Baurecht

Vergabeverfahren: Kein Angebotsausschluss bei missverständlicher Ausschreibung; BGB-Gesellschaft als Sektorenauftraggeber?

Aktenzeichen  Verg 27/19

Datum:
9.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10766
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EnWG § 11 Abs. 3 S. 1
GWB § 100 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 137 Abs. 1 Nr. 8, § 160 Abs. 2
VgV § 57 Abs. 1 Nr. 4
SektVO § 51

 

Leitsatz

1. Sektorenauftraggeber können neben natürlichen oder juristischen Personen nur Verbände sein, die insoweit teilrechtsfähig sind. Vor diesem Hintergrund können auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts Sektorenauftraggeber sein, soweit sie nach außen auftreten (BGB-Außengesellschaft). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von dem Ausschluss des § 137 I Nr. 8 GWB werden nur reine Energielieferverträge erfasst, nicht hingegen Verträge, die darüber hinausgehend auch den Bau und Betrieb von Kraftwerken betreffen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist eine Leistung nicht eindeutig beschrieben, so führen Verstöße gegen missverständliche oder mehrdeutige Angaben nicht zum Ausschluss eines Angebots; die Vergabestelle trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. (Rn. 52 – 54) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RMF-SG21-3194-4-45-4 2019-11-15 Bes VKNORDBAYERN Vergabekammer Ansbach

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 15. November 2019 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen, soweit er sich gegen die Antragsgegnerinnen zu 3. und zu 5. richtet.
2. Es wird festgestellt, dass der Ausschluss des Erstangebots der Antragstellerin rechtswidrig war.
3. Die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. werden verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor dem Ausschluss des Erstangebots der Antragstellerin zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung die Rechtsauffassung des Vergabesenats zu berücksichtigen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. haben die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren und im Verfahren vor der Vergabekammer je zu einem Drittel zu tragen.
III. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor der Vergabekammer durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30 Millionen Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. sind drei der vier Betreiber von Elektrizitätsübertragungsnetzen in Deutschland. Bei den Antragsgegnerinnen zu 2. und zu 4. liegen die für deren Einordnung als Sektorenauftraggeber erforderlichen persönlichen Voraussetzungen gemäß § 100 GWB vor.
Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 EnWG können die Übertragungsnetzbetreiber besondere netztechnische Betriebsmittel (von den Parteien als „bnBm“ bezeichnet) vorhalten, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems bei einem tatsächlichen örtlichen Ausfall eines oder mehrerer Betriebsmittel im Übertragungsnetz wieder herzustellen; § 11 Abs. 3 Satz 2 EnWG gebietet, dass mit dem Betrieb solcher Betriebsmittel Dritte beauftragt werden.
Die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. schrieben die Beschaffung von Vorhaltung und Betrieb besonderer netztechnischer Betriebsmittel mit einer Gesamtleistung von 1200 MW in zwölf Losen mit jeweils 100 MW, aufgeteilt in vier Losgruppen, im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Die Losgruppe B sah einen Anschluss der darin aufgeführten Betriebsmittel an das Netz der Antragsgegnerin zu 4. vor, die Losgruppe C einen Anschluss an das Netz der Antragsgegnerin zu 1. und die Losgruppe D einen Anschluss an das Netz der Antragsgegnerin zu 2. Die – vorliegend allein streiterhebliche – Losgruppe A soll dagegen in der Weise vergeben werden, dass der Anschluss der Betriebsmittel nach Wahl des Bieters an jedem einer Anzahl von Anschlusspunkten erfolgen kann, die über die Netzgebiete der Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. verteilt sind; der Vertrag soll nur mit der Antragsgegnerin zustande kommen, an deren Netz das Betriebsmittel angeschlossen werden soll.
Mangels zuschlagsfähiger Angebote wurde das Vergabeverfahren für die Losgruppe A zunächst aufgehoben. Auf der Grundlage der darin gewonnenen Erkenntnisse wurden die als geeignet angesehenen Bewerber im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erneut zur Abgabe eines Angebots eingeladen und aufgefordert, ihre Angebote bis zum 3. Juni 2019 einzureichen.
