Baurecht

Unwirksamkeit eines Bebauungsplans – Formelle und materielle Mängel

Aktenzeichen  2 N 15.2593

Datum:
19.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10023
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 7, § 2 Abs. 4, § 2a S. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 S. 2, § 4a Abs. 3 S. 1, § 10 Abs. 3, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 3 S. 2
GO Art. 26 Abs. 2 S. 1
AEG § 18
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB verpflichtet die Gemeinden, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich dabei auch auf solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, welche die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB) gibt der Gemeinde einen weiten Spielraum. Er ermächtigt sie zu einer ihren Vorstellungen entsprechenden Städtebaupolitik. Die Vorschrift verlangt nicht, dass für die Planung als Ganzes und für die einzelnen Festsetzungen ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt. Es genügt vielmehr, wenn eine Regelung vernünftigerweise geboten ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Bereich der straßenrechtlichen Planfeststellung wird üblicherweise mit Prognosezeiträumen von 10 bis 15 Jahren gearbeitet. Da normative Vorgaben in diesem Bereich fehlen, ist ein kürzerer Prognosezeitraum nur dann zu beanstanden, wenn er sich als Ausdruck einer unsachlichen Erwägung werten lässt. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
4. Datiert eine schalltechnische Untersuchung nur wenige Tage vor Eintritt des Prognosehorizonts, kann angesichts einer solch extremen Verkürzung des Prognosezeitraums ohne eine ausreichende Begründung nicht mehr von sachlichen Erwägungen ausgegangen werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bebauungsplan Nr. … für das Gebiet Unterführung am Bahnhof C… zwischen F…weg, C… Straße und K… Grund, bekannt gemacht am 16. Januar 2015, wird für unwirksam erklärt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO ist begründet.
1. Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist nicht bereits wegen fehlender Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO oder fehlendem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Antragsbefugt sind natürliche oder juristische Personen, wenn sie geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Dies setzt voraus, dass ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Norm in seinen Rechten verletzt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerwG, U.v. 18.11.2002 – 9 CN 1.02 – BVerwGE 117, 209). Nur dann, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet, kann die Antragsbefugnis verneint werden (vgl. BayVGH, U.v. 5.4.2011 – 14 N 09.2434 – juris). Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis entfällt beispielsweise dann, wenn mit der beabsichtigten Rechtsverfolgung eine Verbesserung der Rechtsstellung nicht erreicht werden kann.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist von einer Antragsbefugnis der Antragstellerin auszugehen. Sie ist Eigentümerin von zwei teilweise im Plangebiet liegenden Grundstücken und ihre nicht im Plangebiet befindlichen Wohnhäuser sind jedenfalls im Hinblick auf mögliche Lärmentwicklungen betroffen, die auch im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB als Abwägungsmaterial einzustellen sind.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lebt der Bebauungsplan Nr. … vom 11. September 1985 im Fall einer Unwirksamerklärung des hier verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans nicht wieder auf. Die Antragsgegnerin hat bereits im Aufstellungsbeschluss vom 12. Juni 2013 die Aufhebung des bisherigen Bebauungsplans angekündigt und diesen dann mit Beschluss vom 10. Dezember 2014 aufgehoben. Zudem hat die Antragsgegnerin im Aufstellungsbeschluss vom 12. Juni 2013 ausdrücklich von einer Neuaufstellung gesprochen, was belegt, dass eine Realisierung des bisherigen Bebauungsplans in seiner Form nicht mehr beabsichtigt ist. Eine Realisierung der alten Planung scheidet außerdem schon aus faktischen Gründen aus, da diese lediglich die Unterquerung einer eingleisigen Bahnlinie vorsah, die jedoch nach der zwischenzeitlichen Wiedervereinigung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit der Bundesrepublik Deutschland Teil einer zweigleisigen ICE Strecke ist und daher die Unterquerung an das Projekt VDW 8.1 (Abschnitt E… – E…) der Deutschen Bahn angepasst werden musste. Da zudem der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan noch weitere Änderungen gegenüber der bisherigen Planung vorsieht, ist auch nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei Unwirksamerklärung des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans sowie angenommenen Fortbestehens des bisherigen Bebauungsplans keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil erhielte, wie die Antragsgegnerin annimmt. Allein schon durch die aufgrund der bahntechnischen Erfordernisse notwendige Änderung der Unterquerung von einem auf zwei Gleise ist nicht auszuschließen, dass sich beispielsweise die Lärmbelastung verändert. Zudem muss sich die Antragsgegnerin entgegenhalten lassen, dass sie sich selbst für eine Neuaufstellung des Bebauungsplans entschieden hat, die auch mit einer umfassenden Neubewertung aller Umstände verbunden ist und vorliegend nicht allein auf mögliche geringfügige Unterschiede gegenüber der bisherigen Bebauungsplanung abgestellt werden kann.
