Baurecht

Verwaltungsgerichte, Tatsächliche-Öffentliche Verkehrsfläche, Folgenbeseitigungsanspruch, Unvordenkliche Verjährung, Grundstücksbebauung, Städtisches Grundstück, Früherer Grundstückseigentümer, Unbebaute Grundstücke, Bestandsverzeichnis, Altrechtliche Dienstbarkeit, Wochenendhausgebiet, Verwirkung des Rechts, Gemeingebrauch, Widerruf, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Verspätete Geltendmachung, Kostenentscheidung, Treu und Glauben, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter

Aktenzeichen  B 1 K 19.447

Datum:
12.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28641
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 67
BayStrWG Art. 14
BGB § 903
BGB § 242

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Kläger berechtigt sind, den über das Grundstück Fl-Nr. aaa/6, teilweise über das damit verbundene Grundstück Fl.-Nr. bbb/5, jeweils der Gemarkung …, führenden Schotterweg zu sperren.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch auf gerichtliche Feststellung, wonach sie berechtigt sind, den über ihre Grundstücke verlaufenden Weg zu sperren.
1. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob und mit welchem Inhalt eine auf den streitigen Grundstücken lastende öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, im Rahmen derer die Beklagte von den Klägern eine Duldung des öffentlichen Verkehrs verlangen und dementsprechende Anordnungen treffen kann, während die Kläger der Auffassung sind, dass sie aus ihrem Eigentumsrecht eine Sperrung beanspruchen können. Dies begründet für die Kläger ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung in Bezug auf einen konkreten straßenrechtlichen Sachverhalt (vgl. VG München, U.v. 17.01.2018 – M 2 K 17.624 – juris Rn. 16 ff. m.w.N.).
Den Klägern fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen des von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11. Mai 2020 vorgelegten Vergleichsangebots auf Vornahme einer zufahrtsbeschränkenden Beschilderung. Mit der Klage wollen die Kläger festgestellt wissen, dass sie die Benutzung der streitbefangenen Flächen weder im Rahmen des Gemeingebrauchs (Art. 14 BayStrWG) noch als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche zu dulden haben, während die Beklagte durch ihr Vergleichsangebot gerade daran festhalten will.
2. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Kläger sind im Rahmen ihrer aus dem Eigentumsrecht folgenden Rechtsmacht (Art. 14 GG, § 903 BGB) berechtigt, die Allgemeinheit von der Benutzung der auf ihren Grundstücken verlaufenden Wegefläche auszuschließen und diese zu sperren. Der Anspruch auf Sperrung des Wegs wird auch gegen die Stadt … als richtiger Beklagter geltend gemacht mit dem Inhalt, eine Sperrung durch die Kläger zu dulden. Die Beklagte hat in der Vergangenheit durch unterschiedliche Maßnahmen deutlich gemacht, dass sie sich als Sicherheits- und Straßenverkehrsbehörde zuständig für die Regelungen der Benutzung dieser Fläche als Verkehrsfläche sieht und Eingriffe nicht hinnehmen wird. Zudem geht sie nach wie vor davon aus, dass eine Widmung als öffentliche Straße aufgrund altrechtlicher Wegedienstbarkeit vorliegt.
Nach § 903 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Recht der Kläger zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung des Wegs durch Sperrung der Flächen ist nicht durch einen Gemeingebrauch (Art. 14 BayStrWG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung nach Art. 6 BayStrWG oder Widmungsfiktion nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG eingeschränkt (hierzu a.). Die Nutzung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche haben die Kläger wirksam widerrufen (hierzu b.). Sonstige Gründe, die einer Sperrung durch die Kläger entgegenstehen, sind nicht gegeben (hierzu c. bis e.).
a. Die Kläger sind nicht verpflichtet, eine Benutzung der Wegefläche auf ihren Grundstücken aus Art. 14 BayStrWG zu dulden. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist die Benutzung einer Straße im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr jedermann gestattet (Gemeingebrauch). Bei der Fläche handelt es sich nicht um eine nach Art. 1 und Art. 6 BayStrWG dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße.