Den Vergabeunterlagen ist als Word-Dokument ein Entwurf Vertrag über die Vorhaltung und den Betrieb eines besonderen netztechnischen Betriebsmittels nach § 11 Abs. 3 EnWG – bnBm-Vertrag_v2 beigefügt, in dem der Auftraggeber mit ÜNB (Übertragungsnetzbetreiber) und der Auftragnehmer mit Betreiber bezeichnet werden. In der Kommentarfunktion des Dokuments ist jeweils angemerkt, welche Regelungen nicht verhandelbar seien. Danach sind lediglich die Ziffern 4, 25 und 26 des Entwurfs verhandelbar.
Ziffer 4 des Entwurfs lautet:
4. Informationspflicht
4.1 Der Betreiber hat dem ÜNB auf dessen Verlangen Informationen zum Stand der Planung, Genehmigung, Errichtung sowie Inbetriebnahme der Anlage zur Verfügung zu stellen. Dies gilt insbesondere für Projektfortschrittsberichte, Zeitpläne, Organigramme und Genehmigungen.
4.2 Der ÜNB hat das Recht, die Anlage ohne Vorankündigung zu den üblichen Geschäftszeiten selbst oder durch einen bevollmächtigten Dritten zu betreten oder zu inspizieren. Dies gilt auch für die Zeiträume einer ggf. erforderlichen Errichtung der Anlage nach Nr. 4.1.
4.3 Auf Verlangen des ÜNB hat der Betreiber Informationen zum Zustand der Anlage zur Verfügung zu stellen.
Ziffer 25 des Entwurfs lautet:
25. Änderungsrecht des ÜNB
Der ÜNB ist berechtigt, einseitig Bestimmungen dieses Vertrages zu ändern, wenn dies notwendig ist, um gesetzlichen und/oder technischen Anforderungen, die vor Abschluss dieses Vertrags weder bestanden noch absehbar waren und auf denen dieser Vertrag beruht und die für die Durchführung dieses Vertrags zu erfüllen sind, Rechnung zu tragen, und die Änderungen für den Betreiber zumutbar sind. Nach Satz 1 zulässige Änderungen werden durch ihre Mitteilung des ÜNB gegenüber dem Betreiber in Schriftform zu dem vom ÜNB mitgeteilten Zeitpunkt, frühestens jedoch zum Ersten des zweiten auf die Mitteilung folgenden Kalendermonats wirksam. Der ÜNB ist verpflichtet, solche Änderungen unverzüglich nach Erlangen der Kenntnis von den Voraussetzungen dieser Änderungen dem Betreiber mitzuteilen.
Ziffer 26 enthält eine salvatorische Klausel.
Zu dem Vertragsentwurf enthalten die Angebotsbedingungen unter anderem folgende Vorgaben (vgl. Anl. Bf 7, S. 11 ff.):
3.6.2 Unterlagen bei Angebotsabgabe
[…] Grundsätzlich ist Folgendes zu beachten:
[…]
– Änderungen an den Teilen des bnBm-Vertrags […], in denen die Auftraggeber keine Änderungen zulassen, sind ausgeschlossen und führen zum Ausschluss des jeweiligen Angebots.
[…] Den Bietern wird […] Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt und zwar mit der Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können. Ausgenommen hiervon sind Vertragsklauseln, hinsichtlich derer die Auftraggeber keine Änderungen zulassen (siehe III_bnBm_Vertrag […]). [Hervorhebung im Original] Nach Ziffer 8.1 der Angebotsbedingungen sind folgende Zuschlagskriterien vorgesehen:
– Preis, maximal 70 Punkte
– Realisierungskonzept, maximal 5 Punkte
– Betriebskonzept, maximal 5 Punkte
– bnBm-Vertrag, maximal 10 Punkte
– technische Leistungsdaten, maximal 10 Punkte Für die Bewertung des Kriteriums bnBm-Vertrag ist nach Ziffer 8.2.3 der Angebotsbedingungen folgende Systematik vorgesehen:
Punkte
Der kommentierte Vertragsentwurf bildet aus der Sicht der Auftraggeber im Hinblick auf die gesetzgeberischen Ziele des § 11 Abs. 3 EnWG in der konkreten Ausgestaltung dieses Vergabeverfahrens eine sehr gute Verteilung der vertraglichen Risiken ab. Dabei werden 10 Punkte vergeben, wenn die Änderungswünsche über die Idealvorstellungen der Auftraggeber hinausgehen. 9 Punkte werden vergeben, wenn in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht keine Änderungen der verhandelbaren Anforderungen vorgenommen werden. 8 Punkte werden vergeben, wenn geringfügige Änderungen der verhandelbaren
8 – 10
Anforderungen vorgenommen werden, der kommentierte Vertragsentwurf aber weiterhin eine sehr gute Verteilung der vertraglichen Risiken abbildet.
