Baurecht

Zulässigkeit einer Einfriedung

Aktenzeichen  M 11 K 17.1181

Datum:
15.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6623
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 14 Abs. 1 S. 1
BauGB § 29 Abs. 1, § 34 Abs. 1 S. 1, S. 2
BayBO Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 2, Art. 57 Abs. 1 Nr. 7

 

Leitsatz

Eine Einfriedung stellt in der Regel eine untergeordnete Nebenanlage dar, wenn sie eine Höhe von 2,00 m nicht übersteigt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts … vom 22.02.2017, Az.: …, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2017 ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1. Die zulässige Klage ist begründet, da der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die Rückbauanordnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtswidrig, da die Mauer in diesem Bereich nicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. Art. 76 Satz 1 BayBO errichtet worden ist.
Ob es für die Errichtung der streitgegenständlichen Einfriedungsmauer, die nicht in den genehmigten Bauvorlagen hinsichtlich des Wohnhauses der Kläger enthalten war, einer Baugenehmigung bedurft hätte, kann letztlich dahinstehen, da eine Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO niemals allein auf die formelle Illegalität, sprich das Fehlen einer erforderlichen Baugenehmigung, gestützt werden kann. Vielmehr ist immer erforderlich, dass das Vorhaben ebenfalls materiell baurechtswidrig ist.
Dies ist vorliegend allerdings jedenfalls insoweit nicht der Fall, als die Mauer in diesem Bereich eine Höhe von 2,00 m nicht übersteigt.
Da die Gemeinde … weder eine Einfriedungssatzung erlassen hat noch das streitgegenständliche Grundstück in einem Bereich liegt, für den ein Bebauungsplan erlassen worden ist, kommt vorliegend allein ein bauplanungsrechtlicher Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB in Betracht.
Ein derartiger Verstoß liegt allerdings nicht vor, da sich die Einfriedungsmauer gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und auch das Ortsbild gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht beeinträchtigt ist.
Diese Vorschrift ist anzuwenden, weil es sich bei der Errichtung der Einfriedung um ein Vorhaben im Sinn von § 29 Abs. 1 BauGB handelt. Nach dieser Vorschrift finden die §§ 30 bis 37 BauGB auf Vorhaben Anwendung, welche die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Gegenstand haben. Die Einfriedung ist eine bauliche Anlage in diesem Sinn, weil sie städtebauliche Belange berührt. Vor allem wirkt sie sich auf die Gestaltung des Ortsbildes aus (§ 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB). Weitere Anforderungen stellt § 29 Abs. 1 BauGB nicht.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig, wenn es sich hinsichtlich Art und Maß sowie Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ein Vorhaben fügt sich im Allgemeinen ein, wenn es sich innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben ist ausnahmsweise zulässig, wenn es keine städtebauliche Spannungen hervorruft (vgl. BVerwG vom 26.5.1978 E 55, 369/386 f.).
Bei Einfriedungen handelt es sich grundsätzlich um der Hauptanlage (hier: Wohngebäude) dienende Nebenanlagen. Nebenanlagen sind zulässig, sofern sie untergeordnet sind, sie dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder dem Baugebiet selbst dienen und der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen.
Ob sich dies im vorliegenden Fall unter Zugrundelegung von § 14 BauNVO – sei es über § 34 Abs. 2 BauGB oder über eine Heranziehung der BauNVO als „sachverständige Richtlinie“ (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung, 7. Auflage 2013, § 34 BauGB, Rn. 78) – oder letztlich als Ausdruck eines allgemeinen, ebenfalls im Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens ergibt, kann offen bleiben. Da
§ 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO global die in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen in Bezug nimmt und daher sämtlich von der Baunutzungsverordnung geregelten Gebiets- und Anlagentypen einschließlich Sondergebiete nach den §§ 10 und 11 BauNVO umfasst, spricht vieles dafür, dass es sich bei der Zulässigkeit von untergeordneten, der (zulässigen) Hauptnutzung dienenden und der Eigenart des Gebiets nicht widersprechenden Nebenanlagen um einen allgemeinen Rechtssatz handelt, der auch im Bereich nach § 34 Abs. 1 BauGB gilt. Da über eine direkte oder jedenfalls sinngemäße Anwendung allerdings das gleiche Ergebnis erzielt würde, braucht diese Frage vorliegend letztlich nicht entschieden zu werden.
