Baurecht

Zulässigkeit eines Rinderstalls im Außenbereich

Aktenzeichen  M 9 K 15.3708

Datum:
28.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Eine Privilegierung für einen geplanten Rinderstall eines Landwirts im Außenbereich ist zu verneinen, wenn das Vorhaben nicht auf einem schlüssigen und nachvollziehbaren Betriebskonzept beruht und die wechselnden Planungen des Bauherrn nicht erkennen lassen, dass die Rinderhaltung in Verbindung mit der Direktvermarktung, der Schafhaltung und der Hühnerhaltung zu einem Gewinn beitragen, der die Investitionskosten rechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Über den Bauantrag aus dem Jahre 2013 wurde bisher nicht entschieden.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Laufstalles für Rinder mit 16 bis 20 Liegeplätzen im Außenbereich, da das Vorhaben nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist. Der Kläger ist Landwirt. Der vorhandene und geplante Viehbestand rechtfertigt nicht den Neubau eines Rinderlaufstalles im Außenbereich mit 16 bis 20 Liegeplätzen. Ausweislich des Investitionskonzeptes und der vorgelegten Unterlagen hat der Kläger kein schlüssiges Betriebskonzept. Die vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind unter Berücksichtigung der Höhe der Investitionskosten und der geringen Zahl der Tiere auch bei Zugrundelegung einer Direktvermarktung nicht überzeugend. Nach Aktenlage hat der Kläger weitere Einkünfte aus nicht landwirtschaftlicher Tätigkeit.
Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB liegen nicht vor. Danach ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient. Dienen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine Baumaßnahme handeln muss, die ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung der Gewinnerzielungsabsicht und der größtmöglichen Schonung im Außenbereich planen würde. Nicht erforderlich ist, dass das Vorhaben für den landwirtschaftlichen Betrieb notwendig oder gar unentbehrlich ist (ständige Rechtsprechung BVerwG, U. v. 03.11.1972 – IV C 9.70 -). Vielmehr soll das Tatbestandsmerkmal des Dienens sicherstellen, dass das Bauvorhaben mit in etwa gleichem Verwendungszweck und in etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichtet würde. Deshalb genügt es nicht, dass der Bauherr Landwirt ist. Ein landwirtschaftlicher Betrieb muss durch eine spezifisch betriebliche Organisation gekennzeichnet sein. Er erfordert eine Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und es muss sich um ein auf Dauer angelegtes und auf Dauer lebensfähiges Unternehmen handeln, weshalb bei einer Neugründung an die Betriebseigenschaft stets strenge Anforderungen zu stellen sind (BayVGH, B. v. 27.08.2015 – 1 ZB 14.1655 -). Ob ein Betrieb auf Dauer lebensfähig ist, muss im Wege einer Prognose anhand der Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beantwortet werden (BVerwG, B. v. 08.07.2014 – 2 ZB 13.616 -). Ein insbesondere bei geringem Tierbestand wesentliches Indiz ist dabei die Gewinnerzielungsabsicht, wobei eine geplante Erhöhung der Zahl der Tiere Anhaltspunkt für die Dauerhaftigkeit des Betriebes sein kann (BVerwG, U. v. 13.04.1983 – 4 C 62.78 -). Wenn eine fachkundige Stelle attestiert, dass es sich um einen lebensfähigen Betrieb handelt, ist dies ein Indiz dafür, dass von einem nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen geführten Betrieb auszugehen ist. Der Gewinnerzielungsabsicht kommt bei einer Neugründung ein höherer Stellenwert zu.
Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es bei dem geplanten Rinderstall von vornherein an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Privilegierung, da das Vorhaben nicht auf einem schlüssigen und nachvollziehbaren Betriebskonzept beruht und die wechselnden Planungen des Klägers nicht erkennen lassen, dass die Rinderhaltung in Verbindung mit der Direktvermarktung, der Schafhaltung und der Hühnerhaltung zu einem Gewinn beitragen, der die Investitionskosten rechtfertigt. Der Viehbestand des Klägers ist nach wie vor klein. Ausweislich der von ihm vorgelegten Investitionskonzepte der …-… vom … Februar 2014 und vom … März 2016 hat der Kläger weitere, nicht landwirtschaftliche Einkünfte. Aus früheren Verfahren ist der Kammer bekannt, dass es sich u. a. um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handelt. Nach den nicht widerlegten Einlassungen des fachkundigen Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten macht der Kläger mit der Rinderhaltung Verluste. Sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung, dass er mittlerweile die Wagyu-Rinder auch züchte und als Dry-Aged-Fleisch vermarkte, ist neu und findet keinen Niederschlag in seinem Investitionskonzept, wonach es sich bei dem Viehbestand nur um Mastvieh handle. Auch insoweit ist nach wie vor kein planvolles Betriebskonzept erkennbar (BayVGH, B. v. 24.08.2015 – 2 ZB 14.2614 -; VG München vom 01.10.2014 – M 9 K 13.3942 -). Das Gericht folgt insoweit den überzeugenden Stellungnahmen des AELF, das mehrfach in seinen Stellungnahmen die fehlende Rentabilität des Neubaus eines Rinderstalles unter Berücksichtigung der verschiedenen Planungen des Klägers erläutert hat.
Ungeachtet des betrieblichen Gesamtkonzeptes, das sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sowie den Ausführungen des Klägers erneut in Teilen geändert hat und ungeachtet der fehlenden Wirtschaftlichkeit eines Neubauvorhabens dient der geplante Laufstall für Rinder mit 16 bis 20 Liegeplätzen auch deshalb nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb, da er ausweislich der Planungsziele des Investitionskonzeptes zu klein ist. Das Investitionskonzept der …-… vom … Februar 2014 und … März 2016 nennt als Ziel für 2018 die Erhöhung des Bestandes auf 24 Mastrinder. Diese Zahl ist der Wirtschaftlichkeitsberechnung und der Ermittlung des Deckungsbeitrages zugrunde gelegt worden. Tatsächlich haben in dem beantragten Laufstall nur 16 bis 20 Rinder Platz. Die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass die Kälber, die er mittlerweile züchte, genug Platz hätten, ist nicht Gegenstand des Bauantrages und findet keinen Niederschlag in seinem Investitionskonzept.
Darüber hinaus ist der Neubau eines Rinderlaufstalles im Außenbereich unter Berücksichtigung der vorhandenen Nebengebäude auf der Hofstelle nach dem Ergebnis des Augenscheins grundsätzlich auch als Umbau auf der Hofstelle möglich. An der Südseite befindet sich der jetzige Rinderstall neben einem abgeteilten Teil für die Hühnerhaltung sowie die Hackschnitzelheizung. Darüber liegt die Tenne. Im westlich daran angebauten Flügel sind fünf Garagen, die der Kläger teilweise vermietet. Das darüber liegende Geschoss möchte der Kläger zu einer Wohnung für seinen Sohn umbauen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Wohnhaus des Klägers zwei Ferienwohnungen sind und nach Angaben des Klägers in früheren Verfahren die zwei Häuser im unmittelbaren Anschluss an die Hofstelle seiner Ehefrau gehören und vermietet sind. Nach dieser Sachlage besteht keine erkennbare Notwendigkeit, aus Platzgründen den vorhandenen Rinderstall in einen Hühnerstall umzubauen, da eine entsprechende landwirtschaftliche Umnutzung der Nebengebäude im westlichen Flügel unter Berücksichtigung der größtmöglichen Schonung des Außenbereiches grundsätzlich Vorrang hat. Im Hinblick auf die Ferienwohnungen ist die Notwendigkeit des Neubaus einer weiteren Wohnung für den Sohn und die damit verbundene Umnutzung eines Nebengebäudes auf der Hofstelle nicht erkennbar.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, §§ 162 Abs. 3 i. V. m. 154 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 f. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 17.700,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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