Aktenzeichen W 4 K 16.936
Leitsatz
1 Sowohl in (faktischen) reinen als auch allgemeinen Wohngebieten sind Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf bauplanungsrechtlich zulässig, § 12 Abs. 1, Abs. 2 BauNVO. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Stellplätze und Garagen für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs wie auch die mechanische Bedienung entsprechender Parkanlagen grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Etwas anderes gilt nach § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO allerdings dann, wenn von Stellplätzen oder Garagen Belästigungen oder Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzulässig sind. Bei der Bestimmung des Maßes dessen, was dem Nachbarn an Störungen billigerweise noch zumutbar und von ihm hinzunehmen ist, kommt es auf das Ergebnis einer situationsbezogenen Abwägung und einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Einzelfall an. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Soweit es bei dieser Betrachtung auf die Frage der Zumutbarkeit der im Zusammenhang mit der Nutzung von Stellplätzen und Garagen auftretenden Lärmimmissionen ankommt, kann hierbei jedoch nicht schematisch auf die Einhaltung bzw. Überschreitung der Grenzwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm – abgestellt werden (hier Unzumutbarkeit wegen der von offenen Doppelparkern ausgehenden Lärmimmissionen bejaht). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 8. August 2016, Az.: 51-602- …, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Gründe
Die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 8. August 2016 ist zulässig und begründet. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt zulasten der Kläger gegen das Gebot der Rücksichtnahme und verletzt sie damit in drittschützenden Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Grundstücksnachbarn können sich gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Zu diesen nachbarschützenden Vorschriften zählt insbesondere das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, welches in unterschiedlichen Vorschriften des öffentlichen Baurechts zum Ausdruck kommt.
2. Es kann vorliegend offen bleiben, ob sich das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung genehmigte Wohnhaus hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der überbauten Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügt und ob die Kläger durch die Dimensionierung des Baukörpers, die Nutzung des Gebäudes als Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten sowie die Situierung des Hauseingangs auf der ihrem Grundstück zugewandten Längsseite des Baugrundstücks in ihren Nachbarrechten verletzt werden. Gleiches gilt für die Frage, ob sich ein von den Klägern im Nachbarrechtsstreit rügbarer Rechtsverstoß der Baugenehmigung aus der vormaligen Zugrundelegung eines Zweifamilienhauses für die Heranziehung der Beigeladenen zu Erschließungskosten ergibt.
Denn das Bauvorhaben verstößt jedenfalls hinsichtlich der genehmigten sechs Doppelparker gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme, was zur Aufhebung der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung führt.
3. Das Bauvorhaben befindet sich unstreitig im unbeplanten Innenbereich, sodass sich seine Zulässigkeit nach § 34 BauGB bestimmt. Danach ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich gemäß § 34 Abs. 2 BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, wobei auf die nach der Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden ist. Die nähere Umgebung des Baugrundstückes ist nahezu ausschließlich von Wohnbebauung geprägt, sodass in Übereinstimmung der Parteien vom Vorliegen eines faktischen Wohngebietes auszugehen ist, wobei im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen kann, ob es sich dabei um ein reines (§ 3 BauNVO) oder ein allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) handelt.
Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB findet das Gebot der Rücksichtnahme über das Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Beurteilung, im Falle des Vorliegens eines faktischen Baugebietes nach § 34 Abs. 2 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO. Das Gebot der Rücksichtnahme zielt darauf ab, bodenrechtliche Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, zu vermeiden. Es soll dabei einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Baugenehmigungsbehörde hierdurch gezwungen wird, in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten. Nach gefestigter Rechtsprechung hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen ab, wobei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge billigerweise zuzumuten ist, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – DVBl. 1977, 722 ff.; BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14/87 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 22, m.w.N.). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen; je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 40). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 22).
Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich das mit der Baugenehmigung des Beklagten vom 8. August 2016 genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen wegen der mit der Nutzung und dem Betrieb der sechs Doppelparker-Anlagen verursachten Immissionen auf dem Grundstück der Kläger als rücksichtslos dar.
