Aktenzeichen 9 ZB 18.2423
Leitsatz
Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 9 K 17.1353 2018-07-16 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung K … Die Fragestellungen, ob die Fällung der im Lageplan gekennzeichneten Bäume und ob eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4025 in Bezug auf die Überschreitung der Baugrenzen genehmigungsfähig ist, wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 9. August 2017 abschlägig beantwortet. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Juli 2018 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Frage der Fällung der Bäume nicht Gegenstand eines Vorbescheids sein kann. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung, weil das Bauvorhaben vollständig außerhalb der festgesetzten Baugrenzen liege und eine Befreiung die Grundzüge der Planung berühre. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegt ein Verfahrensmangel vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
Zur Frage der Zulässigkeit der Baumfällungen hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass die Frage nicht Gegenstand eines Vorbescheids sein kann. Dem tritt das Zulassungsvorbringen, dem sich im Übrigen entnehmen lässt, dass diese Frage nicht weiterverfolgt werden soll, nicht entgegen.
Hinsichtlich der zweiten Frage ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das beabsichtigte Bauvorhaben den Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen im Bebauungsplan Nr. 4025 der Beklagten widerspricht, die Festsetzungen nicht funktionslos geworden sind und eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB wegen Berührens der Grundzüge der Planung nicht in Betracht kommt. Dem Zulassungsvorbringen, das anführt, die städtebaulichen Zielvorstellungen blieben durch einen Flächentausch gewahrt und die auf dem Grundstück vorhandenen Kiefern stünden nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht unter Schutz, lässt sich insoweit nichts entnehmen, was ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts darlegen könnte. Ob die von der Klägerin zu fällen beabsichtigten Kiefern unter die Baumschutzverordnung der Beklagten fallen ist für die Frage der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4025 nicht relevant. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass das Bauvorhaben den Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen widerspricht, weil das Bauvorhaben – was von der Klägerin nicht bestritten wird – vollständig außerhalb der festgesetzten Baugrenzen errichtet werden soll. Die im Zulassungsvorbringen angeführte Frage, ob unter der Voraussetzung eines Flächentausches eine Befreiung erteilt werden könnte, ist weder Gegenstand des Vorbescheidsantrags vom 3. März 2016 noch der Entscheidung der Beklagten vom 9. August 2017 und damit auch nicht des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Streitgegenstand sind allein die im Vorbescheidsantrag vom 3. März 2016 angeführten Fragestellungen sowie die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 9. August 2017 hierzu. Das Zulassungsvorbringen legt im Übrigen auch nicht dar, dass die Klägerin einen Anspruch auf den außergerichtlich vorgeschlagenen Flächentausch hat und wie ein solcher gegebenenfalls erfolgreich durchgesetzt werden könnte.
2. Ein Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe die Umstände des von der Klägerin vorgeschlagenen Flächentausches nicht ausreichend aufgeklärt, macht die Klägerin einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO geltend. Ein solcher liegt jedoch nicht vor.
Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 – 8 B 125.09 – juris Rn. 23 und B.v. 3.6.2014 – 2 B 105.12 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 15.9.2020 – 9 ZB 18.913 – juris Rn. 5). Das Verwaltungsgericht verletzt dabei seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Denn die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO greift grundsätzlich nicht, wenn das Verwaltungsgericht den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge oder einer Beweisaufnahme für aufgeklärt hält und von einer (weiteren) Beweiserhebung absieht (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris Rn. 18).
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2018 haben hier weder der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter der Klägerin noch deren anwesender anwaltlicher Vertreter einen Beweisantrag gestellt (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 4 B 27.04 – juris Rn. 6). Angesichts der o.g. Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts musste sich diesem – von seinem zutreffenden materiell-rechtlichen Standpunkt aus (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2016 – 9 BN 2.16 – juris Rn. 4) – zu einem möglichen Flächentausch auch keine weitere Sachaufklärung aufdrängen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).