Baurecht

Wirksamkeit eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts – Abgrenzung von Kauf und Tausch

Aktenzeichen  W 4 K 15.1041

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG BNatSchG § 66
BayNatSchG BayNatSchG Art. 39
BGB BGB § 311b Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ob ein Kaufvertrag oder ein Tauschvertrag anzunehmen ist, richtet sich, wenn sich die Leistung einer Seite aus Geld- und Sachleistungen zusammensetzt, während die andere Seite nur eine Sachleistung erbringt, danach, welche Leistung sich nach den Interessen und Zwecken der Parteien als die Hauptleistung darstellt, wobei das quantitative Verhältnis zwischen Geld- und Sachleistung allein ebenfalls nicht ausschlaggebend ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand oder in der Hand von Naturschutzverbänden die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen (Parallelentscheidung zu VG Würzburg BeckRS 2016, 114833). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
* * *

Gründe

Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist der Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 14. September 2015, mit dem das Landratsamt ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht ausgeübt hat.
Die zulässige Klage ist unbegründet, der Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 14. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sind § 66 BNatSchG und Art. 39 BayNatSchG. Nach der letztgenannten Vorschrift steht dem Freistaat Bayern sowie den Bezirken, Landkreisen, Gemeinden und kommunalen Zweckverbänden ein Vorkaufsrecht zu beim Verkauf von Grundstücken, (1) auf denen sich oberirdische Gewässer einschließlich von Verlandungsflächen, ausgenommen Be- und Entwässerungsgräben befinden oder die daran angrenzen, (2) die ganz oder teilweise in Naturschutzgebieten, Nationalparken, als solchen einstweilig sichergestellten Gebieten oder in geplanten Naturschutzgebieten ab Eintritt der Veränderungsverbote nach Art. 48 Abs. 3 BayNatSchG liegen, (3) auf denen sich Naturdenkmäler, geschützte Landschaftsbestandteile oder als solche einstweilig sichergestellte Schutzgegenstände befinden. Dies gilt auch bei Vertragsgestaltungen, die in ihrer Gesamtheit einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG).
Wie sich somit aus dem Wortlaut des Art. 39 Abs. 1 BayNatSchG ergibt, setzt die Ausübung des Vorkaufsrechts voraus, dass ein wirksamer Kaufvertrag über ein Grundstück vorliegt, das bestimmte in Art. 39 Abs. 1 BayNatSchG erschöpfend aufgezählte Eigenschaften aufweist, die es für Zwecke des Naturschutzes besonders geeignet erscheinen lassen, und dass die Ausübung dieses Rechts nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG gerechtfertigt ist. Alle diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Ebenso hat das Landratsamt Bad Kissingen vom Vorkaufsrecht ohne Verfahrensfehler Gebrauch gemacht.
Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass das Landratsamt Bad Kissingen das Vorkaufsrecht rechtzeitig i.S.d. Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG ausgeübt hat. Auch die Kammer hat im Hinblick darauf keine Bedenken.
Entgegen den in den notariellen Beurkundungen vom 13. Juli 2015 und 6. Oktober 2015 gewählten Bezeichnungen handelt es sich auch bei den zwischen dem Kläger, seinem Sohn und Herrn M* … F* … geschlossenen Vertrag um einen Kauf- und nicht um einen Tauschvertrag.
Ob ein Kaufvertrag oder aber ein Tauschvertrag anzunehmen ist, richtet sich nicht nach den von den Vertragsparteien verwendeten Bezeichnungen. Vielmehr kommt es, wenn sich – wie hier – die Leistung einer Seite aus Geld- und Sachleistungen zusammensetzt, während die andere Seite nur eine Sachleistung erbringt, darauf an, welche Leistung sich nach den Interessen und Zwecken der Parteien als die Hauptleistung darstellt, wobei das quantitative Verhältnis zwischen Geld- und Sachleistung allein ebenfalls nicht ausschlaggebend ist (vgl. BayVGH v. 26.9.1995, BayVBl 96, 210, 211). Ist danach als Hauptleistung eine vom Vorkaufsberechtigten erbringbare Leistung vereinbart, sind auch die Vorschriften über das Vorkaufsrecht anwendbar (BayVGH, a.a.O.).
Vorliegend schlossen der Kläger und Herr M* … F* … am 13. Juni 2015 einen Vertrag, der u.a. zum Inhalt hatte, dass der Kläger Herrn M* … F* … das Grundstück mit der Fl.Nr. …47, Gemarkung S* …, Markt B** …, welches eine Größe von 10.799 m² hat, übereignen sollte. Die Parteien gingen dabei davon aus, dass das Grundstück 11.878,90 EUR wert sei. Im Gegenzug dazu sollte Herr F* … dem Kläger Miteigentum verschaffen an der Landwirtschaftsfläche Fl.Nr. …60 mit 1.579 m², Gemarkung S* …, Gemeinde B** … Dieses Grundstück wurde mit 0,60 EUR pro m² bewertet. Deshalb verpflichtete sich Herr F* …, an den Kläger noch einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 11.399,80 EUR zu zahlen.
Allein schon unter Berücksichtigung der Wertigkeit der Grundstücke und des Umstands, dass der Kläger lediglich einen Miteigentumsanteil erhalten sollte, bestehen für die Kammer keine Zweifel daran, dass die Geldleistung im Verhältnis zu den anderen Leistungen die Hauptleistung des vor dem Notar Dr. H* … am 13. Juli 2015 geschlossenen Vertrages darstellt. Die zusätzlich vereinbarte, nicht in Geld bestehende Leistung diente offensichtlich keinem anderen Zweck, als das Geschäft aus dem Bereich des „Vorkaufsfalls“ herauszunehmen und das Vorkaufsrecht mithin auszuschließen.
