Baurecht

Vergabeverfahren: Anforderungen an die Auftragsbekanntmachung

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-30-06/17

Datum:
16.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VgV § 8 Abs. 2, § 41 Abs. 1, § 46 Abs. 3, § 48 Abs. 1
GWB § 97 Abs. 6, § 103 Abs. 2, Abs. 4, § 122 Abs. 4 S. 2, § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

1. Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Nach § 48 Abs. 1 VgV ist in der Auftragsbekanntmachung neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 VgV und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.  (Rn. 95)
2. Diese Angaben können auch dadurch gemacht werden, dass der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung nach § 41 Abs. 1 VgV eine elektronische Adresse angibt, unter der die Vergabeunterlagen (und damit auch die Eignungskriterien sowie die Informationen nach § 48 Abs. 1 VgV) unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können. (Rn. 96)
3. Sind die bekanntgemachten Eignungskriterien unklar oder auslegungsbedürftig und wird dies nicht rechtzeitig gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GWB geltend gemacht, ist eine möglichst bieterfreundliche Auslegung zu wählen, da die Unklarheiten nicht zu Lasten der Bieter gehen dürfen. (Rn. 90 und 111)

Tenor

1.Den Antragsgegnern wird untersagt, im streitgegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
2.Das Vergabeverfahren wird in den Stand der Eignungsprüfung zurückversetzt. Bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht werden die Antragsgegner verpflichtet, die Eignungsprüfung der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
3.Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
4.Die Antragsgegner und die Beigeladene tragen gesamtschuldnerisch ¾ der Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen), die Antragstellerin trägt ¼ der Kosten des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird auf …,00 € festgesetzt.    
5.Die Antragsgegner und die Beigeladene tragen jeweils ⅜ der zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Die Antragstellerin trägt ¼ der zur Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegner und der Beigeladenen.
6.Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten aller Parteien wird für notwendig erklärt. 

Gründe

I.
Die Antragsgegner beabsichtigen die Vergabe einer Rahmenvereinbarung mit drei Rahmenvereinbarungspartnern über Mediadienstleistungen. Die Rahmenvereinbarung umfasst nationale (…) und landesweite (…) Kampagnen.
Dabei soll die Masse der Einzelaufträge (ca. 90% des vorgesehenen Jahresvolumens) in Höhe von 12 Mio. €, inklusive 3 Mio. € Gegengeschäft) prinzipiell an den wirtschaftlichsten Bieter vergeben werden. Die Auftragnehmer der restlichen Einzelaufträge sollen, bei einer Einzelauftragssumme von mehr als 400.000 Euro, in einem Miniwettbewerb (Pitch) unter den 3 Rahmenvereinbarungspartnern ermittelt werden. Die Vertragspartner werden dann aufgefordert Lösungsvorschläge und Preise für die jeweilige Aufgabenstellung anzubieten. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots soll nach der gleichen Vorgehensweise, wie bei dieser Ausschreibung erfolgen.
Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte am 16.02.2017 im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb.
Unter Ziffer I.3 der Bekanntmachung befand sich ein Link, unter dem die Vergabeunterlagen uneingeschränkt, vollständig und direkt zugänglich gemacht wurden. Unter den zugänglichen Unterlagen befand sich das Dokument „Vergabe- und Auftragsabwicklung“, das u.a. die Eignungskriterien enthielt.
Unter Ziffer III.1.2 der Bekanntmachung  „Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ war vermerkt:
Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen
Unter Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung  „Technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ war ebenfalls vermerkt:
Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen
Nach dem Dokument „Vergabe- und Auftragsabwicklung“ waren mit dem Teilnahmeantrag u.a. einzureichen:
– Erklärung oder ein Nachweis, dass die Agentur ein jährliches Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro erzielt (A-Kriterium)
– Eine Erklärung oder ein Nachweis, dass die Agentur über einen festen Personalstamm von mindestens 20 Mitarbeitern, davon mindestens drei Media-Direktoren und/oder mindestens vier eigenständige Units bzw. Teams verfügt (A-Kriterium)
Die Antragstellerin und die Beigeladene beteiligten sich mit weiteren Bewerbern am Teilnahmewettbewerb.
Am 20.02.2017 stellte die Beigeladene folgende Bieterfrage:
„In Ihrem Anschreiben zu o.g. Ausschreibung formulieren Sie bei den Kriterien, die erfüllt werden müssen:
„- Erklärung oder Nachweis, dass die Agentur ein jährliches Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro erzielt (A-Kriterium)“
Wir gehen davon aus, dass Sie mit dieser Summe das Billing-Volumen meinen, dass die Agentur verwaltet bzw. als Schaltvolumen in den Medien platziert.
Ist dem so?“
Darauf antworteten die Antragsgegner:
„Billing-Volumen ist gemeint.“
Die Bieterfrage und ihre Beantwortung wurden den Bewerbern bekanntgegeben.
Ziffer 3.2 der Vergabebedingungen und Auftragsabwicklung ist zu entnehmen, dass die Kriterien der Vergabestelle eine Entscheidung darüber ermöglichen soll, ob der Bieter die notwendige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt. Fehlende Fachkunde, Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit führt zum Ausschluss des Bieters wegen Ungeeignetheit. Die Forderungen und Fragen sind jeweils kenntlich gemacht durch nachgestellte Buchstaben in Klammern.
– Ausschlusskriterium (A) (ist mit Ja oder Nein zu beantworten)
Wird ein Ausschlusskriterium nicht erfüllt bzw. die gekennzeichnete Frage/Forderung nicht beantwortet, wird der Teilnahmeantrag nicht berücksichtigt; auch wenn er beispielsweise auf anderen Gebieten besonders gut zu bewertende Angaben enthält.
Weiter hieß es, dass Teilnahmeanträge, die auch nur ein A-Kriterium nicht erfüllen, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs haben die Antragsgegner mit Schreiben vom 06.04.2017 die sechs besten Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert.
Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 06.04.2017 zur Angebotsabgabe aufgefordert und hat sich mit Angebot vom 08.05.2017 an dem Vergabeverfahren beteiligt.
Mit Schreiben vom 12.06.2017 wurde der Antragstellerin über die Vergabeplattform mitgeteilt, dass ihr Angebot an zweiter Stelle liege und daher beabsichtigt sei, ihr den Zuschlag (lediglich) als weiterer Rahmenvertragspartner frühestens am 23.06.2017 zu erteilen, sofern kein Mitbewerber rechtliche Schritte gegen diese Entscheidung einleite.
Diese Entscheidung rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.06.2017. So sei die Beigeladene nicht für die Zuschlagserteilung geeignet, weil sie kein Umsatzvolumen von EUR 100 Mio. erziele. Maßgeblich müsse insofern das bilanziell wirksame Umsatzvolumen und nicht das „Billingvolumen“ sein. Außerdem erfülle die Beigeladene nicht die Anforderungen an die Personalstärke.
Mit Schreiben vom 16.06.2017 teilten die Antragsgegner mit, dass sie der Rüge nicht abhelfen würden. Zum einen sei hinsichtlich des Umsatzvolumens gemäß seiner Antwort auf Bieterfragen vom 22.02.2017 das „Billingvolumen“ und nicht nur das bilanziell wirksame Umsatzvolumen maßgeblich. Zudem habe die Beigeladene eine umfassende Darstellung der vier Units und der drei Mediadirektoren geliefert. Ferner habe sie die Namen von mehr als 20 festangestellten Mitarbeitern vorgelegt und bestätigt, dass diese Angaben noch aktuell seien.
