Baurecht

Verstoß einer  Werbeanlage gegen das umgebungsbezogene Verunstaltungsverbot

Aktenzeichen  AN 9 K 15.02314

Datum:
4.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 8 S. 1, S. 2, Art. 68 Abs. 1 S. 1
BauGB BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

Das Straßenbild kann durch eine Werbeanlage bereits dann verunstaltet sein, wenn ein architektonisch hervorgehobenes Gebäude, das Bestandteil des Straßenbildes ist, verunstaltet wird. Werbeanlagen verunstalten ihren Anbringungsort, wenn sie die Gebäudewand, an der sie angebracht werden sollen, zu einem Werbeträger umfunktionieren oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und dieses damit empfindlich stören. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung und ist durch deren Versagung nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BayBO darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Prüfungsmaßstab im vorliegend durchzuführenden vereinfachten Genehmigungsverfahren sind gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO die Vorschriften über die planungsrechtliche Zulässigkeit (§§ 29 ff. BauGB) sowie die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO. Nachdem sich der Beklagte vorliegend als Ablehnungsgrund – unter anderem – auch auf das Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO berufen hat, ist auch diese Vorschrift im gerichtlichen Verfahren ebenfalls Prüfungsgegenstand (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO).
Die streitgegenständliche Werbeanlage widerspricht nach dem Ergebnis des durchgeführten Augenscheins in Verbindung mit der in den Bauvorlagen vorgelegten Fotomontage dem umgebungsbezogenen Verunstaltungsverbot des Art. 8 Satz 2 BayBO.
Gemäß Art. 8 Satz 2 BayBO dürfen bauliche Anlagen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten. Nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist eine Verunstaltung im Sinne dieser Vorschrift anzunehmen, wenn ein für ästhetische Eindrücke offener Durchschnittsbetrachter die betreffende Werbeanlage an ihrer Anbringungsstelle als belastend oder unlusterregend empfinden würde. Aufgabe des bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbots ist es in erster Linie, Auswüchse zu unterbinden, nicht aber bestimmte ästhetische Wertvorstellungen zur Stadtbildgestaltung durchzusetzen (vgl. BayVGH, B. v. 11.8.2006 – 26 B 05.3024 – juris m. w. N.). Eine Werbeanlage wirkt störend, wenn sie so aufdringlich wirkt, dass sie als wesensfremdes Gebilde zu ihrer Umgebung in keinerlei Bezug mehr steht (vgl. BayVGH, U. v. 16.9.2005 – 26 B 04.3258 – juris). Unter dem Begriff der Verunstaltung ist ein hässlicher, das ästhetische Empfinden eines für solche Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand zu verstehen. Er bedeutet nicht nur eine störende architektonische Harmonie, vielmehr muss die optische Situation als belastend oder unlusterregend empfunden werden (vgl. BayVGH, B. v. 12.5.2014 – 2 ZB 12.2498 – juris, Rn. 3; U. v. 25.7.2002 – 2 B 02.164 – juris, Rn. 19). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann das Straßenbild in Einzelfällen bereits dann verunstaltet sein, wenn ein architektonisch hervorgehobenes Gebäude, das Bestandteil des Straßenbildes ist, verunstaltet wird. In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es darüber hinaus der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die Gebäudewand, an der sie angebracht werden sollen, zu einem Werbeträger umfunktionieren oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und dieses damit empfindlich stören (vgl. BayVGH, B. v. 16.2.2016 – 2 ZB 15.2503 – juris, Rn. 2; U. v. 11.11.2014 – 15 B 12.2765 – juris m. w. N.). Die Umgebung, die zur gestalterischen Beurteilung heranzuziehen ist, bestimmt sich nach dem Umfang der gestalterischen Auswirkungen der baulichen Anlage (vgl. BayVGH, B. v. 16.2.2016, a. a. O.).
Gemessen an diesen Grundsätzen würde die streitgegenständliche Werbeanlage die Giebelfläche des landwirtschaftlichen Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück Fl. Nr. … der Gemarkung … zu einem Werbeträger umfunktionieren, das Gebäude und durch die exponierte Lage des Gebäudes auch das Straßenbild verunstalten.
Als relevante Umgebung ist nach dem Ergebnis des durchgeführten Augenscheins das Baugrundstück selbst, die gegenüberliegende Bebauung mit Wohnhäusern auf den Grundstücken Fl. Nrn. … und … der Gemarkung … sowie die sich westlich an das Vorhabengrundstück anschließende Wohnbebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. … der Gemarkung … sowie das Autohaus auf dem Grundstück Fl. Nr. … der Gemarkung … anzusehen. Diese Umgebung gelangt aus nordöstlicher Richtung am Ortseingang ins Blickfeld, so dass insoweit die gestalterische Wirkung reicht. Durch die exponierte Lage des Gebäudes, an welchem die Werbeanlage angebracht werden soll, insbesondere dessen Nähe zur Durchgangsstraße weist der Vorhabenstandort eine besondere Bedeutung für das ländliche Orts- und Straßenbild am Ortseingang auf.
Der geplante Anbringungsort der Werbeanlage, die Giebelfläche des Wirtschaftsgebäudes weist eine klare Gliederung der Giebelfläche auf; die historischen halbrunden Fensteröffnungen sind symmetrisch angeordnet. Es handelt sich bei dem Anbringungsort um ein klassisches, historisches fränkisches Wirtschaftsgebäude, das das ländliche Ortsbild insbesondere am Ortseingang in besonderer Weise prägt. Mit der Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens würde diese Symmetrie der Giebelfläche zerstört, das landwirtschaftliche Gebäude würde zu einem Werbeträger umfunktioniert werden, und diese gewerbliche Nutzung würde das bislang am Ortseingang bestehende intakte ländliche Ortsbild in empfindlicher Weise stören. Auch unter Berücksichtigung des in ca. 50 m Entfernung befindlichen Autohauses würde sich die Werbeanlage auf der Giebelfläche wie ein Fremdkörper inmitten der durch kleinräumige Wohnbebauung geprägten dörflichen Struktur ausnehmen und damit das ländliche Ortsbild verunstalten. Der geplante Anbringungsort der streitgegenständlichen Werbeanlage im Euroformat soll die linke Giebelfläche fast vollständig ausfüllen und sich der Höhe nach bis in das erste Obergeschoss erstrecken. Damit stünde die Werbeanlage gestalterisch im Vordergrund und ließe das Erscheinungsbild des landwirtschaftlichen Gebäudes mit seinen historischen halbrunden Fensteröffnungen unangemessen zurücktreten. Die bislang ruhige und symmetrische Fassade würde durch die Zulassung der Werbeanlage in nicht mehr hinnehmbarer Weise gestört, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob die Fassade „schön“ ist oder Sanierungsbedarf aufweist. Die bereits bestehenden, kleineren Hinweisschilder am Scheunentor des Vorhabengrundstücks streiten dabei nicht für eine Zulassung der um ein Vielfaches größeren Werbeanlage. Denn einen Rechtssatz des Inhalts, „was bereits verunstaltet ist, kann nicht mehr verunstaltet werden“ gibt es nicht (vgl. VG Ansbach, U. v. 9.6.2016 – AN 3 K 15.01175 – juris, Rn. 32 m. w. N.).
In dem kleinräumigen, durch Wohnnutzung und landwirtschaftliche Nutzung geprägten Straßenbild am Ortseingang würde sich die streitgegenständliche Werbeanlage als Fremdkörper ausnehmen und den dörflichen Charakter des Straßenbilds beeinträchtigen. Das unauffällige und ruhige Straßenbild würde nach Auffassung des Gerichts bei Verwirklichung der streitgegenständlichen Werbeanlage empfindlich gestört.
Die streitgegenständliche Werbeanlage verunstaltet somit sowohl das Gebäude und damit seinen Anbringungsort, als auch aufgrund dessen exponierter Lage im Straßenbild das Straßenbild im Sinne des Art. 8 Satz 2 BayBO.
Aus alledem folgt, dass die beantragte Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen das Verunstaltungsverbot nach Art. 8 Satz 2 BayBO zu Recht nicht erteilt wurde.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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