3.1. Sowohl in (faktischen) reinen als auch allgemeinen Wohngebieten sind Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf bauplanungsrechtlich zulässig, § 12 Abs. 1, Abs. 2 BauNVO. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/02 – juris Rn. 7). Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Stellplätze und Garagen für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs wie auch die mechanische Bedienung entsprechender Parkanlagen grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.1999 – 27 ZS 99.1717 – juris Rn. 7; B.v. 18.9.2008 – 1 ZB 06.2294 – juris Rn. 34 ff.; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 14).
Etwas anderes gilt nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO allerdings dann, wenn von Stellplätzen oder Garagen Belästigungen oder Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzulässig sind (BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/02 – juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.9.1999 – 3 S 1163/99 – juris Rn. 10). Bei der Bestimmung des Maßes dessen, was dem Nachbarn an Störungen billigerweise noch zumutbar und von ihm hinzunehmen ist, kommt es auf das Ergebnis einer situationsbezogenen Abwägung und einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Einzelfall an. Bei dieser Beurteilung spielen insbesondere die Gebietsart, der konkrete Standort, die Zahl und die Benutzungsart der Stellplätze, die Art und Weise der Verbindung zum öffentlichen Verkehrsraum sowie die Funktion der Stellplätze als „notwendige“ oder zusätzliche Stellplätze eine Rolle (BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/12 – juris Rn. 7). Soweit es bei dieser Betrachtung auf die Frage der Zumutbarkeit der im Zusammenhang mit der Nutzung von Stellplätzen und Garagen auftretenden Lärmimmissionen ankommt, kann hierbei jedoch nicht schematisch auf die Einhaltung bzw. Überschreitung der Grenzwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm – abgestellt werden, schon allein um Wertungswidersprüche zu § 12 Abs. 2 BauNVO zu vermeiden (BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/12 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 12.7.2007 – 15 ZB 06.3088 – juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, B.v. 11.12.2013 – 3 S 1964/13 – juris Rn. 15; VG Hamburg, B.v. 13.11.2015 – 9 E 2858/15 – juris Rn. 44 m.w.N.; Würfel, in: Simon/Busse, Bayer. Bauordnung, 124. Ergänzungslieferung Januar 2017, Art. 47 Rn. 237, 252). Den Grenzwerten der TA Lärm kommt insoweit bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der von Garagen und Stellplätzen verursachten Geräuschimmissionen vielmehr nur eine grobe Orientierungsfunktion zu, im Übrigen bleibt sie in Anbetracht von Geräuschen derartiger atypischer, wegen ihrer Vielgestaltigkeit in ihren Lärmauswirkungen schwer greifbarer Anlagen weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten.
3.2. Festzustellen ist, dass eine Prüfung von Fragestellungen des Lärmschutzes betreffend die genehmigte Doppelparker-Anlage seitens des Beklagten im Baugenehmigungsverfahren offensichtlich nicht stattgefunden hat. Jedenfalls findet sich im streitgegenständlichen Bescheid wie auch in den beigezogenen Behördenakten hierzu kein Ansatzpunkt. Weder enthält die Baugenehmigung Auflagen zum Schallschutz beim Betrieb der Anlage, noch lassen die Bescheidbegründung und die der Bauakte zu entnehmenden Behördenvorgänge eine dahingehende Untersuchung erkennen. So werden etwa in der Stellungnahme des Landratsamtes Miltenberg an den Markt Elsenfeld betreffend die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens vom 25. April 2016 (Bl. 59 bis 61 d. A.), in welcher die Behörde ihre Rechtsansicht zur Frage der baurechtlichen Zulässigkeit der Doppelparker-Anlage gegenüber der Gemeinde darlegte, lediglich Fragen der Vereinbarkeit mit der Stellplatzsatzung der Gemeinde und dem bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht thematisiert, um im Anschluss einen möglichen Verstoß gegen nachbarschützende Vorgaben zu verneinen. Im Übrigen befinden sich in der Bauakte selbst lediglich die von den Beigeladenen als Bauunterlagen eingereichten Produktdaten des Herstellers zum geplanten Anlagenmodell (Bl. 31 bis 36 bzw. 42 bis 47 d. A.). Diese enthalten unter dem Punkt „Technische Hinweise“ Herstellerinformationen zu angeboten Schallschutzpaketen zur Installation an bzw. in der Anlage, wobei sich aber im Übrigen aus der Akte nicht entnehmen lässt, ob und welche dieser Pakete von den Beigeladenen in Auftrag gegeben werden sollen, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die Behörde sich diese Frage im Genehmigungsverfahren auch nicht gestellt hat.
