Baurecht

Vorläufiger Rechtsschutz, Heizölschaden, Verpflichtung zur Erstellung eines Untersuchungskonzepts, Störerauswahl, ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit eines Heizöllieferanten, Sofortvollzug, Androhung Zwangsgeld

Aktenzeichen  Au 9 S 22.64

Datum:
27.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5441
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
BBodSchG § 9 Abs. 2
BBodSchG § 4 Abs. 3
AwSV

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 11. Januar 2022 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2021 wird hinsichtlich der Nrn. 1 bis 4 wiederhergestellt und hinsichtlich der Nrn. 6 bis 8 angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selber.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Pflicht zur Vorlage eines Untersuchungskonzepts zur Vorbereitung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung eines Heizölschadens.
Am 29. November 2021 belieferte die Antragstellerin, ein Mineralölhandelsunternehmen, das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … mit Heizöl. Der Lieferung lag ein Auftrag der Bewohner des Grundstücks zugrunde, die Bestellmenge betrug 2.000 Liter. Eigentümer des Grundstücks sind die Beigeladenen zu 1 bis 4 zu je einem Viertel.
Auf dem Grundstück befindet sich ein unterirdisch verlegter Heizöltank, Baujahr 1959, mit einem Fassungsvermögen von 7.000 Liter. Die Anlage ist nach § 46 Abs. 2 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdeten Stoffen (AwSV) vom Betreiber auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen, wobei die Prüfung nach § 47 Abs. 1 AwSV durch Sachverständige durchgeführt werden muss. Die letzte Prüfung fand am 16. November 2017 statt, hierbei wurden keine Mängel festgestellt. Die nächste Prüfung war für den November 2022 vorgesehen.
Bei der Befüllung des Tanks wurde der Tankvorgang nach ca. 1.800 Litern durch den am Tank angeschlossenen Grenzwertgeber abgeschaltet. Dennoch lief Heizöl über die undichte Lüftungsleitung in den Domschacht und über die Rücklaufleitung in den Kellerraum des Hauses. Das im Domschacht ausgetretene Heizöl versickerte im Erdreich, das im Kellerraum ausgelaufene Heizöl wurde vom Tanklastfahrer mit Bindemitteln abgebunden.
Aufgrund des Heizölschadens fand am Nachmittag des 29. November 2021 ein Ortstermin statt, an dem ein Mitarbeiter der technischen Gewerbeaufsicht des Wasserwirtschaftsamt, ein Mitarbeiter des Umweltamts der Antragsgegnerin, ein von der Antragstellerin beigezogener Sachverständiger und die Bewohner des Grundstücks teilnahmen. Nach Auskunft der Anlagenbetreiber war der Tank vor dem Tankvorgang mit ca. 500 Litern Heizöl gefüllt. Nach übereinstimmenden Angaben hat der Tankwagenfahrer vor dem Beginn des Tankvorgangs den exakten Füllstand des Tanks nicht überprüft, da der hierfür vorgesehene Peilungsstab im Peilrohr verklemmt und nicht einsetzbar war.
Die Antragsgegnerin machte gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 30. November 2021 geltend, dass der Tankwagenfahrer es unterlassen habe, vor dem Betankungsvorgang den Füllstand des Tanks zu prüfen. Bei ordnungsgemäßer Prüfung wäre aufgefallen, dass ein technischer Defekt an der Anlage vorgelegen habe, bei dem der Betankungsvorgang nicht hätte gestartet werden dürfen. Das ausgetretene Heizöl habe einen erheblichen Schaden verursacht. Aufgrund des Schadensbilds sei davon auszugehen, dass mindestens 25 Liter Heizöl ins Erdreich versickert seien. Bei einem Grundwasserabstand von vier Metern zur Geländeoberkante und einem Eintragungsort von ca. 1,2 m unter der Geländeoberkante ergebe sich ein Abstand zum Grundwasser von weniger als 3 Metern und damit eine mögliche Gefahr für das Grundwasser. Aufgrund des unzulässig gestarteten Betankungsvorgangs sei es zu einem Überfüllschaden an der Anlage gekommen, für deren weitere Abwicklung die Antragstellerin einstehen müsse. Hinsichtlich der Gefahren für das Grundwasser sei umgehend eine Detailuntersuchung des Bodens erforderlich. Die Maßnahmen müssten durch einen nach § 18 BBodSchG zugelassenen Sachverständigen durchgeführt bzw. begleitet werden. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 9. Dezember 2021 gegeben.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2021 teilte die Versicherung der Antragstellerin mit, dem beigefügten Gutachten des beigezogenen Sachverständigen sei zu entnehmen, dass der Produktaustritt ausschließlich auf einem Anlagenmangel beruhe. Der Einwand, dass der Fahrer ohne vorgenommene Freimengenermittlung nicht hätte befüllen dürfen, sei für den Produktaustritt unerheblich.