Der kommentierte Vertragsentwurf bildet aus der Sicht der Auftraggeber im Hinblick auf die gesetzgeberischen Ziele des § 11 Abs. 3 EnWG in der konkreten Ausgestaltung dieses Vergabeverfahrens eine gute Verteilung der vertraglichen Risiken ab. Er enthält in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht maßvolle Änderungen der verhandelbaren Anforderungen.
6 – 7
Der kommentierte Vertragsentwurf bildet aus der Sicht der Auftraggeber im Hinblick auf die gesetzgeberischen Ziele des § 11 Abs. 3 EnWG in der konkreten Ausgestaltung dieses Vergabeverfahrens eine lediglich akzeptable Verteilung der vertraglichen Risiken ab. Er enthält in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht signifikante Änderungen der verhandelbaren Anforderungen.
[3] – 5
Der kommentierte Vertragsentwurf bildet aus der Sicht der Auftraggeber im Hinblick auf die gesetzgeberischen Ziele des § 11 Abs. 3 EnWG in der konkreten Ausgestaltung dieses Vergabeverfahrens eine negative Verteilung der vertraglichen Risiken ab. Er enthält in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht weitreichende Änderungen der verhandelbaren Anforderungen.
[0] – 2
Die Antragstellerin hat ein Angebot für die gesamte Losgruppe A eingereicht, das einen Anschluss an das Netz der Antragsgegnerin zu 1. vorsieht und einen überarbeiteten Entwurf des bnBm-Vertrags enthält, dessen Fassung der Ziffer 25 insbesondere unter bestimmten Umständen ein einseitiges Abänderungsrecht nicht nur für den Übertragungsnetzbetreiber vorsieht, sondern auch für den Betreiber.
Neben der Antragstellerin hat eine weitere Bieterin ein Erstangebot eingereicht, das einen Anschluss an das Netz der Antragsgegnerin zu 2. und dementsprechend einen bnBmVertrag mit dieser vorsieht.
Am 22. Juli 2019 teilte die Antragsgegnerin zu 1. der Antragstellerin mit, dass deren Angebot für die Losgruppe A ausgeschlossen werde. Die Prüfung und gemeinsame Bewertung durch sie und die Antragsgegnerin zu 2. habe ergeben, dass das Angebot zwingenden Anforderungen widerspreche, die in den Vergabeunterlagen aufgestellt seien. Das Angebot enthalte in Ziffer 25 des Vertrags Änderungen durch die Antragstellerin. Zwar sei die Regelung dieser Ziffer verhandelbar, die Änderungen enthielten jedoch ein einseitiges Recht zugunsten der Antragstellerin zur Änderung von Vertragsinhalten, die als nicht verhandelbar gekennzeichnet seien.
Mit Schreiben vom 1. August 2019 rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots gegenüber den Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. Sie wies darauf hin, dass mit den Änderungen in Ziffer 25 des Vertrags keine Änderung nicht verhandelbarer Bedingungen verbunden sei; die vorgeschlagenen Änderungen dienten allein dem Zweck, das vertraglich vorgesehene Änderungsrecht an den ohnehin geltenden Anpassungsregelungen der §§ 242, 313 BGB zu spiegeln und diese Wertungen damit auch vertraglich aufzunehmen. Mit – der Antragstellerin am 13. August 2019 zugegangenem – Schreiben vom 12. August 2019 wiesen die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. die Rüge zurück.