2. Der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan ist bereits wegen formeller Fehler unwirksam.
a) Es kann dahinstehen, ob die Bekanntmachungen der jeweiligen Beschlüsse im Bebauungsplanverfahren an formellen Fehlern leiden, wie es die Antragstellerin detailliert vorträgt. Entscheidungserheblich wäre dies nur bei einem Bekanntmachungsfehler des Satzungsbeschlusses nach § 10 Abs. 3 BauGB i.V.m. Art. 26 GO. Da jedoch die nachfolgend aufgeführten formellen Fehler bestehen und bereits aus diesem Grund der angegriffene Bebauungsplan unwirksam ist, muss den von der Antragstellerin vorgetragenen Fehlern im Zusammenhang mit der Satzung zur Regelung des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts und der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin nicht weiter nachgegangen werden. Grundsätzlich ist die Bebauungsplansatzung nach § 10 Abs. 3 BauGB i.V.m. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GO im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht worden. Selbst bei Unwirksamkeit der Satzung zur Regelung des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts, die in § 5 zusätzlich noch eine Bekanntmachung in den örtlichen Tageszeitungen sowie durch Anschlag an der Ratstafel ermöglicht, wäre auf die gesetzliche Regelung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GO zurückzugreifen, die das Amtsblatt als Bekanntmachungsorgan vorsieht. Weder die Gemeindeordnung noch die Satzung zur Regelung des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts oder die Geschäftsordnung sieht im Übrigen die von der Antragstellerin geforderte „Bekanntmachungsverfügung“ förmlich vor.
b) Es liegt jedoch ein nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB beachtlicher formeller Fehler vor, da die Bekanntmachung vom 25. April 2014 über die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB nicht die Arten der vorhandenen Umweltinformationen benennt. Benannt werden lediglich verschiedene eingeholte Stellungnahmen sowie der Umweltbericht als Teil der Begründung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – BVerwGE 147, 206) verpflichtet § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB die Gemeinden, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich dabei auch auf solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, welche die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. Wie diese schlagwortartige Charakterisierung im Einzelnen auszusehen hat, lässt sich dabei nicht allgemein beantworten, sondern hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist stets, ob die bekannt gemachten Umweltinformationen ihrer gesetzlich gewollten Anstoßfunktion gerecht werden. Der (bloße) Hinweis auf den Umweltbericht genügt nicht, denn dieser ermöglicht keine inhaltliche Einschätzung darüber, welche Umweltbelange in einer konkreten Planung bisher thematisiert worden sind (vgl. auch BVerwG, U.v. 11.9.2014 – 4 CN 1.14 – NVwZ 2015, 232).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vor. In der Bekanntmachung vom 25. April 2014 führt die Antragsgegnerin als Arten umweltbezogener Informationen „schalltechnische Untersuchung, verkehrstechnische Untersuchung, hydrogeologisches Gutachten, Baugrundgutachten, Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts K… vom 7.12.2013 zu Altlasten, Stellungnahme der Stabsstelle Umwelt vom 19.3.2014 zu Klima/Luft“ an. Dies mag bei sehr wohlwollender Betrachtung noch einer Charakterisierung nach Themenblöcken im Sinn der genannten Rechtsprechung entsprechen. Weiter führt die Antragsgegnerin in der Bekanntmachung jedoch auch den „Umweltbericht als Teil der Begründung“ als weitere umweltbezogene Information an. Der Umweltbericht enthält über die bereits genannten Themen hinaus weitere umweltbezogene Informationen zu den Schutzgütern Boden, Wasser, Klima und Luft, Flora und Fauna, Landschaftsbild und Erholung, die insbesondere hinsichtlich der beiden letzten Themenkomplexe über die Themen der aufgelisteten Stellungnahmen hinausgehen. Da aus der Bekanntmachung gerade nicht erkennbar ist, welche umweltbezogenen Informationen im Umweltbericht enthalten sind, wird diese Bekanntmachung nicht ihrer gesetzlich gewollten Anstoßfunktion gerecht. Der Fehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BauGB auch beachtlich, da nicht nur einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, fehlen. Vielmehr fehlen hier ganze Themenblöcke an umweltbezogenen Informationen.
