Zusammenhang weitere Teilgebietsgliederungen erforderlich gewesen wären, kann an dieser Stelle dahinstehen. Die unterschiedliche Behandlung der Bauquartiere verstößt deshalb auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb in den genannten Bauquartieren Mindestgrundstücksgrößen von 750 m² festgesetzt werden, während im Bauquartier zwischen der L.-straße, L.-straße, U.-straße und Am W. diese Vergünstigung zahlreichen Grundstücken mit einer Grundfläche von unter 1.000 m² versagt wird. Zu dieser Vergünstigung gehört nicht nur die selbstständige Bebaubarkeit ab einer Mindestgrundstücksgröße von 750 m², sondern auch die Besserstellung hinsichtlich der zulässigen Grundflächen und der zulässigen Geschossflächen nach A. 4. a) und b) der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans 1 F.
2.3. Der Bebauungsplan 1 F leidet zudem insoweit an einem Fehler in der Abwägung als er gemäß A. 3. a) der textlichen Festsetzungen für ein Bauquartier eine Mindestgrundstücksgröße von 1250 m² festsetzt. In dem betroffenen Quartier zwischen An der D., Im H., Im B. und Am W. besitzt eine Vielzahl der Baugrundstücke eine Grundfläche von weniger als 1250 m². Auch in dem mit der Mindestgrundstücksgröße von 750 m² daraus herausgeschnittenen Bauquartier finden sich zwei (von insgesamt fünf) Grundstücke mit zu geringer Grundfläche. Hieraus wird ersichtlich, dass das von der Antragsgegnerin verfolgte Ziel möglichst einheitlicher Bauquartiere (vgl. Begründung S. 6 ff., zur Verfestigung homogener Quartiere) mit dieser Festsetzung auch hier nicht erreicht werden kann. In dem Bauquartier mit 22 Grundstücken finden sich acht zu kleine Grundstücke. Es handelt sich bei diesen auch nicht um Grundstücke von völlig unbedeutender Größe. In dem ursprünglichen Bauquartier (einschließlich des herausgenommenen Quartiers mit 750 m² Mindestgrundstücksgröße) wären sogar unter 27 Grundstücken insgesamt 13 zu kleine Grundstücke vorhanden gewesen. Von daher drängen sich eine genauere Abgrenzung bzw. eine andere Mindestgrundstücksgröße auf. Die Abgrenzung des Bauquartiers mit 1250 m² Mindestgrundstücksgröße erscheint von daher willkürlich. Zumindest widerspricht es deshalb dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil seine Festsetzung zur Zielerreichung nicht geeignet ist. Es weist zu viele Ausreißer nach unten auf.
Die Festsetzung eines Bauquartiers mit einer Mindestgrundstücksgröße von 1250 m² im oben genannten Quartier verstößt aber im konkreten Fall auch deshalb gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB, weil im benachbarten Quartier zwischen F.-straße, F.-straße und Im B. eine gleichartige Problematik gegeben war, die aber nicht entsprechend gelöst wurde. Die beiden Quartiere an der Straße Im B. weisen eine vergleichbare Größe auf. Im Quartier nördlich der F.-straße (jetzt ebenfalls mit einer Mindestgrundstücksgröße von 1250 m² bzw. 750 m²) fanden sich bei ursprünglich insgesamt 16 Grundstücken zehn zu kleine Grundstücke, deren jeweilige Fläche sich sogar unter 1000 m² bewegte. Die unterschiedliche Behandlung der Bauquartiere entlang der Straße Im B. in diesem Bereich verstößt deshalb auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb nördlich der F.-straße aus einem vergleichbaren Quartier ein kleineres Bauquartier mit einer Mindestgrundstücksgröße von 750 m² herausgeschnitten wird, während im oben genannten, ebenfalls an der Straße Im B. gelegenen Quartier diese Vergünstigung der überwiegenden Anzahl aller Grundstücke mit einer Fläche von unter 1250 m² versagt wird. Zu dieser Vergünstigung gehört nicht nur die selbstständige Bebaubarkeit ab einer Mindestgrundstücksgröße von 750 m², sondern auch die Besserstellung hinsichtlich der zulässigen Grundflächen und der zulässigen Geschossflächen nach A. 4. a) und b) der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans 1 F.