Auch die Vorgeschichte macht, worauf die Beklagtenseite zutreffend hinweist, deutlich, dass es dem Kläger offensichtlich nur um den Verkauf des Grundstücks ging und nicht um den Erwerb des Miteigentums am Grundstück Fl.Nr. …60, Gemarkung S* …, Gemeinde B** … Denn das Grundstück mit der Fl.Nr. …47 der Gemarkung S* …, Markt B** …, wurde seitens des Klägers, was von ihm auch nicht bestritten wird, zunächst dem Landratsamt Bad Kissingen zum Kauf angeboten. Mit keinem Wort hat der Kläger dort erklärt, dass er sich auch einen Tausch vorstellen könne.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, sein Ziel sei es gewesen, seinen Wiesenbestand zu verkleinern und seinen Waldbestand zur Eigenversorgung mit Holz zu vergrößern. Deshalb habe er das Grundstück mit der Fl.Nr. …47, Gemarkung S* …, Markt B** …, getauscht, um Miteigentum an dem Grundstück Fl.Nr. …60 zu erlangen. Dem widerspricht schon die oben genannte Vorgeschichte, in der bisher keine Rede von einer Vergrößerung des Waldbestandes war. Diese Argumentation verwundert aber auch angesichts des Umstands, dass im notariellen Vertrag vom 13. Juli 2015 das Grundstück mit der Fl.Nr. …60 als Landwirtschaftsfläche bezeichnet wird. Im Widerspruch hierzu steht die Stellungnahme des Notars Dr. H* … vom 18. September 2015, wonach sich auf dem Grundstück ein junger Baumbestand befinden solle. An anderer Stelle allerdings wird seitens des Notars erklärt, dass der Kläger gedenke, das im Miteigentum erworbene Grundstück zunächst aufzuforsten, was voraussetzt, dass derzeit überhaupt noch kein Baumbestand auf dem Grundstück vorhanden ist.
Jedenfalls zeigen diese Widersprüche offensichtlich, dass es dem Kläger und seinem Sohn in keinster Weise darum ging, ihren Waldbestand zu vergrößern und ihren Wiesenbestand zu verkleinern. Das Grundstück mit der Fl.Nr. …60 wurde vielmehr nur deshalb in den Vertrag vom 13. Juli 2015 mit aufgenommen, um, wie bereits erwähnt, das Geschäft aus dem Bereich des Vorkaufsfalls herauszunehmen.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags des Klägervertreters, der Vertrag vom 13. Juli 2015 sei formunwirksam gewesen. Tatsächlich sei der Tauschvertrag erst am 6. Oktober 2015 durch den Nachtragsvertrag wirksam zustande gekommen.
Dem Klägervertreter ist zwar zuzugestehen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts einen rechtswirksamen Kaufvertrag voraussetzt. Das bedeutet, dass insbesondere auch das Beurkundungserfordernis gemäß § 311b Abs. 1 BGB erfüllt sein muss. Es erstreckt sich nicht nur auf die Veräußerungs- und Erwerbsverpflichtung, sondern auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, Naturschutzrecht in Bayern, Stand April 2016, Bd. Ia, Art. 39 Rn. 13).
Vorliegend kann die Kammer allerdings einen solchen Verstoß gegen das Beurkundungserfordernis im Rahmen des am 13. Juli 2015 geschlossenen Vertrages nicht erkennen. Daran ändert auch die Nachtragsvereinbarung vom 6. Oktober 2015 nichts. Den Vertragspartnern steht es zweifellos grundsätzlich frei, Zusätze und Änderungen an geschlossenen Verträgen zu vereinbaren. Der Vorkaufsverpflichtete ist auch nicht gehalten, dem Vorkaufsberechtigten die Ausübung seines Vorkaufsrechts zu ermöglichen. Dies kann allerdings nur so lange gelten, so lange der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht noch nicht ausgeübt hat, denn mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigten tritt eine endgültige Bindung der Verpflichteten ein (vgl. Jauernig, BGB, 13. Aufl., § 464 Rn. 18).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt daher im vorliegenden Fall Folgendes: Der Beklagte hat mit Bescheid vom 14. September 2015 gegenüber dem Kläger wie auch gegenüber dem Vertragspartner, Herrn M* … F* …, das Vorkaufsrecht ausgeübt. Der Bescheid wurde mit Postzustellungsurkunde dem Kläger am 15. September 2015 bekanntgegeben. Damit trat ab diesem Zeitpunkt eine endgültige Bindung der Vorkaufsverpflichteten ein, die zur Folge hat, dass anschließende Änderungen und Zusätze, hier also auch der Nachtragsvertrag vom 6. Oktober 2015, nicht mehr die Wirksamkeit des Vorkaufsrechts in Frage stellen können.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist auch gerechtfertigt.
Nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn dies gegenwärtig oder zukünftig die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigen. Dazu reicht es aus, dass der Erwerb des Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf diese Belange hat (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, a.a.O., Art. 39 Rn. 18). Da das Vorkaufsrecht keine Enteignung darstellt, brauchte der Gesetzgeber seine Ausübung auch nicht davon abhängig zu machen, dass der verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Das Vorkaufsrecht ist also nicht wie die Enteignung das letzte Mittel, es genügt die einfache Rechtfertigung durch die genannten öffentlichen Belange.
Die Kammer hat vorliegend keinerlei Zweifel an der Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist sie auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat die im streitgegenständlichen Bescheid genannten Gründe für die Rechtfertigung auch nicht substantiiert in Frage gestellt. Wenn er in seinem Schriftsatz vom 24. März 2016 die ökologische Verbesserung anzweifelt, verkennt er, dass es eine allgemeine Erfahrungstatsache ist, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand oder in der Hand von Naturschutzverbänden die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, zumal deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können.
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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