c) Ein weiterer nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 2a BauGB beachtlicher formeller Fehler liegt vor, weil der in der Begründung des Bebauungsplans enthaltene Umweltbericht in wesentlichen Punkten unvollständig ist.
Nach § 2 Abs. 4, § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB ist gemäß der Anlage 1 zum Baugesetzbuch eine Umweltprüfung durchzuführen, deren Ergebnisse in den Umweltbericht als Bestandteil der Begründung einzufließen haben. Anlage 1 zum Baugesetzbuch gibt sowohl nach der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des angegriffenen Bebauungsplans geltenden Fassung als auch der aktuellen Fassung ein striktes Schema zur Grundstruktur des Umweltberichts vor. Hier fehlt es bereits an der nötigen Einleitung mit einer Kurzdarstellung des Inhalts und der wichtigsten Ziele des Bauleitplans einschließlich der Festsetzungen des Plans mit Angaben über Standorte, Art und Umfang sowie Bedarf an Grund und Boden und der Darstellung der in einschlägigen Fachgesetzen und Fachplänen festgelegten Ziele des Umweltschutzes, die für den Bauleitplan von Bedeutung sind, und der Art, wie diese Ziele und Umweltbelange bei der Aufstellung berücksichtigt wurden. Es findet lediglich in groben Zügen eine Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen statt sowie von geplanten Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung und zum Ausgleich der nachteiligen Auswirkungen. Einzelne zu betrachtende Schutzgüter, wie das Schutzgut Mensch oder Kultur- und Sachgüter, fehlen vollständig. Ebenfalls vollständig fehlen gemäß Nr. 2 d) der Anlage 1 die in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten, also insbesondere die von der Antragstellerin ebenfalls vorgetragene Planungsalternative (Kreisellösung) oder die von einer benachbarten Gemeinde vorgeschlagene Alternative.
Insbesondere verkennt die Antragsgegnerin, dass es sich vorliegend nicht nur um eine Änderung des Bebauungsplans von 1985 handelt, sondern sie einen Aufstellungsbeschluss für die Neuaufstellung eines Bebauungsplans gefasst hat. Auf die Unterschiede zur Planung von 1985 kommt es daher bei der Bewertung der Umweltauswirkungen nicht an. Zudem ist insoweit festzustellen, dass bei der Planung von 1985 die heutige Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB im Gesetz noch nicht vorgesehen war.
Es kann dahinstehen, ob für den vorliegenden Bebauungsplan eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine strategische Umweltprüfung (SUP) nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG a.F.) erforderlich gewesen wäre. Bei der Aufstellung von Bauleitplänen war gemäß § 17 UVPG a.F. in beiden Fällen die Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB vorrangig. Lediglich deren Tiefe, die im Ermessen der Gemeinde steht, hätte sich gegebenenfalls an den jeweiligen Vorschriften des UVPG zu orientieren. Eine Vorprüfung im Einzelfall nach § 3c UPVG a.F. konnte wohl entfallen, da der Bebauungsplan nicht unter eine Fallgruppe der Anlage 1 des UVPG a.F. fällt. Insbesondere handelt es sich wohl nicht um einen Fall der Nr. 14.7 a.F., da die Schienenanlage ausdrücklich nicht überplant werden sollte. Auch eine SUP-Pflicht dürfte im Hinblick auf § 14d UVPG a.F. wohl nicht gegeben gewesen sein, da vermutlich von einem kleinen Gebiet auf lokaler Ebene auszugehen wäre (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2016 – C-444/15 – juris).
d) Es kann angesichts der bereits dargestellten beachtlichen formellen Mängel dahinstehen, ob die im Rahmen des Satzungsbeschlusses vorgenommenen Planänderungen die Grundzüge der Planung berühren und daher eine erneute Auslegung nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB hätte stattfinden müssen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass die vorgelegten Unterlagen kaum erkennen lassen, was im Detail im Rahmen des Satzungsbeschlusses geändert wurde. Die Änderungen finden sich in den „Würdigungen“ zu den jeweiligen Einwendungen, die einen vollständigen Aktenordner ausmachen. Der Abwägungsbeschluss selbst verweist lediglich pauschal auf diese „Würdigungen“, ohne wenigstens kurz die tatsächlich vorgenommenen Änderungen aufzuzeigen. Der Satzungsbeschluss selbst bezieht sich lediglich auf die Fassung des Bebauungsplans vom 9. April 2014 mit Änderung vom 10. Dezember 2014.
3. Ferner führen auch materielle Mängel zur Unwirksamkeit des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans.
a) Ob ein Verstoß gegen Fachplanungsrecht, hier § 18 AEG, vorliegt kann letztlich dahinstehen. In einem neuen Planaufstellungsverfahren wird die Antragsgegnerin gegebenenfalls im Detail zu prüfen haben, welche Flächen noch dem Fachplanungsrecht unterliegen und welche Flächen nicht. Es spricht vorliegend einiges dafür, dass ein Verstoß gegeben ist, da wohl immer noch gewidmete Bahnflächen überplant und nicht lediglich nachrichtlich übernommen worden sind.
b) Der Bebauungsplan ist grundsätzlich noch als für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich zu betrachten (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Der Erforderlichkeitsgrundsatz gibt der Gemeinde einen weiten Spielraum. Er ermächtigt sie zu einer ihren Vorstellungen entsprechenden Städtebaupolitik (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2009 – 1 N 07.1552 – BayVBl 2010, 247). Die Vorschrift verlangt nicht, dass für die Planung als Ganzes und für die einzelnen Festsetzungen ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt. Es genügt vielmehr, wenn eine Regelung vernünftigerweise geboten ist (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2014 – 2 N 11.1710 – juris). Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans war Anlass der Neuaufstellung, dass dem bisherigen Bebauungsplan von 1985 die eingleisige Bahnstrecke zugrunde lag, inzwischen jedoch eine zweigleisige Bahnstrecke vorhanden ist. Ziel der bisherigen und der neuen Planung ist es, die beiden höhengleichen Querungen am F…weg und der C… Straße mit beschrankten Bahnübergängen durch nicht höhengleiche Querungen zu ersetzen. Allgemein kann das Ersetzen von höhengleichen Bahnquerungen durch nicht höhengleiche Bahnquerungen als vernünftigerweise geboten betrachtet werden. Selbst bei beschrankten Bahnübergängen kommt es durch Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern immer wieder zu Unfällen. Auch kann allgemein angenommen werden, dass der Verkehrsfluss bei Wegfall eines beschrankten Bahnübergangs verbessert wird. Zudem wird der Bahnverkehr als solcher bei Wegfall eines beschrankten Bahnübergangs beschleunigt. Im Hinblick darauf, dass eine Regelung nur vernünftigerweise geboten sein muss, kommt es nicht auf eine konkrete Gefährlichkeit der Bahnübergänge oder eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs an. Auch bei der Unterführung im Bereich des F…wegs, die ausschließlich dem nicht motorisierten Verkehr dienen soll, kann eine Verbesserung des Verkehrsflusses nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass die D. B AG die beiden beschrankten Bahnübergänge lediglich provisorisch nachgerüstet hat, um die Freigabe der Bahnstrecke für den ICE zu ermöglichen. Nach Auffassung der D. B. AG (vgl. Telefonnotiz Fr. L… vom 6.3.2018) entspricht die derzeitige Situation im Übrigen nicht ihren Regelwerken, da mangels angebauter Gehwege keine ausreichende Sicherheit für Fußgänger bestehe. Zudem entsprächen die Schleppkurven nicht den Richtlinien und eine Kuppe im Verlauf des F…wegs führe zu großen Problemen hinsichtlich der Befahrbarkeit. Im Hinblick darauf, dass die Bebauungsplanung mit der D. B. AG abgesprochen ist, kann auch nicht von einer verfrühten Planung gesprochen werden. Eine Parallelität der Bebauungsplanung mit den nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz nötigen Planungen kann aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensvorschriften nur schwer erreicht werden und ist auch rechtlich nicht geboten.
c) Der angefochtene Bebauungsplan leidet jedoch in zahlreichen Punkten an Mängeln in der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB). Danach sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Ein Abwägungsmangel liegt vor, wenn eine Abwägung überhaupt nicht vorgenommen wurde oder wenn der Ausgleich zwischen den verschiedenen Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, der die objektive Gewichtung eines dieser Belange verfehlt (vgl. bereits BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301/309). Das Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Maßgebend ist, ob nach zutreffender und vollständiger Ermittlung des erheblichen Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind (vgl. auch BVerfG (Kammer), B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727).
Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entschieden hat. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen hier verschiedene Abwägungsmängel vor, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB).
aa) Es wurde bereits keine ausreichende Prüfung der Planungsalternativen vorgenommen. Eine Betrachtung der Nullvariante, also des Verzichts auf die Planung, wurde gänzlich unterlassen. Betrachtet wurde, wenn auch nur oberflächlich und ohne Möglichkeit des Vergleichs mit der Planvariante, der sogenannte Kreisel. Lediglich diese Planungsalternative fand Eingang in die Begründung des Bebauungsplans. Insoweit fehlt es der dazu vorgenommenen Beurteilung durch die O… Planen + B. GmbH vom 5. August 2014 (z.B. Band 1, S. 37 – 40) an jeglicher Kostenschätzung. Den Planungsunterlagen lässt sich zudem noch eine von der Nachbargemeinde N… vorgeschlagene Planungsalternative der Verlegung der Unterführung zum Gewerbegebiet hin entnehmen. Dieser Vorschlag wurde in der Würdigung (vgl. Band 4, S. 47/48) lediglich mit den Worten abgelehnt, dass er geprüft worden sei und die Kosten „vermutlich wesentlich über den ermittelten Baukosten der im Bebauungsplan gewählten Variante“ lägen. Eine Überprüfung oder gar eine Kostenschätzung dieser Variante findet sich in den vorgelegten Akten jedoch nicht. Ebenso wenig ergibt sich aus den vorgelegten Akten, dass Varianten für die Fußgänger- und Radfahrerunterführung geprüft worden wären, so wie dies die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Beides fand jedenfalls keinen Eingang in die Begründung des Bebauungsplans. Die Regierung von Oberfranken wies in ihrem Schreiben vom 15. Oktober 2014 (Band 1, S. 98/99) bereits ausdrücklich darauf hin, dass die Nichteinbeziehung von Planungsalternativen einen Abwägungsfehler darstellen kann.
bb) Ferner ist die Abwägung im Zusammenhang mit der durch das Vorhaben entstehenden Lärmbelastung fehlerhaft.
Zur Planung liegt eine schalltechnische Untersuchung der Fa. O… Planen + B (wohl zuletzt in der Fassung vom Oktober 2014) vor. Ausweislich der Seite 6 liegen dieser schalltechnischen Untersuchung „Verkehrszahlen mit dem Prognosehorizont 2015 für den Nullfall und den Planfall, zur Verfügung gestellt von der Stadt C…“ zugrunde. Im Bereich der straßenrechtlichen Planfeststellung wird üblicherweise mit Prognosezeiträumen von 10 bis 15 Jahren gearbeitet, da in der Regel sichere Vorhersagen über weitergehende zukünftige Entwicklungen kaum angestellt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 7.3.2007 – 9 C 2.06 – BVerwGE 128, 177). Da normative Vorgaben in diesem Bereich fehlen, ist ein kürzerer Prognosezeitraum nur dann zu beanstanden, wenn er sich als Ausdruck einer unsachlichen Erwägung werten lässt (vgl. BVerwG. U.v. 21.3.1996 – 4 A 10.95 – NVwZ 1996, 1006). Vorliegend kann bereits nicht mehr von einer Prognose gesprochen werden, denn die schalltechnische Untersuchung stammt in ihrer letzten Fassung wohl vom Oktober 2014 und damit nur wenige Tage vor Eintritt des Prognosehorizonts 2015. Die Abwägung fand am 10. Dezember 2014 statt. Die Bekanntmachung des auf dieser schalltechnischen Untersuchung beruhenden Bebauungsplans erfolgte sodann erst am 16. Januar 2015. Insoweit kann nicht mehr von einer Prognose gesprochen werden. Eine sachliche Begründung für eine derartige Verkürzung des Prognosezeitraums wurde von der Antragsgegnerin nicht gegeben. Im vorliegenden Verfahren wurde lediglich auf die laut dem Statistischen Landesamt rückläufige Bevölkerungszahl verwiesen, ohne dies weiter zu belegen oder gar einen Zusammenhang mit dem hier maßgeblichen Verkehrsaufkommen herzustellen. Im Übrigen wäre eine sachliche Erwägung zur Abweichung von den üblichen Prognosezeiträumen sowohl in die schalltechnische Untersuchung als auch in die Begründung des Bebauungsplans aufzunehmen. Bei einer solch extremen Verkürzung des Prognosezeitraums kann ohne eine ausreichende Begründung nicht mehr von sachlichen Erwägungen ausgegangen werden. Entsprechend leidet die schalltechnische Untersuchung an einem methodischen Fehler. Es ist insoweit anzunehmen, dass bei Zugrundelegung einer ausreichenden Verkehrsprognose die schalltechnische Untersuchung zu anderen Ergebnissen gekommen wäre und entsprechend die Abwägung anders erfolgt wäre. Somit liegt ein beachtlicher Fehler vor. Insoweit wird im Übrigen ebenfalls auf das Schreiben der Regierung von Oberfranken vom 15. Oktober 2014 (Band 1, S. 98) hingewiesen, das bereits eine Anpassung des Prognosezeitraums anregt.
Des Weiteren wurden in der Begründung des Bebauungsplans lediglich die Gebäude genannt, bei welchen die Lärmgrenzwerte so stark überschritten sind, dass die schalltechnische Untersuchung zu einem Anspruch auf passiven Schallschutz kommt. Eine Abwägung hinsichtlich der Gebäude, bei denen eine signifikante Lärmsteigerung festzustellen ist, lässt sich weder der Begründung noch den übrigen Unterlagen zur Würdigung entnehmen. Zudem stellt sich die Frage, ob auch die Außenwohnbereiche in die schalltechnische Untersuchung hätten mit einbezogen werden müssen.
cc) Dahinstehen können angesichts der bereits vorliegenden Abwägungsmängel die weiteren von der Antragstellerin vorgetragenen Punkte zur Park & Ride Anlage und zur Abwägung der Schwere der Eigentumsbetroffenheit. Die Park & Ride Anlage wurde aus dem Bebauungsplan ausgeklammert, da deren Zukunft völlig offen sei. Hinsichtlich der Eigentumsbetroffenheit werden die Grundstücke der Antragstellerin ausweislich des Grunderwerbsverzeichnisses (Planungsunterlagen Band 2, S. 122) vorübergehend für die Errichtung von Spundwänden während der Bauphase in einem Umfang von 167 m² (FlNr. …) und 187 m² (FlNr. …) in Anspruch genommen. Insoweit hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Planaufstellung eine Entschädigung für diese vorübergehende Inanspruchnahme in Aussicht gestellt, ohne jedoch deren Höhe beziffern zu können. Zumindest im Zusammenhang mit der Kostenabschätzung hätte dieser Posten aber mit einfließen müssen und hätte gegebenenfalls die Abwägung beeinflussen können.
Hinsichtlich der Zufahrtssituation zu den Anwesen der Antragstellerin ist es ausreichend, dass eine Zufahrt weiterhin möglich sein wird. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine möglichst bequeme Zufahrt.
d) Einzelne Fragen des Naturschutzrechts können wegen der bereits dargestellten und zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führenden Fehler dahinstehen. Im Rahmen einer eventuellen Neuaufstellung dürften jedoch der Artenschutz im Hinblick auf das Vorkommen von Zauneidechsen sowie die Frage der Notwendigkeit eines landschaftspflegerischen Begleitplans bzw. bei dessen Verzicht die Notwendigkeit entsprechender Festsetzungen im Bebauungsplan neu zu prüfen sein.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ist die Ziffer I. der Entscheidungsformel allgemein verbindlich und muss von der Antragsgegnerin nach Eintritt der Rechtskraft des Normenkontrollurteils in derselben Weise veröffentlicht werden, wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).

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