Für den vorliegenden Fall folgt hieraus, dass sich die streitgegenständliche Einfriedung der Art nach i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt, da sich aus dem Gesamteindruck ergibt, dass es sich um eine den in § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO genannten Kriterien entsprechende Nebenanlage handelt, diese also insbesondere untergeordnet ist.
Für die Frage, ob eine Einfriedung noch untergeordnet ist und damit eine der zulässigen Hauptnutzung untergeordnete Nebenanlage darstellt, ist auf einen Gesamteindruck abzustellen.
Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, U. v. 28.04.2004 – 4 C 12/03) führt zum Fall eines Streits über die Zulässigkeit einer Schwimmhalle als Nebenanlage zur Wohnnutzung aus:
„Das Oberverwaltungsgericht meint allerdings, trotz der Unvereinbarkeit der Schwimmhalle mit den in § 14 BauNVO normierten Anforderungen werde keine Vorschrift verletzt, die zugleich dem Nachbarschutz diene. Denn vorliegend sei das Vorhaben lediglich wegen seiner zu großen Dimensionierung unzulässig, während es unter dem funktionalen Gesichtspunkt einer dienenden Unterordnung unter den Nutzungszweck der Hauptanlage als Wohngebäude unbedenklich sei. Fragen der Dimensionierung seien demgegenüber dem Regelungsbereich des Maßes der baulichen Nutzung zuzuordnen; die das Maß der baulichen Nutzung betreffenden Vorschriften seien jedoch in aller Regel nicht nachbarschützend. Dieser Einschränkung ist nicht zu folgen. Die Vorschrift des § 14 BauNVO betrifft vielmehr, wie schon ihre Stellung im Ersten Abschnitt der Verordnung deutlich macht, allein die Art der zulässigen Nutzung.
Zwar beantwortet sich die Frage, ob ein Vorhaben i.S. von § 14 BauNVO untergeordnet ist, auch nach Kriterien, die man als quantitativ bezeichnen könnte. Aber bereits diese Umschreibung wird der Abgrenzung nur unzureichend gerecht, denn zur Beurteilung der räumlich-gegenständlichen Unterordnung können, wie das Oberverwaltungsgericht selbst bei seiner Würdigung der hier konkret betroffenen Schwimmhalle ausführt, nicht nur Maßzahlen wie die Grundfläche herangezogen werden; vielmehr kommt es auch auf den Gesamteindruck an, der an optischen und anderen Gesichtspunkten anknüpfen kann. Im Übrigen können auch Kriterien der Größenordnung für die Frage der Zulässigkeit einer baulichen Anlage nach ihrer Art maßgeblich sein. Daraus folgt, dass die Anforderungen des § 14 BauNVO, auch soweit sie quantitative Gesichtspunkte einbeziehen, ausschließlich die Nutzungsart betreffen. Dagegen regelt die Vorschrift weder das Maß der baulichen Nutzung noch den zulässigen Standort für Nebenanlagen. Diese Fragen sind vielmehr anhand der Regelungen in §§ 16 ff. und 22 ff. BauNVO zu beantworten, wobei sich aus § 19 Abs. 4, § 20 Abs. 4 und § 23 Abs. 5 BauNVO Besonderheiten zugunsten von Nebenanlagen ergeben.“
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die quantitativen Kriterien, bei einer Einfriedung folglich insbesondere ihre Höhe, für die Frage entscheidend sind, ob es sich hierbei noch um eine untergeordnete und damit der Art nach zulässige Nebenanlage handelt oder ob es sich aufgrund fehlender Unterordnung i.S.d. § 14 BauNVO um eine eigenständige Hauptanlage handelt.