Der Sachverständige, Mitglied der Sachverständigenorganisation nach der AwSV, stellte in seinem Bericht vom 3. Dezember 2021 über die Untersuchung des Ölschadens vom 29. November 2021 fest, dass die Tankanlage erhebliche Mängel aufwies, die zum Teil für die Überfüllung ursächlich gewesen seien. Im nicht flüssigkeitsdichten Domschacht seien ca. 11 bis 19 Liter Heizöl versickert, die im Heizraum ausgetretene Menge, die auf dem Betonboden zurückgehalten worden sei, werde auf ca. vier Liter geschätzt. Im Einzelnen benannte der Sachverständige folgende Mängel der Anlage:
1. Vakuum-Leckanzeigegerät steht auf Alarm
2. Betriebs-Kontrolllampe des Vakuum-Leckanzeigegeräts ist defekt
3. Hinweisschild „Tank mit Innenhülle – Befüllung nur zulässig bei leuchtender Betriebs-Kontrolllampe des Leckanzeigegeräts“ fehlt im Domschacht
4. Peilstab im Peilrohr verklemmt – Leerraumermittlung nicht möglich
5. Rohrleitungsverbindung der Entlüftungsleitung im Domschacht ist nicht dicht
6. stillgelegte Rücklaufleitung ist gebäudeseitig nicht verblindet
Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind die unter Nr. 1 – 3 und 5 aufgeführten Mängel für die Unfallentstehung relevant. Der unter Nr. 6 genannte Mangel hat Auswirkungen auf den Schadensumfang. Keine Auswirkung auf den Schadensfall hat nach Angabe des Sachverständigen der Umstand, dass der Peilstab verklemmt und nicht benutzbar war.
Zum Unfallhergang wird im Gutachten unter Bezugnahme auf die übereinstimmenden Angaben des Anlagenbetreibers und des Tankwagenfahrers festgestellt, dass der Tankwagenfahrer die Befüllung ohne vorangegangene Leerraumermittlung gestartet habe, weil der Peilstab verklemmt gewesen sei. Nach ca. 1.800 Litern habe der Grenzwertgeber abgeschaltet. Kurz darauf sei Heizöl aus der Entlüftungsleitung im Domschacht sowie aus der stillgelegten, offenen Rücklaufleitung im Heizraum ausgetreten. Zur Schadenursache wurde festgestellt, dass im Tank kein Unterdruck vorhanden gewesen sei. Hierauf habe die auf Alarm stehende Vakuum-Leckanzeige hingewiesen. Durch den fehlenden Unterdruck habe sich die Innenhülle des Tanks von der Tankwandung gelöst, was zur Folge gehabt habe, dass das für die Heizölbefüllung zur Verfügung stehende Volumen stark reduziert wurde. Bei der Befüllung sei der Druck im Inneren der Hülle schnell und stark angestiegen und Heizöl zwischen den entstandenen Luftkissen in die Lüftungsleitung und die tankseitig angeschlossene Rücklaufleitung gedrückt worden. Ob sich die Hülle tatsächlich von der Tankwandung gelöst hat, könne nur durch Begutachtung bei offenem Domdeckel geklärt werden, was jedoch durch den Anlagenbetreiber abgelehnt worden sei. Der beschriebene Mechanismus sei jedoch in Fachkreisen bekannt, weiterhin hätten keine Hinweise festgestellt werden können, die auf eine andere Schadensursache hindeuten.
