Baurecht

Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Verbesserung der Gehwege

Aktenzeichen  6 ZB 16.681

Datum:
18.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 120211
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ABS § 8 Abs. 11 S. 1
KAG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2
BayStrWG Art. 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Art. 48 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Einrichtung im straßenausbaubeitragsrechtlichen Sinn ist auch bei geteilter Straßenbaulast die einzelne Ortsdurchfahrt insgesamt und nicht der an ihr angelegte Gehweg. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird lediglich der Gehweg auf der einen Seite einer Straße (Ortsdurchfahrt) erneuert, umfasst das Abrechnungsgebiet sämtliche Anliegergrundstücke unabhängig davon, ob diese unmittelbar an die ausgebauten Teile angrenzen oder davon mehr oder weniger weit entfernt liegen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Gehweg kann schon dann funktionsfähig sein, wenn er den erforderlichen Mindestgehraum für einen Fußgänger bietet (vgl. BayVGH BeckRS 2002, 11722). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
4 Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Belastung mit einem grundstücksbezogenen Artzuschlag (Gewerbezuschlag) nicht erst bei einer überwiegenden gewerblichen Nutzung einsetzt, sondern bereits dann, wenn die gewerbliche Nutzung mehr als ein Drittel ausmacht (vgl. BayVGH BeckRS 2010, 09974). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 14.1393 2015-11-19 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. November 2015 – W 3 K 14.1393 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 7.402,22 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts (in seinem klageabweisenden Teil) zuzulassen‚ ist unbegründet.
Die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO, die der Kläger innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gegen den klageabweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht hat und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegen nicht vor oder sind nicht ausreichend dargelegt.
Der Kläger wurde vom beklagten Markt auf der Grundlage der Ausbaubeitragssatzung (ABS) vom 30. Juli 2013 mit Bescheid vom 12. August 2013 für sein Grundstück FlNr. 1080 zu einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Verbesserung der Gehwege an der Ortsdurchfahrt der „Kreisstraße WÜ 59 ‚Grombühl‘ – Abschnitt II/Richtung Holzkirchhausen“ (im Folgenden: Ortsdurchfahrt) in Höhe von 7.672,08 € herangezogen. Sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruchs blieb ohne Erfolg (VG Würzburg, B.v. 4.6.2014 – W 3 S. 14.331 – und BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 6 CS 14.1470 –). Seiner (Untätigkeits-)Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 19. November 2015 nur zu einem geringen Teil stattgegeben. Es hat den Bescheid insoweit aufgehoben, als eine Vorauszahlung von mehr als 7.402,22 € verlangt wird, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Vorauszahlungsverlangen dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Der Höhe nach müsse es aber reduziert werden, weil der Beklagte bei der Aufwandsverteilung das Außenbereichsgrundstück FlNr. 842 als bevorteilt hätte berücksichtigen und das Grundstück FlNr. 1082 mit einem höheren Faktor hätte ansetzen müssen. Demgegenüber habe der Beklagte das klägerische Grundstück zu Recht wegen gewerblicher Nutzung mit einem Artzuschlag nach § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS veranschlagt.
Die Einwände, die der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil in seinem klageabweisenden Teil vorbringt, führen nicht zur Zulassung der Berufung.
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall. Mit dem Verwaltungsgericht ist das Vorauszahlungsverlangen weder dem Grunde nach noch in der Höhe zu beanstanden.
a) Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von dem Beklagten bereits durchgeführten Baumaßnahmen an den Gehwegen der Ortsdurchfahrt eine beitragsfähige Verbesserung oder Erneuerung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG darstellen und dieser mithin nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag verlangen darf (und muss).
aa) Beitragsfähige Einrichtung ist entgegen der Sichtweise des Klägers die Ortsdurchfahrt insgesamt, nicht die fahrbahnbegleitenden Gehwege, bei denen es sich nur um eine unselbstständige Teileinrichtung dieser Straße handelt.
