Baurecht

vorläufiger Rechtsschutz gegen Baugenehmigung, Antrag einer anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigung, keine Antragsbefugnis mit Blick auf die Geltendmachung von Verstößen gegen denkmalschutzrechtliche Vorschriften, keine Einordnung von denkmalschutzrechtlichen Normen unter umweltbezogenen Rechtsvorschriften i.S.d. UmwRG

Aktenzeichen  W 4 S 21.992

Datum:
23.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36767
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
UmwRG § 2 Abs. 1
UmwRG § 1 Abs. 4
BayDSchG Art. 6
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, eine vom Landesamt für Umwelt anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Funkturmes.
1. Mit Formblatt vom 11. August 2020 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Funkturmes in Form eines „21,93-Schleuderbetonmastes mit 6,02-Aufsatzrohr und 2 Plattformen sowie Outdoortechnik auf Betonbodenplatte“ auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung I. … Ausweislich der zur Genehmigung gestellten Planunterlagen weist der geplante Funkturm eine Gesamthöhe von 27,95 m auf. Am oberen Ende des Mastes sollen 2 Plattformen mit den Maßen von jeweils 2,78 m x 2,78 m angebracht werden mit Gitterrost, Sicherungsring und 12 Antennentragrohren. Der geplante Standort befindet sich an der nordwestlichen Ecke des Baugrundstücks im Bereich zwischen der östlich hiervon gelegenen M. …halle und des westlich hiervon befindlichen Lagerplatzes mit anschließender Ortsbebauung. In südlicher Richtung ca. 130 m hiervon entfernt befindet sich die als Einzeldenkmal in der Bayerischen Denkmalliste eingetragene Kirche St. J. … (Fl.Nr. … der Gemarkung I. ….).
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege lehnte das Bauvorhaben mit Stellungnahme vom 28. September 2020 unter Hinweis auf die in Sichtweite befindliche Kirche St. J. … ab. Aufgrund der geringen Entfernung von ca. 130 m komme es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der landschaftsprägenden Wirkung des Kirchbaus.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2021 erteilte das Landratsamt Rhön-Grabfeld die beantragte Baugenehmigung. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG sei aufgrund des Abstandes zu der denkmalgeschützten Kirche von etwa 130 m nicht erforderlich. Die Vorgaben des Denkmalschutzes seien zwar als abwägungserheblicher öffentlicher Belang i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB zu beachten. Jedoch sei keine erheblich beeinträchtigende Wirkung des Antennenträgers auf das vorhandene Denkmal zu erwarten. Die Abwägung der widerstreitenden Belange falle vorliegend zu Gunsten der mit dem nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegierten Vorhaben gewährleisteten flächendeckenden Versorgung des Ortsteils mit Telekommunikationsdienstleistungen aus.
Die Regierung von Unterfranken wandte sich mit Schreiben vom 17. Mai 2021 hinsichtlich des Bauvorhabens an das Landratsamt und teilte mit, dass seitens der höheren Bauaufsichts- und Denkmalschutzbehörde erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit der geplanten Mobilfunkanlage bestünden. Ferner wurde gebeten, die Rücknahme der erteilten Baugenehmigung und die Ablehnung des Bauantrags zu prüfen. Eine Rücknahme des Bescheids durch das Landratsamt erfolgte daraufhin nicht.
2. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021 – eingegangen bei Gericht am selben Tag – ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage gegen den Genehmigungsbescheid vom 7. Mai 2021 erheben, welche unter dem Aktenzeichen W 4 K 21.960 geführt wird und über welche noch nicht entschieden ist. Darüber hinaus beantragte der Antragsteller mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2021 im hiesigen Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 19.07.2021, Az. W 4 K 21.960, gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 07.05.2021, Az. …, anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die in der Hauptsache erhobene Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde und somit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse des Antragsgegners und des Bauherrn überwiege. Der Antrag sei zunächst zulässig. Der Antragsteller sei als anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung klagebefugt nach § 2 Abs. 1 UmwRG. Er werde durch die Genehmigung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt. Die Genehmigung verstoße gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB sowie gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 BayDSchG, welche als umweltbezogene Rechtsvorschriften anzusehen seien. Der Denkmalschutz sei vom Umweltbegriff des UmwRG umfasst, sodass die entsprechenden Vorschriften den umweltbezogenen Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG zuzuordnen seien. Ferner sei der Antrag auch begründet. Die Genehmigung widerspreche zunächst den denkmalschutzrechtlichen Vorschriften aus Art. 6 Abs. 1 und 2 BayDSchG. Aufgrund der Errichtung des Funkmastes entstehe ein das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand. Die Wirkung des Baudenkmals St. J. … als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte und als bestimmendes städtebauliches Element werde erheblich geschmälert. Ebenso werde die bedeutende Fernwirkung der Kirche erheblich beeinträchtigt. Eine unveränderte Erhaltung des Denkmals sei schon wegen seiner geschichtlichen und kulturellen Bedeutung geboten. Eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis könne nicht erteilt werden. Darüber hinaus stehe dem Vorhaben der öffentliche Belang des Denkmalschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen. Es stünden mehrere Standortalternativen zur Auswahl. Eine geringfügige Versorgungslücke müsse in Kauf genommen werden, wenn hierdurch das Denkmal in seinem Wert erhalten bleiben könne. Letztlich werde durch das Vorhaben auch das Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt.
3. Mit Schriftsatz vom 6. August 2021 beantragte das Landratsamt Rhön-Grabfeld für den Antragsgegner, den Antrag auf aufschiebende Wirkung abzuweisen.
Der Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die angefochtene Genehmigung als rechtmäßig erweise und die erhobene Klage somit keinen Erfolg haben werde, sodass das Vollzugsinteresse der beigeladenen Bauherrin überwiege. Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags. Der Antragsteller sei mit Blick auf die geltend gemachten denkmalschutzrechtlichen Vorschriften nicht in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt. Darüber hinaus fehle es an einer möglichen Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften. Der Antrag sei zudem unbegründet. Das Vorhaben gehöre zu den privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, da es der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen diene. Es sei damit im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstünden. Nach Ansicht des Landrastsamtes gehe von dem geplanten Antennenträger aufgrund des Abstandes von 130 m zu dem Denkmal und der schlanken Bauweise keine erhebliche, sondern eine noch hinzunehmende Beeinträchtigung auf den Bestand und das Erscheinungsbild der Kirche aus. Die Errichtung des Mobilfunkmastes sei auch durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt mit Blick auf die Aufgabe einer bayernweiten Verbesserung der Verfügbarkeit und Übertragungsqualität der Mobilfunknetze und einer Versorgung auch in dünn besiedelten, ländlichen Regionen. Unter den im Vorfeld untersuchten Alternativstandorten habe sich der nunmehr genehmigte Standort als der am besten geeignetste Standort erwiesen.
4. Mit Beschluss des Gerichts vom 27. Juli 2021 wurde … als Bauherrin zum Verfahren beigeladen. Diese äußerte sich mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 20. August 2021 zum hiesigen Verfahren und ließ beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Eilantrag bereits unzulässig, darüber hinaus auch unbegründet sei. Der Antrag sei mangels Antragsbefugnis unzulässig, da es an einer Geltendmachung einer Betroffenheit des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs des Antragstellers nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG fehle. Der Antrag sei auch unbegründet. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BayDSchG liege nicht vor. Das Bauvorhaben befinde sich nicht in der Nähe der denkmalgeschützten Kirche und sei deshalb nicht erlaubnispflichtig nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG. Dies ergebe sich aus der Entfernung zur Kirche, welche 130 m betrage, und aus der schlanken Ausgestaltung des Mastes. Die Mobilfunkanlage wirke sich nicht auf die Kirche aus, deren Denkmalwert werde nicht geschmälert. Jedenfalls sei die Mobilfunkanlage aber gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG erlaubnisfähig. Das überlieferte Erscheinungsbild und die Wirkung des Denkmals könnten durch die schlanke und wesentlich niedrigere Mobilfunkanlage nicht in Frage gestellt werden. Zudem würden Mobilfunkanlagen und deren optische Auswirkungen von einem verständigen Betrachter als notwendig und allgegenwärtig empfunden werden. Letztlich stünden dem Vorhaben auch keine öffentlichen Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Die Vorschrift habe mit Blick auf den Denkmalschutz im Verhältnis zu denkmalrechtlichen Vorschriften lediglich eine Auffangfunktion inne und greife nur dort ein, wo grobe Verstöße in Frage stünden. Ein grober Verstoß gegen denkmalschutzrechtliche Belange sei jedoch nicht ersichtlich. Auch würden erhebliche öffentliche Interessen für die Verwirklichung des Vorhabens streiten, wie etwa das öffentliche Interesse an einer flächendeckenden, angemessenen und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen des Mobilfunks. Im Übrigen habe sich der gewählte Standort als einzig möglicher Standort herausgestellt.