Aufgrund des optischen Gesamteindrucks und der Maßkriterien, insbesondere der Höhe der Einfriedung, handelt es sich hier noch um eine untergeordnete Nebenanlage. Bei Einfriedungen kommt aufgrund ihres Zwecks und der davon ausgehenden Wirkungen insbesondere der Höhe regelmäßig eine entscheidende Bedeutung zu. Die Kammer geht davon aus, dass eine Einfriedung in der Regel untergeordnet in diesem Sinne ist, wenn sie eine Höhe von 2,00 m nicht übersteigt. Dies hat auch der Landesgesetzgeber bei seinen Entscheidungen in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 und Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO zugrunde gelegt, dass nämlich Mauern und Einfriedungen bis zu einer Höhe von 2,00 m zum einen verfahrensfrei errichtet werden können und sie zum anderen insbesondere auch in Wohngebieten abstandsflächenrechtlich außer Betracht bleiben. Auch sonst ist nicht ersichtlich, warum die – zugegebenermaßen massive, aber dennoch klar hinter die Wohnnutzung zurücktretende – Mauer, nicht untergeordnet sein sollte. Insbesondere ist die Frage, ob eine Einfriedung dieser Art, mithin dieses konkreten Ausführungstyps (z.B. Natursteine, Beton, Holzlatten, Maschendraht etc.) in der näheren Umgebung bereits vorhanden ist, keine Frage der Art der baulichen Nutzung und mithin kein Einfügenskriterium i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. OVG Magdeburg, B. v. 03.02.2015 – 2 M 152/14). Hierbei handelt es sich vielmehr allein um rein bauordnungsrechtlich relevante gestalterische Aspekte.
Weiterhin bestehen keine Zweifel daran, dass die Einfriedung der Hauptnutzung „Wohnen“ dient.
Schließlich widerspricht die streitgegenständliche Einfriedung auch nicht der Eigenart des Baugebiets. Inwieweit hierbei gestalterische Aspekte zu berücksichtigen sind bzw. ob ein Widerspruch zur Eigenart des Gebiets vorliegt, wenn sich die Einfriedung optisch von den Einfriedungen in der näheren Umgebung unterscheidet, braucht letztlich nicht entschieden zu werden. Es spricht zwar vieles dafür, dass gestalterische Aspekte bei dieser Frage vollständig außen vor zu bleiben haben, da es sich um eine bauplanungsrechtliche und keine bauordnungsrechtliche Regelung handelt und mit der Frage der Eigenart des Gebiets vielmehr planungsrechtliche Aspekte gemeint sind, die im jeweiligen Bebauungsplan Niederschlag gefunden haben (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 126. EL August 2017, § 14 BauNVO, Rn. 41 ff.). Abschließend braucht dies allerdings nicht geklärt werden, da selbst bei Berücksichtigung gestalterischer Aspekte die streitgegenständliche Einfriedung der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen würde. Nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck der Kammer sind massive und zum Teil auch gestalterisch weniger ansprechende Einfriedungen, auch wenn sie der streitgegenständlichen Einfriedung nicht vollständig gleichen, durchaus üblich (vgl. nur die Einfriedung auf dem unmittelbar westlich angrenzenden Grundstücks, Lichtbild, Bl. 106 der Behördenakte).
