Baurecht

Vergaberecht: Ordensgemeinschaften sind keine öffentlichen Auftraggeber

Aktenzeichen  RMF-SG21-3194-3-40

Datum:
30.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8078
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 99 Nr. 2, Nr. 4

 

Leitsatz

1. Eine falsche Angabe der Zuständigkeit der Vergabekammer in der Auftragsbekanntmachung kann keine Zuständigkeit der Vergabekammer begründen. Die Anwendbarkeit des GWB bestimmt sich objektiv nach dem Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsmerkmale zur öffentlichen Auftraggebereigenschaft und zum öffentlichen Auftrag. (Rn. 40)
2. Wie die Kirchen sind die Ordensgemeinschaften weder juristische Personen des öffentlichen Rechts im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB noch wurden sie zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen. (Rn. 42)
3. § 99 Nr. 4 GWB stellt auf Tief- und Hochbaumaßnahmen oder auf damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen und Wettbewerbe ab. Der Begriff Bauleistung setzt eine Arbeitsleistung am Bauwerk voraus. Hierzu zählen die handwerklichen Leistungen vor Ort. Die bloße Lieferung von Baustoffen und Bauteilen ohne individuelle auf das Bauvorhaben bezogene Verarbeitung haben keinen hinreichenden engen funktionalen Zusammenhang zu der Erstellung des Bauwerks. Sie zählen nicht zu den Bau-, sondern zu den Lieferaufträgen. (Rn. 48 – 51)

Tenor

1. Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
2. Die Vergabestelle trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x….,- €.
Auslagen sind nicht angefallen.