Mit Schreiben vom 20.06.2017 rügte die Antragstellerin, dass die Beigeladene auch kein „Billingvolumen“ von 100 Mio. Euro erreiche. Dies ergebe sich aus öffentlich zugänglichen Quellen. Im Übrigen halte sie ihre Rüge aufrecht, dass die Angaben zur Personalstärke geschönt sein müssten. Mit Schreiben vom 21.06.2017 erwiderten die Antragsgegner, dass sie den Rügen auch weiterhin nicht abhelfen würden.
Weil die vorangegangene Rüge die Antragsgegner nicht zur Änderung ihrer Rechtsauffassung bewegte, beantragte die Antragstellerin am 21.06.2017 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und weiter:
1. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
2. den Antragsgegnern zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, und sie anzuweisen, stattdessen den Zuschlag für den in diesem Vergabeverfahren erstplatzierten Bieter auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen;
3. hilfsweise, andere zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin gebotene Anordnungen zu treffen;
4. den Antragsgegnern die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;
5. festzustellen, dass unsere Hinzuziehung durch die Antragstellerin erforderlich war
6. der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren.
Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass die Beigeladene wegen fehlender Eignung vom Vergabeverfahren auszuschließen sei, da sie zum einen nicht die Anforderungen an das Umsatzvolumen erfülle. Zum anderen erfülle sie nicht die Mindestanforderungen an die Personalstärke.
Die Antragsgegner hätten in einer Bieterfrage klargestellt, dass mit Umsatzvolumen das sog. „Billingvolumen“ gemeint sei. Unter dem Begriff „jährliches Billingvolumen“ sei nach allgemeinem Branchenverständnis die Summe der von einer Media-Agentur bei den Medien platzierten Kunden-Etats in einem Kalenderjahr zu verstehen. Die „Billingvolumina“ sämtlicher werbetreibenden Kunden würden in vielen Ländern, u.a. auch in Deutschland, von der unabhängigen Nielsen Company (US) LLC („Nielsen“) erfasst und von dieser in einer Datenbank kostenpflichtig, aber grundsätzlich für jedermann zugänglich, bereitgestellt werden.
Die Beigeladene habe ihrem Teilnahmeantrag angeblich eine Bestätigung beigefügt, dass sie die Anforderung an ein „Billingvolumen“ von mindestens 100 Mio. Euro erfülle. Zudem habe sie den Antragsgegnern angeblich eine Bestätigung über ihr „Nielsen Billingvolumen“ für das Jahr 2016 vorgelegt, womit angeblich belegt werde, dass ihr „Billingvolumen“ im Jahr 2016 über 100 Mio. Euro lag. Nach den Recherchen der Antragstellerin entsprächen diese Angaben aber nicht den Tatsachen. Das „Billingvolumen“ der Beigeladenen habe nach Kenntnis der Antragstellerin in den letzten Jahren deutlich unter 100 Mio. Euro gelegen. Nach den von Nielsen erfassten Daten habe das „Billingvolumen“ der Beigeladenen in den Jahren 2015 bei ca. 63,1 Mio. Euro, 2016 bei ca. 57,8 Mio. Euro und 2017 (bis einschließlich Mai 2017) bei ca. 29, 3 Mio. Euro gelegen. Die Angaben der Beigeladenden bezüglich ihres „Billingvolumens“ könnten daher nicht richtig sein. Damit erfülle die Beigeladene die Mindestanforderungen an die Eignung nicht und sei zwingend auszuschließen, weil öffentliche Aufträge nur an geeignete Bieter vergeben werden dürften (§ 122 GWB).
Die Antragstellerin habe zudem erhebliche Zweifel, dass die Angaben der Beigeladenen zur Personalstärke so stimmen. Zumindest im Zeitpunkt der Abgabe des Teilnahmeantrags habe die Beigeladene wohl keinen festen Personalstamm von 20 Mitarbeitern vorweisen können. Unter einem festen Personalstamm könne man nur fest angestellte Mitarbeiter verstehen, also Personen, die einen nicht nur befristeten Arbeitsvertrag mit der Media-Agentur haben, nicht jedoch „Freelancer“, die als Selbständige für Media-Agenturen tätig seien, oder befristet Beschäftigte. Zudem seien Auszubildende und Praktikanten nicht mitzuzählen. Auch Halbtags- oder TeilzeitBeschäftigte dürften nur als halbe Kräfte bzw. mit einem entsprechendem Prozentsatz mitgerechnet werden. Die entsprechenden Stellen müssten in Vollzeitbeschäftigte umgerechnet werden. Ansonsten komme es zu Verzerrungen hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Mitarbeiterzahlen. Zudem dürften Angestellte, die sich in Elternzeit befinden, nicht mitgezählt werden.
Nach Kenntnis der Antragstellerin habe und liege der „feste Personalstamm“ der Beigeladenen unter 20 Mitarbeitern, wobei insofern darauf hinzuweisen sei, dass selbst mit einem festen Personalstamm von 20 Mitarbeitern der hier ausgeschriebene Auftrag nicht ordnungsgemäß zu bewältigen wäre.
Im Übrigen bestätige der Ausdruck von der Website der Beigeladenen, dass diese nur zwei Units habe, denn sie benenne in ihrer Team-Übersicht nur zwei „Unit-Leiter“. Nach den Vergabeunterlagen sei aber entweder der Nachweis von drei Media-Direktoren und/oder von vier selbständigen Units gefordert gewesen.
Höchst vorsorglich rüge die Antragstellerin, dass eine angebliche Eignungsleihe nach § 47 VgV (vgl. Rügebeantwortung vom 16.06.2017) nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, insbesondere keine wirksame Verpflichtungserklärung des Eignungs-Verleihers mit dem Teilnahmeantrag oder dem Angebot vorgelegt worden sei.
Die Vergabekammer informierte die Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 22.06.2017. Diese legten die Vergabeunterlagen vor.
Mit Antragserwiderung vom 04.07.2017 beantragten die mittlerweile anwaltlich vertretenen Antragsgegner:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegner wird für notwendig erklärt.
Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, soweit die Antragstellerin die festgelegten Eignungsnachweise und Eignungskriterien im Nachhinein in Frage stelle und der Beigeladenen durch Vermutungen „ins Blaue hinein“ die Eignung abspreche; soweit er dies nicht sei, sei er unbegründet. Der begehrte Ausschluss der Beigeladenen mangels Eignung sei weder veranlasst noch sei für ihn Raum.
Die Beigeladene sei zutreffend zur Angebotsabgabe aufgefordert worden, da der Teilnahmeantrag den in den Vergabeunterlagen gestellten Anforderungen entspreche. Ein Ausschlussgrund habe nicht vorgelegen. Nach § 122 Abs. 2 GWB sei ein Unternehmen geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber „im Einzelnen festgelegten“ Kriterien zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags erfülle. Dies sei vorliegend der Fall. Nach den Teilnahmebedingungen sei eine Eigenerklärung oder ein Nachweis darüber, dass die Agentur ein jährliches Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro erzielt (Ziffer 7. 1 der Vergabeunterlagen) vorzulegen gewesen. Eine entsprechende Eigenerklärung habe die Beigeladene form- und fristgerecht mit den Teilnahmeantragsunterlagen bei der Vergabestelle der Antragsgegner eingereicht. Gleiches gelte für die nach den Vergabeunterlagen mit dem Teilnahmeantrag vorzulegende Eigenerklärung bzw. den Nachweis, dass die Agentur über einen festen Personalstamm von mindestens 20 Mitarbeitern, davon mindestens drei Media-Direktoren und / oder mindestens vier eigenständige Units bzw. Teams verfügt (ebenfalls Ziffer 7. 1 der Vergabeunterlagen). Auch diese Eigenerklärung sei von der Beigeladenen form- und fristgerecht mit dem Teilnahmeantrag vorgelegt worden.