Mit – am 28. August 2019 bei der Vergabekammer eingegangenem – Schriftsatz vom selben Tag hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gegen die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. sowie – als Antragsgegnerin zu 3. – gegen die Antragsgegnerinnen zu 1. und zu 2. als „Auftraggebergemeinschaft“ und – als Antragsgegnerin zu 5. – gegen die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. als „Auftraggebergemeinschaft“ gestellt.
Sie hat in der Sache beantragt,
den Antragsgegnerinnen zu untersagen, den Zuschlag vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens zu erteilen;
hilfsweise, den geschlossenen Vertrag gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB für nichtig zu erklären und die Erteilung des Zuschlags bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens zu untersagen;
festzustellen, dass der Ausschluss des Erstangebots der Antragstellerin vergaberechtswidrig gewesen sei, und anzuordnen, dass das Erstangebot wieder in das Vergabeverfahren aufzunehmen sei.
Die Antragsgegnerinnen haben beantragt,
den Nachprüfungsantrag als offensichtlich unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzulehnen.
Mit Beschluss vom 15. November 2019 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag verworfen. Der Rechtsweg zur Vergabekammer sei nicht eröffnet, weil die Antragsgegnerin zu 1. keine Sektorenauftraggeberin sei und die Antragsgegnerinnen zu 2. und zu 4. nicht passivlegitimiert seien.
Gegen diesen ihr am 19. November 2019 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 3. Dezember 2019 eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Nach Durchführung einer Verhandlungsrunde mit der weiteren Bieterin hat die Antragsgegnerin zu 2. am 19. Dezember 2019 erklärt, sie beabsichtige, deren daraufhin abgegebenen Angebot den Zuschlag zu erteilen. Daraufhin hat der Senat mit Beschluss vom 27. Dezember 2019 auf Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung von deren sofortiger Beschwerde ausgesprochen.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben;
festzustellen, dass der Ausschluss ihres Erstangebots vergaberechtswidrig gewesen sei, und anzuordnen, dass das Erstangebot wieder in das Vergabeverfahren aufzunehmen sei;
hilfsweise: gegebenenfalls einen ohne Übermittlung einer Vorabinformation nach § 134 Abs. 1 Nr. 1 GWB erteilten Zuschlag für vergaberechtswidrig und den geschlossenen Vertrag gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB für nichtig zu erklären und anzuordnen, dass das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortgesetzt werde.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat die weitere Bieterin beigeladen. Diese stellt keine Anträge.
Mit Beschluss vom 17. Januar 2020 hat der Senat einen Antrag der Bundesnetzagentur auf Beiladung zurückgewiesen.
Ergänzend wird auf den Beschluss der Vergabekammer vom 15. November 2919, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 3. Februar 2020 Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet.
1. Der Vergaberechtsweg ist hinsichtlich der Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. gemäß § 155 GWB eröffnet, weil das Vergabeverfahren insoweit öffentliche Aufträge betrifft, nämlich entgeltliche Verträge zwischen Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben (vgl. § 103 Abs. 1 und 4 GWB) und der maßgebliche Schwellenwert gemäß § 106 GWB überschritten ist. Insbesondere sind im vorliegenden Verfahren die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. als Sektorenauftraggeberinnen anzusehen.
a) Die von diesen Antragsgegnerinnen betriebene Beschaffung besonderer netztechnischer Betriebsmittel betrifft die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Fortleitung von Elektrizität. Sie stellt deshalb eine Sektorentätigkeit i. S. d. § 102 Abs. 2 Nr. 1 GWB dar.
b) Die Antragsgegnerinnen zu 2. und zu 4. sind Sektorenauftraggeberinnen. Die für diese Einordnung erforderlichen persönlichen Voraussetzungen liegen nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien vor.
c) Auch die Antragsgegnerin zu 1. ist wegen der ganz besonderen Gestaltung des vorliegenden Vergabeverfahrens als Sektorenauftraggeberin zu behandeln.
