Baurecht

Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für einen Gehweg der Ortsdurchfahrt einer Staatsstraße

Aktenzeichen  B 4 K 15.47

Datum:
25.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

Eine Einrichtung, für die Straßenausbaubeitragsvorauszahlungen erhoben werden können, ist die einzelne Ortsdurchfahrt insgesamt und nicht der an ihr angelegte Gehweg. (redaktioneller Leitsatz)
Ein Gehweg ist auch dann Teil einer Ortsdurchfahrt, wenn er vor den dort angrenzenden Grundstücken nicht auf dem Höhenniveau der Fahrbahn verläuft, sondern auf der Böschungskante bergan führt.  (redaktioneller Leitsatz)
Dem Anlieger einer Ortsdurchfahrt bietet die Inanspruchnahme dieser Einrichtung einen besonderen Vorteil. Dies gilt auch, wenn er den Gehweg nicht unmittelbar von seinem Grundstück betreten kann. (redaktioneller Leitsatz)
Wenn ein Grundstück vollumfänglich im unbeplanten Innenbereich liegt, ist kein Raum für die Anwendung einer Tiefenbegrenzung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Bamberg vom 18.12.2014 wird aufgehoben, soweit darin eine höhere Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag als 3.403,70 EUR festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist ganz überwiegend nicht begründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Bamberg vom 18.12.2014 nur im Umfang von 26,46 EUR aufzuheben, weil die Festsetzung einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 3.403,70 EUR rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist.
Die abzurechnende Baumaßnahme am Gehweg der Ortsdurchfahrt St2263 stellt eine beitragsfähige Verbesserung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG dar, für die die Beklagte nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG Vorauszahlungen auf den Straßenausbaubeitrag erheben darf. Das bebaute Grundstück des Klägers grenzt an die Ortsdurchfahrt an und zählt damit zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke.
a) Zu den beitragsfähigen Einrichtungen im straßenausbaubeitragsrechtlichen Sinn gehören grundsätzlich auch die auf dem Gebiet einer Gemeinde verlaufenden Ortsdurchfahrten klassifizierter (Bundes-, Staats-, oder Kreis-) Straßen, wie hier der Staatsstraße St2263, und zwar unabhängig davon, dass sie straßenrechtlich Teile der entsprechenden klassifizierten Straßen sind. Auch wenn die Straßenbaulast der Beklagten auf Gehwege und Parkplätze an der Ortsdurchfahrt der Staatsstraße beschränkt ist (Art. 48 Abs. 1, Art. 42 Abs. 3 BayStrWG), bildet die Ortsdurchfahrt insgesamt die Einrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG, die freilich nur im Rahmen der gemeindlichen Straßenbaulast beitragsfähig erneuert oder verbessert werden kann. Einrichtung ist mit anderen Worten auch bei geteilter Straßenbaulast die einzelne Ortsdurchfahrt insgesamt und nicht der an ihr angelegte Gehweg. Maßgebend kommt es demnach für die Beitragsabrechnung auf die Ausdehnung der jeweiligen Ortsdurchfahrt an (BayVGH, Beschluss vom 04.11.2014 – 6 CS 14.1466, juris Rn. 10).
Wie weit eine Ortsdurchfahrt im Rahmen ihrer straßenrechtlich vorgegebenen Grenzen (Art. 4 BayStrWG) reicht und wo sie in eine andere selbstständige Verkehrsanlage – gegebenenfalls auch eine andere Ortsdurchfahrt – übergeht, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Straßenausstattung vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Zugrunde zu legen ist der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme. Bei der – hier in Streit stehenden – Erhebung von Vorauszahlungen nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG, die begrifflich immer vor dem Entstehen der endgültigen sachlichen Beitragspflichten erfolgt, ist demnach prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zu bewerten, wie die Ortsdurchfahrt sich nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms insbesondere im Verhältnis zu den sich anschließenden Straßen darstellen wird (BayVGH, a. a. O. Rn. 11).
