Baurecht

Unzulässige Regelung von geschossabhängigen Verbesserungsbeiträgen für Entwässerung durch Satzung

Aktenzeichen  B 4 K 14.175

Datum:
9.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Gemeinden können gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1 KAG zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Verbesserung ihrer öffentlichen Einrichtungen, also auch von öffentlich betriebenen Entwässerungseinrichtungen von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet, aufgrund einer besonderen Abgabesatzung Beiträge erheben.   (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Abgabesatzung, die regelt, dass Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile, die nach Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Schmutzwasserableitung haben oder nicht angeschlossen werden dürfen, nicht herangezogen werden, verstößt gegen das Prinzip des adäquaten Vorteilsausgleichs und den Gleichheitssatz, weil der durch den Anschluss erlangte Vorteil das gesamte Gebäude bzw. dessen gesamten selbstständigen Gebäudeteil erfasst. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Forchheim vom 13.02.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Vorauszahlungsbescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Forchheim vom 13.02.2014 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil er rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist.
Die Festsetzung der Vorauszahlung entbehrt einer gültigen Rechtsgrundlage, weil die der Beitragserhebung zugrundeliegende Beitragssatzung für die Verbesserung der Entwässerungsanlage vom 13.10.1997 (VBS/EWS) nichtig ist.
Zwar können Gemeinden gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Verbesserung ihrer öffentlichen Einrichtungen, also auch von öffentlich betriebenen Entwässerungseinrichtungen von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet, aufgrund einer besonderen Abgabesatzung Beiträge erheben.
Die Abgabesatzung der Beklagten enthält jedoch in § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VBS-EWS eine unzulässige Regelung.
§ 5 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 VBS-EWS regelt, dass Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile, die nach Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Schmutzwasserableitung haben oder nicht angeschlossen werden dürfen, nicht herangezogen werden. Dies gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VBS-EWS nicht für Gebäude oder Gebäudeteile sowie Geschosse, die tatsächlich angeschlossen sind. Diese Regelung, die eine Beschränkung auf einzelne Geschosse vorsieht, verstößt gegen das Prinzip des adäquaten Vorteilsausgleichs und den Gleichheitssatz, weil der durch den Anschluss erlangte Vorteil das gesamte Gebäude bzw. dessen gesamten selbstständigen Gebäudeteil erfasst (BayVGH, U. v. 29.04.2010 – 20 BV 09.2010 – BayVBl 2011, 240/241 Rn. 52; st. Rspr.).
Da die Nichtigkeit eines Beitragsmaßstabs einen zentralen Bestandteil der Verteilungsregelung einer Abgabesatzung betrifft, führt dies dazu, dass eine solche Satzung insgesamt ungültig ist (BayVGH, U. v. 27.02.2003 – 23 B 02.1032 – BayVBl 2003, 373/374). Denn es bedarf wegen fehlender Teilbarkeit des Regelungsgegenstandes eines Neuerlasses der ungültigen Satzung bzw. des ungültigen Satzungsteils insgesamt (st. Rspr., vgl. BayVGH U. v. 16.03.2005 – 23 BV 04.2295, juris Rn. 28).
Fehlt es damit im vorliegenden Fall an einem wirksamen Satzungsrecht zur Erhebung von Verbesserungsbeiträgen, ist der Bescheid vom 08.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 schon deshalb rechtswidrig, so dass die Klage Erfolg hat, ohne dass es auf das weitere Klägervorbringen ankommt.
2.
Als unterliegender Teil hat die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.


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