Baurecht

Vorläufiger Rechtschutz, Nachbar, Baugenehmigung für Lagerhalle, Bestimmtheit im Hinblick auf Nutzungsumfang, Rücksichtnahmegebot, Gebietserhaltungsanspruch außerhalb des Plangebiets, Gebietserhaltungsanspruch im unbeplanten Innenbereich (offengelassen)

Aktenzeichen  M 1 SN 21.5130

Datum:
7.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2296
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 34
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 16. Juli 2021 – Az. … – wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzes gegen eine Baugenehmigung, die dem Beigeladenen erteilt worden ist.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 47/1 Gem. …, das mit einem Wohnhaus bebaut ist, sowie des sich hieran nördlich anschließenden, unbebauten Hinterliegergrundstücks FlNr. 47/7 (derselben Gemarkung zugehörig, wie alle nachfolgend genannten Flurstücke auch).
Östlich an das Grundstück FlNr. 47/7 schließt sich das Hinterliegergrundstück FlNr. 43/5 an, das im Eigentum des Beigeladenen steht (Vorhabengrundstück). Es liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Für das Vorhabengrundstück beantragte der Beigeladene unter dem 21. Mai 2021 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Maschinenhalle mit Lagerräumen und Garagen. Ausweislich der Bauvorlagen soll die Halle 18,00 m auf 12,60 m messen und in teilweise zweigeschossiger Bauweise errichtet werden. Die Nutzfläche der Maschinenhalle soll 108 m², die des Lagers 97,58 m² und die der Garage 97,92 m² betragen. Zur Nutzung teilte der Beigeladene mit Schreiben vom 7. Juni 2021 mit, dass es sich um eine privat zu nutzende Halle zum Abstellen von Maschinen (wie z.B. Oldtimertraktoren, Bagger, Kipper, Rasentrac, Gartengeräte usw.) sowie Werkzeugen handele.
Die Gemeinde erteilte mit Beschluss vom 15. Juni 2021 ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2021 genehmigte der Antragsgegner das Vorhaben im vereinfachten Verfahren.
Die Antragstellerin hat am … August 2021 Klage (M 1 K 21.4348) gegen den Bescheid vom 16. Juli 2021 erhoben. Mit am 27. September 2021 eingegangenen Schriftsatz ersucht sie um einstweiligen Rechtsschutz und beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Klage M 1 K 21.4348 gegen den Bescheid vom 16. Juli 2021 wird angeordnet.
Mit den Bauarbeiten sei bereits begonnen worden. Die nähere Umgebung entspreche einem reinen Wohngebiet. Die Nutzungsbeschreibung werde für vorgeschoben gehalten; es werde eine gewerbliche Nutzung als Bau-/Maschinenverleih befürchtet, wie es auch in der Vergangenheit üblich gewesen sei. Es handele sich um mindestens sechs Baumaschinen, unter anderem ein großer Radbagger, ein Radlader, ein Bobcat, zwei Raupenbagger, Traktor und Zubehör. Diese kämen regelmäßig auf anderen Grundstücken im Ort zum Einsatz. Auf mindestens einem der Bagger befänden sich die Kontaktdaten des Beigeladenen. Ein Abwarten der aktuellen Ausnutzung der Baugenehmigung sei der Antragstellerin unzumutbar; die Schaffung vollendeter Tatsachen sei zu verhindern. Die Antragstellerin werde in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Aufgrund der Ausmaße und der Nutzungsart sei das Bauvorhaben nicht mehr als untergeordnete Nebenanlage in einem reinen Wohngebiet zulässig. Angesichts der Grundfläche und der Nutzfläche handele es sich um eine Hauptnutzung, und der Baukörper dominiere seine Umgebung. Die Lagerung von Bau- und Landmaschinen in einer Maschinenhalle sei zudem eine in reinen Wohngebieten untypische Nutzung.
Der Antragsgegner legt die Akten vor und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin sei nicht verletzt. Das Grundstück der Antragstellerin liege im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…-West“, der dort ein allgemeines Wohngebiet festsetze. Ein Anspruch auf Einhaltung der außerhalb des Plangebiets geltenden Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung scheide daher aus. Im Übrigen liege das Vorhabengrundstück in einem Bereich, der keinem der typisierten Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung zuzuordnen sei; es sei wohl von einer Gemengelage auszugehen. Nördlich befänden sich Wohnhäuser und die Strukturen von landwirtschaftlichen Gehöften. Ob und in welchem Umfang dort noch Landwirtschaft ausgeübt werde, sei nicht bekannt. Dies könne aber dahingestellt bleiben, weil diese Nutzung einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet üblicherweise nicht immanent sei. Selbst bei Unterstellung eines faktischen allgemeinen Wohngebiets sei das Vorhaben bei einer Art „Worst-case-Betrachtung“ ausnahmsweise als nicht-störender Gewerbebetrieb zulässig. Dies bedürfe jedoch keiner Vertiefung, weil das Gebäude nach der Betriebsbeschreibung ausschließlich als private Unterstellmöglichkeit genutzt werde. Aus dem Maß des Vorhabens könne die Antragstellerin keine nachbarschützenden Rechte ableiten.
Der Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Zum Vortrag im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren M 1 K 21.4348, und der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Der nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist begründet.
Dritte – wie hier die Antragstellerin als Nachbarin – können sich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 15). Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Die Interessenabwägung geht zu Lasten des Beigeladenen aus. Die Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung hat Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt nach summarischer Prüfung Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind und zugleich dem Schutz der Antragstellerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Baugenehmigung ist im Hinblick auf Vorschriften, die drittschützenden Charakter haben, nicht hinreichend bestimmt.
Wie jeder Verwaltungsakt muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Sie muss – gegebenenfalls nach objektivierender Auslegung – das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten (vgl. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG) die mit dem Genehmigungsbescheid getroffene Regelung nachvollziehen können. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der (erlassenen) Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch in Bezug genommene Bauvorlagen und sonstige Unterlagen. Wird in der Baugenehmigung auf den Antrag oder auf bestimmte Antragsunterlagen verwiesen, ist die Baugenehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die in Bezug genommenen Antragsunterlagen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft, wenn also wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und / oder der Umfang der Baugenehmigung und damit des nachbarlichen Störpotenzials bei deren Umsetzung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Ein Nachbar kann somit eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 15 CS 21.2913 – juris Rn. 23 m.w.N.).
a) Die angefochtene Baugenehmigung ist nach diesen Grundsätzen nicht hinreichend bestimmt.
Nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Genehmigungsbescheids ist eine Maschinenhalle mit Lagerräumen und Garagen genehmigt worden. Dies ergibt sich aus der Vorhabenbezeichnung im Bescheid und den mit Genehmigungsstempel versehenen Eingabeplänen. Dieses so bezeichnete Vorhaben umfasst die Möglichkeit einer gewerblichen Nutzung. Die Erklärung des Beigeladenen, das Vorhaben nur privat nutzen zu wollen, ist von der Baugenehmigung indes nicht umfasst. Nach Nr. 1 des Bescheidstenors sind Bestandteil der Baugenehmigung die mit dem Prüfstempel und der Nummer versehenen Bauvorlagen. Die Erklärung des Beigeladenen trägt jedoch weder die Vorgangsnummer der Bauaufsichtsbehörde (* …*), noch den Prüfstempel.
Auch bei Einbeziehung der näheren Umstände, insbesondere der zu lagernden Gegenstände, ist nicht klar und eindeutig, dass es sich um eine ausschließlich private Nutzung handelt. Im Gegenteil drängt sich hier eine gewerbliche Nutzung auf, weil es sich bei dem etwa genannten Bagger und dem Kipper eher um Bestandteile eines Fuhrparks des Baugewerbes oder der Landwirtschaft handelt. Gegen eine private Nutzung spricht auch die erhebliche Nutzfläche des Vorhabens, die die Nutzfläche etwa eines zu einem Wohnhaus gehörigen Geräteschuppens zur Lagerung von privaten Gerätschaften um ein Vielfaches überschreitet. Eine rein private Nutzung erscheint von einem objektiven Standpunkt fernliegend.
b) Die Antragstellerin kann anhand der vorliegenden Unterlagen nicht feststellen, ob und mit welchem Umfang sie von der Baugenehmigung betroffen ist. Die Unbestimmtheit im Hinblick auf die Nutzung des Gebäudes betrifft den Anspruch auf Wahrung der gebotenen Rücksichtnahme.
aa) Die genehmigten Bauunterlagen stellen nicht sicher, dass das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Antragstellerin einhält.
Ein Vorhaben nach § 34 BauGB, das sich innerhalb des aus der Umgebung ableitbaren Rahmens hält, fügt sich nicht ein, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung vermissen lässt. Dem Rücksichtnahmegebot kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürde Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es wird zulasten des Nachbarn verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird, also unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigungen und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen überschritten wird, was der Nachbar billigerweise hinnehmen muss. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbar die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747).