aa) Sie ist zwar grundsätzlich nicht Sektorenauftraggeberin i. S. d. § 100 GWB; insbesondere liegen bei ihr die Anforderungen des § 100 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) GWB nicht vor. Insoweit nimmt der Senat auf seinen in einem anderen Verfahren zur Losgruppe C ergangenen Hinweisbeschluss vom 28. August 2019 – Verg 15/19, juris, Bezug.
bb) Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt ist indes – anders als derjenige, der dem genannten Hinweisbeschluss des Senats zugrunde lag – von einer derartigen Besonderheit geprägt, dass es geboten ist, die Antragsgegnerin zu 1. ganz ausnahmsweise gleichwohl als Sektorenauftraggeberin zu behandeln.
Denn die Ausschreibung zur Losgruppe A umfasst nicht einen einzigen Auftrag, sondern drei potenzielle Auftragsalternativen, die sich gegenseitig ausschließen und deshalb nicht getrennt voneinander beurteilt werden können. Die zu beschaffende Leistung deckt nämlich nur einen einheitlichen Bedarf ab, der sowohl bei der Antragsgegnerin zu 1. besteht als auch bei den Antragsgegnerinnen zu 2. und zu 4. (die ohne weiteres Sektorenauftraggeberinnen sind): Es sind insgesamt 300 MW Leistung unabhängig davon vorzuhalten, in welches der drei Netze diese Leistung eingespeist werden kann und mit welcher der drei Antragsgegnerinnen der entsprechende Vertrag geschlossen wird. Das hat zur Folge, dass der Abschluss eines Vertrags mit einer der drei Antragsgegnerinnen zwingend auch zur Deckung des Bedarfs der jeweils beiden anderen führt. Die Ausschreibung ist deshalb auch bewusst und gewollt so konzipiert, dass sie einheitliche Bedingungen für die Vergabe dieses Vertrags festlegt und eine einheitliche Willensbildung stattfindet.
Dieses Ineinandergreifen der vergabegegenständlichen Auftragsalternativen gebietet es, sämtliche als Auftraggeber in Betracht kommenden Beteiligten einheitlich als Normadressaten des Sektorenvergaberechts anzusehen. Wenn nicht auch die Antragsgegnerin zu 1. als Normadressatin behandelt würde, hätte ein Bieter, dessen auf einen Anschluss an das Netz der Antragsgegnerin zu 2. und damit unzweifelhaft einen öffentlichen Auftrag gerichtetes Angebot ausgeschlossen würde, keine Möglichkeit, vergaberechtlichen Primärrechtsschutz gegen eine drohende Zuschlagserteilung durch die Antragsgegnerin zu 1. zu erlangen, obwohl er einen öffentlichen Auftrag zur Deckung des Bedarfs eines Sektorenauftraggebers anstrebt. Das zeigt, dass dann, wenn sich ein Sektorenauftraggeber entscheidet, die Möglichkeit einer dem Sektorenvergaberecht unterliegenden Bedarfsdeckung in der hier geschehenen Weise einem Dritten zu übertragen, der nicht Sektorenauftraggeber ist, dem europäischen und nationalen Vergaberecht nur wirksam Geltung verschafft werden kann (effet utile), wenn der Dritte als Sektorenauftraggeber behandelt wird. In dieser besonderen Gestaltung verlagert sich die Schnittstelle zum Vergaberecht auf den Dritten (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2015 – VII Verg 11/15, juris, Rn. 39).
d) Dagegen kommen die als Antragsgegnerinnen zu 3. und zu 5. angegriffenen „Auftraggebergemeinschaften“ nicht als verfahrensbeteiligte (Sektoren-)Auftraggeber (vgl. § 162 i. V. m. § 98 GWB) in Betracht.
