Baurecht

Wohnnutzung im Kerngebiet

Aktenzeichen  9 ZB 21.2061

Datum:
10.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36701
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2
BauNVO § 7 Abs. 2 Nr. 7, § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Bauvorhaben würde nur dann der Eigenart des Kerngebiets widersprechen, wenn Letzteres durch die Zulassung des Vorhabens eine deutliche Prägung in Richtung auf den Verlust der Eigenart des Gebietes erhielte. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Rücksichtnahmegebot (im Hinblick auf die geplante Wohnnutzung) ist nicht verletzt, wenn sich in den Obergeschossen benachbarter Gebäude des maßgebenden Gevierts zahlreiche Büronutzungen befinden, gegenüber denen ebenfalls die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein Kerngebiet einzuhalten sind. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 19.1105 2021-05-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen den von der Beklagten zugunsten der Beigeladenen erteilten Vorbescheid vom 3. Mai 2019 betreffend den Umbau und die Aufstockung eines Postamtes auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung N., das westlich an mehrere von der Klägerin gewerblich genutzte Nachbargrundstücke angrenzt. Sämtliche Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 4286 der Beklagten, der hier ein Kerngebiet festsetzt und die Festsetzung enthält, dass in allen Kerngebieten „Wohnungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO oberhalb des 1. Obergeschosses (ab 2. Obergeschoss) zulässig“ sind.
In Nr. 1 des Bescheids vom 3. Mai 2019 wurde von der Beklagten die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach Maßgabe der Bauvorlagen, die u.a. eine sonstige Wohnnutzung mit 17 Wohnungen ab dem 2. Obergeschoss vorsehen, festgestellt. Die Klage der Klägerin hiergegen wurde vom Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 20. Mai 2021 abgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass Wohnungen nach den Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig seien und die allgemeine Zweckbestimmung des Kerngebiets gewahrt bleibe. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht erkennbar. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen allein geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Klägerin ist der Ansicht, die Zulassung von Wohnnutzung in dem beantragten und genehmigten Umfang und der konkreten Lage vertrage sich nicht mit der Eigenart eines Kerngebiets und führe zu dessen Umkippen. Daraus ergeben sich solche Zweifel hier allerdings nicht.
Das Verwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung der beim gerichtlichen Augenschein gewonnenen Erkenntnisse und festgestellten Nutzungen ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich seien, wonach die Zulassung des Bauvorhabens zu einem Umkippen des Gebietscharakters führen würde. Dies ergebe sich insbesondere im Hinblick darauf, dass im maßgeblichen Geviert bislang, soweit ersichtlich, nur eine – nicht genehmigte – Wohnnutzung vorhanden sei. Dem tritt das Zulassungsvorbringen mit der (bloßen) Wiederholung der gegenteiligen Auffassung der Klägerin nicht substantiiert entgegen. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Umfang der im Geviert vorhandenen Nutzungen sowie dessen beim Augenschein gewonnene Erkenntnisse werden durch das Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt.
Soweit die Klägerin eine Unzulässigkeit der Wohnnutzungen ab dem 2. Obergeschoss gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Hinblick auf deren Lage geltend macht, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Das Bauvorhaben würde nach seiner Lage nur dann der Eigenart des Kerngebiets widersprechen, wenn Letzteres durch die Zulassung des Vorhabens eine deutliche Prägung in Richtung auf den Verlust der Eigenart des Gebiets erhielte (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.1986 – 4 C 31.83 – juris Rn. 15; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 15 BauNVO Rn. 16; Henkel in Spannowsky/Hornmann/Kämper, Beckscher-Onlinekommentar BauNVO, Stand 15.10.2021, § 15 Rn. 22). Das Verwaltungsgericht hat zudem im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots ausgeführt, dass sich andere Anlagen als die der Klägerin näher am Vorhabengrundstück und sich in den Obergeschossen der Gebäude des maßgebenen Gevierts zahlreiche Büronutzungen befinden, gegenüber denen ebenfalls die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein Kerngebiet einzuhalten seien. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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