Unter Bezugnahme auf die in § 46 AwSV und TRwS 791-1, Abschnitt 9.1 (3) a und b geregelten Betreiberpflichten wurde im Gutachten festgestellt, dass der Betreiber das Vakuum-Leckanzeigegerät nicht kontrolliert habe, so dass nicht bemerkt worden sei, dass das Gerät Alarm anzeige und die Betriebskontrolllampe nicht leuchtete. Bezüglich der Pflichten des Tankwagenfahrers wird festgestellt, dass dieser sich nach § 23 AwSV zwar vor Beginn der Arbeiten von dem ordnungsgemäßen Zustand der dafür erforderlichen Sicherheitseinrichtungen zu überzeugen habe. Ein Leckanzeigegerät sei jedoch keine für die Befüllung erforderliche Sicherheitseinrichtung. Eine Kontrolle des Leckanzeigegeräts sei nach AwSV Anhang C, Abs. C.2 (g) nur dann vorgesehen, wenn im Domschacht durch ein Hinweisschild auf die Ausrüstung des Tanks mit Leckschutzauskleidung und Vakuum-Leckanzeigegerät hingewiesen werde. Ein solcher Hinweis habe jedoch gefehlt. Nach TRwS 791-1, Anhang C Abs. C.2 (b) gehöre zu den Pflichten des Tankwarts die Feststellung des Füllstands und die Ermittlung des maximal zulässigen Abgabevolumens anhand der vorhandenen Einrichtungen zur Feststellung des Füllstands. Aufgrund des verklemmten Peilstabs habe der Tankwagenfahrer keine Leerraumermittlung durchführen können. Ohne diese Ermittlung hätte er den Tank nicht befüllen dürfen. Allerdings hätte eine ordnungsgemäß durchgeführte Leerraumermittlung den Unfall nicht verhindert. Die Pflichtverletzung des Tankwagenfahrers sei somit nicht relevant für die Unfallentstehung.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2021 wurde die Antragstellerin verpflichtet, zur Vorbereitung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung des Heizölschadens auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … (…-Weg, …) ein Untersuchungskonzept für die Vornahme der Untersuchungen hinsichtlich des Gefährdungspotenzials für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser im Sinne der Bodenschutzverordnung erstellen zu lassen (Nr. 1 des Bescheids). Unter Nr. 1 a) bis f) wurden die im Konzept zu berücksichtigenden Punkte näher beschrieben. Die unter Nr. 1 beschriebene Maßnahme ist durch einen nach § 18 BBodSchG (mindestens für das Sachgebiet 2 oder 3 gemäß § 6 VSU Boden und Altlasten) zugelassenen Sachverständigen durchzuführen bzw. zu überwachen (Nr. 2 des Bescheids). Die unter Nr. 1 beschriebene Maßnahme ist bis zum 21. Februar 2022 durchzuführen bzw. das Ergebnis/Konzept bis zu diesem Zeitpunkt bei der Antragsgegnerin einzureichen (Nr. 3 des Bescheids). Zum Nachweis der rechtzeitigen Auftragsvergabe ist von der Antragstellerin bis spätestens 31. Januar 2022 eine verbindliche Auftragsbestätigung eines nach § 18 BBodSchG zugelassenen Sachverständigen zur Umsetzung der angeordneten Maßnahme vorzulegen (Nr. 4 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der in unter Nr. 1 bis 4 des Bescheids festgelegten Maßnahmen wurde angeordnet (Nr. 5). Für den Fall der nicht vollständigen oder rechtzeitigen Erfüllung der unter Nr. 1, 2 und 4 genannten Anordnungen wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 4.500,00 EUR (bzgl. Nr. 1), 2.000,00 EUR (bzgl. Nr. 2) und 500,00 EUR (bzgl. Nr. 4) angedroht. Die Beigeladenen wurden zur Duldung der genannten Maßnahmen und zur Erteilung bzw. Vorlage der erforderlichen Auskünfte und Unterlagen verpflichtet (Nr. 9 des Bescheids).
