Baurecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer teilweise abgelehnten Baugenehmigung

Aktenzeichen  M 8 K 17.1570

Datum:
26.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 41194
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3, § 113 Abs. 5, § 161 Abs. 2
BauGB § 31
BauNVO § 3 Abs. 3 Nr. 1, § 4 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2
BayBO Art. 64 Abs. 2 S. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 76 S. 2, Art. 80 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Hat sich die Hauptsache nur teilweise erledigt, ist kein gesonderter Beschluss zu erlassen, sondern die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil im Urteil zu treffen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Stellt sich bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine vorbeugende Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 S. 2 BayBO kann grundsätzlich erlassen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, aus denen zweifelsfrei auf eine unmittelbar bevorstehende rechtswidrige Nutzung einer Anlage geschlossen werden kann. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Beteiligten die Hauptsache bzgl. der Nutzungsuntersagung und der Zwangsgeldandrohung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger und die Beklagte haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vorläufig vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache bezüglich der im streitgegenständlichen Bescheid verfügten Nutzungsuntersagung und Zwangsgeldandrohung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nachdem die Beklagte jene Verfügungen aufgehoben hat, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen und über die Kosten nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) zu entscheiden.
Da sich die Hauptsache nur teilweise erledigt hat, war kein gesonderter Beschluss zu erlassen, sondern die – auch in diesem Fall nicht der Anfechtung unterliegende – Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil im Urteil zu treffen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 2).
2. Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet und hat daher keinen Erfolg. Die Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung bezüglich der gewerblichen Nutzung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung einer diesbezüglichen Baugenehmigung zu, da die Bauvorlagen hinsichtlich der gewerblichen Nutzung zu unbestimmt sind.
2.1 Eine Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO). Dies setzt voraus, dass das Bauvorhaben anhand von Bauantrag und Bauvorlagen geprüft werden kann.
Denn Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO bestimmt insofern, dass mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen sind. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), vgl. Art. 80 Abs. 4 BayBO. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen dabei vollständig, richtig und eindeutig sein (vgl. Gaßner in Simon/Busse, BayBO, Stand: 128. EL Dezember 2017, Art. 64 Rn. 75). Stellt sich bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden (vgl. Gaßner, a.a.O. Rn. 80; VG München, B.v. 28.11.2017 – M 8 SN 17.4766 – juris Rn. 57). Art. 76 BayBO Simon/Busse
2.2 Dies zugrunde gelegt, sind die vom Kläger vorgelegten Bauvorlagen unvollständig und unklar. Eine Baugenehmigung durfte die Beklagte auf Grund dessen nicht erteilen, weshalb das Gericht keine Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung aussprechen kann.
Der Kläger begehrt vorliegend neben der Nutzung der geplanten baulichen Anlage zu Wohnzwecken – welche die Beklagte genehmigt hat und welche nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist – eine gewerbliche Nutzung. Hierbei sind sowohl die zeitliche Dauer als auch der konkrete Umfang jener Nutzung nicht hinreichend in den Bauvorlagen, insbesondere in der Betriebsbeschreibung, bestimmt.
2.2.1 Die beantragte (teilweise) befristete Erteilung einer Baugenehmigung ist zwar rechtlich zulässig (vgl. Art. 69 Abs. 1 BayBO; Art. 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Jedoch hat der Kläger hier nicht angegeben, für welchen Zeitraum er die gewerbliche Nutzung durchführen will. In den vorgelegten Bauvorlagen ist lediglich die Rede von einer „spätere[n]“ Wohn- bzw. Privatnutzung, der eine gewerbliche Nutzung zeitlich vorgelagert sein soll, oder einer Nutzung in den „ersten Jahren“. Über welchen Zeitraum diese genau stattfinden soll, ist den eingereichten Unterlagen dagegen nicht zu entnehmen.
Ohne eine solche Angabe kann eine abschließende baurechtliche Beurteilung nicht erfolgen, da an eine zeitlich befristete Nutzung möglicherweise andere Anforderungen zu stellen sind als an eine dauerhafte Nutzung. So könnte gerade im Rahmen der Ermessensentscheidung der Beklagten im Rahmen des § 31 Abs. 1 und Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) die Dauer der Nutzung zu berücksichtigen sein.