2.4. Die genannten Mängel des Bebauungsplans sind nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich geworden. Der Antragsteller hat sie innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde substantiiert geltend gemacht. Er hat im Verfahren um den Vorbescheid für sein Grundstück FlNr. 1032/40 der Gemarkung G. vor dem Verwaltungsgericht München (Az. M 9 K 08.3923) mit Schriftsatz vom 3. Februar 2009 umfangreich seine Einwände gegen den hier angegriffenen Bebauungsplan vorgetragen, insbesondere gegen das „degressive“ Baurecht und die willkürliche Festsetzung von Mindestgrundstücksgrößen. Dieser Schriftsatz wurde der vor dem Verwaltungsgericht beigeladenen Antragsgegnerin zugestellt. Der Zugang dieses Schriftsatzes ist für die Rüge ausreichend (vgl. Spannowsky/Uechtritz, Baugesetzbuch, 2. Aufl. 2014, § 215 Rn. 22; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 1. August 2015, § 215 Rn. 33). Die Klagerücknahme vor dem Verwaltungsgericht führt nicht zur Rücknahme der Rüge im Sinn von § 215 Abs. 1 BauGB (vgl. Spannowsky/Uechtritz, Baugesetzbuch, 2. Aufl. 2014, § 215 Rn. 30; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 1. August 2015, § 215 Rn. 31).
2.5. Aufgrund der oben genannten Abwägungsfehler ist der Bebauungsplan 1 F insgesamt unwirksam. Eine Teilunwirksamkeit (vgl. BVerwG, U. v. 14.7.1972 – IV C 69.70 – BVerwGE 40, 268/274; B. v. 29.3.1993 – 4 NB 10/91 – NVwZ 1994, 271) kommt vorliegend nicht in Betracht, weil von den Fehlern ein erheblicher Teil der von der Antragsgegnerin mit bestimmten Mindestgrundstücksgrößen festgesetzten Bauquartiere betroffen ist. Ob weitere Quartiere mit der Festsetzung bestimmter Mindestgrundstücksgrößen fehlerbehaftet sind, kann hier dahinstehen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan auch ohne die Festsetzung der beanstandeten Mindestgrundstücksgrößen in der dann verbleibenden Form erlassen hätte. Im Übrigen ist es Sache der Antragsgegnerin in einer erneuten Abwägung zu entscheiden, ob im Bebauungsplan eine einheitliche Mindestgrundstücksgröße festgesetzt oder unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichbehandlungsgebots nochmals versucht wird, Bauquartiere mit unterschiedlichen Mindestgrundstücksgrößen festzusetzen. Bei jeder dieser Abwägungsentscheidungen können sich aber auch Auswirkungen auf die Festsetzungen hinsichtlich der zulässigen Grundflächen und der zulässigen Geschossflächen ergeben. Sowohl bei der Festsetzung einer einheitlichen Mindestgrundstücksgröße im Bebauungsplan 1 F als auch bei der Festsetzung mehrerer Mindestgrundstücksgrößen kann sich ergeben, dass das in A. 4. a) und b) der textlichen Festsetzungen bislang festgesetzte Maß der baulichen Nutzung nicht mehr in allen Punkten einer gerechten Abwägung entspricht und deshalb auch dort überprüft sowie neu abgewogen werden muss. Hieraus wird ebenfalls ersichtlich, dass vorliegend eine Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans nicht in Betracht kommt. Die Fehlerheilung hinsichtlich einzelner Festsetzungen bezüglich der Mindestgrundstücksgrößen hat wahrscheinlich auch Auswirkungen auf andere Festsetzungen. Es kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung trotz der oben genannten Abwägungsfehler hinsichtlich der Mindestgrundstücksgrößen vollkommen unverändert erlassen hätte.
3. Ob die Planung darüber hinaus noch an weiteren Mängeln leidet, die zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen, kann offen bleiben. Denn im Normenkontrollverfahren ist das Gericht bei mehreren gerügten Rechtsfehlern dann nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und gegebenenfalls gerade darauf seine Entscheidung zu stützen, wenn es einen anderen Rechtsfehler im Sinn der Entscheidungsreife für durchgreifend ansieht (vgl. BVerwG, B. v. 20.6.2001 – 4 BN 21/01 – NVwZ 2002, 83). Nachdem bereits die Abwägungsfehler hinsichtlich der festgesetzten Mindestgrundstücksgrößen zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen, muss den weiteren vom Antragsteller gerügten Rechtsfehlern nicht im Einzelnen nachgegangen werden. Zu diesen ist lediglich anzumerken:
3.1. Der Senat hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen das Planungsziel der Antragsgegnerin, mittels der Festsetzung von Mindestgrundstücksgrößen und eines „degressiven“ Maßes der baulichen Nutzung den „Gartenstadtcharakter“ im Sinn einer möglichst zu erhaltenden Durchgrünung der Baugebiete (vgl. Begründung S. 6 f.) zu sichern. Eine Gemeinde darf mit ihrer Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen (vgl. BVerwG, B. v. 15.3.2012 – 4 BN 9/12 – BauR 2012, 1067; VGH BW, U. v. 18.11.2011 – 8 S 1044/09 – juris). Auch die Bewahrung einer aufgelockerten Villenbebauung und eines aufgelockerten dörflichen Charakters sind beispielsweise zulässige Planungsziele für die Neuaufstellung eines Bebauungsplans (vgl. BayVGH, B. v. 13.3.2006 – 1 NE 05.2542 – juris), ebenso die Erhaltung des Charakters eines Ein- bzw. Zweifamilienhausgebiets mit relativ großen Grundstücken (vgl. BayVGH, B. v. 2.10.2006 – 1 ZB 05.1703 – juris). Vorliegend kann die Festsetzung von Mindestgrundstücksgrößen auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB und die Festsetzung hinsichtlich der zulässigen Grundflächen sowie der zulässigen Geschossflächen auf § 16 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, Abs. 5 BauNVO gestützt werden. Hierbei können sowohl die Grundflächenzahlen und die Größe der Grundfläche als auch die Geschossflächenzahl und die Größe der Geschossfläche nebeneinander festgesetzt werden. Diese Festsetzungsmöglichkeiten schließen sich ihrem Wesen nach nicht wechselseitig aus (vgl. OVG NRW, U. v. 7.9.2001 – 7 a D 111/99. NE – BauR 2002, 913).
Die grundlegenden Einwände des Antragstellers gegen ein sogenanntes degressives Baurecht greifen dagegen nicht durch. Er hat keinen Anspruch auf einen entsprechend der Grundstücksgröße ständig linearen Anstieg des Nutzungsmaßes. Die Abwägung des Interesses der Grundstückseigentümer an einer baulichen Ausnutzung ihrer Grundstücke mit dem Interesse der Gemeinde, eine aufgelockerte Bebauung mit weitgehender Durchgrünung der Baugebiete zu erhalten (vgl. Begründung S. 6 ff.), ist vorliegend unter dem Blickwinkel des Art. 14 Abs. 1 GG, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichbehandlungsgebots grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, U. v. 20.12.2012 – 2 N 10.93 – juris). Es ist jeweils für ein Bauquartier belegt, dass dennoch ein linearer Anstieg des Nutzungsmaßes entsprechend der Grundstücksgröße besteht, der sich lediglich bei größeren Grundstücken etwas abflacht. Bei Bauquartieren mit der Mindestgrundstücksgröße 500 m² steigt die zulässige Grundfläche bis zur doppelten Mindestgrundstücksgröße unverändert linear an, während die zulässige Geschossfläche bis zur Mindestgrundstücksgröße stark linear ansteigt, sich dann aber der Anstieg bis zur doppelten Mindestgrundstücksgröße abflacht. Ab der doppelten Mindestgrundstücksgröße erfolgt bei der Grundstücksfläche und der Geschossfläche kein weiterer Anstieg, ab dort kann jedoch das Grundstück geteilt werden. Bei Bauquartieren mit der Mindestgrundstücksgröße 750 m² steigt die zulässige Geschossfläche bis zur Mindestgrundstücksgröße steil an, um dann bis zur