Wie der Senat bereits im Eilverfahren unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung hervorgehoben hat, gehören zu den beitragsfähigen Einrichtungen im straßenausbaubeitragsrechtlichen Sinn grundsätzlich auch die auf dem Gebiet einer Gemeinde verlaufenden Ortsdurchfahrten klassifizierter (Bundes-, Staats-, oder Kreis-) Straßen, wie hier der Kreisstraße WÜ 59, und zwar unabhängig davon, dass sie straßenrechtlich Teile der entsprechenden klassifizierten Straßen sind (BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 6 CS 14.1466 – juris Rn. 10 m.w.N.). Auch wenn eine Gemeinde die in Art. 42 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG bestimmte Einwohnerzahl nicht erreicht und deshalb ihre Straßenbaulast auf Gehwege und Parkplätze an der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße beschränkt ist (Art. 48 Abs. 1, Art. 42 Abs. 3 BayStrWG), bildet die Ortsdurchfahrt insgesamt die Einrichtung i.S. von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG, die freilich nur im Rahmen der gemeindlichen Straßenbaulast beitragsfähig erneuert oder verbessert werden kann. Einrichtung ist mit anderen Worten auch bei geteilter Straßenbaulast die einzelne Ortsdurchfahrt insgesamt und nicht der an ihr angelegte Gehweg. Maßgebend kommt es demnach für die Beitragsabrechnung – vorbehaltlich einer wirksamen Abschnittsbildung oder Zusammenfassungsentscheidung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG) – auf die Ausdehnung der jeweiligen Ortsdurchfahrt an.
Bezieht sich eine beitragsfähige Erneuerung oder Verbesserung demnach auf die jeweilige Einrichtung (hier: Ortsdurchfahrt) insgesamt, ist der umlagefähige Aufwand gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG – vorbehaltlich einer wirksamen Abschnittsbildung – auf sämtliche Grundstücke zu verteilen, die eine beitragsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit „dieser Einrichtung“ haben. Wird etwa lediglich der Gehweg auf der einen Seite einer Straße (Ortsdurchfahrt) erneuert, umfasst das Abrechnungsgebiet deshalb sämtliche Anliegergrundstücke unabhängig davon, ob diese unmittelbar an die ausgebauten Teile angrenzen oder davon mehr oder weniger weit entfernt liegen (vgl. BayVGH, U.v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – juris Rn. 12; U.v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345 – juris Rn. 16 m.w.N.).
bb) Der Ausbau der Gehwege entlang der Ortsdurchfahrt stellt eine beitragsfähige Erneuerung oder Verbesserung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG dar, die in die Straßenbaulast des Beklagten fällt und für die dieser kraft Gesetzes einen Beitrag von den bevorteilten Grundstückseigentümern erheben soll (zur Beitragserhebungspflicht vgl. BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – BayVBl 2017, 200 ff.).
