Baurecht

Unzulässige Veränderung eines Baudenkmals durch teilweisen Abbruch des hofseitigen Daches

Aktenzeichen  M 8 K 17.3884

Datum:
29.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 59566
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDSchG Art. 6
BayBO Art. 59
BayVwVfG Art. 40

 

Leitsatz

Tenor

 I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist sowohl in ihrem Haupt-, als auch in dem Hilfsantrag nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten bauaufsichtlichen Genehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Das geplante Vorhaben widerspricht öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 Bayerische Bauordnung (BayBO) iVm Art. 6 Abs. 3 Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Bayerisches DSchG – BayDSchG). Ebenso wenig haben die Kläger einen Anspruch auf erneute Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Dem Vorhaben stehen gewichtige Belange des Denkmalschutzes entgegen, Art. 6 Abs. 2 BayDSchG.
1. Das Vorhaben ist zweifelsohne nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig. Im Rahmen des hier durchzuführenden vereinfachten Genehmigungsverfahrens ist gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO auch die Prüfung anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften vorgesehen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach diesen entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG bestimmt, dass, sofern eine Baugenehmigung erforderlich ist, die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis entfällt, so dass die Belange des Denkmalschutzes im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind.
2. Wer Baudenkmäler verändern will, bedarf hierzu der Erlaubnis, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG. Die Erlaubnis kann versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG. Liegen solche Gründe vor, folgt daraus allerdings nicht zwingend, dass die Erlaubnis und damit auch die Baugenehmigung versagt werden müsste. Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall einer Ermessensentscheidung, in deren Rahmen die für und gegen eine Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechenden Umstände, unter Würdigung insbesondere auch der Belange des Denkmaleigentümers, abzuwägen sind (vgl. BayVGH, Urt. v. 11.1.2011 – 15 B 10.212).
2.1. Das streitgegenständliche Gebäude ist als Einzeldenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Es handelt sich, obschon die Eintragung in die Denkmallisteliste nur nachrichtlichen Charakter hat – Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG – unzweifelhaft um ein Baudenkmal im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG, wovon sich das Gericht bei der Einnahme des Augenscheins überzeugen konnte. Die Denkmaleigenschaft des streitgegenständlichen Vordergebäudes wurde von den Beteiligten auch nicht angezweifelt. Nur am Rande ist daher zu erwähnen, dass ohne Belang ist, dass die bauzeitlichen Fenster der rückwärtigen Fassade offensichtlich durch Kunststofffenster ersetzt wurden. Die bisherigen Veränderungen sind nicht ansatzweise so gravierend, dass die Denkmaleigenschaft nach Art. 1 BayDSchG in Frage zu stellen wäre.
2.2. Gewichtige Gründe im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG – es handelt sich dabei um einen uneingeschränkt gerichtlicher Überprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff – liegen nach neuerer Rechtsprechung nicht erst dann vor, wenn dem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Begründung der Denkmaleigenschaft maßgeblichen Bewertung gesteigerte Bedeutung zukommt (BayVGH, Urt. v. 18.10.2010 – 1 B 06.63); denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Baudenkmälern von geringerer Bedeutung die Voraussetzungen für eine Veränderung oder Beseitigung grundsätzlich erfüllt wären. Es wäre widersprüchlich, wenn eine bauliche Anlage, die wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert ist, ohne weiteres beseitigt oder verändert werden dürfte, weil die für ihre unveränderte Erhaltung sprechenden, die Denkmaleigenschaft konstituierenden Gründe von – im Vergleich zu anderen Denkmälern – geringerem Gewicht sind. Die „gewichtigen Gründe“ ergeben sich vielmehr in erster Linie aus der Bedeutung, auf der die Denkmaleigenschaft beruht (BayVGH, Urt. v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474).