Hier stehen maßgeblich Geräuschimmissionen inmitten, die von dem Vorhaben – insbesondere bei gewerblicher Nutzung – ausgehen können. Ob das Vorhaben die gebotene Rücksicht auf die Antragstellerin nimmt, kann ohne dezidierte Betriebsbeschreibung der Nutzung nicht beurteilt werden. Hierzu wären etwa die Art der untergestellten Geräte und Materialien sowie die Anzahl und Tageszeit der Bewegungen zu bezeichnen und darauf zu untersuchen, wie sich dies schalltechnisch auf die nähere Umgebung auswirkt. Wenn auch die Zufahrt zu dem Vorhaben dem Wohnhaus der Antragstellerin abgewandt ist, kann angesichts einer geringen Entfernung der Zufahrt von ca. 30 m zur nördlichen Außenwand des Wohnhauses der Antragstellerin nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das Vorhaben die gegenüber der Antragstellerin gebotene Rücksichtnahme missen lässt.
c) Ob der Antragstellerin unabhängig von konkreten Störungen ein Gebietserhaltungsanspruch gegen das Vorhaben zusteht und sich die Unbestimmtheit der Baugenehmigung auch hierauf auswirkt, lässt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nicht klären. Aus den vorgenannten Gründen kann dies jedoch offengelassen werden.
aa) Jedenfalls als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 47/1 steht der Antragstellerin gegen eine gewerbliche Nutzung auf dem Vorhabengrundstück kein Gebietserhaltungsanspruch zu.
Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 15). Ein solcher Gebietserhaltungsanspruch scheidet jedoch aus, wenn das Grundstück des sich auf den Gebietserhaltungsanspruch berufenden Nachbarn nicht in demselben Plangebiet wie das Baugrundstück liegt. Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitigen Eigentumsbindung beruht, besteht ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger gebietsübergreifender Schutz der Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 18 m.w.N.).
Das Grundstück FlNr. 47/1 liegt im Umgriff des Bebauungsplans „… „West“ (A* Hellip- Straße)“, bekannt gemacht am 2. Mai 1994. Hiervon ist aufgrund des Vortrags des Antragsgegners und dem im digitalen Kartenarchiv https://karten.kreis-freising.de abrufbaren Bebauungsplan auszugehen. Nördlich der A* Hellip- Straße sind vom Umgriff des Bebauungsplans die Grundstücke FlNrn. 43/1, 47/1 und 47/2 umfasst; weitere liegen westlich des Wendehammers sowie südlich der Straße. Das Vorhabengrundstück liegt hingegen außerhalb des Plangebiets.
Ein Gebietserhaltungsanspruch mit Blick auf die dingliche Berechtigung am Grundstück FlNr. 47/1 scheidet daher aus.
bb) Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die Antragstellerin aufgrund ihrer dinglichen Berechtigung am Grundstück FlNr. 47/7 auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen kann.
Ein Gebietserhaltungsanspruch ist auch außerhalb eines mittels Bebauungsplans festgesetzten Gebiets denkbar. Die zugrundeliegende Annahme, dass sich die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist, trifft auch im Falle eines typisierten, faktischen Baugebiets nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. der Baunutzungsverordnung zu.
Voraussetzung für die Bejahung eines Gebietserhaltungsanspruchs wäre, dass das Grundstück des Beigeladenen wie auch das der Antragstellerin im Innenbereich liegen, und die nähere Umgebung einem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung entspricht, § 34 Abs. 2 BauGB. Ob dies zutrifft, kann im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nicht beurteilt werden; weitere Überlegungen und Ermittlungen hierzu wären erforderlichenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Anhand der vorliegenden Luftbilder und Lagepläne kann weder der Annahme der Antragspartei, dass es sich um ein allgemeines oder gar reines Wohngebiet handele, gefolgt werden, noch der Annahme des Antragsgegners, dass es sich um eine Gemengelage handele. Es wäre zunächst zu klären, ob die in Rede stehenden Grundstücke im Innen- oder Außenbereich liegen, ferner, wie sich die Nutzungen in der näheren Umgebung darstellen, insbesondere, ob noch eine das Gebiet prägende aktive Landwirtschaft vorhanden ist. Hierüber vermögen auch die Beteiligten keine Angaben zu machen.
Bei Einordnung als faktisches allgemeines Wohngebiet ist ergänzend auf die Zulässigkeitshürde von § 12 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO hinzuweisen, wonach Garagen dort nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig sind und solche für Kraftfahrzeuge mit einem Eigengewicht über 3,5 Tonnen sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge unzulässig sind. Die Annahme einer untergeordneten Nebenanlage zu dem Wohnhaus des Beigeladenen (§ 14 Abs. 1 BauNVO) scheidet ersichtlich aus. Bereits angesichts des nicht näher bestimmten Nutzungsumfangs vermag auch keine Aussage dazu getroffen zu werden, ob das Vorhaben hypothetisch als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig wäre.
Da die Klage Aussicht auf Erfolg hat, fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus.
Der Antragsgegner trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene wird an den Kosten nicht beteiligt, weil er keinen Antrag gestellt hat, § 154 Abs. 3 VwGO, zugleich trägt er seine außergerichtlichen Kosten im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO selbst.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG; für das Hauptsacheverfahren wird entsprechend Ziffer 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Streitwert von 10.000 EUR angenommen, der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes halbiert wird (Ziffer 1.5 d. Streitwertkatalogs).


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