Die alten Gehwege waren ausweislich der Zustandsdokumentation in den Behördenakten teils verschlissen, teils nicht durchgehend angelegt. Ihr Ausbau führt zu einer Erneuerung und Verbesserung der Ortsdurchfahrt. Daran ändert der Einwand des Klägers nichts, der Gehweg auf der südlichen Straßenseite, an der sein Grundstück liegt, sei nach dem Ausbau mit einer einzigen punktuellen Ausnahme durchgehend unter 1 m breit und damit unzumutbar schmal. Die Beitragsfähigkeit für den südlichen Gehweg entfiele nur dann, wenn dieser funktionsunfähig wäre, also seine ihm nach dem Ausbauprogramm zugedachte verkehrstechnische Funktion nicht erfüllen könnte. Davon kann keine Rede sein, auch wenn wegen der beengten Verhältnisse die in den „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsanlagen“ genannte (idealtypische) Mindestbreite von 1,50 m deutlich unterschritten wird. Diese Empfehlungen haben indes keine verbindliche Wirkung wie ein Gesetz. Der genannte Wert zielt darauf ab, eine störungsfreie Begegnung zweier Fußgänger zu ermöglichen. Ein Gehweg kann jedoch schon dann – wenn auch eingeschränkt, so doch noch ausreichend – funktionsfähig sein, wenn er den erforderlichen Mindestgehraum für einen Fußgänger bietet (vgl. BayVGH, U.v. 11.6.2002 – 6 B 97.2354 – DVBl 2002, 1417 f.). Legt man mit den genannten Empfehlungen für einen Fußgänger eine Grundbreite von 55 cm zu Grunde und veranschlagt zusätzlich beidseitig einen Bewegungsspielraum von jeweils 10 cm, so ergibt sich für den notwendigen Verkehrsraum eines Fußgängers eine Mindestgehwegbreite von 75 cm. Das ist bei dem südlichen Gehweg uneingeschränkt der Fall; denn er ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts durchgehend mindestens 0,75 m breit. Selbst wenn die Breite an vereinzelten Engstellen unter diesem Wert bliebe, würde das die Beitragsfähigkeit nicht entfallen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – juris Rn. 38 m.w.N.). Das gilt umso mehr, als die Straße im fraglichen Bereich aus dem Ort herausführt, nur einige wenige bebaute Grundstücke wegemäßig erschließt, mithin nicht viele Fußgänger aufnehmen muss und zudem auf der nördlichen Seite über einen zweiten, nach dem Ausbauprogramm mit 1,50 bis 1,87 m deutlich breiteren Gehweg verfügt. Dass durch die Baumaßnahme trotz der beengten Verhältnisse auf der südlichen Straßenseite – anstelle des früheren, mit der Fahrbahn höhengleichen Seitenstreifens – ein dem Mindeststandard genügender, durch Bordsteine von der Fahrbahn getrennter zweiter Gehweg zur Verfügung gestellt wird, stellt in verkehrstechnischer Hinsicht eine Verbesserung dar. Dies bewirkt nicht nur eine sicherere Trennung von Fahrzeug- und Fußgängerverkehr, sondern vermindert auch das Überqueren der Fahrbahn, um auf den nördlichen Gehweg zu gelangen.
Die von dem Kläger angeführten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster führen zu keiner anderen Beurteilung. Dieses hatte zwar mit Urteilen vom 29. November 1989 – 2 A 1419/87 (NWVBl 1990, 311 ff.) und vom 21. Februar 1990 – 2 A 2787/86 – (NVwZ-RR 1990, 643 ff.) für das nordrhein-westfälische Kommunalabgabenrecht die Auffassung vertreten, dass ein Gehweg seine Funktion nicht erfüllen kann, wenn er einen ungehinderten Begegnungsverkehr nicht zulässt, also eine Breite von 1,50 m nicht erreicht. Diese Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht jedoch ausdrücklich aufgegeben und als Mindestbreite den für einen – einzelnen – Fußgänger erforderlichen Raum, also 75 cm, als ausreichend angesehen (OVG Münster, U.v. 20.7. 1992 – 2 A 399/91 – NVwZ-RR 1993, 102 ff.; U.v. 1.9.2009 – 15 A 1102/09 – NVwZ-RR 2009, 939 f.; weitergehend OVG Koblenz, U.v. 21.1.2009 – 6 A 10697/08 – juris, das einen nur 60 cm breiten, höhengleich mit der Fahrbahn angelegten Gehweg genügen lässt).
cc) Der Sondervorteil, der die Auferlegung eines Beitrags rechtfertigt, liegt in der qualifizierten Möglichkeit, die Ortsdurchfahrt mit den teils erneuerten, teils verbesserten Gehwegen in Anspruch zu nehmen (zu den maßgeblichen Kriterien etwa BayVGH, U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.1043 – juris Rn. 13 f. m.w.N.). Ein solcher Sondervorteil kommt ohne Zweifel auch dem Grundstück des Klägers zu, weil es unmittelbar an der Straße liegt und bebaut ist.
b) Ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte das klägerische Grundstück FlNr. 1080 zu Recht wegen gewerblicher Nutzung mit einem Artzuschlag nach § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS veranschlagt hat.
aa) Nach § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS sind dann, wenn in einem Abrechnungsgebiet von einer Orts Straße (oder Ortsdurchfahrt) auch, d.h. neben anders genutzten Grundstücken, solche Grundstücke erschlossen werden, die zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt werden oder genutzt werden dürfen, für diese Grundstücke die nach § 8 Abs. 2 ABS entsprechend der Anzahl der Vollgeschosse zu ermittelnden Nutzungsfaktoren um je 50 v.H. zu erhöhen. Die Belastung mit einem solchen grundstücksbezogenen Artzuschlag (Gewerbezuschlag) setzt demnach nicht erst bei einer überwiegenden gewerblichen Nutzung ein, sondern bereits dann, wenn die gewerbliche Nutzung mehr als ein Drittel ausmacht. Das ist nach ständiger Rechtsprechung nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 6 ZB 08.2719 – juris Rn. 6 m.w.N.). Da der Nutzungsfaktor für bebaute Grundstücke in unbeplanten Gebieten, wie dasjenige des Klägers, nach der Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen – nicht der zulässigen – Vollgeschosse zu bestimmen ist (§ 8 Abs. 9 Nr. 1 ABS), kommt es auf einen Vergleich der tatsächlich vorhandenen, gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Flächen mit den tatsächlich vorhandenen (nicht den zulässigen), anderweitig genutzten Flächen an.
Für diesen Flächenvergleich ist, wie der Kläger im Ausgangspunkt zutreffend ausführt, bei einem mit einem Gebäude bebauten, gemischt genutzten Grundstück maßgebend allein auf die Geschossflächen abzustellen, also auf die Flächen, die den in dem Gebäude ausgeübten Nutzungen zuzurechnen sind; die Freiflächen bleiben grundsätzlich außer Betracht (BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 6 ZB 08.2719 – juris Rn. 7 m.w.N.). Die Maßgeblichkeit des Geschossflächenvergleichs bezeichnet jedoch, wie der Senat bereits im Eilverfahren hervorgehoben hat, nur den Grundsatz, der im Einzelfall Ausnahmen zulässt und zum Zweck einer vorteilsgerechten Aufwandsverteilung auch zulassen muss (BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 6 CS 14.1470 – juris Rn. 14). Der Artzuschlag resultiert ebenso wie der aus der Anzahl der Vollgeschosse gebildete Nutzungsfaktor aus dem Differenzierungsgebot des Art. 5 Abs. 2 KAG. Während letzterer ein unterschiedliches Maß der baulichen Nutzung berücksichtigt, trägt der Artzuschlag den Verschiedenheiten in der Art der baulichen oder sonst beitragserheblichen Nutzung Rechnung. Gewerbliche und dem Gewerbe vergleichbare Nutzungen schöpfen regelmäßig aufgrund des durch sie verursachten verstärkten Ziel- und Quellverkehrs aus einer Straße einen größeren Vorteil als Wohnnutzung. Aus der Sicht dieser Überlegung ist dann aber auch der nach der Satzung anzustellende Flächenvergleich zu interpretieren. Den Umfang des Ziel- und Quellverkehrs bestimmt regelmäßig – aber eben nicht ausnahmslos – die Gebäude-, nicht die Freiflächennutzung (BayVGH, U.v. 8.3.2001 – 6 B 98.2837 – BayVBl 2002, 469).
Aus diesem Grund sind etwa private Grünflächen auf einem gemischt genutzten Grundstück hinsichtlich ihrer Zuordnung zu bestimmten Hauptnutzungen indifferent und können, wenn etwa das Gebäude zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt wird, die Auferlegung eines Artzuschlags nicht in Frage stellen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Freiflächennutzung nicht in dieser Weise indifferent, sondern eindeutig gewerblich ausgerichtet ist und typischerweise Ziel- und Quellverkehr auslöst. Solche spezifische gewerbliche Freiflächennutzung ist ausnahmsweise beim Flächenvergleich zu berücksichtigen und kann damit auch dann zu einem Artzuschlag führen, wenn innerhalb des Gebäudes der gewerblich genutzte Teil für sich betrachtet unter der satzungsmäßigen Grenze liegt (vgl. BayVGH, U.v. 8.6.2000 – 6 B 97.112 – juris Rn. 29; Driehaus in ders. Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 471a).
Für den Flächenvergleich sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten zugrunde zu legen. Dass dies im Einzelfall auch zu zufälligen Ergebnissen führen kann, wenn etwa eine gewerbliche Nutzung kurz vor dem Stichtag aufgegeben oder kurz danach aufgenommen wird, lässt sich mit Blick auf das Stichtagsprinzip nicht vermeiden (BayVGH, U.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 23). Bei der – hier in Streit stehenden – Erhebung von Vorauszahlungen nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG, die begrifflich immer vor dem Entstehen der endgültigen sachlichen Beitragspflichten erfolgt, ist nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung prognostisch zu bewerten, ob bei Entstehen der Beitragspflichten ein Artzuschlag anzusetzen sein wird.
bb) Gemessen an diesem Maßstab ist das klägerische Grundstück FlNr. 1080 mit einem Artzuschlag zu belasten, weil es zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Erlass des Vorauszahlungsbescheids am 12. August 2013 zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt worden ist.
Zwar hat der Kläger substantiiert und plausibel dargelegt, dass bei einem reinen Vergleich der Geschossflächen in dem Hauptgebäude und der Garage der Anteil der gewerblich genutzten im Verhältnis zu den wohngenutzten Flächen mehr oder weniger deutlich unter einem Drittel liegt. Dabei kann dahin stehen, ob der gewerblich genutzte Teil entsprechend der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Zusammenstellung der Betriebsprüfungsstelle von August 2012 55,18 qm beträgt oder entsprechend dem Klagevorbringen nur 35,44 qm. Ebenso kann es offen bleiben ob die zu Wohnzecken genutzten Flächen entsprechend der Zusammenstellung der Betriebsprüfungsstelle 296,52 qm (212,52 qm im Hauptgebäude + 84 qm in der Garage) betragen oder ob das leer stehende Obergeschoss (106,98 qm) hiervon abzuziehen (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2001 – 6 B 98.2837 – BayVBl 2002, 469 f.) bzw. der Abstellraum im Keller (16,25 qm) oder gar das als private Lagerfläche genutzte Dachgeschoss hinzuzurechnen sind.