Zur Begründung des Bescheids wird ausgeführt, die Antragsgegnerin sei gemäß Art. 10 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Bundesbodenschutzgesetzes (BayBodSchG) sachlich zuständig. Nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 BBodSchG sei der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, der heutige wie auch ggf. frühere Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Im Zuge der Prüfung vor Ort durch die zuständigen Behörden und durch die Feststellung des beigefügten Gutachtens sei die Schuld des Fahrers bzw. das Verschulden der Antragstellerin wesentlich für die Schadensentstehung. Die Antragstellerin sei als Verursacherin anzusehen. Neben der Antragstellerin kämen für die Umsetzung der Maßnahmen zwar noch die Grundstückseigentümer sowie die Anlagenbetreiber und Inhaber der tatsächlichen Gewalt infrage. Im Zuge einer effektiven Gefahrenabwehr habe sich die Antragsgegnerin nach pflichtgemäßem Ermessen jedoch dazu entschieden, die Antragstellerin zur Umsetzung heranzuziehen, da sie aufgrund ihrer Erfahrung und der im Hintergrund agierenden Versicherung bzw. deren Gutachter die Maßnahmen am geeignetsten umsetzen könne. Unter finanziellen Gesichtspunkten sei die Leistungsfähigkeit einzelner Grundstückseigentümer fraglich und es erscheine wenig vertretbar, Maßnahmen einzufordern, deren Durchführung dadurch nicht als sichergestellt angesehen werden könnten bzw. deren Kosten dann durch die Grundstückseigentümer mühsam über § 24 BBodSchG von der Verursacherin wieder eingefordert werden müssten. Die Antragsgegnerin sehe die Aktenlage als ausreichend an, um darzulegen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen unzulässigem Tankvorgang und dem eingetretenen Schaden bestehe. Die Antragstellerin werde daher als Verursacherin und Handlungsstörerin verpflichtet, da sie die Maßnahmen im Gegensatz zu den sonst infrage kommenden Störern am sinnvollsten umsetzen könne. Gemäß § 3 Abs. 4 der BBodSchG lägen konkrete Anhaltspunkte vor, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast begründen. Die Antragsgegnerin könne daher nach § 9 Abs. 2 BBodSchG anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben. Nach § 10 Abs. 1 BBodSchG könne die zuständige Behörde dem Pflichtigen gegenüber, die notwendigen Maßnahmen anordnen, dies beinhalte auch die vorausgehende Erstellung eines Untersuchungskonzepts. Die sofortige Vollziehung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Dieses bestehe aufgrund der bereits nachgewiesenen Verunreinigungen des Bodens und der daraus möglicherweise vorliegenden Gefahren für das Grundwasser und für die menschliche Gesundheit durch die festgestellten erheblichen Kontaminationen. Ohne weitere Untersuchung zur Abgrenzung und Gefährdungsabschätzung wäre es möglich, dass weiterhin hohe Schadstoffkonzentrationen in das Grundwasser gelangen bzw. eine Gefährdung besteht. Eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung könne nur dadurch ausgeschlossen werden, dass unverzüglich das Gefährdungspotenzial ermittelt und durch das Einleiten von geeigneten Gegenmaßnahmen unterbunden wird. Das Interesse der Antragstellerin müsse demgegenüber zurückstehen.
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids wird ergänzend verwiesen. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 21. Dezember 2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2022 hat die Antragstellerin Klage erhoben (Az. Au 9 K 22.62) und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2021 über die Verpflichtung zur Vorlage eines Untersuchungskonzepts aufzuheben.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 11. Januar 2022 hat die Antragstellerin im Wege des vorläufigen Rechtschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der eingereichten Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2021 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe daher nicht. Insbesondere seien keine gravierenden Verunreinigungen des Bodens oder gar des Grundwassers zu befürchten, die einen Eingriff in die schutzwürdigen Interessen der fehlerhaft als Störerin angenommenen Antragstellerin rechtfertigen würden. Eine Maßnahme gegen die zweifelsfrei verpflichteten Zustands- und Verhaltensstörer in Person der Grundstückseigentümer sei möglich. Die summarische Prüfung ergebe, dass keine rechtliche Verantwortlichkeit der Antragstellerin bestehe. Die Antragsgegnerin gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Es gebe keine gesetzliche Vorschrift, nach der ein Tankwagenfahrer vor dem Befüllen eines Tanks mittels Peilstabs eine Füllstandskontrolle vornehmen müsse. Der Fahrer sei zwar gehalten, sich über die hinreichende Aufnahmefähigkeit des zu befüllenden Tanks zu vergewissern, die Peilung mittels Peilstab sei jedoch nur eine von mehreren Möglichkeiten. Aus der Tatsache, dass der Peilstab möglicherweise nicht zu nutzen war, könne nicht auf ein schadensbegründendes Pflichtversäumnis des Tankwagenfahrers geschlossen werden. Zudem sei die Pflichtverletzung für den späteren Schadenseintritt nicht ursächlich. Eine Überfüllung des Tanks würde voraussetzen, dass mehr Produkt in den Tank gefüllt worden sei, als dieser mengenmäßig aufnehmen könne. Eine Überfüllung hätte die vorhandene Überfüllsicherung in Form des Grenzwertgebers durch Abschalten der fördernden Pumpe