Die Erteilung einer Baugenehmigung für einen „vorübergehenden“, nicht konkret befristeten Zeitraum wäre hingegen mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam (vgl. OVG NRW, B.v. 27.7.1992 – 7 B 2686/92 – juris Rn. 12; offen gelassen, aber in diese Richtung tendierend: BayVGH, U.v. 7.12.2010 – 14 B 09.2292 – juris Rn. 23).
2.2.2 Im Übrigen sind die Bauvorlagen auch insoweit unbestimmt, als sie nicht konkret erkennen lassen, welcher Personenkreis in welchem Umfang die streitgegenständlichen Räume nutzen soll. So wird in der Betriebsbeschreibung vom 21. November 2016 unpräzise von „Kurzzeitvermietung“ gesprochen. Ob es sich um eine tageweise, wochenweise oder noch langfristigere Vermietung handeln soll, wird nicht näher erläutert. Auch unter Berücksichtigung der weiteren vom Kläger eingereichten, von der Beklagten aber nicht mit einem Ablehnungsstempel versehenen, Unterlagen wird die geplante Dauer der jeweiligen Nutzung nicht konkretisiert. Der Angabe einer Vermietung für „weniger als 3 Monate“ lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, welche Nutzungsdauer für die Bewohner der Räumlichkeiten beabsichtigt ist.
Auch wenn laut des „Gutachtens“ des Klägers über die Vermietung zu Wohnzwecken hinaus Dienstleistungen nicht angeboten werden, erscheint jedenfalls die Frage der Reinigung der Räumlichkeiten klärungsbedürftig und ist somit in eine Betriebsbeschreibung aufzunehmen.
Auch diese Angaben sind zur abschließenden Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens erforderlich, da nur so eine Abgrenzung zwischen den hier in Betracht kommenden typisierten Nutzungsarten nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) – Wohnnutzung, (kleiner) Betrieb des Beherbergungsgewerbes, nicht störender Gewerbebetrieb oder Ferienwohnung – möglich ist. Denn hierbei kommt es – neben der Ausstattung des Apartments, der Möglichkeit eigenständiger Haushaltsführung innerhalb des Apartments und dem Umfang ergänzender Dienstleistungen – maßgeblich auf die Dauer des Aufenthaltes an (vgl. VGH BW, B.v. 17.1.2017 – 8 S 1641/16 – juris Rn. 17 ff.; Vietmeier in Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 3 Rn. 28).
2.3 Auf die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens – insbesondere die Frage, ob eine allgemein zulässige oder eine ausnahmsweise zulässige Nutzung gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO bzw. § 4 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BauNVO in Betracht kommt (vgl. hierzu VG München, U.v. 18.6.2018 – M 8 K 17.4323 – rechtskräftig – juris) – kommt es folglich nicht mehr entscheidungserheblich an.
3. Die Klage war daher – soweit noch rechtshängig – mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Soweit die Beteiligten die Streitsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO), die Kosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen, da die aufgehobenen Verfügungen rechtswidrig gewesen sein dürften.
Zwar kann eine vorbeugende Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO grundsätzlich erlassen werden. Dies setzt jedoch das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten voraus, aus denen zweifelsfrei auf eine unmittelbar bevorstehende rechtswidrige Nutzung einer Anlage geschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2017 – 9 ZB 15.1989 – juris Rn. 5 m.w.N.), die hier nicht gegeben waren. Aus dem Verhalten des Klägers ist nicht ersichtlich, dass er die gewerbliche Nutzung ohne Baugenehmigung aufnehmen würde.
Die Zwangsgeldandrohung war aus diesem Grund sowie aufgrund einer fehlenden Fristsetzung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) ebenfalls rechtswidrig, wenn nicht nichtig (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, 130. EL Juli 2018, Art. 76 Rn. 376).
Angesichts der Tatsache, dass der Kläger hinsichtlich der Erteilung der Baugenehmigung unterliegt, hinsichtlich zweier Verfügungen, die jedoch rechtlich einfacher zu würdigen sind, obsiegt (hätte), erscheint es angemessen, dass die Beteiligten die Kosten gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO je zur Hälfte tragen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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