Baurecht

Unzulässiger wasserrechtlicher Eilantrag

Aktenzeichen  B 7 E 18.400

Datum:
4.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14579
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80, § 80a, § 123

 

Leitsatz

Die Verfahren nach §§ 80, 80a VwGO und § 123 VwGO stehen nicht alternativ nebeneinander, sondern schließen sich in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich aus. Wenn verwaltungsprozessualer vorläufiger Rechtsschutz über das Institut der aufschiebenden Wirkung gewährt werden kann, ist die einstweilige Anordnung nicht statthaft. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus, Bewirtschaftungsgebäuden und einer Halle bebauten Grundstückes Fl.Nr. …, Gemarkung U…, Gemeinde W… Der südliche Teil des Grundstückes wird landwirtschaftlich genutzt.
Die Antragsgegnerin zu 1 ist Eigentümerin des Grundstückes Fl.Nr. 694, Gemarkung U…, Gemeinde W… Auf diesem Grundstück befindet sich ein Teilstück des …baches.
Über dieses Stück des …baches führt eine Brücke, welche den südlichen Teil des Grundstückes des Antragstellers mit der … Straße verbindet. Ausgehend von der Brücke führt am Bach entlang außerdem ein Weg, der vom Antragsteller als Zufahrt zu den landwirtschaftlichen Flächen im südlichen Bereich seines Grundstückes genutzt wird.
In früheren Schreiben wandte sich der Antragsteller bereits an die Antragsgegnerin zu 1. Er habe in Erfahrung gebracht, dass die vorhandene Brücke ersatzlos entfernt werden solle. Dies würde dazu führen, dass der hintere Teil der landwirtschaftlichen Flächen auf seinem Grundstück nicht mehr erreicht werden könne und auch die Zufahrt zur Halle nicht mehr möglich sei. Hiermit bestehe kein Einverständnis. Die Herstellung einer Durchfahrt durch das bestehende Wirtschaftsgebäude sei nicht möglich.
Die Antragsgegnerin zu 1 bezog sich in ihrem Antwortschreiben vom 27.2.2018 im Wesentlichen auf eine Plangenehmigung des Landratsamtes … vom 09.10.2017, welche Grundlage für eine geplante Renaturierung des …baches an dieser Stelle sei und die Entfernung der bestehenden Einbauten vorsehe. Das Genehmigungsverfahren sei ortsüblich bekanntgegeben worden. Überdies sei das Anwesen des Antragstellers ordnungsgemäß über die Ortsstraße „…“ erschlossen. Die geschaffene zweite Anbindung sei ohne Rechtsgrundlage über das gemeindeeigene Grundstück erfolgt.
Mit einem am 19.04.2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenen Schreiben vom gleichen Tag, gerichtet zum damaligen Zeitpunkt alleine gegen die Antragsgegnerin zu 1, beantragte der Antragsteller:
1. Der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, die Bauarbeiten am Bach zwischen der … Straße und dem Grundstück …, …, bis zur Klärung der Rechtslage einzustellen.
2. Bis zur Entscheidung der Kammer über diesen Antrag eine Vorsitzendenentscheidung nach §§ 123 Abs. 2 Satz 3, 80 Abs. 8 VwGO zu treffen,
3. Der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründung wird u.a. vorgetragen, die Erschließung des Grundstückes über die bestehende Brücke über den …bach von der … Straße her sei genehmigt und insofern der Antragsteller im Jahr 2003 von der Antragsgegnerin zu 1 auch zur Entrichtung von Erschließungskosten bezüglich der… Straße herangezogen worden. Es sei gegenüber dem Antragsgegner kein Verwaltungsakt erlassen worden, daher fehle es an einem Titel, aufgrund dessen die Antragsgegnerin zu 1 berechtigt wäre, hier entsprechende Maßnahmen durchzuführen.
Die Antragsgegnerin zu 1 beantragte mit Schriftsatz vom 20.04.2018 sinngemäß den Antrag abzulehnen.
Im Wesentlichen wird geltend gemacht, dass die Eigentümer des Grundstückes Fl.Nr. …, Gemarkung U… in den vergangenen Jahrzehnten ihr Grundstück massiv bebaut und hierbei auch Bauwerke auf dem Gemeindegrundstück Fl.Nr. …, Gemarkung U… errichtet hätten. Eine Rechtsgrundlage für die Grenzüberbauungen und die Errichtung einer Überfahrt in Richtung … Straße bestehe nicht. Die Öffentlichkeit sei am Planungsverfahren ordnungsgemäß beteiligt worden.
Die von den Antragstellern gerügte mangelnde Zufahrt zum südlichen Teil des Grundstückes Fl.Nr. … sei von diesen selbst herbeigeführt worden. Die Erschließung erfolge über die Orts straße „…“. Durch die Querbebauung hätte der Antragsteller die Erschließung des hinteren Grundstückteils selbst erschwert. Die bestehende Betonplatte könne am jetzigen Standort nicht verbleiben, da durch den eng gewählten Querschnitt der Abfluss des …baches über Gebühr beeinträchtigt werde. Das Wasserwirtschaftsamt … habe in Vorgesprächen signalisiert, dass es der Neuerrichtung einer Überfahrt im südlichen Bereich des Grundstückes Fl.Nr. …, Gemarkung U… zustimmen könnte.
Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass kein Sofortvollzug angeordnet worden sei und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits unzulässig erscheine, weil für das Begehren des Antragstellers das Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht zur Verfügung stehe. Zudem sei die Antragsgegnerin zu 1 auch nicht passivlegitimiert, weil der zugrundeliegende Verwaltungsakt nicht von ihr, sondern von der unteren Wasserbehörde erlassen worden sei.