verhindert, wenn der Tank einen bestimmten kritischen Füllstand überschritten hätte. Die unterbliebene Peilung sei nicht schadensursächlich. Bei Gebrauch des Peilstabes hätte der Tankfahrer feststellen können, dass im Tank eine Füllhöhe von ca. 30 cm vorlag. Die bestellte Menge von 2.000 Litern hätte ohne weiteres in den insgesamt 7.000 Liter fassenden Tank eingefüllt werden können. Der Ölaustritt sei ausschließlich durch den Anlagenmangel erfolgt, weil die Tankinnenhülle zusammengefallen sei. Für diesen Anlagenmangel bestehe keine Verantwortung des Tankwagenfahrers. Angesichts des unterbliebenen Hinweises, dass der Tank über eine Innenhülle mit Vakuum-Leckanzeige verfüge, habe der Tankwagenfahrer keine Veranlassung zu weiteren Kontrollen gehabt. Die Antragstellerin könne nicht als Verhaltensstörerin angesehen werden. Eine ermessensfehlerhafte Störerauswahl liege daher vor. Die Antragstellerin könne ein Konzept weder besser noch schlechter erstellen, als der tatsächliche Handlungs- oder Zustandsstörer. Sie müsse in gleicher Weise Dritte als Fachleute damit beauftragen. Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 11. Januar 2022 wird ergänzend verwiesen.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die jeweiligen Verursachungsbeiträge sowohl der Betreiber der schadhaften Anlage als auch des Tankwagenfahrers seien ordnungsgemäß und umfassend ermittelt und bewertet worden. Die Mängel an der Tankanlage hätten sicherlich zu einem Teil zu einem Schadensereignis beigetragen, jedoch habe es der Tankwagenfahrer unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1 AwSV versäumt, sich vor der Befüllung der Anlage vom ordnungsgemäßen Zustand der dafür erforderlichen Sicherheitseinrichtungen zu überzeugen. Er habe somit mindestens einen ebenso erheblichen, wenn nicht sogar den ausschlaggebenden Verursacherbeitrag geleistet. Bei der Störerauswahl habe die Antragsgegnerin richtigerweise auf die effektive Gefahrenabwehr abgestellt. Angesichts der Gefahr für das Grundwasser sei schnelles Handeln erforderlich. Die Heranziehung eines oder mehrerer Grundstückseigentümer hätte zunächst die Ermittlung derer Leistungsfähigkeit erfordert, was einer schnellen Beseitigung des Schadens zuwidergelaufen wäre. Die Antragstellerin könne ihrerseits aus § 24 Abs. 2 BBodSchG einen Ausgleichsanspruch gegenüber den Betreibern geltend machen.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2022 wurden die Eigentümer des Grundstücks zum Verfahren beigeladen. Eine Äußerung erfolgte bis zur Beschlussfassung nicht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Au 9 K 22.62) hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 11. Januar 2022 erhobenen Klage (Au 9 K 22.62) hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Nrn. 1 bis 4 des Bescheids vom 13. Dezember 2021 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohungen in den Nrn. 6 bis 8 des mit der Klage angegriffenen Bescheids.
2. Der Antrag ist auch begründet.
a) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft dabei im Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 10 CS 14.2244 – juris).
b) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids ist formell rechtmäßig.
(1) Formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung der Behörde ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht zum einen darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst macht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts notwendig erscheinen lassen, und zum anderen darin, dem Gericht die Überprüfung der Argumente der Behörde zu ermöglichen. Dementsprechend muss aus der Begründung nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Einzelfall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen einräumt. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Auf die inhaltliche Richtigkeit der von der Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebenen Begründung kommt es hingegen nicht an (vgl. VGH BW, B.v. 2.12.2005 – 10 S 644/05 – juris).
(2) Diesen Anforderungen genügt die von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 13. Dezember 2021 gegebene Begründung. Die Antragsgegnerin führt aus, dass die Interessen der Antragstellerin vor dem Hintergrund der festgestellten Verunreinigungen des Bodens, der sich hieraus möglicherweise ergebenden Gefahren für das Grundwasser und Gesundheit der Bevölkerung sowie der zu erwartenden Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausnahmsweise zurücktreten müssen. Etwaige Gesundheitsgefahren könnten nur dadurch ausgeschlossen werden, dass das Gefährdungspotential unverzüglich ermittelt und gegebenenfalls unterbunden wird. Diese Begründung stellt auf den vorliegenden Einzelfall ab und lässt erkennen, was die Antragsgegnerin zum Erlass der Anordnung bewogen hat und dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der Anordnung des Sofortvollzugs bewusst war. Damit werden die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfüllt. Ob die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe den angeordneten Sofortvollzug inhaltlich tragen, ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern im Rahmen der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung des Verwaltungsaktes und damit beim Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses zu würdigen.