Schließlich ergeben sich auch hinsichtlich der sonstigen Kriterien des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB keine Bedenken. Insbesondere ist die straßenseitige Grundstücksgrenze gerade ein typischer Ort für eine Einfriedung, sodass die Mauer sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche einfügt. Ebenso wenig überschreitet die Einfriedung das zulässige Maß der baulichen Nutzung. Gemäß der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer ausdrücklich anschließt, kann für die Frage der Überschreitung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung – soweit dies ohnehin überhaupt im unbeplanten Innenbereich möglich ist – nur auf die §§ 16 ff. BauNVO abgestellt werden. Vorliegend ergeben sich weder bei Anwendung der §§ 16 ff. BauNVO noch bei bloßem Abstellen auf das nach außen wahrnehmbare Erscheinungsbild Zweifel daran, dass die Einfriedung das in der näheren Umgebung vorhandene Maß deutlich unterschreitet. Insbesondere darf hierbei nicht lediglich auf die in der näheren Umgebung vorhandenen Einfriedungen als maßstabsbildender Rahmen abgestellt werden, da dies eine unzulässigen Vermischung der rahmenbildenden Kriterien des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bedeuten würden (vgl. BVerwG, U. v. 08.10.2015 – 1 BV 14.1795 – juris Rn. 20). Vielmehr ist auf sämtliche maßstabsbildenden Anlagen, insbesondere auch Gebäude abzustellen. Folglich unterschreitet die streitgegenständliche Einfriedung den Rahmen der Umgebung deutlich.
Zuletzt liegt auch keine Beeinträchtigung des Ortsbilds i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB durch die streitgegenständliche Einfriedung vor.
Für die Frage, ob § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB verletzt ist, ist auf einen deutlich größeren Umkreis abzustellen als im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beim Tatbestandsmerkmal der „näheren Umgebung“. Wie weit dieser Umkreis im vorliegenden Fall zu ziehen ist, braucht letztlich nicht entschieden zu werden. Auch muss für die Frage der Ortsbildbeeinträchtigung kein Augenschein eingenommen werden. Dies folgt unabhängig von den vom Bevollmächtigten der Kläger vorgelegten Lichtbildern, die zum Teil keine Angabe des Aufnahmeorts enthalten und zum Teil bereits nach eigenem Vortrag in anderen Gemeinden aufgenommen wurden, bereits daraus, dass nach dem im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Eindrucks bereits in der näheren Umgebung zahlreiche ähnliche, zum Teil gestalterisch weniger ansprechende Einfriedungen vorhanden sind (s.o.). Wenn aber bereits die nähere Umgebung nicht verunstaltet wird, kann dies erst recht nicht für das Ortsbild als Ganzes gelten.
b) Die Rückbauanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtswidrig, da die Mauer in diesem Bereich nicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. Art. 76 Satz 1 BayBO errichtet worden ist.
Ob im Baugenehmigungsbescheid vom 22. Januar 2014 für die Errichtung des Wohnhauses der Kläger unter Nr. 2.6 in Verbindung mit dem Schreiben des staatlichen Bauamts … vom 17. Januar 2014 wirksam und vollziehbar die Auflage festgesetzt worden ist, dass Sichtfelder gemäß RASt-06 herzustellen und von Baulichkeiten, Anpflanzungen und Ablagerungen über 0,80 m Höhe freizuhalten sind, kann offenbleiben, da streitgegenständlich nicht die Vollziehung dieser Auflage aus dem Baugenehmigungsbescheid vom 22. Januar 2014 ist, sondern eine eigenständige bauordnungsrechtliche Anordnung mit diesem Regelungsgehalt.
Zwar ist bauaufsichtliches Einschreiten aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs grundsätzlich möglich, da gemäß Art. 14 Abs. 2 BayBO die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Nutzung nicht gefährdet werden darf.
Allerdings ist im vorliegenden Fall eine derartige Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs im Sinne einer konkreten Gefahr durch die streitgegenständliche Einfriedung nicht erkennbar.
Insbesondere kann eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs nicht darauf gestützt werden, dass der 15 m lange Mauerabschnitt im südöstlichen Bereich ab einer Höhe von über 0,80 m ab Oberkante Straßenniveau in unzulässiger Weise in einem gemäß Nr. 6.3.9.3 RASt-06 freizuhaltenden Sichtfeld liegt.