Sektorenauftraggeber können neben natürlichen oder juristischen Personen (vgl. § 99 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 100 Abs. 1 Nr. 1, § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB) nur Verbände sein (vgl. § 99 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 100 Abs. 1 GWB). Da öffentliche Aufträge nur von Rechtssubjekten vergeben werden können, muss ein Verband zumindest insoweit teilrechtsfähig sein, um als Auftraggeber in Betracht zu kommen (vgl. Bungenberg/Schelhaas in BeckOK Vergaberecht, 13. Ed. Stand: 31. Juli 2019, GWB § 99 Rn. 99; Dörr in Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017, GWB § 99 Rn. 101 und § 100 Rn. 19; wohl auch Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, GWB § 99 Rn. 116; a. A. ohne Begründung Pünder in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019; GWB § 99 Rn. 69). Zwar ist auch eine BGB-Außengesellschaft teilrechtsfähig (st. Rspr. seit BGHZ 146, 341); von den als Antragsgegnerinnen benannten „Auftraggebergemeinschaften“ sind jedoch allenfalls die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. als Veranstalter der gemeinsamen Ausschreibung – ohne Rechtswirkungen – nach außen aufgetreten und mögen deshalb als „Ausschreibungsgemeinschaft“ bezeichnet werden. Dagegen sind weder die Antragsgegnerin zu 3. noch die Antragsgegnerin zu 5. als mögliche Vertragspartnerin nach außen aufgetreten, so dass ihnen jegliche Rechtsfähigkeit fehlt und sie deshalb auch nicht Auftraggeber im vergaberechtlichen Sinn sein können.
2. Die Anwendung des Vergaberechts ist nicht durch § 137 Abs. 1 Nr. 8 GWB ausgeschlossen. Zwar sind nach dieser Vorschrift Aufträge durch Sektorenauftraggeber zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit dann nicht dem Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterworfen, wenn sie die Beschaffung von Energie im Rahmen der Energieversorgung zum Gegenstand haben. Davon werden indes nur reine Energielieferverträge erfasst, nicht dagegen Verträge, die – wie im Streitfall – darüber hinausgehend auch den Bau und Betrieb von Kraftwerken betreffen (vgl. Marx in Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2018, GWB § 137 Rn. 8; Antweiler in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, GWB § 137 Rn. 11; Lausen in Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017; GWB § 137 Rn. 74; Jäger in BeckOK Vergaberecht, 13. Ed. Stand: 31. Januar 2017, GWB § 137 Rn. 9). Hinzu kommt vorliegend, dass die Antragsgegnerinnen nicht als Energieanbieter auf dem Gebiet der Energieversorgung tätig sind, sondern als Netzbetreiber.
3. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Insbesondere hat sie ein ausreichendes Interesse i. S. d. § 160 Abs. 2 GWB, obwohl sie nicht die Leistungen erbringen will, die Gegenstand des Auftrags sind, gegen dessen Vergabe sie sich wendet.
a) Nach der genannten Vorschrift ist jedes Unternehmen befugt, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht.
Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet den Rechtsweg gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt. Gewährleistet wird nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes enthält in Verfahren, in denen Primärrechtsschutz zur Abwendung von Gefahren und möglicher Nachteile begehrt wird, auch das Gebot, dass durch den gerichtlichen Rechtsschutz so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvor zu kommen ist. Dieser Grundsatz gewinnt namentlich im Zusammenhang mit dem vorläufigen Rechtsschutz Bedeutung, ist hierauf aber nicht beschränkt. Aus ihm folgt, dass keine überspannten Anforderungen an die Voraussetzungen der Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes zu stellen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004 – 2 BvR 2248/03, juris Rn. 22).
Das Nachprüfungsverfahren dient dem vergaberechtlichen Primärrechtsschutz. Nur mit ihm kann der subjektive Anspruch des Bieters auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren durch den öffentlichen Auftraggeber während eines laufenden Vergabeverfahrens durchgesetzt werden. Mit der Erteilung des Zuschlages ist demgegenüber die Erlangung von Primärrechtsschutz nicht mehr möglich, da nach § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB ein bereits erteilter Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden kann. Der Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB kommt vor diesem Hintergrund für die Erlangung von Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren eine zentrale Bedeutung zu. Ihre Ablehnung hat zur Konsequenz, dass dem betroffenen Unternehmen nur noch der Weg verbleibt, Sekundäransprüche vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen. Vor dem Hintergrund dieser spezifischen Ausgestaltung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens müssen die in § 160 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen in einer Weise ausgelegt werden, die den betroffenen Unternehmen einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten. Der Begriff des Interesses am Auftrag ist deshalb weit auszulegen (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 24 f.).