c) Bei summarischer Prüfung erweist sich der Bescheid vom 13. Dezember 2021 jedoch materiell als rechtswidrig und kann das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme nicht begründen. Die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Heranziehung der Antragstellerin zur Erstellung eines bodenschutzrechtlichen Untersuchungskonzepts auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 2 Satz 1 und 4, Abs. 3 BBodSchG genügt nicht den Anforderungen an eine ermessensfehlerfreie Störerauswahl.
aa) Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids getroffenen Anordnungen ist § 9 Abs. 2 BBodSchG. Danach kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in §§ 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast besteht. Weiterhin kann verlangt werden, dass die Untersuchungen von Sachverständigen nach § 18 BBodSchG durchgeführt werden. Hierauf wurde in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids hingewiesen.
bb) Die Antragsgegnerin geht zurecht davon aus, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG besteht. Schädliche Bodenveränderungen sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen und die Allgemeinheit herbeizuführen (§ 2 Abs. 3 BBodSchG). In Anwendung dieser Vorschriften liegt im vorliegenden Fall aufgrund der Tatsache, dass nach Aussagen des Gutachters mindestens ca. 19 Liter, maximal bis zu 30 Liter Heizöl in den Boden versickert sind, ein hinreichender Verdacht im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG vor.
cc) Die Antragstellerin ist jedoch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht als Verursacherin im Sinn von § 4 Abs. 3 BBodSchG anzusehen. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin nach § 9 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG zur Erstellung der geforderten Untersuchungsanordnung heranzuziehen ist daher nach summarischer Überprüfung rechtswidrig. Die Antragstellerin ist nicht der richtige Adressat der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung. Weder sie noch der für sie handelnde Tankwagenfahrer haben einen ordnungsrechtlich hinreichend relevanten Verursachungsbeitrag für die Bodenverunreinigung geleistet.
(1) Verursacher im Sinn von § 4 Abs. 3 BBodSchG ist jede natürliche oder juristische Person, die an einer Bodenkontamination zumindest als Teilverantwortlicher mitgewirkt hat. Die Mitwirkung kann gleichermaßen in einem Handeln, Dulden oder Unterlassen bestehen. Allerdings reicht eine bloße Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne für eine Verhaltenshaftung nicht aus. Vielmehr bedarf es insbesondere bei mehreren möglichen Verursachern und unterschiedlichen Verursachungsbeiträgen einer wertenden Zurechnung der vorgefundenen Kontamination. So ist derjenige Handlungsstörer, der bei wertender Betrachtung und unter Einbeziehung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls durch seinen Beitrag die Gefahrenschwelle überschritten und dadurch die unmittelbare Ursache für den Eintritt der mit der Bodenverunreinigung verbundenen Gefahr gesetzt hat. Dabei kommt es entscheidend auf das Vorliegen eines hinreichend engen Wirkungs- und Ursachenzusammenhangs zwischen dem Überschreiten der Gefahrengrenze und dem Verhalten der Person an, der es gerechtfertigt erscheinen lässt, die Pflichtigkeit dieser Person zu bejahen (vgl. BVerwG, B.v. 28.2.2008 – 7 B 12.08 – NVWZ 2008, 684; OVG NW, U.v. 20.5.2015 – 16 A 1686/09 – juris).
Eine Inanspruchnahme als Verursacher setzt zunächst den Nachweis voraus, dass der pflichtige Handlungsstörer überhaupt einen Verursachungsbeitrag gesetzt hat. Die Heranziehung als (Mit-) Verursacher einer Bodenverunreinigung kommt nur dann in Betracht, wenn die (Mit-) Verantwortlichkeit objektiv feststeht. Eine Verursacherhaftung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG lässt sich nicht auf bloße Vermutungen zur etwaigen Kausalverläufen stützen. Auch ist zu beachten, dass § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG keine konturenlose Gefährdungshaftung für jegliche Folgen gewerblicher Tätigkeit wegen objektiv gefahrenträchtigen Verhaltens begründet. Würde allein auf eine Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn abgestellt, hätte dies zur Folge, dass Unternehmen, die – wie vorliegend – mit wassergefährdenden Stoffen handeln, stets als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden könnten, weil diese allein schon durch ihre gewerbliche Tätigkeit die Ursache für die Gefährdung setzen.
Allerdings hat der Gesetzgeber die Haftung des Verursachers einer Bodenverunreinigung gleichrangig neben diejenige des Grundstückeigentümers und des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft gestellt (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG). Die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung einer Verunreinigung sind nicht so hoch anzusetzen, dass im praktischen Ergebnis bei für das Altlastenrecht typischen Fallkonstellationen die Zustandshaftung des Grundstückseigentümers und Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft den Regelfall, die Inanspruchnahme des Verursachers dagegen die Ausnahme bildet (VGH BW, B.v. 11.8.2015 – 10 S 1131/15 – juris). Zur Abgrenzung der unterschiedlichen Verursachungsbeiträge ist als Bewertungskriterien auf die Rechtswidrigkeit der Verursachungshandlung und auf die Zuordnung von Risikosphären abzustellen. Eine Handlung überschreitet dann die ordnungsrechtlich relevante Gefahrengrenze, wenn sie nicht mehr denjenigen Anforderungen entspricht, die die Rechtsordnung im Interesse eines störungsfreien Gemeinschaftslebens verlangt. Umgekehrt kann derjenige nicht Störer sein, der sich den Forderungen der Rechtsordnung entsprechend verhält. Dabei kommt es im Recht der Gefahrenabwehr auf ein Verschulden der handelnden Personen nicht an. Vielmehr gilt es, die Verantwortungsbereiche objektiv zuzurechnen (OVG RhPf, U.v. 26.11.2008 – 8 A 10933/08 – NVWZ-RR 2009, 280).
(2) Unter Berücksichtigung der genannten Kriterien und Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls stellt sich der Tankvorgang durch den Tankwagenfahrer der Antragstellerin in seiner konkreten Ausprägung nicht als ein Verhalten dar, das bei wertender Betrachtung ein Überschreiten der ordnungsrechtlich relevanten Gefahrengrenze darstellt. Diese Einschätzung gilt auch im Hinblick auf den Vorwurf, dass es der Tankwagenfahrer unterlassen hatte, mittels Peilstab die Füllhöhe des Tanks zu überprüfen.
Der zur Bewertung des Heizölschadens herangezogene Sachverständige, Mitglied der Sachverständigenorganisation nach der AwSV, kommt in seinem Bericht vom 3. Dezember 2021 zu dem Ergebnis, dass der Tankwagenfahrer der Antragstellerin zwar nach TRwS 791-1, Anhang C Abs. C.2 (b) verpflichtet gewesen wäre, vor dem Starten des Tankvorgangs den Füllstand und das maximal zulässigen Abgabevolumen anhand der vorhandenen Einrichtungen zur Feststellung des Füllstands zu ermitteln. Aufgrund des verklemmten Peilstabs habe dieser jedoch keine Leerraumermittlung durchführen können. Allerdings hätte eine ordnungsgemäß durchgeführte Leerraumermittlung den Unfall nicht verhindert. Die Pflichtverletzung des Tankwagenfahrers sei somit nicht relevant für die Unfallentstehung. Dieser beruhe vielmehr auf den erheblichen, im einzelnen beschriebenen Mängeln der Anlage. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen im Schadensbericht hätte eine ordnungsgemäße durchgeführte Leerraumermittlung den Unfall nicht verhindert, da damit nur das Risiko einer Überfüllung verhindert worden wäre. Dieses Risiko hat sich jedoch im konkreten Schadensereignis nicht verwirklicht. Der Ölschaden beruhte darauf, dass sich die Innenhülle des Tanks durch den fehlenden Unterdruck im Tank von der Tankwandung gelöst hat, so dass das für die Heizölbefüllung zur Verfügung stehende Volumen stark reduziert wurde und stattdessen Luftkissen zwischen Hülle und Tankwandung entstanden sind. Bei der Befüllung durch das Heizöl hat sich dann der Druck entsprechend erhöht, sodass das Heizöl in die Lüftungsleitung und die angeschlossene Rücklaufleitung drückte und zum Grenzwertgeber aufstieg, der den Abbruch der Befüllung auslöste. Erst durch den im Tank infolge der eingesunkenen Innenraumhülle entstandenen Druck trat das Öl über die undichten Leitungen aus. Ursache für den Ölunfall war somit der mangelhafte Zustand der Tankanlage. Demgegenüber fällt das dem Tankwagenfahrer angelastete Verhalten, das Unterlassen der Füllhöhenüberprüfung mittels Peilstab, nicht ins Gewicht. Selbst wenn der Tankwagenfahrer die Peilung vorgenommen hätte, hätte er nicht erkennen können, dass das Vakuum des Tanks schadhaft und die Innenraumhülle eingefallen war. Angesichts der angegebenen Restfüllmenge von 500 Litern, eines Tankvolumens von 7.000 Litern und einer Bestellmenge von 2.000 Litern gab es im Übrigen keine Veranlassung, an der ausreichenden Kapazität des Tanks zu zweifeln. Das Starten des Tankvorgangs stellte sich angesichts der konkreten Umstände daher nicht als ein riskantes Verhalten dar, das nach wertender Betrachtung ein Überschreiten der Gefahrengrenze für das spätere Schadenereignis zur Folge hat. Der Einwand, der Tankwagenfahrer hätte angesichts des nichtfunktionstüchtigen Peilstabs den Tankvorgang nicht starten dürfen, so dass es – mangels Ölbefüllung – zu keinem Ölschaden gekommen wäre, führt zu keiner anderen Beurteilung. Hierdurch würde die Kausalitätskette entgegen dem Grundsatz der Zurechnung der Risikosphären unzulässig ausgedehnt.
Dem Tankwagenfahrer kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er die defekte Vakuum-Leckanzeige im Kellerraum nicht erkannt bzw. nicht kontrolliert hat. Trotz grundsätzlicher Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen dem Zustand der Anlage und dem Befüllvorgang ist eine Verantwortung des Öllieferanten dann anzunehmen, wenn Sicherheitsmängel des Öltanks offen zu Tage liegen. So bestimmt auch § 20 Abs. 1 AwSV, dass derjenige, der eine Anlage befüllt oder entleert, diesen Vorgang zu überwachen und sich vor Beginn der Arbeiten von dem ordnungsgemäßen Zustand der dafür erforderlichen Sicherheitseinrichtungen zu überzeugen hat. Evidente Mängel der Anlagensicherung müssen vom Ölanlieferer erkannt und zum Anlass genommen werden, das Befüllen zwecks Risikominimierung zu unterlassen. Ausweislich der Feststellungen im vorliegenden Bericht, der der Antragsgegnerin vor Bescheidserlass zur Verfügung stand, waren die Sicherheitsmängel des Tanks für den Heizöllieferer jedoch nicht erkennbar, sodass der Tankwagenfahrer durch sein Verhalten die Gefahrengrenze nicht überschritten hat. Nach der Aussage des fachkundigen Gutachters stellt ein Leck-Anzeigegerät keine für die Befüllung des Tanks erforderliche Sicherheitseinrichtung dar. Darüber hinaus hat der Tankwagenfahrer nicht erkennen können, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Tank um einen einwandigen Tank mit Vakuum-Innenraumhülle handelt, da das erforderliche Hinweisschild, das auf die Ausrüstung des Tanks hinweist, fehlte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Heizöllieferungen um ein Massengeschäft handelt und der jeweilige Tankwagenfahrer in der Regel nicht mit den örtlichen Verhältnissen vertraut ist. Diesem Umstand trägt die Pflicht zur Anbringung eines entsprechenden Hinweisschilds Rechnung. Es ist Sache des Betreibers, den Heizöllieferanten auf die Besonderheiten der Anlage hinzuweisen. Fehlt ein solcher Hinweis, so kann dem Lieferanten eine unterbliebene Kontrolle etwaiger Sicherheitsvorkehrungen nicht angelastet werden.
Im Zuge der wertenden Betrachtung des Schadensfalls und der Zurechnung der einzelnen Risikosphären ist für den Ölschaden daher nicht das Verhalten des Tankwagenfahrers, sondern die mit erheblichen Mängeln behaftete Anlage, und somit der Anlagenbetreiber, verantwortlich. Die mangelhafte Tankanlage stellte eine latente Gefahr dar, die sich zwar durch den Befüllvorgang real verwirklicht hat, die aber nicht dem Verantwortungsbereich des Heizöllieferers zugerechnet werden kann.
Da die Antragstellerin nicht als Verursacherin im Sinn von § 4 Abs. 3 BBodSchG angesehen werden kann, ist die ihr gegenüber ergangene Anordnung nicht rechtmäßig. Daher ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Nrn. 1 bis 4 des angegriffenen Bescheids wiederherzustellen. Hierdurch ist auch den Zwangsgeldandrohungen in Nrn. 6 bis 8 des Bescheids die rechtliche Grundlage entzogen. Hinsichtlich dieser Maßnahmen ist die aufschiebende Wirkung der Klage daher nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO anzuordnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladenen im Verfahren keinen Antrag gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlich entstandenen Aufwendungen selbst zu tragen haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf dem § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage BayVBl Januar 2014). Der in der Hauptsache gebotene Streitwert von 5.000,00 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG) war im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren.


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