In der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2017 erklärte der Vertreter des Landratsamtes Miltenberg zur Lärmschutzproblematik ergänzend, dass die Behörde die immissionsschutzrechtliche Relevanz der Doppelparker im Genehmigungsverfahren nicht gesehen und daher auch keine dementsprechende Prüfung für erforderlich gehalten habe. Nachdem eine Recherche nach gerichtlichen Entscheidungen zur Frage der baurechtlichen Zulässigkeit von offenen Doppelparker-Anlagen ergebnislos geblieben sei, habe man sich daher lediglich darauf beschränkt, insoweit als Beurteilungsmaßstab die Stellplatzsatzung des Marktes Elsenfeld heranzuziehen, welche im Wesentlichen nur Vorgaben zur Anzahl der erforderlichen Stellplätze enthält.
3.3. Diese pauschalierende Betrachtung des Landratsamtes unter Verzicht auf eine konkrete Bewertung der Doppelparker-Anlage im Genehmigungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des Lärmschutzes wird den Anforderungen des baurechtlichen Rücksichtnahmegebotes in Anbetracht der besonderen örtliche Verhältnisse des vorliegenden Einzelfalles – vor allem hinsichtlich der äußerst beengten räumlichen Situation und der Baugestaltung auf dem Baugrundstück, insbesondere der Nähe der Anlage zu dem Nachbargrundstück und der konkret geplanten Ausstattung des Doppelparkers – nicht gerecht. Wie vom Klägerbevollmächtigten zutreffend angemerkt, sagt der Umstand, dass der Lärm einer technischen Anlage gerade aus ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung resultiert, allein noch nichts darüber aus, ob dieser im konkreten Einzelfall aufgrund seiner Intensität nicht auch belästigend oder gar störend sein kann und daher vom Grundstücksnachbarn nicht hingenommen werden muss. Für diese Bewertung sind stets die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles anhand der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Nachbarbebauung zu berücksichtigen. Die Wertung des § 12 Abs. 2 BauNVO entbindet vor dem Hintergrund des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gerade nicht von der Prüfung, ob im Einzelfall unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarschaft zu erwarten sind und hat erst recht nicht zur Folge, dass der jeweilige Bauherr stets die von ihm geforderten Stellplätze auf die für ihn kostengünstigste Art und Weise ohne jeglichen Lärmschutz zugunsten der hiervon betroffenen Nachbarschaft errichten darf (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 27.6.2002 – 1 A 11669/99 – juris Rn. 30). Die besonderen Umstände des Einzelfalls können es vielmehr erforderlich machen, die Beeinträchtigung der Nachbarschaft auf das ihr entsprechend der Eigenart des Gebiets zumutbare Maß zu mindern. Hierfür kommen beispielsweise die bauliche Gestaltung der Stellplätze und ihrer Zufahrt, eine Anordnung, die eine Massierung vermeidet, der Verzicht auf Stellplätze zugunsten einer Tiefgarage oder Lärmschutzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze oder andere geeignete Maßnahmen in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/12 – juris Rn. 7). Unterbleibt dies oder erweist sich der geplante und genehmigte Lärmschutz als unzureichend, so verstößt die gleichwohl erteilte Genehmigung gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot. So liegt der Fall hier.
3.3.1. Nach den vorliegenden Plänen und Lichtbildern und insbesondere unter Berücksichtigung des im gerichtlichen Ortstermin durch die Kammer gewonnenen Eindrucks ist die gesamte örtliche Situation – sowohl in Anbetracht der Überbauung des Baugrundstückes selbst wie auch betreffend die Relation des geplanten Baukörpers des Wohngebäudes und der Doppelparker-Anlagen zu den Grundstücksgrenzen – geprägt von außerordentlich beengten räumlichen Verhältnissen. Das genehmigte Mehrfamilienhaus nutzt mit seiner Grundfläche von annähernd 228 m2 das Baugrundstück mit seiner Größe von 651 m2 unter äußerster Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen so weit wie nur möglich aus. Dieser Umstand allein ist an sich baurechtlich, insbesondere auch in Anbetracht des Gebotes nachbarlicher Rücksichtnahme, nicht zu beanstanden. Allerdings führt dies dazu, dass aus Platzgründen die insgesamt sechs Doppelparker-Anlagen im vorderen Grundstücksteil gleichsam in die „Ecken“ des Baugrundstücks zwischen S. Straße und den Grenzen zu den Nachbargrundstücken gedrängt und ihrerseits unmittelbar nebeneinander, zum Teil auch direkt angrenzend an den Baukörper des Wohnhauses selbst, platziert werden sollen. Abstandsflächenrechtlich mag dies zwar für sich betrachtet zulässig sein, da auch auf offene Doppelparker-Anlagen der hier vorliegenden Art und Ausstattung Art. 6 Abs. 9 BayBO wohl anwendbar sein dürfte. Die Zufahrt zu diesen Stellplätzen wird hierdurch aber auf eine nur ca. 7 mal 8 m große Fläche begrenzt. Planerisch bewirkt dies somit eine Massierung von Stellplätzen unter engsten räumlichen Verhältnissen im vorderen Teil des Baugrundstücks, wodurch insbesondere den ein- und ausfahrenden Fahrzeugen nur ein Minimum an Raum zum Rangieren zur Verfügung steht. Bereits die Anordnung der Stellplätze auf dem Baugrundstück löst daher nach Einschätzung der Kammer schon einen zusätzlichen Rangierverkehr aus, der mit zusätzlichen Lärmbelästigungen der Nachbarschaft verbunden ist. Ausgehend von den Ermittlungen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt zum Parkplatzlärm, dass ein Pkw bei beschleunigter Abfahrt in 7,5 m Abstand einen mittleren Maximalpegel von 67 dB(A), das Türenschließen einen solchen von 72 dB(A) und das Schließen der Heck- bzw. Kofferraumklappe einen Wert von 78 dB(A) erzeugt (Parkplatzlärmstudie, 6. Aufl. 2007, Nr. 8.1, Tab. 35, S. 87), liegt es nahe, dass die Nutzung der vorgesehenen Stellplätze unmittelbar an der Grundstücksgrenze eine Überschreitung des nächtlichen Spitzenpegels der zumindest als Orientierungspunkt heranziehbaren TA Lärm von 60 dB(A) (vgl. Nrn. 6.1 und 6.3 TA Lärm) an dem rund 3 bis 4 m entfernten Wohnhaus der Kläger zur Folge haben wird. Berücksichtigt man zusätzlich die durch die Arbeitsweise von Doppelparker-Anlagen auftretenden zeitlichen Verzögerungen des Ein- und Ausparkvorganges und damit die erhöhte Dauer des jeweiligen Kraftfahrzeugbetriebes, so liegt es nahe, dass – auch und insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass es sich vorliegend um einen Parkraum für insgesamt zwölf Fahrzeuge auf engstem Raum handelt – mit der hier angedachten Parkplatzlösung auch unter gewöhnlichen Umständen ein über den regelmäßig mit einer Stellplatznutzung verbundenen Verkehr hinausgehender Rangieraufwand verbunden sein wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 11.12.2013 – 3 S 1964/13 – juris Rn. 18 zu sog. gefangenen Stellplätzen). Schon unter diesen Umständen ist es nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr nahe liegend, dass hierdurch ein Maß an Lärmimmissionen verursacht wird, welches über das im Regelfall mit einer Stellplatznutzung verbundene Maß hinausgehen dürfte (vgl. auch Würfel, in: Simon/Busse, Bayer. Bauordnung, 124. Ergänzungslieferung Januar 2017, Art. 47 Rn. 250 zur Massierung von Einstellplätzen im Grenzbereich). Aufgrund dieser besonderen örtlichen Gegebenheiten ist damit nach Einschätzung der Kammer die Indizwirkung des § 12 Abs. 2 BauNVO zur Nachbarverträglichkeit von Stellplätzen und Garagen widerlegt und mit unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen durch die Nutzung der Doppelparker-Anlage zu rechnen.
3.3.2. Darüber hinaus ergibt sich die Rücksichtslosigkeit der Doppelparker-Anlage im vorliegenden Fall auch aufgrund der Besonderheiten der Ausstattung des geplanten Parksystems. Die von den Beigeladenen hier konkret angedachte Bau- und Betriebsweise der Anlage soll nach Maßgabe der Bauakten nämlich gänzlich ohne jedwede Art von Einhausung, Überdachung oder sonstiger Einfriedung zur Abschirmung eventuell störender Geräuschimmissionen, die durch den Betrieb der Anlage (Heben und Senken) und das Befahren der Plattform entstehen können, zum Schutz der Nachbargrundstücke auskommen. Es steht jedoch außer Zweifel, dass es für die Frage des Umfangs und damit der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen, gerade im Grundstücksgrenzbereich, von zentraler Bedeutung ist, ob zwischen Geräuschquelle und Immissionspunkt eine den Lärmpegel dämmende oder abschirmende Einrichtung vorhanden ist.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmemissionen einer im Grenzbereich gelegenen offenen Doppelparker-Anlage desselben Herstellers hatte etwa das VG München (B.v. 9.2.2015 – M 8 SN 14.4950 – juris) unter anderem darauf abgestellt, dass die dort streitgegenständliche Anlage, welche im Übrigen lediglich zwei Stellplätze vorhielt, zwar im Hinblick auf ihre bautechnische Ausstattung offen errichtet und betrieben werden sollte, dabei jedoch zumindest nicht komplett im Freien aufgestellt werden sollte, sondern von drei Seiten durch Wände begrenzt sei, was zu einer Dämmung des auftretenden Lärmpegels führen würde (VG München, B.v. 9.2.2015 – M 8 SN 14.4950 – juris Rn. 88). Einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme in jener vom VG München zu beurteilenden Fallgestaltung stand nach Ansicht des Gerichts zudem entgegen, dass das Anwesen der dortigen Antragsteller von der Grundstücksgrenze der Bauherren und damit dem geplanten Parksystem ca. 12 m entfernt lag. Das VG München schloss hieraus, dass in Anbetracht dessen keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen auf das Nachbargrundstück zu befürchten seien, sondern die Nachbarn vielmehr einem nicht größeren Störungspotenzial als demjenigen einer herkömmlichen Garage ausgesetzt sein würden.
Die im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Doppelparker-Anlage kann derartige, als lärmpegelmindernd zu berücksichtigende Gegebenheiten nicht vorweisen. Die uneingehausten und auch im Übrigen nicht abgeschirmte Hebeanlagen befinden sich direkt an den Grundstücksgrenzen zu den Nachbargrundstücken und massieren jeweils insgesamt sechs Stellplätze in den Eckbereichen, ohne eine Form von Schallschutzmaßnahme vorzuhalten. Das Anwesen der Kläger befindet sich dabei lediglich ca. 3 bis 4 m von der Grundstücksgrenze der Beigeladenen entfernt und ist unter diesen örtlichen Gegebenheiten den verursachten Lärmemissionen in besonderem Maße ausgesetzt. Zu berücksichtigen ist hierbei zudem, dass sich die Schlafräume im klägerischen Wohnhaus in dem den westlichen Doppelparkern zugewandten Gebäudeteil befinden. Insbesondere, aber nicht ausschließlich in der Nachtzeit dürfte die geringe Entfernung zwischen dem Stellplatzsystem und dem klägerischen Ruhebereich dazu führen, dass die mit der Nutzung des Doppelparkers verbundenen unregelmäßigen impulshaltigen Geräusche, die aus Rangiervorgängen, dem Befahren und Bedienen der Anlage sowie beispielsweise Türenschlagen resultieren, die Wohnverhältnisse auf dem klägerischen Grundstück erheblich beeinträchtigen.