Die Eigenerklärungen der Beigeladenen hätten zunächst keinen Anlass dazu gegeben, ihren Inhalt oder ihre Richtigkeit zu hinterfragen. Auch bei der Bewertung der Teilnahmeanträge durch Vertreter der zuständigen Fachabteilungen, die insoweit auch über entsprechende Markt- und Branchenkenntnisse verfügen, hätten sich keine Hinweise auf eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vorliegenden Erklärungen ergeben. Daher sei weder eine Aufklärung noch eine Nachforderung geboten gewesen und es habe erst recht keinerlei Anlass für einen Ausschluss der Beigeladenen vom weiteren Verfahren bestanden. Auf die Hinweise der Antragstellerin bzgl. ihrer Zweifel an der Eignung der Beigeladenen hätten sich die Antragsgegner an die Beigeladene gewandt und um weitere Informationen gebeten. Daraufhin, habe die Beigeladene entsprechende Unterlagen vorgelegt, die Angaben in den Eignungsnachweisen erhärten sollten.
Diese weiteren Unterlagen hätten die Antragsgegner geprüft und die Angaben in den Eigenerklärungen anhand dieser Unterlagen verifizieren können. Somit habe nach wie vor für die Antragsgegner kein Anlass bestanden, an der Eignung der Beigeladenen zu zweifeln und diese vom weiteren Verfahren auszuschließen.
Im Übrigen habe auch die Antragstellerin in ihrem eigenen Teilnahmeantrag nur eine entsprechende Eigenerklärung eingereicht, ohne weitere Unterlagen oder Belege beizufügen.
Soweit die Antragstellerin inhaltlich mit angeblichen Anforderungen an die Qualifikation von Media-Direktoren, die Zahl der Beschäftigten oder die Größe von Units argumentiere, sei dazu festzustellen, dass diese Anforderungen in den Vergabeunterlagen nicht festlegt worden seien. Daher hätten die Antragsgegner die vorgetragenen Aspekte gar nicht berücksichtigten dürfen.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
Mit Beschluss vom 28.08.2017 wurde der Bieter, dessen Interessen im streitgegenständlichen Vergabeverfahren von der Entscheidung der Vergabekammer in erheblicher Weise berührt sein könnten, beigeladen.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 28.08.2017 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 15.09.2017 um 10.30 Uhr geladen.
Der Antragstellerin und der Beigeladenen wurde mit Schreiben vom 29.08.2017 Einsicht in den Vergabevermerk gem. § 8 Abs. 2 VgV der Vergabestelle gewährt und der Antragstellerin darüber hinaus auch in die Kommunikation (vier E-Mails aufgrund ihrer Rügen) zwischen den Antragsgegnern und der Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 31.08.2017 nahm die Antragstellerin zur Antragserwiderung und der ihr gewährten Akteneinsicht Stellung.
Die Beigeladene habe sich offenbar auch Werbeetats vollumfänglich als „Billingvolumen“ zugerechnet, in denen sie lediglich beratend tätig war. Reine Beratungsmandate müssten aber bei der Berechnung des Billingvolumens unberücksichtigt bleiben. Billingvolumen sei nämlich nach allgemeinem Branchenverständnis die Höhe des von einer Agentur bei den Medien eingekauften Werbevolumens. Das Billingvolumen spiegele also die Einkaufstätigkeit der Agentur für die Kunden wider. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Agentur gegenüber den Medien im eigenen Namen auf eigene Rechnung, im eigenen Namen auf fremde Rechnung oder als Vertreter im Namen. des Kunden handelt. Auch Ziff. 3.3 des OWM-Mustervertrags liste diese drei Varianten der Einkaufstätigkeit einer Agentur auf, nicht jedoch die Beratungstätigkeit. Es wäre auch absurd, wenn sich eine Agentur wegen einer rein beratenden Tätigkeit das Billingvolumen eines Kunden zurechnen könnte. Nur diejenige Agentur, die tatsächlich den Etat bei den Medien platziere, könne sich diesen als Billingvolumen zurechnen. Schließlich sei es nicht unüblich, dass große Unternehmen bis zu 15 Media-Berater engagieren. Die Beratung könne sich dabei auf kleine Aufgaben beschränken (z.B. 3 Stunden Mediaanalyse). Selbstverständlich könne sich eine Agentur nicht aufgrund einer rein beratenden Tätigkeit das Billingvolumen dieses Unternehmens (z.B. EUR 300 Mio.) zurechnen. Die beratende Agentur habe mit dem Einkauf und der Schaltung des Werbeetats bei den Medien nichts zu. In dem hier gewählten Beispiel würden sich dann 15 Berater das gleiche Billingvolumen vollumfänglich zurechnen können, obwohl viele davon möglicherweise nur ganz periphere Tätigkeiten bei der Betreuung eines Werbeetats ausgeübt hätten.
Sie erklärte, dass sie die Richtigkeit der von der Beigeladenen gemachten Angaben zum „Billingvolumen“ bezweifle. Die Beigeladene habe sich einfach Kunden bzw. Umsätze zugerechnet, die sie selbst nicht oder zumindest nicht beim Einkauf der Medien betreut habe. Die Ausführungen würden zeigen, dass sich die Beigeladene offenbar auch Werbeetats vollumfänglich als „Billingvolumen“ zugerechnet hab, in denen sie lediglich beratend tätig gewesen sei. Reine Beratungsmandate müssten aber bei der Berechnung des „Billingvolumens“ unberücksichtigt bleiben. „Billingvolumen“ sei nämlich nach allgemeinem Branchenverständnis die Höhe des von einer Agentur bei den Medien eingekauften Werbevolumens. Das „Billingvolumen“ spiegle also die Einkaufstätigkeit der Agentur für die Kunden wider.
Zudem erscheinen die Zahlen der Beigeladenen in ihrer Übersicht über das vermeintliche „Billingvolumen“ teilweise manipuliert, denn in dieser Übersicht würden auffallend oft Daten mit glatten Euro-Beträgen oder gar 1.000-Euro-Beträgen auftauchen. Dies wäre für Original-Daten aus der Nielsen-Datenbank ungewöhnlich, weil sie immer auf den Cent genau angegeben werden. Es werde daher bestritten, dass es sich bei den Angaben der Beigeladenen zu ihren vermeintlichen „Nielsen-BilIingvolumen“ 2016 tatsächlich um die Angaben aus der Nielsen-Datenbank handele.
Die Antragstellerin habe außerdem keine pauschalen Behauptungen hinsichtlich der fehlenden Eignung der Beigeladenen aufgestellt. Vielmehr habe die Antragstellerin umfangreiche Recherchen angestellt und dezidiert dargelegt, warum sie die Erklärungen der Beigeladenen für falsch halte.
Die Antragstellerin führt weiterhin aus, dass nach ihren Nachforschungen sich die Beigeladene das Billingvolumen für den Kunden W… zu Unrecht zugerechnet habe, da andere Agenturen für diesen den Medieneinkauf für das Medium Fernsehen und das Medium Plakate durchführe. Dazu bot sie als Beweis die Zeugeneinvernahme von Frau S… von der S… Media GmbH und Herrn Sch… von der St… Sales & Services GmbH an.