So kann ein Unternehmen auch dann antragsbefugt sein, wenn es den Auftrag nicht so, wie er vergeben worden ist – oder zur Vergabe ansteht -, bedienen kann und will (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10, juris, Rn. 50 – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr I).
b) Danach hat vorliegend die Antragstellerin ein ihre Antragsbefugnis begründendes Interesse an dem Auftrag i. S. d. § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB.
Der Streitfall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass nicht ein einheitlicher Auftrag zur Vergabe ansteht, sondern alternativ ein Auftrag der Antragsgegnerin zu 2. an die Beigeladene oder ein anderer Auftrag der Antragsgegnerin zu 1. an die Antragstellerin. Beide Aufträge dienen aber der Deckung eines einheitlichen Bedarfs der drei Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. und schließen einander aus, weil der Bedarf mit dem Abschluss bereits eines der Verträge gedeckt ist und deshalb der parallele Abschluss des jeweils anderen Vertrags nicht in Betracht kommt.
Würde der Antragstellerin in dieser Konstellation das antragsbefugnisbegründende Interesse abgesprochen, weil sie selbst den Auftrag der Antragsgegnerin zu 2. (betreffend Leistungen mit einem Anschluss an deren Netz) nicht erlangen will, sondern nur den Auftrag der Antragsgegnerin zu 1., wäre ihr der Primärrechtsschutz vollständig verweigert, weil ihr der Vergaberechtsweg verschlossen würde und sie wegen dessen spezialgesetzlichen Vorrangs auch nicht vor den Zivilgerichten gegen die Antragsgegnerin zu 2. vorgehen könnte. Um dieses der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zuwiderlaufende Ergebnis zu vermeiden, ist darauf abzustellen, dass die beanstandete Auftragsvergabe zwangsläufig die Aussicht der Antragstellerin vereitelt, von der Antragsgegnerin zu 1. beauftragt zu werden, und das als ausreichendes Interesse i. S. d. § 160 Abs. 2 GWB anzusehen.
4. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin in dem – gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 SektVO zulässigen – Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfolgte zu Unrecht.
a) Auch wenn § 51 SektVO keine Regelung wie § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV enthält, können Angebote, die Änderungen der Vergabeunterlagen enthalten, ausgeschlossen werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2014 – VII-Verg 35/13, juris Rn. 40; Röwekamp in Eschenbruch/Opitz/Röwekamp, Sektorenverordnung, 2. Aufl. 2019, § 51 Rn. 52; Niestedt in Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2018, SektVO § 51 Rn. 4; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, SektVO § 51 Rn. 3).
b) Allerdings steht im Streitfall die Unklarheit der Vergabeunterlagen einem Ausschluss des Erstangebots der Antragstellerin entgegen.
aa) Ist eine Leistung nicht eindeutig beschrieben, so führen Verstöße gegen missverständliche oder mehrdeutige Angaben nicht zum Ausschluss; die Vergabestellen trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. v. 18. Juni 2019 – X ZR 86/17, juris, – Straßenbauarbeiten Rn. 47; Urt. v. 15. Januar 2013 – X ZR 155/10, juris, – Parkhaussanierung Rn. 7; Urt. v. 3. April 2012 – X ZR 130/10, juris, – Straßenausbau Rn. 9; Senat, Beschluss vom 21. April 2017 – Verg 1/17, juris Rn. 64; von Wietersheim in BeckOK Vergaberecht, 14. Ed. Stand: 31. Januar 2020, VgV § 57 Rn. 19j; Haak/Hogeweg in Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2019, § 57 VgV Rn. 45; Pape in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, VgV § 57 Rn. 33; Herrmann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, VgV § 57 Rn. 37).
bb) Danach war im Streitfall der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin alleine auf der Grundlage der Vergabeunterlagen unberechtigt.