Mit Schreiben vom 25.04.2018, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, führte der Antragsteller aus, die Antragsgegnerin zu 1 sei passivlegitimiert, da sie die Umgestaltung durchführe.
Insoweit werde gleichwohl der Antrag dahingehend erweitert, dass sich der Antrag auch gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt … richte.
Von einer Genehmigung des Landratsamtes … vom 09.10.2017 sei nichts bekannt. Zur Sache übergab er 5 Lichtbilder. Es sei offensichtlich nicht erforderlich und auch nicht berechtigt, die Erschließungsmaßnahme des Antragstellers in Form der von ihm einvernehmlich errichteten Brücke abzureißen. Der Bescheid des Landratsamtes … sei jedenfalls bereits deshalb rechtsunwirksam, nachdem weder eine Bescheidsbekanntgabe an den Antragsteller als Betroffenen noch eine Anhörung des Antragstellers als Betroffenen erfolgt sei.
Mit Schriftsatz vom 26.04.2018 äußerte sich der Antragsgegner zu 2 ohne einen Antrag zu stellen dahingehend, dass hinsichtlich der auf dem Grundstück Fl.Nr. 693, Gemarkung U… befindlichen Gebäude lediglich eine Baugenehmigung vom 25.02.1988 für den Anbau einer Maschinenhalle vorliege. Im Beiblatt hierzu sei als Auflage unter Ziffer 21.8 aufgeführt, dass der …bach im Bereich der Zufahrt zum Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung U… überbrückt werden müsse. Die neue Zufahrt habe eine Mindestbreite von 3 Metern zu erhalten und die Bauklasse solle mindestens 12 Tonnen haben. Der Fließquerschnitt des …baches dürfe dabei nicht eingeengt werden. Eine Genehmigung für die tatsächlich gebaute Brücke über das Gemeindegrundstück Fl.Nr. …, Gemarkung U… liege der Antragsgegnerin zu 2 nicht vor.
Der Antragsgegner sei im Rahmen des Plangengehmigungsverfahrens zur Verrohrung und Renaturierung des …baches ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Plangenehmigung habe der Antragsgegnerin zu 1 im pflichtgemäßen Ermessen erteilt werden können.
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten wird Bezug auf die Gerichtsakte und die Behördenakten genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Gemessen an diesem Maßstab bleiben die Anträge ohne Erfolg.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind insgesamt bereits unzulässig, weil für das Begehren des Antragstellers das Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht zur Verfügung steht.
Die Abgrenzung zwischen aufschiebender Wirkung und einstweiliger Anordnung bestimmt § 123 Abs. 5 VwGO. Danach gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle der § 80 und § 80a VwGO – die aufschiebende Wirkung ist vorrangig (vgl. OVG MV, B.v. 2.12.2014 – 3 M 51/14; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 123, Rn. 20). Die Verfahren stehen nicht alternativ nebeneinander, sondern schließen sich in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich aus. Wenn also verwaltungsprozessualer vorläufiger Rechtsschutz über das Institut der aufschiebenden Wirkung gewährt werden kann, ist die einstweilige Anordnung nicht statthaft.* Vorliegend vollzieht die Antragsgegnerin zu 1 eine wasserrechtliche Plangenehmigung vom 09.10.2017, die sie berechtigt, im Ortsbereich von W… den …bach mittels Trogprofils und teilweiser Überbauung auf einer Länge von ca. 110 m auszubauen. Als Ausgleich soll der Bach am Ortsausgang auf Fl.Nr. …, Gemarkung U… auf einer Länge von 155 m renaturiert werden. Im Rahmen dieser Renaturierung ist ausweislich der vorgelegten Akten auch der Rückbau der Brücke, welche von der … Straße auf das Grundstück des Antragstellers führt, sowie des Weges, der als Zufahrt zu den landwirtschaftlichen Flächen im südlichen Bereich der Fl.Nr. …, Gemarkung U… dient, vorgesehen.
Der Antragsteller stellt nicht dar, dass die wassertechnischen Maßnahmen über das hinausgehen, was durch die Plangenehmigung erlaubt wird bzw. sich gänzlich außerhalb der Plangenehmigung bewegen. In der Sache wendet er sich demnach gegen den Vollzug eines ihn möglicherweise belastenden Verwaltungsaktes durch die Antragsgegnerin zu 1, welche durch diesen Verwaltungsakt begünstigt wird. Sofortvollzug wurde nicht angeordnet. In der Hauptsache ist bei dem Begehren der Aufhebung eines Verwaltungsaktes die Anfechtungsklage statthaft, welche nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat.
Eine Umdeutung des Antrages kommt nicht in Betracht. Der anwaltlich vertretene Antragsteller hat auf den gerichtlichen Hinweis, dass Zweifel an der Statthaftigkeit des von ihm gewählten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens bestehen, ausdrücklich an diesem Verfahren festgehalten. Eine Umdeutung hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 scheitert außerdem daran, dass diese bei einer Anfechtungsklage nicht passivlegitimiert ist, weil der angefochtene Verwaltungsakt nicht von ihr, sondern von der Antragsgegnerin zu 2 erlassen worden ist (vgl. hierzu auch OVG MV, B.v. 2.12.2014 – 3 M 51/14).
Als unterlegener Beteiligter hat der Antragsteller gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).


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