3.3.3. Dass die vorliegende Doppelparker-Anlage über ein jedenfalls nicht zu vernachlässigendes Störungspotenzial verfügt, wird zudem von dem von den Beigeladenen beigebrachten TÜV-Gutachten im Auftrag des Anlagenherstellers vom 22. April 2014 zu den Lärmemissionswerten der von ihm vertriebenen Anlagen indiziert. Dieses Gutachten kann zwar im vorliegenden Fall nicht unmittelbar als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, da es nur Aufschluss über die auftretenden Schalldruckpegel in einem schutzbedürftigen Raum beim Bedienen (Heben und Senken im beladenen und unbeladenen Zustand) von Parksystemen gibt, die als haustechnische Anlagen im selben Gebäude (DIN 4109 Abs. 4) eingebaut worden sind und demnach gerade nicht – wie vorliegend – im Freien errichtet und betrieben werden. Gleichwohl zeigen die Messwerte für den hier gegenständlichen Anlagentyp („MultiBase 2072“, Seite 11 des Gutachtens), dass schon bei einer Verwendung des Doppelparkers als haustechnische Anlage ein Schalldruckpegel von 29 bzw. 30 dB (A) in schutzbedürftigen Räumen ankommen kann. Dies gibt zumindest einen Anhaltspunkt für das Störpotenzial der hiesigen Anlagenausstattung, welche mangels bautechnischer Abschirmung zu den schutzbedürftigen Räumen auf den Nachbargrundstücken aller Voraussicht nach eine empfindlichere Lärmquelle als das begutachtete Parksystem innerhalb eines Gebäudes darstellen dürfte.
3.4. Lediglich ergänzend sei im vorliegenden Zusammenhang noch angemerkt, dass die von den Klägern weiterhin aufgeworfenen Fragen nach der Geeignetheit der streitgegenständlichen Doppelparker-Anlage – insbesondere hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme – von vornherein keine Verletzung der Kläger in eigenen Rechten durch die angegriffene Baugenehmigung begründen können und daher vorliegend keiner Entscheidung bedürfen. Zwar kann es im Einzelfall einem Stellplatz an der hinreichenden Beschaffenheit und damit der Geeignetheit fehlen, wenn er aufgrund eines komplizierten oder aufwendig zu bedienenden Systems nach der Lebenserfahrung nicht genutzt wird (VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.9.1999 – 3 S 1163/99 – juris Rn. 53). Dies ist aber allein eine Frage der Erfüllung der Stellplatzpflicht des Art. 47 BayBO, welche keinen nachbarschützenden Charakter hat, sondern allein im öffentlichen Interesse an der möglichst weitgehenden Freihaltung der öffentlichen Verkehrsflächen für den fließenden Verkehr besteht (BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39; Würfel, in: Simon/Busse, Bayer. Bauordnung, 124. Ergänzungslieferung Januar 2017, Art. 47 Rn. 262). Ein Verstoß gegen nachbarschützende Rechte kann hierdurch demnach nicht begründet sein.
4. Die den Beigeladenen vom Landratsamt Miltenberg erteilte Baugenehmigung war daher gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in vollem Umfang aufzuheben. Eine Teilaufhebung der Baugenehmigung allein im Umfang der Genehmigung der sechs Doppelparker kam dagegen, wenngleich das Gericht vorliegend eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften lediglich durch die genehmigte Parkanlage festgestellt hat, nicht in Betracht. Bei Nachbarklagen gegen Baugenehmigungen gilt im Grundsatz, dass im Falle der Verletzung nachbarschützender Bestimmungen durch einen Teil der genehmigten Anlage die gesamte Baugenehmigung vom Gericht aufzuheben ist (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 16). Andernfalls – im Falle einer Teilaufhebung – würde sich die verbleibende Genehmigung auf einen vom Bauantragsteller nicht gewollten und so auch nicht genehmigungsfähigen Anlagentorso beziehen; jedenfalls würde es an einem entsprechenden Bauantrag fehlen (OVG Sachsen, B.v. 13.8.2012 – 1 B 242/12 – juris Rn. 8).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Kostenbeteiligung der Beigeladenen war nicht veranlasst, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Prozess- und Kostenrisiko beteiligt haben, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.