Die Auftraggeber haben einerseits in Ziffer 3.6.2 der Angebotsbedingungen ausgeführt, dass Änderungen der als nicht verhandelbar bezeichneten Vertragsteile nicht zulässig seien. Andererseits haben sie – worauf die Antragstellerin in Randnummer 203 auf Seite 58 ihrer Beschwerdebegründung vom 3. Dezember 2019 hinweist – bei den Kriterien für die Bewertung der von den Bietern angebotenen Vertragsentwürfe in Ziffer 8.2.3 der Angebotsbedingungen ausdrücklich auf unterschiedliche Varianten der „Verteilung der vertraglichen Risiken“ abgestellt; da diese Risiken und deren Verteilung nicht in den als verhandelbar gekennzeichneten Vertragsklauseln selbst genannt sind, kann eine abweichende Verteilung – die nach der Bewertungssystematik allenfalls zur Zuweisung einer geringen Punktzahl, aber eben nicht zum Angebotsausschluss führen soll – nur durch die Bezugnahme in einer verhandelbaren Klausel auf solche Klauseln erfolgen, die als nicht verhandelbar gekennzeichnet sind. Damit ist unklar, welche Möglichkeiten der vom Vertragsentwurf in den Angebotsbedingungen abweichenden Risikoverteilung noch zulässig sein sollen.
Es kann dahinstehen, ob es der Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB oblegen hätte, diese Unklarheit zu rügen, denn jedenfalls kann der Mangel der Unklarheit dessen, was Gegenstand des Auftrags sein soll, nicht zu einer Präklusion führen (vgl. EuGH, Urt. v. 11. Oktober 2007 – C 241/06, juris, – Lämmerzahl Rn. 57); die Unklarheit der Vergabeunterlagen läge auch bei einem Rügeausschluss weiterhin tatsächlich vor und stünde der Prüfung entgegen, ob das Angebot der Antragstellerin von diesen Unterlagen inhaltlich abweicht und deshalb auszuschließen war.
cc) Das Vergabeverfahren ist wegen der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses des Angebots der Antragstellerin in den Stand davor zurückzuversetzen. Zur Behebung des Mangels der Unklarheit der Vergabeunterlagen ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. der Antragstellerin und der Beigeladenen gegenüber erläutern, welche Verteilungen der vertraglichen Risiken durch Änderungen der verhandelbaren Klauseln, insbesondere der Klausel Ziffer 25, zulässig sein sollen und bei welchen Änderungen ein Ausschluss droht. Den beiden Konkurrenten wird die Gelegenheit zu eröffnen sein, auf der Grundlage dieser Erläuterungen (modifizierte) Angebote abzugeben.
c) Die Antragstellerin hat ein rechtliches Interesse daran, dass die Rechtswidrigkeit des Ausschlusses nicht nur gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. als derjenigen, die ihn ausgesprochen hat, und gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. als derjenigen, die darauf gestützt den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben beabsichtigt, festgestellt wird, sondern auch gegenüber der Antragsgegnerin zu 4. Denn angesichts des einheitlichen Bedarfs dieser drei Antragsgegnerinnen und dem bereits erfolgten Zusammenwirken der Antragsgegnerinnen zu 1. und zu 2. besteht die nicht fern liegende Möglichkeit, dass auch die Antragsgegnerin zu 4. im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens handeln wird.
5. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Antragsgegnerinnen zu 1., zu 2. und zu 4. gegebenenfalls gehalten sein können, erhebliche Preisdifferenzen zwischen den Angeboten aufzuklären (vgl. § 54 Abs. 1 SektVO).
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 175 Abs. 2 i. V. m. § 78 Satz 1 GWB, diejenige über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer auf § 182 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 GWB; da das Gesetz hinsichtlich der Haftung für die Aufwendungen der obsiegenden Partei nicht ausdrücklich gesamtschuldnerische Haftung vorsieht, haften die Antragsgegnerinnen als Teilschuldnerinnen (vgl. BGH, a. a. O., S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr I Rn. 75 m. w. N.). Den Anträgen gegen die Antragsgegnerinnen zu 3. und zu 5. misst der Senat keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu.
Die Bemessung des Streitwerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 i. V. m. § 39 Abs. 2 GKG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben