Baurecht

Verpflichtung zur Erteilung einer Änderungsgenehmigung für eine Windenergieanlage

Aktenzeichen  W 4 K 17.208

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34663
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 75 S. 1, § 91 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 4
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2
BImSchG § 16 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage liegt bei einer erledigten Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage nur dann vor, wenn mit der beantragten Feststellung der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert wird. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob ein Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bestand, und der Pflicht der Genehmigungsbehörde, eine Genehmigung in angemessener Zeit zu erteilen. Letzteres kann nur Gegenstand eines vor den Zivilgerichten zu führenden Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist nur noch der mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 12. November 2018 gestellte Feststellungsantrag, dass der Beklagte seit dem 17. Mai 2016 (00:00 Uhr) verpflichtet gewesen sei, die beantragte Änderungsgenehmigung für die Windkraftanlage 1 auf dem Grundstück mit der Flnr. … der Gemarkung W., … S. zu erteilen.
Die Klage hat deshalb keinen Erfolg, da es sich vorliegend um eine unzulässige Klageänderung i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO handelt. Weder hat der Beklagte in die Klageänderung eingewilligt, noch hält das Gericht die vorliegende Klageänderung für sachdienlich. Letzteres ergibt sich daraus, dass die Klageänderung nicht der Streitentscheidung im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff auch nicht im Wesentlichen identisch ist.
Im Einzelnen:
Die Klägerin begehrte ursprünglich bei Klageerhebung mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 in Form der Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO die Verpflichtung des Beklagten, ihr die beantragte Genehmigung für den Typenwechsel vom Typ Nordex N 117 zum Typ Enercon E 115 zu erteilen.
Nachdem der Beklagte unter dem 27. Juli 2017 die begehrte Genehmigung erteilte, hatte sich der Rechtsstreit erledigt (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Die Klägerin hat daher zu Recht ihren Klageantrag umgestellt und zunächst mit Schriftsatz vom 20. September 2017 sinngemäß die Feststellung begehrt, dass die Nichterteilung der Änderungsgenehmigung rechtswidrig gewesen sei bzw. der Beklagte verpflichtet gewesen sei, der Klägerin die Änderungsgenehmigung zu erteilen.
Dies war seitens der Kammer auch nicht zu beanstanden, denn nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Dass die Vorschrift bei Verpflichtungsklagen in Form von Untätigkeitsklagen entsprechend gilt, mithin auch bei solchen Klagen das Verfahren trotz Erledigung mit dem Ziel fortgesetzt werden kann, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung oder der Unterlassung des beantragten Verwaltungsaktes feststellen zu lassen, ist allgemeine Meinung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. zum Ganzen: Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 127 ff.).
Die Klägerin hat allerdings diesen Antrag nicht weiter verfolgt. Sie hat vielmehr im Erörterungstermin am 24. Juli 2018 zunächst den Antrag gestellt, dass der Beklagte seit dem 16. Mai 2016 verpflichtet gewesen sei, die beantragte Änderungsgenehmigung zu erteilen, hilfsweise, dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei, vor dem 1. Januar 2017 die beantragte Änderungsgenehmigung zu erteilen. Letztendlich hat sie mit Schriftsatz vom 12. November 2018 die Feststellung begehrt, dass der Beklagte seit dem 17. Mai 2016 (00:00 Uhr) verpflichtet gewesen sei, die beantragte Änderungsgenehmigung zu erteilen.
Eine ohne weiteres zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage liegt jedoch bei einer erledigten Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage grundsätzlich nur dann vor, wenn mit der beantragten Feststellung der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert wird (BVerwG, Buchholz 310, § 113 VwGO, Nr. 173 = NVwZ 1988, 431). Dies ergibt sich aus dem Zweck, dem diese Klage dienen soll. Sie soll verhindern, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die „Früchte“ der bisherigen Prozessführung gebracht wird (vgl. BVerwG, Buchholz 310, § 161 VwGO, Nr. 69 m.w.N.). Er darf daher das in der Untätigkeitsklage subsidiär enthaltene Feststellungsbegehren als Hauptantrag fortführen, wenn er ein entsprechendes Feststellungsinteresse vorweisen kann. Ohne weiteres zulässig ist eine solche Fortsetzungsfeststellungsklage mithin nur, wenn der Streitgegenstand von dem bisherigen Antrag umfasst war. Nur dann gebietet es der dem § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zugrunde liegende Gedanke der Prozessökonomie, die Weiterführung des Verfahrens zuzulassen, ohne dass die Voraussetzungen für eine Klageänderung erfüllt sein müssen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 24.1.1992 – 7 C 24/91 – juris).