Zudem gehe die Antragstellerin davon aus, dass sich die Beigeladene unberechtigter Weise einfach „Billingvolumen“ zugerechnet habe ohne den Medieneinkauf tatsächlich übernommen zu haben. Die Antragstellerin wisse nicht, welche weiteren Beratungs- oder Fremdmandate die Beigelade in ihre Liste angegeben habe. Da noch zahlreiche weitere Angaben in der Liste der Beigeladenen falsch seien, würde eine umfangreiche Aufklärung ergeben, dass das „Billingvolumen“ der Beigeladenen im Jahr 2016 eigentlich niedriger liege und das Mindestumsatzvolumen nicht erreicht werde.
Die Antragstellerin bleibe weiterhin auch dabei, dass die Beigeladene unter Berücksichtigung von „Vollzeit-Äquivalenten“ nicht die geforderte Mindestanzahl von 20 Mitarbeitern hatte und habe. Als Einheit für die Anzahl der Beschäftigten könne allein ein „VolIzeit-Äquivalent“ maßgeblich sein, weil ansonsten die Anforderung mit 20 Minijobbern (450 Euro-Jobs) erfüllt werden könne, die schließlich auch fest angestellt seien. Ohne Umrechnung in Vollzeit-Äquivalente wären die Zahlen der Bieter überhaupt nicht vergleichbar.
Zudem zeige die im Rahmen der Akteneinsicht vorgelegte Liste, dass die Beigeladene erst in jüngerer Zeit eine Vielzahl von Personen eingestellt habe. Vier Mitarbeiter habe sie erst nach dem 01.04.2017, also nach Abgabe des Teilnahmeantrags, eingestellt und sechs weitere Mitarbeiter seit dem 01.01.2017. Die Vergabeunterlagen hätten jedoch einen festen Personalstamm von mindestens 20 Mitarbeiten als Mindestkriterium gefordert. Frisch eingestellte Mitarbeiter könnten schlechterdings nicht zum festen Personalstamm gezählt werden. Ziehe man die zehn erst 2017 eingestellten Mitarbeiter ab, liege die Mitarbeiterzahl der Beigeladenen unter 20. Daher erfülle die Beigeladene auch aus diesem Grund nicht die Anforderungen der Vergabeunterlagen.
Des Weiteren müsse jede Agentur nach den Vergabeunteralgen über mindestens drei Media-Direktoren und/oder vier eigenständige Units bzw. Teams verfügen, was neben den quantitativen Anforderungen auch noch den qualitativen bzw. strukturellen Bedarf des Antragsgegners bezüglich der Mitarbeiter dokumentiere. Bei einer Gesamtgröße von knapp über 20 Mitarbeitern (nicht umgerechnet in Vollzeit-Äquivalente) erscheine die Erfüllung dieser Qualitätsanforderungen trotz anderslautender schriftlicher Angaben der Beigeladenen äußerst fraglich.
Mit Schreiben vom 06.09.2017 bot die Antragstellerin ergänzend zu der Frage, wer den TV-Werbeetat des Kunden „W…“ einkauft, die Zeugeneinvernahme des Herrn P… von der S… GmbH an.
Die Antragsgegner erwiderten hierauf mit Schriftsatz vom 06.09.2017, dass die Antragstellerin der Beigeladenen zugestehe, den festgelegten Eignungsnachweis (Jährliches Umsatzvolumen von 100 Mio. Euro) erbracht zu haben. Ihr weiteres Vorbringen liefere aus Sicht des Antragsgegners keinen Grund zur Annahme, dass die Angaben im vorgelegten Eignungsnachweis unzutreffend seien. Es sei bereits dargelegt worden, dass „Billingvolumen“ hier das Volumen sei, das die Agentur verwaltet bzw. als Schalt-Volumen in den Medien platziert. Das schließe Beratungsleistungen nicht aus (vgl. Ziff. 2. 1 und 2.2 OVM Mustervertrag). Es bestehe für den Antragsgegner kein Anhaltspunkt, dass die Beigeladene reine Beratungsmandate ohne „Billingvolumen“ angegeben habe.
Es sei auch bereits ausgeführt worden, dass der Auftraggeber hier davon abgesehen hat, das „Billingvolumen“ gemäß „Nielsen-Berichten“ o.ä. zum Eignungskriterien zu erheben und stattdessen eine Eigenerklärung gefordert habe, die die Beigeladene, wie gefordert, abgegeben habe.
Dem nachgeschobenen Vortrag zum Medieneinkauf fehle es bereits an einer substantiierten Darlegung, dass sich die Beigeladene genau diese Umsätze zu eigen gemacht habe.
Zum „festen Personalstamm“ zählten alle Mitarbeiter, mit Ausnahme freier Mitarbeiter. Auf den Einstellungszeitpunkt komme es nicht an. Eine Umrechnung in „Vollzeit-Äquivalente“ (FTE) habe der Antragsgegner für dieses Vergabeverfahren nicht festgelegt. Dies berühre die Antragstellerin nicht in vergaberechtlich geschützten Positionen, zumal sie dies nicht bis zur Angebotsabgabe gerügt habe.
Mit Schreiben vom 07.09.2017 nahm die Beigeladene zu den Vorträgen Stellung. So sei die Eignung der Beigeladenen durch die Antragsgegner zutreffend positiv festgestellt worden. Die Behauptung der Antragstellerin, die Beigeladene habe sich reine Beratungsmandate als „Billingvolumen“ zugerechnet, sei unzutreffend. Zudem seien Beratungsleistungen sehr wohl dem „Billingvolumen“ zuzurechnen. Dieses Verständnis leite sich, wie die Antragsgegner zutreffend ausführten, auch richtigerweise aus den Vertragsmodellen nach dem OVM-Mustervertrag ab. Daneben ergebe sich diese Selbstverständlichkeit auch aus der Vertragspraxis, in welcher der Kunde von der Media-Agentur natürlich (auch) beraten werde. Dies gelte für sämtliche Media-Agenturen und auch für die Antragstellerin. Eine strikte Trennung zwischen Beratung und Einkauf sei insoweit lebensfremd.
Weiterhin sei zwischen den Beteiligten wohl unstreitig, dass die konkrete Definition des „Billingvolumens“ als eingekauftes Werbevolumen unabhängig davon, ob die Agentur gegenüber den Medien im eigenen Namen auf eigene Rechnung, im eignen Namen auf fremde Rechnung oder als Vertreter im Namen des Kunden handele, dem „allgemeinen Branchenpraxis“ und dem üblichen Verständnis des Begriffs „Billingvolumen“ entspreche. Da in den Vergabeunterlagen sowohl die Eigenerklärung als auch ein Nachweis zugelassen gewesen seien, seien die Ausführungen der Antragstellerin zur Alleinverbindlichkeit der Nielsen-Datenbank obsolet. Wieso vorliegend Einschränkungen hinsichtlich der Art und Weise der Darlegung der Anforderung sowohl im Vergabeverfahren als auch im Nachprüfungsverfahren gelten sollen, werde nicht vorgetragen.
Außerdem zeige die von der Beigeladenen vorgelegte Liste zum „Billingvolumen“, dass dies über 100 Mio. Euro liege. Reine Beratungsmandate sowie „Billingvolumen“ anderer Unternehmen seien nicht eingerechnet. Bei allen aufgeführten Kunden betreue die Beigeladene den gesamten Werbeetat beim Medieneinkauf oder handle als Vertreter im Namen des Kunden.