Das Vorliegen gewichtiger Gründe ist dabei für den konkreten Einzelfall festzustellen (BayVGH, B. v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575). Im Grundsatz – und so liegt der Fall auch hier – ist davon auszugehen, dass bei Baudenkmälern stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes indiziert sind (vgl. Eberl/Martin/Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2016, Art. 6, Rn. 45).
Das Erhaltungsinteresse besteht ferner grundsätzlich für das Einzelbaudenkmal als Ganzes. Würde man an Teilen von Einzelbaudenkmälern, die nicht in gleichem Maße einsehbar und/oder optisch ansprechend sind, massive Beeinträchtigungen – so wie hier – zulassen, würde absehbar das ganze Baudenkmal in Frage gestellt (VG München, Urt. v. 14.05.2018 – M 8 K 17.984).
2.3. Solche gewichtige Gründe des Denkmalschutzes, die für eine unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, liegen, dieses berücksichtigend, hier offensichtlich vor. Das Denkmal wäre bei Verwirklichung des Vorhabens in besonders unästhetischer und unerträglicher Weise massiv beeinträchtigt.
Das Vorhaben würde die überkommene Dachfläche und die rückwärtige Fassade nicht nur erheblich beeinträchtigen, sondern gleichsam in ihrer Gestaltung und in ihrem Erscheinungsbild demontieren. Durch die geplanten, treppenartig angeordneten An- und Aufbauten, die in der Mitte der Dachfläche angeordnet werden und ca. 1/5 ihrer Fläche einnehmen sollen, würde das Dach ganz erheblich verunklart.
Aufgrund der Erhöhung des vor die Fassade gesetzten, überkommenen Treppenhausturms um ca. 1,9 m im Bereich der Traufkante und ca. 2,50 m im rückwärtigen Bereich (abgegriffen von der Darstellung Schnitt a-a) und der damit einhergehenden Durchschneidung der bauzeitlichen Dachtraufe würde ferner die hofseitige Fassade des Denkmals in ihrer Gesamtheit massiv beeinträchtigt. Die Durchbrechung der Traufe stellt sich dabei bei Denkmälern aufgrund der erheblichen Störung des Gesamteindrucks grundsätzlich als gewichtige Verschlechterung dar (VG München, Urt. v. 14.5.2018, a.a.O.). Die Dachtraufe als derzeit klar erkennbarer Abschluss des schlicht gehaltenen Daches würde ihrer gestalterischen Funktion vollständig enthoben. Das historische Erscheinungsbild des Gebäudes wäre nicht mehr ablesbar, die gestalterische Beziehung von Dach und der durch den Mittelrisalit gegliederten Fassade gingen durch den architektonischen Missgriff vollständig verloren.
Erschwerend kommt hinzu, dass direkt vor den Treppenhausrisalit ein Aufzug gesetzt werden soll, der mit einer Höhe von +18,90 beinahe bis zur Traufkante des zu erhöhenden Treppenhausturms reichen und darüber hinaus ebenfalls die bauzeitliche Traufkante von +18,50 m überragen soll. Durch das Anbringen dieses Aufzugs wird der Treppenhausturm seiner gestalterischen Funktion als Mittel zur Fassadengliederung weitestgehend enthoben, da das Augenmerk des Betrachters sich zwangsläufig auf den sich den Blicken geradezu aufdrängenden Aufzug fokussiert. Durch die unterschiedlichen Höhen wird ferner das gesamte Erscheinungsbild im Hinblick auf das Zusammenspiel von Fassaden- und Dachgestaltung nicht hinnehmbar beeinträchtigt.
Weiterhin soll auf den Treppenhausturm eine Dachterrasse aufgesetzt werden, deren 1,10 m hohes Geländer (vermaßt) als Stahlkonstruktion ausgebildet werden soll und mithin die Massivität des geplanten Treppenhausturms noch verstärkt. Insoweit vermag auch der Rückversatz der Dachterrasse Richtung Dachfirst und das Ausbilden eines Dachstreifens diesen Eindruck nicht abzumildern. Im Gegenteil wird durch diesen Rückversatz ein treppenartiger Aufbau geschaffen, der sich durch die Kombination und die Höhenversätze von Aufzug, Treppenhausturm, Dachstreifen und Geländer der Dachterrasse bis hin zu der sich anschließenden Ausstiegsgaube in besonders disharmonischen Gegensatz zur überkommenen, ca. 1,5 m bis 2 m (abgegriffen) tiefer liegenden Dachfläche setzt. Insbesondere der Dachstreifen, der zwar die gleiche Dachneigung wie das Dach auf beiden Seiten der geplanten Konstruktion haben soll, aber ca. 1,5 m (abgegriffen) höher liegt als dieses, wirkt optisch völlig deplatziert.
Darüber hinaus ist eine massive Ausstiegsgaube in der zweiten Dachgeschossebene geplant. Das Flachdach dieser Gaube endet nur ca. einen halben Meter vom Dachfirst entfernt, die verbleibende Dachschräge beläuft sich auf ca. 60 cm (abgegriffen). Damit wird dem Dach und dem Dachfirst im Bereich dieser hoch sitzenden Gaube in Zusammenschau mit der vorgesetzten Dachterrasse sowie dem Dachstreifen durch deren unterschiedliche Höhenversätze jegliches gestalterische Element genommen.
Daneben ist auch dem LfD dahingehend zuzustimmen, dass das Baudenkmal durch den geplanten Abbruch des Kappengewölbes sowie des Dachstuhls über dem Treppenhaus empfindlich in seiner historischen Substanz reduziert werden würde.
Ohne Belang ist insoweit, dass die Beklagte den Klägern bereits die optische Veränderung des rückwärtigen Daches und der Hoffassade sowie den Abbruch des historischen Kappengewölbes mit Baugenehmigung vom 24. Februar 2016 genehmigt hat. In Bezug auf das Kappengewölbe ist darauf hinzuweisen, dass der Abbruch dessen – wie sich den zur Genehmigung gestellten Plänen entnehmen lässt (siehe insbesondere Schnitt a-a) – auch Teil des streitgegenständlichen Vorhabens ist, sodass auch insoweit eine denkmalfachliche Einschätzung erfolgen konnte und musste. Zum anderen sind die Veränderungen an Dach und Fassade noch nicht umgesetzt und deren Erlaubnis kann ferner keine weitere, noch massivere Beeinträchtigung im Sinne eines „jetzt Erst Recht“- Schlusses rechtfertigen. Angemerkt sei jedoch, dass es verwundert, was die Beklagte angesichts der im Rahmen des genehmigten Vorhabens geplanten massiven Veränderungen an Dach und Fassade in der Baugenehmigung vom 24. Februar 2016 noch für denkmalrechtlich vertretbar erachtet hat.
2.4. Überdies würde auch die rückwärtige Fassade des Denkmals W.str. 29, das die gleiche Typologie und Architektur aufweist und mit dem streitgegenständlichen Denkmal eine Gruppe bildet, erheblich beeinträchtigt im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG. Die Einheitlichkeit der beiden Gebäude wäre nicht mehr ablesbar.
2.5. Entgegen der Ansicht der Klagepartei können gegen das Vorliegen „gewichtiger, für die Beibehaltung des bisherigen, das heißt des genehmigten Zustandes“ sprechender Gründe weder die vermeintliche Nichterkennbarkeit des streitgegenständlichen Vorhabens von öffentlichen Verkehrsflächen aus noch die angeblich nicht schützenswerte rückwärtige Fassadengestaltung angeführt werden.
Die denkmalfachliche Wertigkeit der rückwärtigen Dachbereiche ist bereits dadurch indiziert, dass es sich hierbei um die überkommene Dachform und das Dach in seinem ursprünglichen Zustand handelt. Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Substanz zu schützen und nicht erforderliche Eingriffe zu verhindern (vgl. BayVGH, B. v. 31.10.2012, a.a.O.).
