Baurecht

Veränderungssperre, Bekanntmachung durch Niederlegung im Rathaus und Anschlag an den Gemeindetafeln

Aktenzeichen  1 ZB 19.224

Datum:
29.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10958
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 26 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 11 K 16.4006 2018-09-13 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 110.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses mit 11 Wohneinheiten und einer Tiefgarage auf den Grundstücken FlNr. … und …, Gemarkung B …
Der Beklagte lehnte die Erteilung der Baugenehmigung ab. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die am 9. August 2018 durch Niederlegung im Rathaus und Anschlag an den Gemeindetafeln bekannt gemachte Veränderungssperre der Beigeladenen stehe dem Bauvorhaben entgegen.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. wurde nicht dargelegt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Veränderungssperre wirksam bekannt gemacht wurde. Eine Veränderungssperre ist eine Satzung (§ 16 Abs. 1 BauGB) und nach § 16 Abs. 2 BauGB, Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO bekanntzumachen. Dabei lassen Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GO und § 1 Abs. 1 der Bekanntmachungsverordnung (BekV) es ausdrücklich zu, dass eine Gemeinde in ihrer Geschäftsordnung als Bekanntmachungsart die Niederlegung in der Verwaltung der Gemeinde und Bekanntgabe der Niederlegung durch Anschlag an den Gemeindetafeln vorsieht. Voraussetzung dafür ist, dass die Gemeinde über kein eigenes Amtsblatt verfügt oder kein sonstiges regelmäßig erscheinendes Druckwerk als Ort amtlicher Bekanntmachungen bestimmt hat (vgl. BayVGH, U.v. 15.5.2014 – 8 ZB 12.2077 – BayVBl. 2015, 275). Die Beigeladene, die über kein eigenes Amtsblatt verfügt, hat in ihrer Geschäftsordnung (§ 35 Abs. 1) die Niederlegung in der Gemeindeverwaltung und die Bekanntgabe der Niederlegung durch Anschlag an den Gemeindetafeln als Form der Bekanntmachung allgemein bestimmt (vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 1 BekV). Soweit das Zulassungsvorbringen ausführt, dass die vorgenommene Bekanntmachung gegen das Rechtsstaatsgebot und das Gebot der Rechtssicherheit verstoße, da die Beigeladene in der Vergangenheit und auch aktuell Veränderungssperren im Amtsblatt des Landkreises bekanntgemacht habe, zeigt es keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf. Denn die Geschäftsordnung der Beigeladenen sieht in § 35 Abs. 3 vor, dass über Satzungen und Verordnungen nach dem BauGB bzw. deren anstehende Veränderungen im Amtsblatt des Landkreises nur zusätzlich (nichtamtlich) unterrichtet wird. Dies ergibt sich auch aus den vorgelegten Veröffentlichungsbeispielen. Dass diese zusätzliche Unterrichtung vorliegend nicht erfolgt ist, stellt keinen Bekanntmachungsfehler dar. Wie die Beigeladene vorgetragen hat, werden zudem die amtlichen Bekanntmachungen regelmäßig auf der Homepage veröffentlicht und damit eine weitere Informationsmöglichkeit geschaffen. Dies ist auch vorliegend geschehen.
2. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, dass der Veränderungssperre keine sicherungsfähige Planung zugrunde liege. Nach § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen. Eine Veränderungssperre ist unzulässig, wenn sich der Inhalt der beabsichtigten Planung noch in keiner Weise absehen lässt, wenn die Gemeinde lediglich beschließt zu planen oder wenn die Gemeinde nur das städtebaulich Unerwünschte feststellt (vgl. BayVGH, U.v. 25.3.2010 – 2 N 06.3192 – juris Rn. 22 m.w.N.). Der von der Veränderungssperre flankierte Aufstellungsbeschluss muss lediglich ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Gegenstand und Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans bzw. der zu erwartenden Bebauungsplanänderung ist und welchen Inhalt die neue Planung haben soll. Die Gemeinde muss aber bereits positive planerische Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans so weit entwickelt haben, dass diese geeignet sind, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu steuern (vgl. st. Rspr BVerwG, B.v. 22.1.2013 – 4 BN 7.13 – juris Rn. 3; B.v. 1.10.2009 – 4 BN 34.09 – NVwZ 2010, 42; U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120,138). Dagegen ist es nicht erforderlich, dass die Planung bereits einen Stand erreicht hat, der nahezu den Abschluss des Verfahrens ermöglicht. Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept ist nicht erforderlich. Auch das Abwägungsmaterial muss noch nicht vollständig vorliegen. Hieran gemessen bestehen im Hinblick auf eine sicherungsfähige Planung keine Bedenken. Die Veränderungssperre dient der Sicherung der Planung des Bebauungsplans Nr. 95 im ergänzenden Verfahren. Ziel dieses Bebauungsplans ist die Erhaltung der Gebietsstruktur durch die Festsetzung von Einzel- und Doppelhäusern, der maximal zulässigen Wohneinheiten pro Wohngebäude und privater Grünflächen. Dies genügt den Anforderungen an eine sicherungsfähige Planung. Soweit das Zulassungsvorbringen ausführt, dass im Planungsziel ein unauflösbarer Widerspruch bestehe, da durch die Planung mehr als 100 Wohneinheiten zusätzlich im Plangebiet zugelassen würden, dies mit dem Ziel der Vermeidung einer Verkehrsüberlastung der E …straße nicht in Einklang gebracht werden könne und es daher an einer Erforderlichkeit der Planung fehle, lässt es unberücksichtigt, dass die Verteilung der zusätzlichen Wohneinheiten gleichmäßig über das gesamte Plangebiet erfolgen und damit eine punktuelle Überlastung einzelner Straßen gerade vermieden werden soll.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, ihr auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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