Diesen Anforderungen genügt der zuletzt vom Klägervertreter gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht. Sein Gegenstand ist ein anderer als der der ursprünglichen Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage.
Legt man den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 gestellten Klageantrag zugrunde, wonach der Beklagte verpflichtet werden sollte, der Klägerin gemäß ihrem Antrag auf immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung vom 17. August 2015 bzw. 21. August 2015 die beantragte Änderungsgenehmigung zu erteilen, ging es der Klägerin ursprünglich um die Feststellung, dass die Weigerung/Unterlassung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidungserheblichen Zeitpunkt die Rechtsordnung verletzt, da ihr ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zustand. Dieses Begehren wird auch deutlich unter Berücksichtigung der Klagebegründung. Insbesondere im Schriftsatz vom 25. Juli 2017 führt die Klägerin nämlich aus, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ihr ein Anspruch deshalb zustehe, da keine zureichenden Gründe i.S.v. § 75 Satz 1 VwGO mehr vorhanden seien.
Nunmehr will die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren wegen der aus ihrer Sicht pflichtwidrigen Verzögerung der Genehmigungserteilung einen Schadensersatzprozess vorbereiten. Dafür möchte sie festgestellt wissen, dass die Unterlassung der Genehmigung seit dem 17. Mai 2016 – und nicht wie ursprünglich beantragt zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – rechtswidrig war. Die rechtliche Beurteilung dieses Antrags richtet sich demnach danach, ob und wann die eingereichten Unterlagen für eine positive Entscheidung ausreichend waren. Von Bedeutung ist aber auch, welche Zeit die Behörde nach Vervollständigung der Unterlagen für Ermittlungs- und Prüfungszwecke beanspruchen durfte und ob weitere, später ausgeräumte Hindernisse vorhanden waren, die die Unterlassung rechtfertigen könnten.
Solche Gesichtspunkte waren für den ursprünglich gestellten Verpflichtungsantrag bzw. Untätigkeitsantrag im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses allerdings nicht kennzeichnend. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erlaubt jedoch selbst bei erweiterter Auslegung nicht die Einführung eines Streitgegenstandes, der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendigerweise andere Erwägungen als der bisherige erfordert (vgl. BVerwG, Buchholz 310, § 113 VwGO Nr. 74).
Der geänderte Klageantrag der Klägerin ist auch nicht als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig. Einer solchen Klage würde das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage in dem von ihr beabsichtigten Zivilprozess als Vorfrage geklärt werden kann (vgl. BVerwG, Buchholz 310, § 113 VwGO Nr. 95 = NJW 1980, 2426).
Zusammenfassend ist also grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zustand, und der Pflicht der Genehmigungsbehörde, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung in angemessener Zeit zu erteilen. Letzteres kann nur Gegenstand eines vor den Zivilgerichten zu führenden Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses sein. Die Zivilgerichte sind dabei an die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses ein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung bestand, gebunden (BVerwG v. 2.10.1998, NVwZ 1999, 523; BGH v. 28.9.1995, NVwZ-RR 1996, 65). Die genaue Bestimmung der Anspruchsgrundlagen ist allerdings den Zivilgerichten ebenso zu überlassen wie die Frage, in welchem Umfang in derartigen Fällen eine Entschädigung in Betracht kommt (vgl. BVerwG v. 30.6.2004, Az. 4 B 76/04 – juris Rn. 2). Erst in diesem Zusammenhang ist auch zu klären, welche Bearbeitungszeit im konkreten Fall noch angemessen war (vgl. BGH v. 9.6.1994, NJW-RR 1994, 1171) und ob die handelnden Amtsträger ein Verschulden trifft, welches Haftungsansprüche auslöst (vgl. BGH v. 11.6.1992, NVwZ 1992, 1119).
Die Klage war nach alldem abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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