Baurecht

Unzulässige Klage gegen die einem Konkurrenten erteilte Sondernutzungserlaubnis

Aktenzeichen  B 1 K 15.622

Datum:
6.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 2
BayStrWG BayStrWG Art. 17, Art. 18 Abs. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 49

 

Leitsatz

1 Ein subjektiv-öffentliches Recht am Widerruf einer einem Dritten erteilten Sondernutzungserlaubnis besteht nur bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Sondernutzungserlaubnis ist grundsätzlich kein Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Vielmehr wird auf die Benutzung der gewidmeten Straßenfläche abgestellt, die nicht mehr dem Gemeingebrauch dient. (redaktioneller Leitsatz)
3 Allein die faktische Konkurrenz zwischen zwei Bewerbern um die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis begründet keine Drittwirkung und gewährt keine einklagbare Rechtsposition. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Klage bleibt sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag ohne Erfolg, weil sie bereits unzulässig ist.
Die Unzulässigkeit der auf die Erteilung der streitgegenständlichen Sondernutzungserlaubnis gerichteten Klage ergibt sich daraus, dass keine Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Nach dieser Vorschrift ist – soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist – die Klage nur zulässig, soweit der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Erforderlich ist, dass die Möglichkeit einer vom Kläger behaupteten Rechtsverletzung besteht bzw. dass es überhaupt eine öffentlich-rechtliche Anspruchsnorm gibt, die das Begehren des Klägers stützen kann, sowie des Weiteren, dass es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass gerade der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.
Dies ist hier zu verneinen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 23. Juli 2009 – 8 B 08.3282 (BayVBl 2010, 306) betont, dass als Anspruchsnorm in der hier vorliegenden Konstellation nur Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG in Betracht kommt. Danach steht die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis aber im Ermessen der zuständigen Behörde und darf nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden (Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG). Der Kläger könnte sonach im Grundsatz nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde haben. Zu einer Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gelangt die Beklagte jedoch nicht, soweit sie die für die Sondernutzung vom Kläger in Aussicht genommene Straßenfläche bereits anderweitig bestandskräftig vergeben hat. Der Kläger müsste daher – wie mit dem Hilfsantrag begehrt wird – zunächst die dem Beigeladenen am 13.05.2015 unbefristet, jedoch in widerruflicher Weise erteilte Sondernutzungserlaubnis beseitigen können. Hierfür fehlt es aber an einem Anspruch des Klägers.
Die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis könnte in Bezug auf die umstrittene Straßenfläche nur durch einen Widerruf im Sinne von Art. 49 BayVwVfG beseitigt werden. Da es sich bei dieser Sondernutzungserlaubnis um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, kann er nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Vorliegend ist der Widerruf zwar gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG im Verwaltungsakt vorbehalten worden. Auch dieser Widerruf steht aber im Ermessen der Beklagten. Ein subjektives öffentliches Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Widerruf hat ein Dritter jedoch nur bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Bei der Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG handelt es sich aber grundsätzlich nicht um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung, denn die für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis einschlägige Norm des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG vermittelt grundsätzlich keinen Drittschutz. Das normativ vorgegebene Entscheidungsprogramm, das der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zugrunde liegt, stellt auf eine Benutzung der gewidmeten Straßenfläche ab, die nicht mehr gemeingebräuchlich ist, weil sie nicht vorwiegend zu Zwecken des Verkehrs erfolgt.
Hier ist von Bedeutung, dass Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG keine typische Auswahlnorm darstellt, sondern vor allem das öffentliche Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs im Blick hat. Allein aus der faktischen Konkurrenzsituation zwischen zwei Bewerbern um eine Sondernutzungserlaubnis für dieselbe Straßenfläche ergibt sich keine in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG nicht vorgesehene rechtliche Konkurrenzsituation, die allein eine Drittwirkung der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Folge haben könnte. Nur in Ausnahmefällen kann sich ergeben, dass den Vorschriften über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis eine drittschützende Wirkung zukommt.
Eine solche Ausnahme rechtfertigende subjektive Rechtsposition kann sich im Einzelfall aus der Vorschrift über Straßenanlieger des Art. 17 BayStrWG sowie aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs ergeben. Auf eine durch das Grundrecht des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition kann sich der Anlieger dabei jedoch nicht berufen; wie weit der Anliegergebrauch gewährleistet wird, richtet sich allein nach einschlägigem Straßenrecht, d. h. hier insbesondere nach Art. 17 BayStrWG. Diese Norm gewährt dem Straßenanlieger dabei nur in sehr eingeschränktem Ausmaß eine einklagbare Rechtsposition. Eine Verletzung des Art. 17 BayStrWG käme etwa in Betracht, wenn durch eine Sondernutzungserlaubnis die für das Grundstück des Klägers erforderlichen Zufahrten und Zugänge unzumutbar beeinträchtigt würden. Eine Anspruchsposition wäre ferner zu bejahen, wenn ein Grundstückseigentümer als Straßenanlieger auf den Gebrauch und die Benutzung einer Straßenteilfläche in gesteigerter Weise angewiesen ist, um beispielsweise ein Baugerüst zur Sanierung seines Gebäudes aufzustellen.
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Insbesondere wird weder der Zugang zum Geschäftslokal des Klägers noch die Sichtbarkeit für Passanten durch die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.
Einen Drittschutz zu seinen Gunsten kann der Kläger auch nicht aus der einschlägigen Satzungsregelung der Beklagten für sich herleiten. Nach § 10 Sondernutzungssatzung der Beklagten sind Sondernutzungen, wenn sie sich auf ein dazugehöriges Geschäftslokal beziehen, grundsätzlich nur innerhalb der Gebäudegrenzen zulässig (Abs. 1). Ausnahmen von Absatz 1 sind u. a. zulässig, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder der Schutz der Straße dies erfordern (Abs. 2).
Diese Regelung lässt nicht erkennen, dass insoweit ein besonderer Bezug zu Dritten vorgesehen wäre, so dass die Vorschrift als Schutznorm angesehen werden könnte.
In der hier vorliegenden Konstellation ist vor allem von Bedeutung, dass alle Beteiligten anlässlich einer am 18.06.2014 stattgefundenen Besprechung den gleichen Kenntnisstand hatten. Vertreter der Beklagten hatten dem Kläger und dem Beigeladenen seinerzeit erläutert, dass erst geprüft werden müsse, ob für die streitgegenständliche Fläche eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werden könne, nachdem bis zum damaligen Zeitpunkt eine solche Erlaubnis für diese Fläche noch nicht erteilt worden war.
Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, sein Interesse an der Nutzung (auch) dieser zusätzlichen Fläche dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass er beispielsweise einen schriftlichen (Formblatt-) Antrag zeitnah nach der erwähnten Besprechung für den Fall gestellt hätte, dass die Beklagte zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Fläche für eine Sondernutzung überhaupt in Betracht kommt. Stattdessen hatte sich der Kläger – wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – in der Folgezeit nicht mehr weiter um die Angelegenheit gekümmert, weil er hierzu keinen Anlass gesehen hatte, sondern ist erst tätig geworden, als er Baumaßnahmen im Bereich der streitgegenständlichen Fläche bemerkt hatte.
Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte den Kläger nicht von sich aus informiert hatte, als die behördliche Prüfung abgeschlossen war und sich ergeben hatte, dass die fragliche Fläche (nunmehr) für eine Sondernutzung zur Verfügung gestellt werden kann. Der Kläger hatte einen solchen Hinweis weder schriftlich angefordert, noch, wie bereits erwähnt, einen entsprechenden Antrag bereits vorsorglich gestellt, sondern sich (zunächst) schlicht nicht mehr um die Angelegenheit gekümmert. Dafür, dass eine vom Kläger nicht ausdrücklich begehrte Information seitens der Beklagten in Bezug auf die grundsätzliche Möglichkeit der Vergabe der streitigen Fläche jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zwingend geboten war, sprach aus dem Blickwinkel der Beklagten überdies auch der Umstand, dass der Kläger (bzw. seine Mutter) von der früher bestehenden Sondernutzungserlaubnis nur sporadisch Gebrauch gemacht hat und im Jahr 2012 bereits einmal aufgefordert worden war, die Fläche überhaupt zweckgebunden zu nutzen.
Zugunsten des Beigeladenen greift letztlich der Prioritätsgrundsatz ein (vgl. hierzu BayVGH, a. a. O.), der sein Interesse am Erhalt einer Sondernutzungserlaubnis für die fragliche Fläche gegenüber der Beklagten zeitlich vor dem Kläger gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte. Dies mündete in die vom Kläger sodann bemerkten Bauarbeiten, die der Herrichtung der Fläche (v.a. Aufbau von Sonnenschirmen) für die Nutzung als Freischankfläche dienten.
Da andere Ansatzpunkte für einen Drittschutz und damit für eine bestehende Klagebefugnis nicht ersichtlich sind, wird die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da sich dieser durch die Stellung eines Sachantrags selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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