Zwar stellt sich die hofseitige Fassade des Denkmals, wovon sich das Gericht bei dem durchgeführten Augenschein überzeugen konnte, als relativ schlicht dar und findet in der Beschreibung in der Denkmalliste keine Erwähnung. Dass die Hinterhofsituation des streitgegenständlichen Anwesens nicht der Wertigkeit der straßenseitigen Fassade entspricht, spricht jedoch nicht gegen das Vorliegen „gewichtiger Gründe“. Unbestrittenerweise handelt es sich vorliegend bei dem Vordergebäude W.str. 27 insgesamt um ein Einzelbaudenkmal, das – auch wenn die rückwärtige Fassade schlichter gestaltet ist – auch hier eine nicht zu vernachlässigende Wertigkeit aufweist. Dies gilt auch gerade in Zusammenschau mit der rückwärtigen Fassade des mit dem streitgegenständlichen Anwesen eine Einheit bildenden Gebäudes W.str. 29.
Ferner mögen zwar die Veränderungen am Dach und an der rückwärtigen Fassade ohne Zweifel von der Straße aus nicht erkennbar sein. Die Dachaufbauten dürften wohl ebenfalls zum größten Teil für einen Betrachter, der sich im Innenhof des streitgegenständlichen Anwesens befindet, nur schwer erkennbar sein. Der Umstand, dass Veränderungen an Dächern je nach den Gegebenheiten für Dritte nur beschränkt einsehbar sind, ist jedoch für die Beurteilung – insbesondere der Erheblichkeit eines Eingriffs – nicht von entscheidender Relevanz (VG München, Urt. v. 17.9.2007 – M 8 K 07.174, u. Urt. v. 15.11.2010 – M 8 K 10.245). Zudem können das Dach und die massiven, treppenartig übereinander angeordneten Dachaufbauten von den Fenstern und Gauben der im Innenhof dem streitgegenständlichen Vordergebäude gegenüberliegenden Rückgebäude zweifelsohne eingesehen werden. Die Durchschneidung der Traufkante durch die Erhöhung des überkommenen Treppenhausrisalits und den geplanten, diesem vorgelagerten Aufzug ist ferner auch für einen im Innenhof stehenden Betrachter ohne Weiteres wahrnehmbar.
3. Die Feststellung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, rechtfertigt für sich alleine aber, wie ausgeführt, noch nicht eine Ablehnung des Vorhabens. Vielmehr verlangt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG gerade für diesen Fall eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage einer Abwägung der von dem Vorhaben berührten Belange.
Nach Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) ist das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Der Zweck des Erlaubnisvorbehaltes in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG steht unter dem Vorzeichen des gesamten Denkmalschutzrechtes, mit dessen Hilfe die Denkmäler in Bayern möglichst unverändert erhalten werden sollen. Allein das Erhaltungsinteresse kann danach, auch bei geringfügigen Eingriffen, eine Ablehnung rechtfertigen, wenn den für eine Veränderung sprechenden Belangen kein beachtliches Gewicht zukommt. Bei der Ermessensentscheidung ist im Übrigen maßgeblich die Bedeutung des Baudenkmales zu berücksichtigen und Art und Intensität des beabsichtigten Eingriffes in die Substanz des Denkmales zu den gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes ins Verhältnis zu setzen (BayVGH, Urt. v. 11.1.2011, a.a.O.). Hinsichtlich der Würdigung der Eigentümerinteressen ist dabei von der Sicht eines dem Denkmalschutz aufgeschlossenen Eigentümers auszugehen (vgl. BVerfG, B. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 7-91, BVerfGE 100, 226).
Die Ermessensentscheidung der Beklagten genügt den sich hieraus ergebenden Anforderungen. Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null ist offensichtlich nicht gegeben. Die Beklagte setzt sich in zwar knapper, aber ausreichender Form mit den Belangen der Kläger auseinander. Sie hat in zutreffender Weise gewürdigt, dass dem erheblich beeinträchtigenden Eingriff in das überlieferte Erscheinungsbild des Baudenkmals keine gewichtigen Belange der Kläger gegenüberstehen.
3.1. So stellt sie zutreffend fest, dass zugunsten der Kläger in die Ermessenserwägungen einzustellen sei, dass diese ein Interesse daran hätten, das bestehende Gebäude vollständig vermieten zu können. Die Beklagte weist aber zu Recht darauf hin, dass die bisherige Nutzung des Gebäudes weiterhin möglich sei. Zudem erläutert sie, dass ein Aufzugsanbau grundsätzlich möglich sei, sofern dieser unter der Traufe bleibe. Für die Dachgeschosswohnung sei bereits eine Dachterrasse in der ersten Dachgeschossebene eingeplant und genehmigungsfähig.
Dass das streitgegenständlichen Gebäude zweifelsohne auch ohne die Umsetzung des Vorhabens entsprechend genutzt werden kann, steht außer Frage. Insbesondere sind weder die Erhöhung des Treppenhausturmes noch des Aufzugs zur Nutzung und Erhaltung des Denkmals ansatzweise erforderlich. Dies gilt selbstredend auch für die Dachterrasse und die Ausstiegsgaube. Letztere dienen ausschließlich der Erhöhung der Wohnqualität der Dachgeschosswohnung und damit schlussendlich nur monetären Interessen der Kläger, welche den Abbruch von denkmalrechtlich geschützter, baulicher Substanz nicht zu rechtfertigen vermögen.
3.2. Nach Art. 6 Abs. 4 BayDSchG sind bei Entscheidungen nach Art. 6 Abs. 1-3 BayDSchG auch die Belange von Menschen mit Behinderung und mit sonstigen Mobilitätsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Diese Norm enthält einen ausdrücklich festgeschriebenen öffentlichen Belang, welcher im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist (Berücksichtigungsgebot), nicht aber ein Optimierungsgebot in dem Sinne, dass sich Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit in jedem Fall durchsetzen müssten (BayVGH, Urt. v. 16. 1. 2012 − 2 B 11.2408).
Auch diese Belange wurden von der Beklagten bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. So weist die Beklagte völlig richtig darauf hin, dass bei dem geplanten Vorhaben in der Mobilität eingeschränkte Personen immer noch einen Treppenlauf zu überwinden hätten.
Im vorliegenden Fall wird also durch die Erhöhung des Treppenhausturms und den Anbau eines Aufzugs keine oder eine nur geringfügige Verbesserung für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen erreicht. Denn auch nach Verwirklichung des Vorhabens könnten diese die Dachgeschosswohnung je nach Einschränkung ohne weitere bauliche Maßnahmen nicht oder nur schwer erreichen, weil die Wohnung nicht direkt durch den Aufzug erschlossen wird. Diesem Belang kann daher bei der Ermessensabwägung nur ein untergeordnetes Gewicht zukommen. Die geplante Beeinträchtigung des Denkmals ist damit jedenfalls nicht ansatzweise zu rechtfertigen, gerade wenn man berücksichtigt, dass in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen auch die zweite Ebene der Dachgeschosswohnung, die vorgesehene Ausstiegsgaube und auch die Dachterrasse in der zweiten Dachgeschossebene ohne weitere bauliche Maßnahmen nicht oder nur schwer erreichen können, da diese nicht barrierefrei und ausschließlich über eine innenliegende Treppe erschlossen sind.
3.3. Soweit die Kläger rügen, dass sich die Beklagte nicht mit den Bezugsfällen auseinandergesetzt hat, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beklagte angesichts dessen, dass das Vorhaben – gerade im Hinblick auf den massiven Eingriff in das überlieferte Erscheinungsbild des Denkmals – offensichtlich nicht erlaubnisfähig ist, nicht mit jedem (abseitigen) Vorbringen der Kläger im Genehmigungsverfahren befassen musste.