doppelten Mindestgrundstücksgröße abzuflachen, während die zulässige Geschossfläche bei den Grundstücken bis 1.000 m² steil ansteigt und erst dann abflacht. Auch hier erfolgt ab der doppelten Mindestgrundstücksgröße kein Anstieg mehr bei der Grundfläche und der Geschossfläche, weil ab dort das Grundstück geteilt werden kann. Schließlich steigt bei den Bauquartieren mit der Mindestgrundstücksgröße 1.000 m² die zulässige Geschossfläche bis zur Mindestgrundstücksgröße steil an und flacht dann ab, während der Anstieg der zulässigen Grundfläche erst ab einer Grundstücksgröße von 1.250 m² abflacht. Auch hier erfolgt ab der doppelten Mindestgrundstücksgröße kein Anstieg mehr, weil ab dort eine Grundstücksteilung möglich ist. Angesichts der Tatsache, dass der Bebauungsplan in A. 4. a) und b) der textlichen Festsetzungen Überschreitungen bei der zulässigen Grundfläche und der zulässigen Geschossfläche vorsieht, sind – unabhängig davon, ob diese derzeitigen Formulierungen in sich völlig stimmig sind – wegen des „degressiven“ Nutzungsmaßes bezüglich der einzelnen Bauquartiere keine Abwägungsfehler gegeben, die insoweit zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen könnten.
Zu Recht weist der Antragsteller jedoch darauf hin, dass bisher bei einer Grundstücksgröße von knapp unter 1.000 m², bei der in keinem der Bauquartiere mit festgesetzten Mindestgrundstücksgrößen schon eine Grundstücksteilung in Betracht kommt, im Mindestgrundstücksgrößenbereich von 500 m² eine Grundfläche von ca. 240 m² verwirklicht werden kann, während dies im Mindestgrundstücksgrößenbereich von 750 m² nur ca. 225 m² und im Mindestgrundstücksgrößenbereich von 1.000 m² nur ca. 195 m² wären. Die Antragsgegnerin hat auch insoweit die Gelegenheit zu überprüfen, ob dies noch abwägungsgerecht festgesetzt werden kann. Falls dies nicht gelingt, scheidet in diesem Bebauungsplan eine Festsetzung mehrerer Bauquartiere mit unterschiedlichen Mindestgrundstücksgrößen sowie unterschiedlichen zulässigen Grundflächen und Geschossflächen aus.
3.2. Die Festsetzung der Zahl der in Wohngebäuden zulässigen Wohnungen gemäß A. 3. b) der textlichen Festsetzungen kann auf § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gestützt werden. Diese höchst zulässige Zahl von Wohnungen kann nicht nur durch eine absolute Zahl, sondern auch durch eine Verhältniszahl festgesetzt werden (vgl. BVerwG, U. v. 8.10.1998 – 4 C 1.97 – BVerwGE 107, 256/260). Die Aufteilung des festgesetzten Baurechts in zu viele Wohnungen verhindern zu wollen, ist ein zulässiges planerisches Ziel, um den Straßenverkehr mit seinen Nebenfolgen im Planungsgebiet in Grenzen zu halten. Im vorliegenden Fall ist eine Wohnung je angefangene 120 m² zulässige Geschossfläche erlaubt. Maßgebend ist hierfür die gemäß A. 4. b) der textlichen Festsetzungen zulässige Geschossfläche, Überschreitungszuschläge sind jedoch nicht zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass beispielsweise bei einer nach A. 4. b) der textlichen Festsetzungen zulässigen Geschossfläche von 121 m² bereits zwei Wohnungen mit ca. 60 m² und bei einer zulässigen Geschossfläche von 241 m² bereits drei Wohnungen mit ca. 80 m² Wohnfläche erlaubt sind. Diese Begrenzung erscheint angesichts des angestrebten Planungsziels nicht unverhältnismäßig.
3.3. Die in A. 4. a) der textlichen Festsetzungen erlaubte Überschreitung um bis zu 25% bei der zulässigen Grundfläche verstößt zumindest teilweise gegen § 19 Abs. 2 BauNVO. Denn die dort ebenfalls erfassten baulichen Anlagenteile wie Terrassen, Balkone und Loggien – die beiden letzteren bis zu einer bestimmten Höhe über dem Boden – sind bereits Bestandteile der „Hauptanlage“ (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 1. Juni 2012, § 19 BauNVO Nr. 13; König in König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, § 19 RdNr. 4a). Auf die Regelungen im Bauordnungsrecht wie beispielsweise Art. 6 Abs. 8 BayBO kommt es hierbei nicht an.