Die Einzelheiten der Geschossflächenberechnung für das Hauptgebäude und die Garage sind deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts teilt, dass beim Flächenvergleich neben dem Hauptgebäude mit Garage auch die gewerblich genutzten Nebengebäude und die – erhebliche – spezifische gewerbliche Freiflächennutzung zu berücksichtigen sind und danach der gewerbliche Anteil in jedem Fall über einem Drittel liegt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts befanden sich zum maßgeblichen Zeitpunkt auf dem insgesamt 1.655,00 qm großen Grundstück neben dem Hauptgebäude noch eine gewerblich genutzte Lagerhalle von 4 x 13 m (52 qm), ferner drei überdachte Holzlagerregale mit den Maßen 20 x 2,5 m (50 qm), 8 x 1,5 m (12 qm) und 10 x x1,5 m (15 qm) und schließlich eine nicht genau bemessene Lagerfläche für Zimmereimaterialien und Betriebsmittel. Das Grundstück grenzt unmittelbar an das westlich gelegene, ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Grundstück FlNr. 1075, auf dem der Kläger eine Zimmerei betreibt (Gegenstand des Parallelverfahrens 6 ZB 16.677). Die weitaus überwiegende Grundstücksfläche (etwa 1.100 qm zwischen dem zur abgerechneten Orts Straße ausgerichteten Hauptgebäude im Norden und der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße WÜ 60 im Süden) werden ausweislich der in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten Lichtbilder und der weiteren Unterlagen gemeinsam mit dem Grundstück FlNr. 1075 gewerblich genutzt. Die Lichtbilder zeigen von der Ortsdurchfahrt aus eine Zufahrt auf das einheitliche Betriebsgelände, welche die gesamte Fläche zwischen dem Hauptgebäude auf dem Grundstück FlNr. 1080 und der Betriebshalle auf dem Nachbargrundstück FlNr. 1075 einnimmt. An die Zufahrt schließt sich ein einheitlicher, befestigter Betriebshof mit Stell- und Lagerflächen an, wobei sich der weit überwiegende Teil der befestigten Freiflächen zusammen mit den Holzlagerregalen auf dem Grundstück FlNr. 1080 befindet. Selbst wenn man zugunsten des Klägers nur ein Fünftel dieser Freifläche (ca. 200 qm) als spezifisch gewerblich genutzt ansieht, errechnet sich zusammen mit der gewerblich genutzten Fläche im Hauptgebäude (mindestens 35,44 qm) und in der Lagerhalle (52 qm) sowie den drei Holzlagerregalen (insgesamt 77 qm), eine gewerblich genutzte Fläche von 364,44 qm. Das ist im Vergleich zu den wohngenutzten Flächen in jedem Fall weit mehr als ein Drittel, das § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS als Grenze für die Auferlegung eines Artzuschlags festlegt.
Dass der Kläger seinen Angaben zufolge inzwischen den Betrieb verkleinert und die gewerblich genutzte Fläche auf dem Grundstück FlNr. 1080 reduziert hat, ist für die Beurteilung des streitigen Vorauszahlungsbescheids unbeachtlich. Ob sich die Änderungen auf die Höhe des endgültigen Beitrags auswirken können, hängt davon ab, wann die sachlichen Beitragspflichten entstanden sind oder noch entstehen.
2. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe greifen ebenfalls nicht durch.
a) Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die angesprochenen Fragen zur Beitragsfähigkeit der Baumaßnahme an den Gehwegen und zur Veranschlagung des klägerischen Grundstücks mit einem Artzuschlag lassen sich aus den oben genannten Gründen aufgrund des Gesetzes sowie der Senatsrechtsprechung ohne weiteres im Sinn des Verwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
b) Die Rechtssache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die mit dem Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen, ob der Ausbau der Gehwege an einer Ortsdurchfahrt nach Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG beitragsfähig sein kann und unter welchen Voraussetzungen er funktions(un) fähig ist, sind, soweit sie überhaupt verallgemeinernd beantwortet werden können, geklärt. Entsprechendes gilt mit Blick auf den erforderlichen Flächenvergleich bei gemischt genutzten Grundstücken zur Auferlegung eines satzungsrechtlichen Artzuschlags.
c) Der geltend gemachte Zulassungsgrund der (Rechtssatz-)Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Eine solche Divergenz liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der benannten Rechtsprechung des Divergenzgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht; diese Voraussetzung muss der Rechtsmittelführer durch eine Gegenüberstellung der divergierenden (abstrakten) Rechtssätze darlegen (BayVGH, B.v. 26.8.2016 – 6 ZB 15.2238 – juris Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.
d) Schließlich muss auch die Rüge ohne Erfolg bleiben, das Verwaltungsgericht hätte dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Nutzung der Flächen im Hauptgebäude und der Garage nachkommen müssen. Auf der Grundlage seiner – zutreffenden – Rechtsauffassung durfte das Verwaltungsgericht den Beweisantrag mit der Begründung ablehnen, es komme auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht entscheidungserheblich an (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO entsprechend).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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