Maßgeblich für die Eigenschaft als öffentliche Verkehrsfläche ist die Eintragung im Straßen- und Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen. Wurde eine Straße im Zuge der Erstanlegung des Bestandsverzeichnisses für Gemeindestraßen (vgl. Art. 67 Abs. 3 BayStrWG) im Bestandsverzeichnis unanfechtbar eingetragen, gilt diese nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG als gewidmet und erhält so die Eigenschaft einer öffentlichen Straße. Ist eine Straße demgegenüber nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen, gilt sie nach Art. 67 Abs. 5 BayStrWG nicht als öffentliche Straße. Eine faktische oder konkludente Widmung gibt es nach bayerischem Straßen- und Wegerecht nicht (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 21.04.2016 – 8 B 15.129 – juris Rn. 21, m.w.N.). Eine ausdrückliche Widmung und Eintragung ins Straßen- und Bestandsverzeichnis liegt unstreitig nicht vor.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Weg entlang des Mains seit alters her genutzt wurde, zunächst als T.weg, später dann mit Fuhrwerken und Pkw, hat dies keine Auswirkungen auf eine mögliche Duldungspflicht der Kläger aus Art. 14 BayStrWG. Selbst wenn Art. 67 Abs. 5 Satz 2 BayStrWG auf dessen Abs. 2 verweist und die Voraussetzungen des Abs. 2 vorgelegen hätten, führt dies nicht dazu, dass nach wie vor von einer öffentlichen gemeindlichen Straße auszugehen wäre. Dem Gesetzgeber ging es bei Inkrafttreten des BayStrWG darum, die öffentlich-rechtliche Widmung einer bestehenden Straße aufgrund alter Rechte zu sichern und sie dem Gemeingebrauch weiter zu erhalten. Jedoch ist eine solche altrechtliche Dienstbarkeit nur geeignet, die privatrechtliche Verfügungsbefugnis der Gemeinde für eine erstmalige Eintragung in das Bestandsverzeichnis zu verschaffen. Ihrer späteren Heranziehung für eine Widmung nach Art. 6 BayStrWG stünde indes die sogenannte Negativfiktion des Art. 67 Abs. 5 BayStrWG entgegen. Denn bei einer Wegefläche, die bei Erstanlegung nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen wurde und insoweit von Art. 67 Abs. 5 BayStrWG „negativ erfasst“ wird, gelten die Widmung, die Zustimmung zur Widmung sowie die Widmungsbefugnis auf Grund eines nicht in das Grundbuch eingetragenen Altrechts als nicht mehr gegeben. Eine altrechtliche Dienstbarkeit kann daher keine privatrechtliche Verfügungsbefugnis i.S. von Art. 6 Abs. 3, Abs. 1 BayStrWG vermitteln. Ist ein Weg nicht in das Bestandsverzeichnis eingetragen, gilt er sonach nicht als öffentlicher Weg (vgl. BayVGH, U.v. 23.01.1998 – 8 B 93.4007; Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Kommentar, Stand März 2019, Rn. 12 ff. zu Art. 67). Die von der Beklagten ins Feld geführte sog. unvordenkliche Verjährung ist damit nicht geeignet, dem Weg die Eigenschaft als öffentlicher Weg nach dem BayStrWG zu verschaffen mit der Folge, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, nach Art. 14 BayStrWG die Benutzung zu dulden und die Beklagte dies auch nicht von ihnen verlangen kann.
Ob sich, wenn überhaupt, aus unvordenklicher Verjährung ein privatrechtlicher Anspruch Dritter, nämlich der Nutzer der Ferienhaussiedlung ergeben und/oder diesen ein Notwegerecht zustehen könnte, muss hier nicht entschieden werden, sondern ist ggf. durch die Zivilgerichte im Verhältnis der Kläger zu den Hinterliegern zu klären. Gleiches gilt für evtl. Ansprüche der Mitglieder des Fischereivereins, der von der Beklagten ein am Main liegendes Grundstück gepachtet hat.
b. Die Kläger haben die Nutzung des Weges als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche wirksam widerrufen.
aa. Der Grundstücksstreifen entlang des Mains wird unstreitig seit längerem zum Erreichen der südlich gelegenen Grundstücke von den dortigen Nutzern mit zumindest stillschweigender Duldung der früheren Grundstückseigentümer befahren. Wenn eine ausdrückliche oder stillschweigende Freigabe durch den Berechtigten zur allgemeinen Verkehrsnutzung gegeben ist (insbesondere durch erkennbare äußere Umstände, lange Zeit), wobei überwiegender Anliegerverkehr ausreichend ist, liegt eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche nach § 1 StVG vor, die den Regeln der StVO unterworfen ist mit der Folge, dass der Berechtigte keine Verkehrshindernisse errichten darf (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., 2010, Rn. 577 ff.; BayVGH, U.v. 26.02.2013 – 8 B 11.1708). Die Zustimmung zur Benutzung kann widerrufen werden, der Grundstückseigentümer ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht ohne Weiteres berechtigt, den Weg selbst zu sperren, da dies eine unzulässige Selbsthilfe (§ 229 BGB) und verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2005 – 8 CS 04.3275). Er kann zur Wahrnehmung seiner Rechte aber die von der Rechtsordnung vorgesehenen behördlichen und gerichtlichen Mittel ergreifen und einen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Straßenbaulastträger oder seine Befugnis zur Ausübung seiner Eigentümerrechte durch Sperrung der Wegeflächen auf eigene Kosten durchsetzen. Letztere Möglichkeit besteht für ihn selbst dann noch, wenn ein Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Straßenbaulastträger infolge Verjährung erloschen ist. Denn die Ausübung des Eigentumsrechts ist nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbar. Einem Verfügungsberechtigten bleibt es unbenommen, eine zur Nutzung durch die Allgemeinheit erteilte Zustimmung grundsätzlich jederzeit zu widerrufen (vgl. BayVGH, U.v. 26.02.2013, a.a.O., m.w.N. und U.v. 21.04.2016 – 8 B 15.129).
Einem Widerruf durch die Kläger steht damit eine Verjährung eines möglichen Folgenbeseitigungsanspruchs (wie im Verfahren B 1 K 18.1017 im Hinblick auf die Beseitigung der Wegefläche festgestellt wurde) nicht entgegen, da die aus dem Eigentumsrecht hergeleiteten Ansprüche aus § 902 BGB nicht der Verjährung unterliegen. Ob sich die Kläger explizit mit einem Antrag an die Beklagte gewandt und mitgeteilt haben, dass sie eine Nutzung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche fortan nicht mehr dulden wollen und von der Beklagten eine Sperrung verlangen, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Jedenfalls haben sie (und die Kläger im Verfahren B 1 K 19.445 bei gleichgelagertem Sachverhalt) im Rahmen der jahrelangen Auseinandersetzungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Nutzung des Weges durch die Hinterleger nicht mehr zulassen wollen. Hierfür sprechen u.a. die Errichtung einer Art Grube auf der Fläche durch die Kläger im Jahr 2015, was von der Beklagten durch eine sicherheitsrechtliche Anordnung vom 3. September 2015 untersagt wurde (vgl. das Verfahren B 1 K 15.695) sowie die Errichtung von Metallpfosten durch die Kläger des Verfahrens B 1 K 19.447 im Jahre 2012, was vom Landratsamt mit Bescheid vom 22. November 2012 aus baurechtlichen Gründen untersagt wurde, sowie nicht zuletzt die Argumentation in den geführten baurechtlichen Verfahren (B 2 S 12.588 und B 2 K 15.657).
bb. Dem Widerruf steht auch nicht die Verwirkung des Rechts entgegen.
Nach dem auch im Verwaltungsrecht geltenden, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableitbaren Rechtsgedanken der Verwirkung kann ein Recht dann nicht mehr ausgeübt werden, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Inhaltlich stellt sie den Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) dar. Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Zeitmoment), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Umstandsmoment) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen entsprechend eingerichtet hat. Das Zeit- und das Umstandsmoment müssen kumulativ vorliegen, damit von einer Verwirkung ausgegangen werden kann, wobei oftmals beide Elemente nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern ineinander übergehen können. Ein Rechtsverlust durch Verwirkung kann ferner nur eintreten, wenn die verzögerte Geltendmachung des Rechts ursächlich für bestimmte Dispositionen des Verpflichteten ist und gerade im Hinblick auf das durch Untätigkeit des Berechtigten geschaffene und betätigte Vertrauen des Verpflichteten die verspätete Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 9.05.2006 – 8 ZB 05.1473, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen einer Verwirkung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die tatsächlichen Gegebenheiten stellen sich so dar, dass der über die klägerischen Grundstücke führende Weg (bis 2011 ein Wander- und Wiesenweg) entlang des Mains zumindest seit den 1950er Jahren mit motorisierten Fahrzeugen befahren wird, da seit jener Zeit sukzessive die Wochenendhäuser errichtet wurden. Auch dürfte zutreffend sein, dass in der Vergangenheit die früheren Eigentümer der Grundstücke keine Einwände gegen die (sich wohl im Umfang stetig steigernde) Benutzung hatten bzw. dies nie zum Ausdruck gebracht haben. Andererseits hat aber auch die Beklagte in der Zeit vor Ertüchtigung des Wegs keine Maßnahmen ergriffen, straßenrechtlich rechtmäßige Zustände herzustellen.
Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Grundstücke durch die Kläger im Jahr 2009 trat die Beklagte bezüglich des Wochenendhausgebiets in Planungen ein. Sie ließ im Jahr 2014 einen Vorentwurf eines Bebauungs- und Grünordnungsplans „Sondergebiet Wochenendhausgebiet …“ anfertigen (Bl. 98 ff. der Gerichtsakte), der zum Ziel hatte, planungsrechtliche Vorgaben zum Schutz des bestehenden Zustands sowie den Rahmen für eine Nachverdichtung zu schaffen. Zur innergebietlichen Erschließung wird darin ausgeführt, dass der bestehende, bisher nicht öffentlich ausgewiesene Wirtschaftsweg als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen und von der Stadt unterhalten werden solle. Die Grundstücke der Kläger sind von diesem Entwurf erfasst und für eine Bebauung mit einem Wochenendhaus vorgesehen. Im Rahmen des Bauvorbescheidsantrags der Kläger auf Errichtung eines Wochenendferienhauses hat die Beklagte ihr Einvernehmen erteilt und angeführt, dass die Erschließung über den Privatweg am Main erfolgen solle (vgl. Bl. 118 ff. der Gerichtsakte). Die Kläger haben, als sich die beabsichtigte baurechtliche Neuordnung nicht realisieren ließ, auf eine Sperrung des Weges gedrungen. Zwar ist den Klägern entgegenzuhalten, dass ihnen wohl bewusst war bzw. bewusst hätte sein müssen, dass für ein baurechtliches Verfahren nicht die Beklagte zuständig ist, jedoch war andererseits auch der Beklagten bekannt, dass das weitere Zurverfügungstellen der Fläche für die Kläger eng zusammenhing mit der Realisierung der klägerischen Pläne. Anders sind die Stellungnahmen der Beklagten und ihr Handeln in diesem Zeitraum nicht zu verstehen. Die Beklagte konnte daher aus dem Verhalten der Kläger keinesfalls schließen, dass diese ihren aus dem Eigentumsrecht resultierenden Anspruch auf Widerruf nicht mehr geltend machen würden.
Die Kläger müssen sich auch nicht zurechnen lassen, dass ihre Rechtsvorgänger die Benutzung des Weges widerspruchslos geduldet haben. Abgesehen davon, dass für eine Verwirkung sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment kumulativ vorliegen müssen, steht dem entgegen, dass bloßes Schweigen oder Nichtstun allein in der Regel nicht ausreichend ist. Die Kläger machen Ansprüche aus ihrem Eigentumsrecht geltend, die Grundsätze über die Verwirkung z.B. nachbarrechtlicher Abwehransprüche, bei denen eine Zurechnung der Kenntnis des Rechtsvorgängers angenommen wird, greifen insoweit nicht. Der Sachverhalt ist auch nicht vergleichbar mit der Entscheidung des BayVGH vom 9. Mai 2006 (Az. 8 ZB 05.1473), denn die Beklagte hat in der Vergangenheit gerade nichts unternommen, um straßenrechtlich rechtmäßige Zustände herzustellen, sondern sich darauf verlassen, dass die stillschweigende Duldung weiterbestehen werde. Darüber hinaus hat sich gerade durch die beabsichtigte Beplanung des Gebiets, die in diesem Zusammenhang errichteten Erschließungsanlagen (Wasser, Abwasser) und die Anlage eines Schotterwegs (statt den bisher bestehenden Fahrspuren) ein veränderter Sachverhalt ergeben, wogegen sich die Kläger in angemessener Zeit gewendet haben. Schließlich entstehen der Beklagten selbst durch die geforderte Sperrung des Wegs keine unzumutbaren Nachteile. Ob den Nutzern der Wochenendhaussiedlung ein Notwegerecht zusteht und in welchem Umfang ein solches Recht (ggf. gegen Vergütung) zu gewähren ist, ist zwischen diesen und den Klägern auf dem Zivilrechtsweg zu klären.
c. Die Kläger hätten dann keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie berechtigt sind den Weg zu sperren, wenn ihnen diese Sperrung aus Rechtsgründen wieder untersagt werden könnte, d.h. wenn die Beklagte befugt wäre, eine entsprechende Anordnung zu erlassen.
Vorab ist auszuführen, dass im vorliegenden Verfahren nicht zu klären ist, auf welche konkrete Art und Weise eine Sperrung durchgeführt werden kann und ob diese ggf. im jeweiligen Fall gegen Gesetze verstoßen würde. Die Kläger haben erklärt, für die Rettungsdienste und sonstige Personen, die ein berechtigtes Interesse haben (z.B. Wartungsdienst für die Stromleitungstrasse) einen ungehinderten Zugang zu gewährleisten. Auch für Fußgänger soll das Grundstück nach wie vor passierbar sein (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2019). Es obliegt den Klägern sicherzustellen, mit welchen Mitteln unter Wahrung der einschlägigen gesetzlichen Normen dies gewährleistet werden kann.
aa. Die Rechtsgrundsätze, die im Verfahren B 1 K 15.695 (Beseitigung der Baugrube und Freihaltung des Weges für Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge; Bescheid der Beklagten vom 3. September 2015) zum Tragen kamen, sind vorliegend nicht mehr anwendbar. Die Kläger haben ihre Einwilligung zur Nutzung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche widerrufen, so dass die Vorschriften der StVO nicht mehr zur Anwendung kommen. Im Übrigen haben die Kläger mehrfach erklärt, dass sie durch geeignete Maßnahmen ggf. in Absprache mit den jeweiligen Stellen ein Befahren bei einem Notfall (Feuerwehr, Krankenwagen etc.) ermöglichen werden.
bb. Soweit die Beklagte (im Verfahren B 1 K 19.445) auf baurechtliche Vorschriften abhebt, die der Sperrung entgegenstehen sollen, fällt dies nicht in ihren Zuständigkeitsbereich, sondern ist vom Landratsamt im konkreten Einzelfall zu prüfen. Insbesondere stehen der gegenüber den Klägern des Verfahrens B 1 K 19.445 ergangene bestandskräftige Bescheid des Landratsamts … vom 22. November 2012 und die darin ausgeführten Rechtssätze nicht entgegen. Dabei handelt es sich um eine Baueinstellung aus formellen Gründen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO. Die Kläger werden bei evtl. Sperrmaßnahmen abzuklären haben, ob diese baurechtlich genehmigungspflichtig und -fähig sind.
Mit dem Hinweis, dass bei einer Sperrung des Weges ein Verstoß gegen Art. 5 BayBO gegeben sei, weil die Wochenendhäuser nicht mehr hinreichend erschlossen seien, verhält es sich genauso. Gerade dieses Argument zeigt vielmehr, dass in der Vergangenheit der Frage der hinreichenden Erschließung der Wochenendhäuser wohl nicht ausreichend nachgegangen wurde. Im Übrigen lassen die Kläger – wie bereits ausgeführt – Rettungsdienste passieren um im Notfall zu den Wochenendhäusern zu gelangen.
cc. Die gleichen Grundsätze gelten für die von der Beklagten (im Verfahren B 1 K 19.445) ins Feld geführten naturschutzrechtlichen Belange, insbesondere aus Art. 141 BV und Art. 33 BayNatSchG. Zunächst ist festzuhalten, dass vom Schutzbereich auf freien Zugang zur Natur nicht das Befahren mit Pkw umfasst ist. Die Kläger haben erklärt, dass Fußgänger ungehindert passieren können. Im Übrigen bleibt es dem Landratsamt als unterer Naturschutzbehörde nach Art. 43 Abs. 3 BayNatSchG vorbehalten zu überprüfen, ob und welche Maßnahmen gegen naturschutzrechtliche Vorschriften verstoßen bzw. genehmigungspflichtig und -fähig sind.
d. Das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelte Schikaneverbot (§ 226 BGB) greift nicht. Dies wäre nur dann gegeben, wenn das Verhalten der Kläger diesen außer dem Zweck der Schadenszufügung keinen anderen objektiven Vorteil bringen würde. Wenn ein berechtigtes Interesse auch nur mitbestimmend ist, scheidet Schikane aus (vgl. BeckOK BGB/Dennhardt, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 226 Rn. 5).
Es mag durchaus zutreffen, dass die Kläger den Weg aus Verärgerung darüber sperren, dass sie kein Baurecht für ein Wochenendhaus auf ihrem Grundstück erreichen können, während in unmittelbarer Nähe seit langem eine Wochenendhaussiedlung steht und diese Häuser nur deshalb so genutzt werden können, weil die Grundstücke der Kläger als Zufahrt dienen. Die Kläger haben jedoch ein aus dem Eigentumsrecht resultierendes Recht, über ihr Eigentum in der Weise zu verfügen, wie es ihnen beliebt, da Rechte Dritter nicht entgegenstehen (siehe die vorgehenden Ausführungen). Wenn die Kläger weiterhin die streitige Fläche als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche den Anliegern zur Nutzung zur Verfügung stellten, wären sie verkehrssicherungspflichtig, d.h. sie hätten die notwendigen Maßnahmen und Vorkehrungen zur Verkehrssicherung zu treffen. Dies gilt umso mehr, als der einstmals als einfacher Wiesenweg bestehende Fahrweg auf dem Wiesengrundstück nach den Baumaßnahmen der Beklagten in den Jahren 2010 bis 2011 (Schotterweg mit zwei Fahrspuren) nunmehr einen besseren Ausbauzustand erreicht hat, auf den sich die Nutzer eingestellt haben. Im Falle der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hätten die Kläger mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen. Zumindest eine Eingrenzung der Nutzung, wie sie die Kläger beabsichtigen, und ggf. die Möglichkeit, eine Nutzungsentschädigung zu verlangen, stellt ein legitimes Interesse der Kläger dar.
e. Ob und in welchem Umfang die Nutzer der Wochenendhaussiedlung und der Pächter des städtischen Grundstücks (Fischereiverein) einen Anspruch auf Benutzung des Weges haben, ist eine Frage des privatrechtlichen Notwegerechts nach § 917 BGB und von diesem Personenkreis vor den Zivilgerichten einzuklagen. Hierbei wird es im jeweiligen Einzelfall wohl auch darauf ankommen, ob die Grundstücke anderweitig angemessen erreichbar sind bzw. wie sich die baurechtliche Situation der einzelnen Anwesen darstellt (vgl. BGH, U.v. 24.01.2020 – V ZR 155/18). Dies ist aber im vorliegenden Verfahren, in dem es um das Rechtsverhältnis der Kläger zur Beklagten geht, nicht zu prüfen. Sonstige Gesichtspunkte dafür, dass die Interessen der Beklagten gerade unter dem Gesichtspunkt der Befahrbarkeit des Weges durch die Nutzer der Wochenendhäuser betroffen sein könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Der Klage ist daher stattzugeben. Die Beklagte trägt als unterliegende Partei nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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