Baurecht

Unzulässigkeit einer Werbeanlage in unmittelbarer Nähe zu Baudenkmälern

Aktenzeichen  AN 9 K 15.01225

Datum:
19.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DSchG Art. 6
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 2, Art. 8, Art. 55, Art. 59 S. 1 Nr. 3, Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Neue Bauten müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen noch unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem vom Denkmal gesetzten Maßstab messen lassen und dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen. (redaktioneller Leitsatz)
Für die Bewertung der Schutzwürdigkeit eines Baudenkmals ist auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern abzustellen, weil nur sie über die notwendigen Kenntnisse und Informationen verfügen, um in objektivierbarer Weise Gründe für ein über den persönlichen Bereich hinausgehendes Interesse an der Erhaltung eines Bauwerks – auch seines Erscheinungsbilds – herauszuarbeiten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ihr steht ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Errichtung einer beidseitigen Werbeanlage für wechselnde Fremdwerbung auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … in der Gemeinde … nicht zu.
Bei dem beantragten Vorhaben handelt es sich um eine ortsfeste Anlage der Wirtschaftswerbung, die gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO als eigenständige bauliche Anlage gilt. Für ihre Errichtung bedarf die Klägerin gemäß Art. 55 BayBO einer Baugenehmigung. Diese muss die Bauordnungsbehörde nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. BayBO erteilen, wenn das Vorhaben keinen öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. gibt der Baugenehmigungsbehörde jedoch die Möglichkeit, den Bauantrag auch dann abzulehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Anwendung findet vorliegend das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO, weil es sich bei der Werbeanlage um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Zu prüfen sind daher die Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§§ 29 ff. BauGB) und die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO. Hinzu kommen im vorliegenden Fall die Anforderungen des Denkmalschutzes. Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO bestimmt, dass solche öffentlich-rechtlichen Anforderungen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfen sind, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. So verhält es sich auch mit den Anforderungen des Denkmalschutzes. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG bedarf der (denkmalschutzrechtlichen) Erlaubnis, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Hiernach ist eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflichtigkeit im vorliegenden Fall zu bejahen, da die geplante Werbeanlage in unmittelbarer Nähe zu den Einzelbaudenkmälern auf den Grundstücken FlNrn. … und … Gemarkung … errichtet werden soll. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG entfällt die Erlaubnis, da eine Baugenehmigung erforderlich ist – die Überprüfung wird Bestandteil des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens. Nachdem die Beklagte die Ablehnung des Bauantrags auch auf das Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO gestützt und insofern von dem ihr eingeräumten Ablehnungsrecht in Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayBO Gebrauch gemacht hat, ist auch diese Vorschrift Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.
Ob sich die geplante Werbeanlage nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfügt, kann offenbleiben.
Jedenfalls hat die Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Werbeanlage aufgrund von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG abgelehnt. Die Norm erlaubt es der Denkmalschutz- bzw. – wenn die Überprüfung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erfolgt – der Baugenehmigungsbehörde, den Antrag auf Errichtung einer Anlage abzulehnen, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Erscheinungsbild bedeutet, inwieweit das Baudenkmal von einem Betrachter unverstellt wahrgenommen werden kann, und inwieweit es also durch seine optische Präsenz wirken kann. Die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals kann dabei auch ganz wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen, so dass die Ziele des Denkmalschutzes im Einzelfall häufig nur erreicht werden können, wenn auch die Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes entsprechend beschränkt wird (so VG München, U. v. 24.3.2010 – M 9 K 09.3305). Von einer Beeinträchtigung dieses Erscheinungsbildes kann man dementsprechend nicht erst dann ausgehen, wenn ein verunstaltender Zustand hervorgerufen wird – die Anforderungen des Art. 8 BayBO sind insofern höher. Primär soll das Denkmalschutzrecht gewährleisten, dass die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeugnis der Zeitgeschichte oder als bestimmtes städtebauliches Element auf den Betrachter ausübt, in seiner Wirkung nicht geschmälert wird. Neue Bauten müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen, noch unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem vom Denkmal gesetzten Maßstab messen lassen und dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741; U. v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631).
Insbesondere aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Augenscheins geht die Kammer davon aus, dass die Zulassung der beantragten Werbeanlage zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Baudenkmäler auf den Grundstücken FlNrn. … und … führen würde. Für den auf der B … aus Westen kommenden Betrachter würde die Werbeanlage an ihrem geplanten Anbringungsort aufgrund der räumlichen Distanz von über 30 m gerade nicht mehr eine Einheit mit der „…“-Tankstelle bilden und nur mit dieser wahrgenommen werden, sondern sie befände sich mit einem Abstand von unter 20 m in der direkten Sichtachse zu den Einzelbaudenkmälern auf den Grundstücken FlNrn. … und … und würde diese aufgrund ihrer Abmessungen und ihrer Anbringungshöhe nahezu vollständig verdecken. Gerade diese Blickachse ist bislang aufgrund der größeren Entfernung zwischen dem Tankstellengrundstück und dem Grundstück FlNr. … noch unverstellt. Diese Blickachse wird auch durch die von der Klägervertreterin benannte Hinweistafel, die sich direkt neben dem geplanten Anbringungsort befindet, aufgrund ihrer deutlich geringeren Fläche nicht wesentlich vorbelastet. Auch schadet die Tatsache nicht, dass entlang der Grenze zwischen den Grundstücken FlNrn. … und … Büsche und Sträucher gepflanzt sind, welche den Blick zur Vegetationszeit zum Teil verdecken, weil deren Bestand rechtlich nicht gesichert ist, der Grundstückseigentümer sie also jederzeit entfernen kann, und weil dieser Zustand naturgemäß nicht während des gesamten Jahres anhält. Im Übrigen trägt ihr Grün trotz der teilweisen Verdeckung des Baudenkmals nicht unerheblich zu einem harmonischen Gesamtbild bei. Auch dringt das Argument der Klägerin nicht durch, bei der verdeckten Seite handele es sich nicht um die „Schauseite“ des Baudenkmals. Für die Bewertung der Schutzwürdigkeit eines Baudenkmals, auch seines Erscheinungsbildes, ist auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern abzustellen, weil nur sie über die notwendigen Kenntnisse und Informationen verfügen, um in objektivierbarer Weise Gründe für ein über den persönlichen Bereich hinausgehendes Interesse an der Erhaltung eines Bauwerks herauszuarbeiten (vgl. BayVGH, B. v. 13.5.2015 – 1 ZB 13.1334; U. v. 21.2.1985 – 26 B 80 A.720). Die Kammer schließt sich der fachlichen Bewertung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege an, welches die Gebäude als Baudenkmäler in die Denkmalliste eingetragen hat. Das Erscheinungsbild der Baudenkmäler wird im vorliegenden Fall nahezu vollständig verdeckt, durch eine gewerbliche Nutzung regelrecht übertönt und damit erheblich beeinträchtigt. Allein hieraus lassen sich gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des früheren Zustandes ableiten. Über ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen hinausgehende Gesichtspunkte, die diese legitimen Belange des Denkmalschutzes aufwiegen bzw. überwiegen könnten, hat die Klägerin nichts vorgetragen.
Die im Rahmen der Ablehnungsentscheidung von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist, soweit sie einer Überprüfung durch das Gericht unterliegt (§ 114 Satz 1 VwGO), nicht zu beanstanden.
Die Frage der Verunstaltung nach Art. 8 BayBO kann dahinstehen.
2.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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