Soweit der Bebauungsplan darüber hinaus Überschreitungen durch Grundflächen der in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO genannten Anlagen bis zu weiteren 75% der festgesetzten Grundfläche für zulässig erklärt, kann dies auf § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO gestützt werden. Die „Kappungsgrenze“ von 0,8 des § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO bleibt davon unberührt. Die Berechnung in der Begründung zum Bebauungsplan (S. 14 unten) ist aber bereits deshalb unzutreffend, weil die Regelung des § 19 Abs. 2 BauNVO zumindest teilweise nicht beachtet wurde.
3.4. Die Regelung in A. 4. b) der textlichen Festsetzungen hinsichtlich der zulässigen Überschreitungen der festgesetzten Werte für Geschossflächen kann zwar grundsätzlich auf § 16 Abs. 5 BauNVO gestützt werden. Sie ist aber im Detail kaum verständlich. Auch die Begründung zum Bebauungsplan (S. 14 ff.) bringt insoweit keine Klarheit. Es wurde von Seiten der Antragsgegnerin dargelegt, dass es sich hierbei um Dachgeschosse handle, die kein Vollgeschoss seien. Bis zur Vollgeschossgröße solle keine Anrechnung der Geschossflächen erfolgen. Eine Anrechnung von Aufenthaltsräumen solle damit nicht erfolgen. Hieraus wird jedoch insbesondere nicht ersichtlich, wieso die Grenze bei 1,8 m gezogen wird. Es wird zwar erkennbar, dass die Dachgeschosse keine Vollgeschosse sein dürfen. Eine Abgrenzung zu den Bedingungen für Aufenthaltsräume im Dachgeschoss, für welche Regelungen gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO möglich wären, wird jedoch nicht geleistet. Nach Art. 2 Abs. 7 Satz 2 BayBO sind Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume im Sinn von Art. 2 Abs. 5 BayBO nicht möglich sind, bereits keine Geschosse. Aufenthaltsräume in Dachgeschossen sind nach Art. 45 Abs. 1 Satz 2 BayBO jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine lichte Raumhöhe von 2 m über die Hälfte der Nutzfläche, wobei Raumteile mit einer lichten Höhe unter 1,50 m außer Betracht bleiben, nicht erreicht wird (vgl. auch Vollzugshinweise zur BayBO 2008, Nr. 45.1.2). Diese rechtlichen Gesichtspunkte müssen bei einer Differenzierung des Nutzungsmaßes nach der Höhe des Dachgeschosses in der Abwägung zur Festlegung der Höhengrenze berücksichtigt werden.
3.5. Die in A. 4. c) der textlichen Festsetzungen getroffenen Regelungen über die Zahl der Vollgeschosse und die Gebäudehöhe können grundsätzlich auf § 16 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 BauNVO gestützt werden. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass hierdurch nicht zwingend Gebäude mit Terrassengeschoss zur Ausnutzung der höchst zulässigen Geschossfläche erforderlich würden, sondern dass das gleiche Nutzungsmaß auch mit einem Gebäude mit zwei Vollgeschossen und darüberliegendem Dachgeschoss unter Ausnutzung der textlichen Festsetzungen unter A. 4. b) erreicht werden könne. Ob die Antragsgegnerin mit der Regelung zum Terrassengeschoss auch eine ortsgestalterische Festsetzung im Sinn von Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO beabsichtigte, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls ist zweifelhaft, ob ein klotzförmiges dreigeschossiges Gebäude verhindert werden kann, wenn nicht etwa vorgeschrieben wird, wo das jeweilige Terrassengeschoss wie viel zurückspringen muss. Ein Rücksprung auf einer Seite des Gebäudes von beispielsweise nur 10 cm wäre dafür wohl kaum ausreichend.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
5. Die Antragsgegnerin hat die Entscheidungsformel des Urteils nach Rechtskraft ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen war (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).


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