Daneben könne den Ausführungen der Antragstellerin bezüglich der weiteren Einschränkungen, welche diese hinsichtlich der lediglich als „festen Personalstamm“ deklarierten Anforderung ohne den geringsten Anknüpfungspunkt der allein verbindlichen Vergabeunterlagen aufstelle, nicht gefolgt werden. Sehr wohl verfüge die Beigeladene neben den 20 Mitarbeitern als festen Personalstamm sowohl über drei Media-Direktoren als auch über vier selbstständige Units und erfülle damit sogar beide der alternativen Anforderung.
Zur mündlichen Verhandlung am 15.09.2017 wurden mit Schreiben vom 08.09.2017 die Zeugen Sch… und P… geladen.
Aufgrund der kurzfristigen Ladung und der erheblichen Entfernung sowie der einfach zu beantwortenden Beweisfragen ordnete die Vergabekammer Südbayern mit Schreiben vom 08.09.2017 gem. § 163 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 2 Satz 1 GWB i.V.m. § 377 Abs. 3 ZPO für den Zeugen Sch… die schriftliche Beantwortung folgender Fragen bis zum 14.09.2017 – 12.00 Uhr an:
1. Führt die St… Sales & Services GmbH oder ein anderes Unternehmen der St…-Gruppe den Medieneinkauf für das Medium Plakate für den Kunden „W…“- … GmbH & Co. KG gegenwärtig durch oder hat ihn im Jahr 2016 durchgeführt? Fungiert die St… Sales & Services GmbH als Media-Einkäufer für den Kunden „W… “?
2. Erfolgt derzeitig oder im Jahr 2016 Medienverkauf für das Medium Plakate durch die St… Sales & Services GmbH oder ein anderes Unternehmen der St…-Gruppe an einen Einkäufer, der für den Kunden „W… “ handelt? Handelt es sich bei diesem Einkäufer um die Beigeladene?
Aufgrund der mit Schreiben vom 12.09.2017 angezeigten Verhinderung des Zeugen P… aus wichtigem Grund sowie der einfach zu beantwortenden Beweisfragen ordnete die Vergabekammer Südbayern mit Schreiben vom 12.09.2017 gem. § 163 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 2 Satz 1 GWB i.V.m. § 377 Abs. 3 ZPO die schriftliche Beantwortung folgender Fragen bis zum 14.09.2017 – 12.00 Uhr an:
1. Führt die S… GmbH den Medieneinkauf für das Medium Fernsehen für den Kunden „W… “- … GmbH & Co. KG gegenwärtig durch oder hat ihn im Jahr 2016 durchgeführt? Fungiert die S… GmbH als Media-Einkäufer für den Kunden „W… “?
2. Erfolgt derzeitig oder im Jahr 2016 Medienverkauf für das Medium Fernsehen durch die S… GmbH an einen Einkäufer, der für den Kunden „W… “ handelt? Handelt es sich bei diesem Einkäufer um die Beigeladene?
Die Antragstellerin erklärte mit Schreiben vom 13.09.2017, sich die Mühe gemacht zu haben und bestimmte, nicht zuordenbare „Billingvolumina“ mit den bekannten Kunden der Kreativagentur F… abgeglichen. Dabei hätten sich drei weitere Kunden ergeben, bei denen es zumindest naheliege, dass sie in der Liste der Beigeladenen auftauchen und deren „Billingvolumen“ sich die Beigeladene vermutlich – zumindest teilweise – zu Unrecht zugerechnet habe. Dies seien die Werbekunden Haus Sch…, W… B…, B… und Dr. Sch…. Zu jedem dieser Unternehmen legte die Antragstellerin dar, weshalb sich die Beigeladene die zu diesen Kunden in der Nielsen-Datenbank gelisteten Einträge ihrer Ansicht nach nicht zu eigen machen könne.
Auf den Inhalt der schriftlichen Zeugenaussagen vom 14.09.2017 wird verwiesen.
Die mündliche Verhandlung fand am 15.09.2017 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Auf das Protokoll wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 26.09.2017 teilten die Antragsgegner mit, dass es aus ihrer Sicht dabei bleibe, dass die Beigeladene den geforderten Eignungsnachweis (Eigenerklärung) nicht nur in formeller Hinsicht erbracht habe, sondern dieser Nachweis auch inhaltlich den in den Vergabeunterlagen gestellten Anforderungen genüge. Die von der Antragstellerin aufgeworfenen Zweifel am Inhalt des Eignungsnachweises bezogen auf einen Kunden habe die Beigeladene schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung in nachvollziehbarer Weise ausgeräumt. Die Billings dieses Kunden seien nach Einschätzung der Antragsgegner der Beigeladenen zuzurechnen und könnten von ihr daher zu Recht in ihrer Eigenerklärung angeführt werden. Zu den Billings dreier weiterer Kunden lägen dem Antragsgegner die von der Vergabekammer angeforderten schriftsätzlichen Erläuterungen der Beigeladenen noch nicht vor. Die Antragstellerin habe allerdings in ihrem Schriftsatz vom 13.09.2017 – bis auf einen Fall – keine Unterlagen oder Beweismittel präsentiert, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, dass der Beigeladenen diese Billings entgegen ihrer Behauptung nicht zugerechnet werden könnten, sondern sich nur auf nicht näher substantiierte eigene „Markterkenntnisse“ berufen und zum Beweis jeweils die Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beigeladenen angeboten. Denke man die streitigen Billings hinweg, bliebe es überdies im Ergebnis dabei, dass das geforderte Umsatzvolumen erreicht wäre.
Die Beigeladene sei somit nach dem derzeitigen Erkenntnisstand – bis zum Vorliegen gegenteiliger Erkenntnisse – unverändert als geeignet anzusehen.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 26.09.2017 nahm die Antragstellerin zum Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2017 sowie den schriftlichen Zeugenaussagen ergänzend Stellung. Nach dem die Beigeladene zugestanden habe, dass ein Kunde Plakatwerbung im Jahr 2016 ausschließlich über das Direktgeschäft mit einem Dritten eingekauft habe, habe sich die Beigeladene ein Volumen von in Summe … Euro unberechtigter Weise als eigene „Billings“ zugerechnet.
Die Beigeladene behaupte, im Jahr 2016 über ein „Billingvolumen“ von … Euro verfügt zu haben. Unterstelle man diese Zahl als richtig, liege ihr „Billingvolumen“ abzüglich des Volumens von … Euro jedoch nur bei … Euro und damit unter 100 Mio. Euro. Damit erfülle die Antragstellerin bereits ohne die Aufklärung weiterer Kundenvolumina nicht die Mindestanforderungen an die Eignung. Der Nachprüfungsantrag sei damit bereits ohne weitere Aufklärung und auch bei Unterstellung des von der Beigeladenen angegebenen „Billingvolumens“ begründet.
Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass sich die Beigeladene auch weitere Werbeetats unzulässiger Weise zugerechnet habe.
Die Vergabekammer habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Beigeladene in ihren Unterlagen im Rahmen der Aufklärung betreffend ihre Personalangaben angegeben habe, dass die „m… digital GmbH“ eine „Unit“ der Beigeladenen sei. Daraus folge, dass die Beigeladene sich und ihre Tochtergesellschaft „m… digital GmbH“ offenbar als eine Einheit ansehe. Es liege daher nahe, dass die Beigeladene sich auch sämtliche Einkaufsvolumina ihrer Tochtergesellschaft „m… digital GmbH“ als eigene „Billingvolumnia“ zugerechnet habe. Vergaberechtlich sei eine solche Zurechnung von Kapazitäten zwischen unterschiedlichen Rechtspersonen aber nur im Wege einer Eignungsleihe zulässig, die im vorliegenden Fall aber nicht im Teilnahmeantrag nachgewiesen worden sei.
Die Antragstellerin weise ergänzend darauf hin, dass es dem Antragsgegner – wie allen anderen Kunden – darauf ankäme, eine möglichst einkaufsstarke Agentur auszuwählen. Die Vertreter der Antragsgegner hätten zwar in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es ihr nur um die Identifikation einer Agentur von gewisser Große gegangen sei und es ihr nicht darum gegangen sei, eine möglichst hoher Einkaufsmacht und hohe Rabatte zu erzielen. Die Ausschreibung selbst vermittle jedoch ein anderes Bild, was zum einen die preisliche Bewertung der Angebote und zum anderen die verträgliche Forderung der Rabatte zeigen.
In Bezug auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 13.09.2017 sowie die schriftlichen Beantwortungen der Beweisfragen trug die Beigeladene mit Schriftsatz vom 26.09.2017 vor, dass allein an dem Verständnis der Antragstellerin über die Definition bzw. das Branchenverständnis des Begriffs „Billingvolumen“ unschwer erkennen lasse, dass es ein einheitliches Verständnis des von der Antragstellerin selbst als „Kunstbegriff“ deklarierten „Billingvolumen“ offenbar nicht gebe.
Die Vergabeunterlagen legten den Begriff „Billingvolumen“ in der Antwort auf die Bieterfrage 6 fest:
„In Ihrem Anschreiben zu o.g. Ausschreibung formulieren Sie bei den Kriterien, die erfüllt werden müssen: „Erklärung oder Nachweis, dass die Agentur ein jährliches Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro erzielt (A-Kriterium)“
Wir gehen davon aus, dass Sie mit dieser Summe das Billing-Volumen meinen, dass die Agentur verwaltet bzw. als Schaltvolumen in den Medien platziert? Ist dem so?“
Die Antwort habe dieses Verständnis nicht negiert, sondern diesem konkludent mit den Worten „Billingvolumen ist gemeint“ zugestimmt.
Insoweit sei bereits im Rahmen der Auslegung anhand der Vergabeunterlagen, welche dem allgemeinen Branchenverständnis vorgingen, das „Billingvolumen“ weitergehender konkretisiert. Anhand der Auslegung der Vergabeunterlagen ergebe sich nämlich, dass das „Billingvolumen“ zumindest Tätigkeiten wie das Verwalten und das Platzieren umfasse. Bereits nach dieser Auslegung des Begriffes scheide ein „Branchenverständnis“, welches sich auf den reinen Einkauf beschränke, aus.
Zu den Vermutungen der Antragstellerin, dass weitere Direktgeschäfte des Kunden mit der …-Gruppe abgeschlossen worden seien, werde neben der Tatsache, dass von dem Begriff „Billingvolumen“ auch Direktgeschäfte eines Kunden umfasst seien und die Frage insoweit ohnehin keine Entscheidungsrelevanz habe auch aus Gründen des Schutzes der Geschäftsinteressen des Kunden kein Vortrag erfolgen.
Es sei außerdem anzumerken, dass eine Eignungsanforderung gem. § 122 Abs. 4 GWB verhältnismäßig sein müsse. Das ausschreibungsgegenständliche vorgesehene Jahresvolumen betrage 12 Mio. Euro davon 3 Mio. Euro Gegengeschäft. Es seien insoweit als relevante Einkaufstätigkeiten lediglich 9 Mio. Euro zu Grunde zu legen. Gefordert sei vorliegend ein „Billingvolumen“ von 100 Mio. Euro. Das geforderte „Billingvolumen“ betrage damit mehr als das 10-fache des tatsächlichen Jahresvolumens. Es sei daher analog zum Mindestjahresumsatz davon auszugeben, dass die Verhältnismäßigkeit bei der Forderung des 10-fachen BiIling-Volumens nicht mehr gegeben war. Im Übrigen wäre die Begründung für eine solche über den Normalfall hinausgehende Forderung, sofern der Antragsgegner sie im Einzelfall für verhältnismäßig erachtet hätten, gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 VgV analog zumindest zu dokumentieren gewesen.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Da das Vergabeverfahren nach dem 18. April 2016 begonnen wurde (EU-Bekanntmachung vom 07.05.2016), ist nach § 186 Abs. 2 GWB n. F. nicht nur für das Vergabeverfahren, sondern auch für das sich daran anschließende Nachprüfungsverfahren das Recht anwendbar, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens galt. Anwendbar ist somit das GWB in der neuen Fassung.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 103 Abs. 2 und Abs. 4 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 209.000 Euro für den Gesamtauftrag erheblich.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
2. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
2.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB mit der fehlenden Eignung der Beigeladenen begründet (Nichterfüllung des geforderten Umsatzes sowie der geforderten Mitarbeiter). Da ihr der Zuschlag nur als nachrangiger Rahmenvertragspartner erteilt werden soll, droht ihr ein finanzieller Schaden.
2.2 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entgegen, soweit er sich gegen das Vorliegen der Eignung der Beigeladenen richtet.
Nach der Mitteilung vom 12.06.2017, dass ihr Angebot an zweiter Stelle liegt und damit der Zuschlag für den Hauptauftrag nach der Rahmenvereinbarung an die auf dem ersten Platz liegende Beigeladene erteilt werden soll, rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.06.2017 rechtzeitig, dass die Beigeladene sowohl über den vorgegebenen Mindestumsatz in Höhe von 100.000.000 € als auch den vorgegebenen festen Personalstamm von mindestens 20 Mitarbeitern, davon mindestens drei Media-Direktoren und/oder mindestens vier eigenständige Units bzw. Teams nicht verfüge.
Weder die Antragstellerin noch die Beigeladene haben allerdings die Festlegung der Eignungskriterien gerügt, obwohl sich deren Unzulänglichkeit und z.T. Rechtswidrigkeit aus den Vergabeunterlagen entnehmen lässt. So ist beispielsweise der Begriff des festen Personalstammes arbeitsrechtlich nicht definiert, der Begriff des Media Direktors nicht geregelt und es bleibt unklar, welche Unternehmensteile als vier eigenständige Units bzw. Teams angesehen werden können. Zudem lässt sich zumindest die Forderung nach einem bestimmten „festen Personalstamm“ auch nicht unter den abschließenden Katalog des § 46 Abs. 3 VgV, insbesondere nicht unter § 46 Abs. 3 Nr. 8 VgV subsumieren.
Gleiches gilt für das sog. Billingvolumen. Hier war es für die markterfahrenen Bietern nach der Beantwortung der Bieterfrage vom 20.02.2017 erkennbar, dass der dort festgelegte Begriff des Billingvolumens völlig unklar war und daher von den Bietern uneinheitlich verstanden werden konnte. Aufgrund der insoweit gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB nicht erfüllten Rügeobligenheit kommt eine Rückversetzung des Verfahrens wegen der unklaren und z.T. unzulässigen Eignungskriterien nicht in Frage.
3. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet, soweit er die Untersagung des erstrangigen Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen begehrt. Er ist allerdings zurückzuweisen, soweit er fordert, den Zuschlag für den in diesem Vergabeverfahren erstplatzierten Bieter auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen. Stattdessen haben die Antragsgegner wieder in die Eignungsprüfung in Bezug auf die Beigeladene einzutreten und aufzuklären, ob die Eigenerklärung der Beigeladenen, dass sie ein Billingvolumen von 100 Millionen Euro erzielt, wirklich zutreffend ist.
3.1 Gem. § 42 Abs. 1 VgV überprüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bewerber oder Bieter anhand der nach § 122 GWB festgelegten Eignungskriterien und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 GWB und schließt gegebenenfalls Bewerber oder Bieter vom Vergabeverfahren aus.
Die Eignungsprüfung ist hierbei in zwei Stufen durchzuführen (Burgi, VergabeR 2007, 457, 464; Dittmann, in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 42 Rdnr. 5, § 57 Rn. 91 ff.), und zwar – zum einen, ob das Angebot sämtliche geforderten Eignungsnachweise bzw. -angaben enthält (formale Eignungsprüfung; s. Burgi, a.a.O.; Dittmann, a.a.O. § 57 Rn. 94 ff.) – zum anderen, ob der Bieter geeignet ist (materielle Eignungsprüfung; s. Burgi, a.a.O.; Dittmann, a.a.O., Rdnrn. 111 ff, siehe auch VK Südbayern, Beschluss v. 11.09.2014 – Z3-3-3194-1-34-07/14).
Die streitgegenständlichen Eignungskriterien wurden im Ergebnis auch wirksam bekanntgemacht.
Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Nach § 48 Abs. 1 VgV ist in der Auftragsbekanntmachung neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.
Nach § 41 Abs. 1 VgV gibt der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.
Im vorliegenden Fall wurde in der Bekanntmachung unter Ziff. III. 1.2 und 1.3 hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit auf die „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ hingewiesen. Diese Formulierung ist im EU-Standardformular „Auftragsbekanntmachung“ nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1986/2015 der Kommission vom 11. November 2015 ausdrücklich vorgesehen und kann durch Anklicken ausgewählt werden.
Die Antragstellerin und die Beigelade erklärten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend, dass die Auftragsunterlagen einschließlich der Eignungskriterien unter dem Link in Ziffer I.3 der Bekanntmachung abrufbar waren.
Trotz des Wortlautes in § 122 Abs. 4 S. 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV, der eine Angabe sowohl der Eignungskriterien als auch der Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, in der Bekanntmachung fordert, erachtet die Vergabekammer eine Verlinkung in der Bekanntmachung auf die Auftragsunterlagen, welche die Eignungskriterien enthalten, für ausreichend, um diese wirksam bekanntzumachen. Dies gilt auch dann, wenn die Verlinkung nicht direkt unter den Eignungsanforderungen in Ziffer III des Bekanntmachungsformulars steht (zu einem solchen Fall bereits zur früheren Rechtslage OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2011, Verg 60/11), sondern lediglich aus der ohnehin nach § 41 Abs. 1 VgV erforderlichen Verlinkung auf die (vollständigen) Vergabeunterlagen besteht.
Entscheidend ist nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern, dass ein Bieter, der die Bekanntmachung durchsieht, ohne Mitwirkung der Vergabestelle Kenntnis von den Eignungskriterien als auch von den vorzulegenden Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, nehmen kann (so schon zur früheren Rechtslage VK Südbayern, Beschluss vom 10.09.2013, Z3-3-3194-1-22-08/13).
Es ist im vorliegenden Fall zwar äußerst zweifelhaft, ob die Änderung der ursprünglich bekanntgemachten Eignungsanforderung eines jährlichen Umsatzvolumens von 100 Millionen Euro zu einem Billingvolumen von 100 Millionen Euro noch eine zulässige Konkretisierung oder Präzisierung einer bekanntgemachten Eignungsanforderung darstellt, oder bereits als unzulässige nachträgliche Einführung eines neuen Kriteriums (und ebenso unzulässiges Fallenlassen des ursprünglichen Kriteriums) anzusehen ist. Eine Entscheidung hierüber kann aber dahingestellt bleiben, da weder die Antragstellerin noch die Beigeladene die Beantwortung der Bieterfrage vom 20.02.2017 insoweit gerügt haben.
3.2 Die Antragsgegner haben erneut die Eignungsprüfung einzutreten und aufzuklären, ob die Eigenerklärung der Beigeladenen, dass sie ein Billingvolumen von 100 Millionen Euro erzielt, wirklich zutreffend ist.
Mit dem Teilnahmeantrag waren u.a. einzureichen:
– Erklärung oder ein Nachweis, dass die Agentur ein jährliches Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro erzielt (A-Kriterium)
– Eine Erklärung oder ein Nachweis, dass die Agentur über einen festen Personalstamm von mindestens 20 Mitarbeitern, davon mindestens drei Media-Direktoren und/oder mindestens vier eigenständige Units bzw. Teams verfügt (A-Kriterium)
Der Begriff des Billingvolumens wurde von der Antragstellerin und von der Beigeladenen unterschiedlich verstanden. Die Antragstellerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass Sie sich als Billingvolumen lediglich anrechne, wenn Sie entweder im eigenen Namen mit einem Budget Medien für den Kunden einkauft oder als Vertreter des Kunden im fremden Namen einkauft. Der Begriff des Billingvolumens umfasse nur das, was auch „durch ihre Bücher geht“.
Die Beigeladene sieht vom Billingvolumen auch die sog. Direktgeschäfte zwischen den Medien und den Werbekunden mit umfasst, soweit sie hier z.B. die Buchung übernimmt wird, also sämtliche Geschäfte bei denen sie „operativ“ tätig wird.
Die Vergabekammer geht davon aus, dass die engere Definition des Begriffs „Billingvolumen“, die auch die Antragstellerin vertritt, die branchenübliche Definition ist. Eine branchenübliche Definition ist allerdings nur ein Indiz dafür, wie eine auslegungsbedürftige Eignungsanforderung zu verstehen ist.
Entscheidend ist, wie die fachkundigen Bieter die Vergabeunterlagen nach Beantwortung der Bieterfrage vom 20.02.2017 verstehen durften:
Die Bieterfrage der Beigeladenen lautete:
„In Ihrem Anschreiben zu o. g. Ausschreibung formulieren Sie bei den Kriterien, die erfüllt werden müssen: „Erklärung oder Nachweis, dass die Agentur ein Jährliches Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro erzielt (A-Kriterium)“. Wir gehen davon aus, dass Sie mit dieser Summe das Billing-Volumen meinen, das die Agentur verwaltet bzw. als Schaltvolumen in den Medien platziert. Ist dem so?“
Die Antragsgegner antworteten hierauf:
„Billingvolumen ist gemeint.“
Wie die Beigeladene zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus der Bieterfrage im Zusammenhang mit der Antwort der Antragsgegner nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Bieters, dass das Billing-Volumen, Tätigkeiten wie das Verwalten und das Platzieren mit umfasst. Durch die ungenaue Antwort der Auftraggeber „Billing-Volumen ist gemeint“ im Zusammenhang mit der von der Beigeladenen gestellten Frage und der darin enthaltenen Definition des Begriffs „Billingvolumen“ haben sich die Auftraggeber im Ergebnis auf die Definition der Beigeladenen gegenüber allen am Wettbewerb Beteiligten festgelegt.