Gründe

B e g r ü n d u n g:
1. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, da es an der Eigenschaft der VSt als öffentlicher Auftraggeber fehlt.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Bei dem ausgeschriebenen Vertrag handelt es sich um einen Lieferauftrag im Sinne von § 103 Abs. 2 GWB.
c) Der Schwellenwert ist überschritten ( § 106 GWB).
d) Der Nachprüfungsantrag ist nicht deshalb zulässig, weil die Bekanntmachung den Hinweis enthält, dass die Vergabekammer Nordbayern für die Überprüfung der Vergabeentscheidung zuständig sei. Eine falsche Angabe kann keine Zuständigkeit der Vergabekammer begründen. Zwar mag die europaweite Ausschreibung eine Selbstbindung der VSt auf die Einhaltung dieser Vorschriften bewirken. Zudem kann die VSt durch haushaltsrechtliche Vorgaben des Zuwendungsgebers, der die Lieferung der Infusionstechnik finanziert, dazu verpflichtet sein, das Vergaberecht anzuwenden. Dies bewirkt jedoch nicht, dass der 4. Teil des GWB mit dem entsprechenden Rechtsschutz anwendbar ist. Die Anwendbarkeit des GWB bestimmt sich objektiv nach dem Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsmerkmale zur öffentlichen Auftraggebereigenschaft und zum öffentlichen Auftrag. Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB sowie sonstige Ansprüche können vor der Vergabekammer nur gegenüber öffentlichen Auftraggebern geltend gemacht werden (§ 156 Abs. 2 GWB).
e) Der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen ist nicht eröffnet, weil die VSt nicht den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 GWB zuzuordnen ist. Die Vergabe unterliegt damit nicht dem Anwendungsbereich des GWB.
aa) Die VSt ist kein öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 GWB. Wie die Kirchen sind die Ordensgemeinschaften weder juristische Personen des öffentlichen Rechts im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB noch wurden sie zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen.
Die VSt ist als … in die „… Orden… …“ eingegliedert und wird von ihr finanziert und beaufsichtigt. Weder die „… Orden… …“ noch die darin integrierte … werden gemäß § 99 Nr. 2 Buchstabe a – c GWB von der öffentlichen Hand finanziert oder geleitet.
Öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB sind juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern sie überwiegend von Stellen der öffentlichen Hand beherrscht werden.
Im vorliegenden Fall hat die Qualifikation als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht die Funktion, das … der Staatsverwaltung einzugliedern. Die Kirchen und Ordensgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind angesichts der religiösen und konfessionellen Neutralität des Staates nicht mit anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu vergleichen, die in den Staat organisatorisch eingegliederte Organisationen sind. Im Hinblick auf die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) und die staatskirchenrechtliche Neutralität (insbesondere Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV) darf der Staat auch keinerlei Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen nehmen. Daher dürfen die öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen nicht solchen öffentlich-rechtlichen Körperschaften gleichgestellt werden, die in den Staat organisatorisch eingegliedert sind. Kirchen bilden einen Teil der Gesellschaft, nicht des Staates. Sie werden nicht personell oder inhaltlich staatlich gelenkt (Zeiss in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 99 GWB, Rdnr. 100). Die Ordensgemeinschaft und die darin eingegliederte … unterliegen weder in finanzieller noch in personeller Hinsicht einer staatlichen Beherrschung.
Das … wurde nicht zu dem Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen.
Die karitative Tätigkeit der … hat ihren Ursprung in dem kirchlichen Auftrag, der auch seelsorgerische Aufgaben und die tätige Liebe am Nächsten umfasst. Tätige Liebe am Nächsten üben kirchliche Organisationen aus, indem sie Aufgaben im sozialen Bereich erfüllen, wie die Armenfürsorge und Wohlfahrt, Gesundheit und Erziehung – hier den Betrieb eines Krankenhauses. Die karitative Tätigkeit eines Ordens hat somit einen anderen Ursprung und eine andere Zwecksetzung als die des Staates. Diese andere Zwecksetzung hat zur Folge, dass die Ordensgemeinschaft der … nicht als Einrichtung qualifiziert werden kann, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 98 GWB, Rdnr. 89).
bb) Die VSt ist auch nicht den Auftraggebern nach § 99 Nr. 4 GWB zuzuordnen. § 99 Nr. 4 GWB stellt auf Tief- und Hochbaumaßnahmen oder auf damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen und Wettbewerben ab.
Bei den verfahrensgegenständlichen Leistungen handelt es sich nicht um Bauleistungen oder mit Bauleistungen verbundenen Dienstleistungen, sondern um einen Lieferauftrag. Nach § 103 Abs. 2 GWB sind Lieferaufträge Verträge zur Beschaffung von Waren.
Der Begriff Bauleistung setzt eine Arbeitsleistung am Bauwerk voraus. Hierzu zählen die handwerklichen Leistungen vor Ort. Die bloße Lieferung von Baustoffen und Bauteilen ohne individuelle auf das Bauvorhaben bezogene Verarbeitung haben keinen hinreichenden engen funktionalen Zusammenhang zu der Erstellung des Bauwerks. Sie zählen nicht zu den Bau-, sondern zu den Lieferaufträgen (OLG München v. 28.09.2005 – Verg 19/05).
Nach diesen Grundsätzen sind die verfahrensgegenständlichen Leistungen nicht als Bauleistungen, sondern als Lieferleistungen einzustufen. Eine Arbeitsleistung am Bauwerk erfolgt hier nicht. Die ausgeschriebene Infusionstechnik ist nicht in das Gebäude fest eingebaut und kann ohne handwerkliche Bauleistung in Betrieb genommen, ausgetauscht oder abgebaut werden. Sie hat keinen hinreichenden engen funktionalen Zusammenhang mit der Erstellung des Bauwerkes und ist dementsprechend als Lieferleistung einzuordnen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die ASt hätte grundsätzlich nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist. Nach § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB können Kosten, die durch „Verschulden“ eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden.
Die VSt hat in der Bekanntmachung vom 24.10.2018 die Vergabekammer Nordbayern ausdrücklich als Nachprüfungsinstanz angegeben. Entschließt sich eine Vergabestelle zu dem rechtlichen Hinweis auf das Nachprüfungsverfahren nach dem GWB, erweckt sie damit den Eindruck, die Voraussetzungen seien geprüft und zutreffend bejaht worden (OLG München v. 02.09 2015 – Verg 06/15). Zudem hat die VSt in ihrer Antwort auf die Rüge vom 14.11.2018 als öffentlicher Auftraggeber geantwortet. Damit hat sie einen Rechtsschein gesetzt, dass vorliegend ein Nachprüfungsverfahren zulässig sei.
Daher sind von der VSt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt zu tragen.
b) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die ASt notwendig (§ 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der VSt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
c) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen. Da die ASt kein Angebot abgegeben hat, konnte die Vergabekammer zur Berechnung der Verfahrenskosten ein solches nicht heranziehen. Die Vergabekammer ist zur Berechnung der Verfahrenskosten daher von den durch die VSt geschätzten Kosten ausgegangen. Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x….,- €.
Da am Verfahren keine Beigeladene teilgenommen hat und die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erging, ermäßigt sich die Gebühr auf x….,- €.
d) Der geleistete Kostenvorschuss von 2.500,- € wird nach Bestandskraft dieses Beschlusses an die Antragstellerin zurücküberwiesen.


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