Gemessen an diesem Maßstab erweist sich der von der Beklagten zugrunde gelegte Bereich zwischen der auf Höhe des klägerischen Grundstücks festgesetzten Ortsdurchfahrtsgrenze (westlicher Ortsausgang) und der Einmündung der ST2263 in die St2260 vor dem Grundstück Fl.-Nr. W als die beitragsrechtlich maßgebliche Einrichtung. Die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgelegte Filmdokumentation vermittelt zweifelsfrei den Eindruck, dass die vom Kreisverkehr nach Westen führende und im weiteren Verlauf nach Süden abknickende Ortsdurchfahrt der St2260 eine Einrichtung darstellt, in welche die westliche Ortsdurchfahrt der St2263 als eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes einmündet.
b) Bestandteil dieser Ortsdurchfahrt, welche insgesamt die Einrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG bildet, ist der streitgegenständliche Gehweg auch, soweit er vor den Grundstücken Fl.-Nrn. U und V nicht mehr auf dem Höhenniveau der Fahrbahn verläuft, sondern auf der Böschungskante bergan führt.
Gemäß Art. 2 Nr. 1 Buchstabe b BayStrWG gehören zu den Straßen unter anderem die Gehwege, soweit sie mit einer Fahrbahn in Zusammenhang stehen und mit dieser gleichlaufen (unselbstständige Gehwege). Angesichts der gegebenen Geländeverhältnisse – die Böschung war schon vor dem Ausbau vorhanden und hätte wegen der verhältnismäßig geringen Fahrbahnbreite teilweise abgetragen werden müssen, um den Gehweg unmittelbar neben der Fahrbahn weiterzuführen (vgl. Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 21.01.2016, Lichtbilder 1 und 2, Bl. 51 der Gerichtsakte) – und der oberhalb der Böschung vorhandenen Wohnbebauung war es – auch im Sinne einer möglichst kostengünstigen Lösung – naheliegend und sachgerecht, den Gehweg wie ausgeführt anzulegen. Der Höhenunterschied zur Fahrbahn ändert nichts daran, dass der Gehweg mit ihr in Zusammenhang steht und richtungsmäßig mit ihr gleichläuft.
c) Als Anlieger an der Ortsdurchfahrt gehört der Kläger zum Kreis der Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet und von denen deshalb gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ein Straßenausbaubeitrag erhoben werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger den Gehweg – mangels einer Treppe in der Böschung – nicht unmittelbar gegenüber seinem Grundstück betreten kann, sondern von seiner Grundstückseinfahrt ca. 65 m auf der Fahrbahn bis zur Einfahrt des Grundstücks Fl.-Nr. Z zurücklegen muss, um den Gehweg benutzen zu können. Diese Situation ist einem Teilstreckenausbau vergleichbar, bei dem das Abrechnungsgebiet sämtliche Anliegergrundstücke der Einrichtung umfasst, unabhängig davon, ob diese unmittelbar an den erneuerten bzw. verbesserten Teil angrenzen oder nicht (BayVGH, Beschluss vom 15.04.2015 – 6 ZB 14.2843, juris Rn. 6, 12).
d) Rechtswidrig ist der streitgegenständliche Vorauszahlungsbescheid lediglich insoweit, als bei den Grundstücken Fl.-Nrn. A, B und C eine Tiefenbegrenzung angewandt wurde. Hierfür ist kein Raum, weil die Grundstücke vollumfänglich im unbeplanten Innenbereich liegen und deshalb – wie typischerweise in Innenbereichslagen – insgesamt Baulandqualität haben (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 35 Rn. 37). Ohne Anwendung der Tiefenbegrenzung ermäßigt sich der Beitragssatz von 1,24227 EUR/qm auf 1,23269 EUR/qm und demgemäß die streitgegenständliche Vorauszahlung von 3.430,16 EUR auf 3.403,70 EUR.
2. Die Kosten werden gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO dem Kläger ganz auferlegt, weil die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.


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