5. Ein Antrag des Antragstellers auf Erlass einer Zwischenentscheidung wurde mit Beschluss des Gerichts vom 29. Juli 2021 abgelehnt.
6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren W 4 K 21.960 sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist mangels Antragsbefugnis unzulässig.
Hinsichtlich der Antragsbefugnis beruft sich der Antragsteller auf § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung unter bestimmten – in den Nummern 1 bis 3 näher dargelegten – Voraussetzungen Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG einlegen, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen. Bei einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG – einzig eine solche kommt vorliegend in Betracht – muss die Vereinigung jedoch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen. Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich indes keine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften durch die in Streit stehende Baugenehmigung vom 7. Mai 2021. Insbesondere stellen die im Wesentlichen mit Blick auf denkmalschutzrechtliche Belange angeführten Art. 6 Abs. 1 und 2 BayDSchG und § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 BauGB keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften i.S.d. Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes dar.
1.1. Der Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften wird in § 1 Abs. 4 UmwRG konkretisiert. Danach handelt es sich bei umweltbezogenen Rechtsvorschriften um Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG) oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 UmwRG) beziehen. Die entsprechenden Bestimmungen des UIG haben einen mit Art. 2 Abs. 3 Lit. a und b der Aarhus-Konvention (AK) weitgehend identischen Wortlaut (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 1 UmwRG Rn. 30). Umweltbestandteile sind demnach u.a. Luft, Wasser, Boden, Landschaft, natürliche Lebensräume und die Artenvielfalt. Faktoren sind u.a. Energie, Lärm, Emissionen, Abfälle und sonstige Freisetzungen von Stoffen, die sich auf Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Im Zweifel ist der Umweltbezug – in Anlehnung an die Spruchpraxis des Compliance Committee der Aarhus-Konvention (ACCC) – weit auszulegen. Die entsprechende Einbeziehung dieser Spruchpraxis in die Auslegung des nationalen Rechts ist ausweislich der Gesetzesbegründung vom nationalen Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (vgl. BT-Drs. 18/9526 Seite 36). Der Begriff der „umweltbezogenen Rechtsvorschriften“ beschränkt sich demnach nicht auf solche, in denen der Begriff „Umwelt“ im Titel oder der Überschrift vorkommt; auch muss der Umweltschutz nicht Zweck der Bestimmung sein. Entscheidend ist allein, ob sich die betreffende Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auf die Umwelt bezieht (vgl. BT-Drs. 18/9526 Seite 32; vgl. auch BayVGH, B.v. 22.5.2020 – 22 ZB 18.856 – juris Rn. 40; B.v. 10.12.2020 – 9 CS 20.892 – juris Rn. 27; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 94. EL, Dezember 2020, § 1 UmwRG Rn. 158 ff.).
1.2. Der Antragsteller beruft sich vorliegend im Wesentlichen darauf, dass die in Streit stehende Baugenehmigung gegen denkmalschutzrechtliche Belange verstoße. Insbesondere widerspreche die Genehmigung den denkmalschutzrechtlichen Vorschriften aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BayDSchG und dem Vorhaben stehe zudem der öffentliche Belang des Denkmalschutzes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 BauGB entgegen. Diesbezüglich spricht aus Sicht der erkennenden Kammer infolge einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einzig möglichen summarischen Prüfung jedoch mehr dafür, die entsprechenden Normen trotz der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs nicht als umweltbezogene Rechtsvorschriften im oben genannten Sinne anzusehen. Vorschriften des Denkmal- bzw. Kulturgüterschutzes sind demnach hiervon nicht umfasst (i.E. ebenso: NdsOVG, B.v. 29.12.2020 – 1 ME 68/20 – juris Rn. 44; Mast, ZRP 2019, 237 ff.; noch zur a.F. verneinend mit Blick auf eine mögliche Beeinträchtigung einer Kulturlandschaft vgl. OVG RhPfB.v. 31.1.2013 – 1 B 11201/12 – juris Rn. 30; a.A.: Spennemann, NuR 2020, 227 ff.; Bunge, UmwRG, 2. Auflage 2019, § 1 Rn. 48 und 204).
Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Umweltbegriff im europarechtlichen Kontext sowie in dem die entsprechenden Richtlinien umsetzenden nationalen Recht mitunter auch das „kulturelle Erbe“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 Lit. d der RL 2011/92/EU [UVP-RL] sowie § 2 Abs. 1 Nr. 4 UVPG) bzw. „Kulturstätten und Bauwerke“ (vgl. Art. 2 Nr. 1 Lit. f der RL 2003/4/EG [Umweltinformations-RL] sowie § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG) umfasst, was für eine Einordnung denkmalschutzrechtlicher Normen unter die umweltbezogenen Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG streiten könnte. Da § 1 Abs. 4 UmwRG auf Begriffsbestimmungen im Umweltinformationsgesetz verweist, welches wiederum der Umsetzung der Umweltinformations-RL in nationales Recht dient, können derartige europarechtliche Wertungen im Rahmen der Begriffsbestimmung durchaus auch herangezogen werden. Darüber hinaus hat auch das ACCC in seiner Spruchpraxis das architektonische und kulturelle Erbe bereits in den Umweltbegriff im weiteren Sinne miteinbezogen (vgl. ACCC/C-2013/81 Schweden).
Auf der anderen Seite muss jedoch beachtet werden, dass insbesondere das europäische Primärrecht durchaus zwischen den Bereichen der „Umwelt“ (Art. 191 ff. AEUV) auf der einen und der „Kultur“ (Art. 167 AEUV) auf der anderen Seite differenziert. Europarechtliche Wertungen geben damit eine Einbeziehung denkmalschutzrechtlicher Belange und Vorschriften in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 UmwRG jedenfalls nicht zwingend vor.
Entscheidend gegen eine Einordnung der entsprechenden Normen als umweltbezogene Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG spricht aus Sicht der erkennenden Kammer jedenfalls der eindeutige Wortlaut der Vorschrift. Diese verweist zur Begriffsbestimmung ausdrücklich auf § 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 UIG. Schutzgüter des Denkmalschutzes finden sich in der dortigen Auflistung von Umweltbestandteilen (Nr. 1) bzw. Faktoren (Nr. 2) nicht wieder. Demgegenüber hat der Gesetzgeber mit dieser nur partiellen Verweisung auf § 2 Abs. 3 UIG offensichtlich bewusst darauf verzichtet, weitere, in anderen Ziffern des § 2 Abs. 3 UIG ausdrücklich angeführte Schutzgüter – wie etwa Kulturstätten und Bauwerke (Nr. 6) – in den Schutzbereich des § 1 Abs. 4 UmwRG mit einzubeziehen (vgl. auch Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 94. EL, Dezember 2020, § 1 UmwRG Rn. 161). Der Gesetzgeber hat somit den Kreis der umweltbezogenen Rechtsvorschriften i.S.d. Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes bewusst nicht auf sämtliche Schutzgüter des § 2 Abs. 3 UIG – und dementsprechend auch nicht auf sämtliche Schutzgüter des Art. 2 Nr. 1 Umweltinformations-RL und des Art. 2 Nr. 3 AK, welche einen mit § 2 Abs. 3 UIG vergleichbaren Wortlaut aufweisen – erstreckt. Soweit der Antragsteller sowie Teile der Literatur diesbezüglich mit Blick auf den Wortlaut („wie“) damit argumentieren, die Auflistung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 UIG sei lediglich beispielhafter Natur und stehe einer Einbeziehung weiterer, dort nicht ausdrücklich genannter Schutzgüter nicht entgegen (vgl. Bunge, UmwRG, 2. Auflage 2019, § 1 Rn. 48 und 204; Spennemann, NuR 2020, 227 ff.), greift dies aus Sicht der erkennenden Kammer dagegen zu kurz. Zwar ist in der Tat nicht von einem abschließenden Charakter der Aufzählungen in § 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 UIG auszugehen (vgl. auch Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 94. EL, Dezember 2020, § 2 UIG Rn. 33). Jedoch verkennt diese Argumentation mit Blick auf die hier in Streit stehenden Schutzgüter des Denkmalschutzes, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 UIG zwischen Umweltbestandteilen und Faktoren i.S.d. Nummern 1 und 2 auf der einen Seite sowie u.a. Kulturstätten und Bauwerken i.S.d. Nummer 6 – mithin Schutzgüter des Denkmalschutzes – auf der anderen Seite ausdrücklich differenziert. Hätte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 UmwRG auch auf die in Nummer 6 ausdrücklich angeführten Schutzgüter erstrecken wollen, hätte er diese Ziffer in die entsprechende Verweisung ausdrücklich mit aufnehmen können. Dass dies vorliegend unterblieben ist, stellt eine gesetzgeberische Entscheidung dar, die nicht dadurch unterlaufen werden darf, dass man die entsprechenden Schutzgüter dennoch gleichsam als „ungeschriebene“ Umweltbestandteile bzw. Faktoren i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 UIG in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 UmwRG einbezieht.
Hinsichtlich der vonseiten des Antragstellers in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Mai 2020 (Az. 22 ZB 18.856) ist festzuhalten, dass sich die entsprechende Entscheidung lediglich auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB (natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert) bezieht. Eine Aussage darüber, ob auch der hier in Streit stehende öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 BauGB (Denkmalschutz) unter den Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG zu subsumieren ist, trifft der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung dagegen nicht.
Nach alledem hat der Antragsteller mit seinem Vorbringen, die Baugenehmigung verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 BayDSchG und dem Bauvorhaben stehe der öffentliche Belang des Denkmalschutzes gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen, eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften i.S.v. § 1 Abs. 4 UmwRG nicht geltend gemacht. Eine Antragsbefugnis nach § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG besteht insofern nicht.
1.3. Soweit der Antragsteller in seiner Antragsbegründung neben der im Wesentlichen gerügten Beeinträchtigung der Belange des Denkmalschutzes anführt, das Vorhaben verunstalte darüber hinaus auch das Orts- und Landschaftsbild i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 5 BauGB, kann auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens eine Antragsbefugnis nicht angenommen werden. Die Ausführungen des Antragstellers gehen diesbezüglich nicht über eine pauschale und unsubstantiierte Behauptung hinaus. Aus welchen Erwägungen der entsprechende öffentliche Belang dem Vorhaben entgegenstehen sollte, hat der Antragsteller nicht substantiiert ausgeführt.
1.4. Nach alledem ist der Antrag des Antragstellers bereits mangels Antragsbefugnis als unzulässig abzulehnen.
2. Der Antragsteller hat als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem die Beigeladene einen Antrag gestellt hat und gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, die ihr entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen nach § 162 Abs. 3 VwGO der Antragstellerseite aufzuerlegen.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013).


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