Die denkmalschutzrechtliche Ermessensentscheidung ist immer eine Frage des Einzelfalls (BayVGH, B. v. 31.10.2012, a.a.O.). Vergleiche mit anderen Denkmälern verbieten sich regelmäßig, weil die Gebäude individuelle Besonderheiten aufweisen und in die jeweilige städtebauliche Situation eingebunden sind (VG München, Urt. v. 14.5.2018, a.a.O.). Kaum ein Denkmal wird je vollständig mit einem anderen vergleichbar sein, da dafür zu viele verschiedene Parameter maßgeblich sind, etwa Baujahr, Stilrichtung und -elemente, optische Gestaltung und städtebaulicher Kontext.
Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des BayVGH solche Bezugsfälle zu berücksichtigen sein können, die nach den Dimensionen und ihrer gesamten baulichen Gestaltung einen vergleichbaren Zuschnitt und eine vergleichbare Lage in der näheren Umgebung haben (BayVGH, B. v. 31.10.2010, a.a.O.). Die Beklagte hätte die genannten Bezugsfälle jedoch nur dann in ihren Ermessenserwägungen berücksichtigen müssen, wenn eine – wie von den Klägern behauptete – Ermessensbindung durch einheitliches Verwaltungshandeln vorläge. Ein solches einheitliches Verwaltungshandeln ist jedoch gerade nicht ersichtlich, und durch die Kläger auch nicht substantiiert nachgewiesen.
Denn bei den „Bezugsfällen“ handelt es sich entweder nicht um Denkmäler (W.str. 18, 21 und 37, B. Str. 1), oder die Situation ist der des streitgegenständlichen Anwesens nicht vergleichbar. So handelt es sich bei dem Bezugsfall W.str. 33 um den überlieferten Bestand, bei dem Anwesen W.str. 35 ist keine Kombination von Aufzug, Treppenhaus, Dachstreifen, Dachterrasse und Austrittsgaube vorhanden, sondern nur ein die Traufe durchschneidender Aufzug und bei der W.str. 26 ist wiederum eine Dachterrasse vorhanden, jedoch kein Außenaufzug. Die Anwesen W.str. 24, 26, 30 und 32 liegen zudem im Geviert auf der anderen Seite des B.platzes, und mithin in einem anderen städtebaulichen Kontext.
Darüber hinaus muss sich die Beklagte nicht an in der Vergangenheit getroffenen fehlerhaften Einschätzungen bei der denkmalfachlichen Beurteilung von baulichen Veränderungen messen und festhalten lassen, denn dies käme der durch nichts zu rechtfertigenden Fortschreibung von rechtswidrigen Zuständen gleich.
4. Dieses berücksichtigend kommt es weiterhin weder auf eine mögliche Beeinträchtigung des Ensembles „…“ noch darauf an, ob die beantragte Abweichung für das Bauvorhaben erteilt werden könnte.
5. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Bauvorlagen in Bezug auf die Traufhöhe des Treppenhauses in sich widersprüchlich und mithin nicht genehmigungsfähig sind. So ist die „Traufe Treppenhaus“ bei einer jeweiligen Geländehöhe von -1,42 m im Schnitt a-a und im Grundriss 2. Dachebene (Vordergebäude) mit einer Höhe von +19,39 m angegeben, in der Ansicht Nordost (Hoffassade Vordergebäude) dagegen mit +19,65 m.
6. Dass vorliegend zwei gleichlautende ablehnende Bescheide an den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) verschickt wurden, ist nicht weiter beachtlich, da jedenfalls die beigefügte Kostenrechnung vom 20. Juli 2017 beide Eheleute als (Gesamt-)Schuldner ausweist und mithin sichergestellt ist, dass die für die Prüfung des Bauantrags entstandenen Kosten nicht doppelt erhoben werden können.
7. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO iVm §§ 708 ff. ZPO. Das Gericht geht dabei in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einer vorläufigen Vollstreckung durch die Beklagte die nach § 711 ZPO vorgesehene Abwendungsbefugnis zugunsten der Klagepartei nicht erforderlich ist, da die Beklagte lediglich ihre Aufwandsentschädigung einfordern kann.


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