Der unklare und auslegungsbedürftige Begriff „Billingvolumen“ ist demnach zu Gunsten der Bieter weit auszulegen. Die von der Vergabestelle verursachten Unklarheiten dürfen nicht zu Lasten der Bieter gehen (so schon (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.06.2004, VII – Verg 11/04). Umfasst sind damit Billingvolumina (Brutto), bei denen der Bieter das Verwalten und Platzieren übernommen hat, das Billing-Volumen also betreut hat. All das, was die Beigeladene aufgrund von überlassenen Etats im eigenen Namen auf eigene Rechnung, sowie im eigenen Namen auf fremde Rechnung gebucht hat ist dem Billingvolumen zuzurechnen. Ebenso sind im vorliegenden Fall Billingvolumina aus Direktgeschäften zwischen den Werbekunden und den Medien anrechenbar, in denen die Beigeladene als Stellvertreterin ihrer Auftraggeber die Anzeigen etc. platziert hat.
Ausgenommen sind aber Platzierungen und die Verwaltung durch Schwestergesellschaften etc. wie die m… digital GmbH oder die N… GmbH und reine Beratungsmandate, bei denen keine Platzierung von Anzeigen etc. erfolgt ist.
Ob die Beigeladene bei einem derartigen Verständnis die geforderten 100 Millionen Euro Billingvolumen zum Stichtag des Abgabetermins der Teilnahmeanträge am 17.03.2017 (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.09.2015, Verg 3/15) nachweisen kann, vermag die Vergabekammer derzeit nicht festzustellen. Es steht daher derzeit auch nicht fest, ob die entsprechende Eigenerklärung der Beigeladenen insoweit zutreffend war.
Da der im Verfahren von der Beigeladenen zum Beleg ihrer Eignung bzw. der Richtigkeit ihrer Eigenerklärung vorgelegte Auszug aus der Nielsen-Datenbank keinerlei Rückschlüsse darauf zulässt, welches Billingvolumen welcher Agentur konkret zuzuordnen ist, sondern nur die Billingvolumina einiger Werbekunden darstellt, ist die bisherige Aufklärung des Angebots der Beigeladenen hinsichtlich der Eignung völlig unzureichend.
Die Antragsgegner sind daher gehalten, Aufklärungsmaßnahmen nach § 15 Abs. 5 VgV über die Eignung der Beigeladenen bzw. die Richtigkeit ihrer Eigenerklärung durchzuführen und sich Nachweise vorlegen zu lassen, die unzweifelhaft belegen welches Billingvolumen nach der oben entwickelten Definition des Begriffs „Billingvolumen“ der Beigeladenen genau zuzurechnen ist. Die Auftraggeber müssen letztlich in Bezug auf alle von der Beigeladenen herangezogenen Billingvolumina zweifelsfrei beurteilen können, ob diese angerechnet werden können oder nicht. Diese Prüfung haben sie zu dokumentieren.
3.3 Sollten die Antragsgegner hierbei zu dem Schluss kommen, dass das Kriterium „Billingvolumen“ in der gebotenen weiten bieterfreundlichen Auslegung nicht überprüfbar ist oder keinerlei sinnvolle Aussage über die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bieter enthält, steht es Ihnen frei, das Vergabeverfahren aufzuheben und mit eindeutig formulierten und in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehenden Eignungskriterien gem. § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB, die insbesondere auch den Anforderungen der §§ 45 Abs. 2 und 46 Abs. 3 VgV genügen, neu zu beginnen.
Aufgrund der insoweit (s.o.) eingetretenen Rügepräklusion sieht sich die Vergabekammer aber gehindert, dies im vorliegenden Verfahren anzuordnen.
3.4 Geklärt ist dagegen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, dass die Beigeladene zum maßgeblichen Stichtag des Abgabetermins der Teilnahmeanträge am 17.03.2017 über den geforderten festen Personalstamm von 20 Mitarbeitern und drei Media-Direktoren verfügt. Da der Begriff des „festen Personalstammes“ arbeitsrechtlich nicht definiert ist und die Antragsgegner keine konkretisierenden Angaben gemacht haben, hat auch hier wiederum eine bieterfreundliche Auslegung zu erfolgen. Ein Abstellen auf Vollzeitbeschäftigte oder ein Umrechnen der Teilzeitstellen auf „Vollzeit-Äquivalente“ (FTE) würde eine unzulässige nachträgliche Verschärfung der Eignungsanforderung bedeuten. Das gem. § 46 Abs. 3 VgV unzulässige Kriterium (s.o.) könnte im theoretischen Extremfall auch mit 20 festen Mitarbeitern, die täglich z.B. eine Stunde arbeiten, erfüllt werden.
Unter dem festen Personalstamm sind daher alle fest angestellte Mitarbeiter verstehen, also Personen, die einen nicht nur kurzzeitig befristeten Arbeitsvertrag mit der Media-Agentur haben, nicht jedoch „Freelancer“, die als Selbständige für Media-Agenturen tätig seien, oder Auszubildende und Praktikanten. Entsprechend den der Vergabekammer vorgelegten Unterlagen erfüllt die Beigeladene diese Anforderung.
Da zudem der Begriff des Media-Direktors nicht definiert ist, steht es der Beigeladenen frei, beliebige Mitarbeiter als Media-Direktoren zu bezeichnen. Dies hat die Beigeladene getan. Auf das nur alternativ notwendige Kriterium der vier selbstständigen Units oder Teams kommt es nicht mehr an.
4. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1,5 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind hier überwiegend die Antragsgegner und die Beigeladene, da die Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen untersagt wurde und die Antragsgegner in die Eignungsprüfung der Beigeladenen wieder einsteigen müssen.
Die Antragstellerin unterliegt allerdings, soweit sie den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen und die erstrangige Zuschlagserteilung auf ihr Angebot begehrt. Dies ist mit einem Unterliegen zu ¼ zu werten. In dieser Höhe hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene war auch an der Kostenregelung des Nachprüfungsverfahrens zu beteiligen, da sie sich – auch ohne Stellung von Anträgen in der mündlichen Verhandlung – durch Einreichung von Schriftsätzen und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aktiv an dem Verfahren beteiligt und das Verfahren wesentlich gefördert hat. Eine aktive Beteiligung am Nachprüfungsverfahren liegt bereits dann vor, wenn sich die Beigeladene schriftsätzlich zu den streitigen Rechtsfragen geäußert und die Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin verneint hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.05.2012, Verg 5/12).
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird vorliegend auf …,00 € festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.
Die den Antragsgegnern und der Beigeladenen entstandenen notwendigen Aufwendungen für die Rechtsverteidigung sind ihnen zu ¼ von der Antragstellerin zu erstatten. Antragsgegner und Beigeladen haben jeweils ⅜ der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin für ihre Rechtsverfolgung zu tragen. Für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des obsiegenden Beteiligten sieht § 182 Abs. 4 GWB keine gesamtschuldnerische Haftung vor. Deshalb haften die Unterliegenden mangels ausdrücklicher Regelung in § 182 Abs. 4 GWB analog § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO für die Kostenerstattung nach Kopfteilen, also in der Regel je zur Hälfte, wenn keine erhebliche Verschiedenheit der Beteiligung am Verfahren vorliegt (VK Bund Beschluss vom 26.10.2004, VK 1 – 177/04; Thiele in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht § 182 GWB Rn 41).
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen aller Beteiligter beruht auf § 182 Abs. 4 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i.V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen.
Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da von sämtlichen Beteiligten eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte waren die Beteiligten hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters der Beteiligten notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber den anderen anwaltlich vertretenen Beteiligten herzustellen.


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