Zwar sind hiernach an Knotenpunkten, Rad- und Gehwegüberfahrten und Überquerungsstellen für wartepflichtige Kraftfahrer, Radfahrer und Fußgänger Mindestsichtfelder, deren Breite von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der vorbeiführenden Straße abhängt, zwischen 0,80 m Höhe und 2,50 m Höhe von u.a. ständigen Sichthindernissen freizuhalten.
Allerdings stellen die RASt-06 zum einen schon kein verbindliches Regelwerk dar. Mit Rundschreiben des Bayerischen Staatsministerium des Innern, Oberste Baubehörde vom 11. Februar 2009 (im Folgenden: Rundschreiben; abrufbar unter: https://www.stmi.bayern.de/assets/stmi/vum/strasse/planung/iid9_einfuehrung_rast_20110209.pdf), wurden die RASt-06 zur Anwendung empfohlen (vgl. S. 1). Hieraus ergibt sich jedoch eindeutig, dass ihre Einhaltung gerade nicht verbindlich ist.
Zum anderen kann daraus, dass im Einzelfall ein nicht den RASt-06 entsprechender Zustand besteht, nicht abgeleitet werden, dass in diesem Fall eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs besteht, da es sich hierbei um ein Regelwerk handelt, das den Fall einer neu zu errichtenden bzw. herzustellenden Straße behandelt. Aus den Richtlinien selbst (vgl. bereits die Bezeichnung „Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen sowie S. 1 unter „0 Geltungsbereich und Aufbau“) sowie dem Rundschreiben ergibt sich, dass die RASt-06 zum einen für den Fall neu anzulegender und zu errichtender Straßen gelten und sie sich zum anderen insbesondere an den Träger der Straßenbaulast richten. Das Rundschreiben ist an die staatlichen Bauämter mit Straßenbauaufgaben und im Übrigen nachrichtlich an die Autobahndirektionen sowie jeweils den Bayerischen Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag gerichtet. Auf Seite 3 des Rundschreibens werden zudem ausdrücklich Hinweise für die Anwendung im kommunalen Straßenbau erteilt. All dies zeigt deutlich, dass die RASt-06 weder dafür konzipiert noch geeignet sind, Aussagen darüber zu treffen, in welchen Fällen sich Situationen an Kreuzungen oder Überquerungen so darstellen, dass aufgrund baulicher Gegebenheiten von einer Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehr auszugehen ist. Vielmehr geben sie lediglich einen aus planerischer Sicht im Zuge der Neuanlage oder Herrichtung einer Straße anzustrebenden Optimalzustand wieder.
Da die seitens des Landratsamts ins Feld geführte Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs letztlich allein mit dem Umstand des fehlenden Sichtfeldes gemäß Nr. 6.3.9.3 RASt-06 begründet worden ist und im Übrigen keine Umstände vorgetragen worden sind, aus denen sich Anhaltspunkte für eine konkrete Verkehrsgefährdung i.S.d. Art. 14 Abs. 2 BayBO ergeben, ist vorliegend das Bestehen einer derartigen Verkehrsgefährdung nicht nachgewiesen.
Zudem ist die Anordnung auch ermessensfehlerhaft, da im Rahmen der Ermessensbetätigung von einer bestehenden Gefahr für Leib und Leben von Verkehrsteilnehmern ausgegangen worden ist. Insoweit wurden unzutreffende Annahmen in die Abwägung eingestellt, sodass sie bereits deshalb fehlerhaft ist.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Landratsamts nicht nur Mauern wie die vorliegende sondern auch andere straßenseitige Einfriedungen üblicher Höhe und Ausführung in großem Umfang materiell baurechtswidrig wären. Im vorliegenden Fall schränkt beispielsweise die Einfriedung des östlichen Grundstücksnachbarn der Kläger, die deutlich höher als 0,80 m ist, bei Ausfahrt aus dem Grundstück der Kläger die Sicht nach links ebenfalls deutlich ein (vgl. Bl. 82 d.A.).
Aufgrund all dessen war der streitgegenständlich Bescheid rechtswidrig und somit insgesamt aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben